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28.01.2020

2019-nCoV: Erster Fall Deutschland

Die erste bestätigte 2019-nCoV-Infektion in Deutschland sorgt für neue Aufregung um das Coronavirus aus Wuhan. Es handelt sich dabei um einen der ersten Fälle einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung außerhalb Chinas, die offenbar auch noch vor Ausbruch von Symptomen erfolgte. Das wirft neue Fragen in Bezug auf das Virusverhalten und bisherige Risikoeinschätzungen auf. Schließlich unterscheidet sich der deutsche Fall damit auch von denen in Frankreich – hier hatten sich die Betroffenen zuvor in Wuhan aufgehalten. Das „European Center for Disease Prevention and Control“ (ECDC) hatte das Risiko für eine Übertragung innerhalb von EU/EEA-Staaten bislang als gering eingestuft [I]. Wird sich die Einschätzung der Behörden durch die jüngsten Entwicklungen ändern? Welche Maßnahmen stehen jetzt an erster Stelle, um das Risiko einer weiteren Ausbreitung hierzulande so gering wie möglich zu halten?

Statement

Prof. Dr. Lars Schaade

Vizepräsident und Leiter des Zentrums für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

„Es scheint so zu sein, dass sich der Fall in Bayern angesteckt hat, während der Indexfall (die Person, von der die Ansteckung ausging) noch in der Inkubationszeit war, also noch keine Krankheitssymptome hatte. Hiervon wurde bereits aus China berichtet, allerdings ist noch unklar, ob dies Einzelfälle sind oder häufiger vorkommt. Wir nehmen dies zum Anlass, unsere Empfehlungen anzupassen, ab wann Patienten als infektiös gelten und wie mit Kontaktpersonen umgegangen werden soll. Es handelt sich um die zweite Mensch-zu-Mensch-Übertragung außerhalb Chinas, die erste war in Vietnam. Der Fall unterscheidet sich von denen Frankreich insofern, als dass die Person nicht selbst in China war, sondern mit einer Person aus China Kontakt hatte, die dienstlich in Deutschland war. Diese Person war bereits zurück in China, als ihre Diagnose gestellt wurde.“

„Auch nach dem Infektionsfall in Bayern schätzen wir die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung aus China derzeit weiterhin als gering ein. Mit einem Import von einzelnen Fällen nach Deutschland muss aber gerechnet werden. Auch einzelne Übertragungen in Deutschland sind möglich. ‎Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.“

Auf die Frage, ob sich daraus etwas auf die Entwicklung in China schließen lässt oder darauf, inwiefern die bisherigen Prognosen und Aussagen über die Virusepidemiologie zutreffen:
„Daraus lässt sich nicht direkt auf die Entwicklung in China schließen. Wir wissen einfach noch nicht, wie häufig asymptomatische Personen das Virus bereits ausscheiden. Es ist allerdings in den letzten Tagen deutlich geworden, dass das Virus leichter übertragen wird als zu Beginn des Ausbruchs angenommen. Das zeigen die Fallzahlen, aber auch die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Berechnung der Basisreproduktionsrate. Sie ist in etwa so hoch wie die des SARS-Coronavirus von 2003.“

Auf die Frage, wie jetzt Schritt für Schritt vorgegangen wird:
„Der Fall hatte Kontakt zu einem bestätigten nCoV-Fall und leichte Symptome einer Atemweginfektion. Daher ging er zu einem Arzt, der einen Test auf nCoV durchgeführt hat mit einem positiven Virusnachweis. Entsprechend den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts wurde der Patient isoliert und der Infektionsfall gemeldet. Das Gesundheitsamt ermittelt nun alle engen Kontaktpersonen und wird eine häusliche Quarantäne veranlassen, die bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem letzten Kontakt mit dem Patienten dauern wird. In dieser Zeit kontrollieren die Kontaktpersonen mit Hilfe eines Tagesbuchs ihre Gesundheit, das Gesundheitsamt erfasst die Daten täglich. Ist irgendetwas auffällig, wird die Person ebenfalls getestet und isoliert. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Infektionskette zu unterbrechen, dadurch eine Weiterverbreitung des nCoV und somit einen Tochterausbruch in Deutschland möglichst zu verhindern – das sogenannte Containment. Dafür ist es wichtig, dass echte Verdachtsfälle [1] und natürlich auch die bestätigten Fälle professionell im Krankenhaus isoliert werden, auch wenn sie vielleicht nur leicht erkrankt sind.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Keine angegeben.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] RKI (2020): 2019-nCoV: Verdachtsabklärung und Maßnahmen.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] ECDC (2020):  Outbreak of acute respiratory syndrome associated with a novel coronavirus,China; First cases imported in the EU/EEA; second update. Stand 26.01.2020.

Weitere Recherchequellen

Science Media Center Germany (2020): Erste Publikationen und Modellierungen zum Verhalten des neuen Coronavirus 2019-nCoV. Rapid Reaction. Stand: 26.01.2020.