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29.06.2020

Künstliches Uterusgewebe unterstützt Lebendgeburten

Die Herstellung von Gewebe- und Organersatz aus patienteneigenen Zellen in Kombination mit Biomaterialien kann geschädigte Organe wieder funktional machen. Auf diese Weise haben Wissenschaftler bereits erfolgreich funktionsfähige Gewebe für Blasen, Blutgefäße, Harnröhren und Vaginas erzeugt. Nun konnten US-amerikanische Forscher verletzte Gebärmütter von Kaninchen durch Behandlung mit körpereigenen Zellen soweit wiederherstellen, dass ein Teil der Tiere lebende Nachkommen zur Welt gebracht hat. Weiter entwickelt könnte ihre Technik eine Möglichkeit bieten, Unfruchtbarkeit durch Fehlfunktionen der Gebärmutter zu behandeln. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Biotechnology“ (siehe Primärquelle).

Für ihre Untersuchungen teilten die Forschenden die Versuchstiere, denen sie zuvor Teile des Uterus entfernt hatten, um eine Fehlfunktion herbeizuführen, in drei Gruppen. Gruppe eins implantierten sie ein biologisch abbaubares Polymergerüst, das sie zuvor mit körpereigenen Gebärmutterzellen beladen hatten. Gruppe zwei erhielt nur das stützende Polymergerüst ohne Zellen und bei Gruppe wurde der Operationsbereich lediglich zugenäht. Sechs Monate nach der Transplantation hatten sich nur in den mit Zellsaaten manipulierten Gebärmüttern Strukturen entwickelt, die dem Ursprungsgewebe ähnelten. In jener Testgruppe fanden zehn Lebendgeburten statt, vier dieser Nachkommen sind im Bereich des künstlichen Gewebes herangewachsen.

Etwa sechs Prozent der Frauen, die sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, haben eine Funktionsstörung der Gebärmutter [I]. Die bislang einzige Möglichkeit für Frauen mit komplettem Funktionsverlust der Gebärmutter, schwanger zu werden, ist eine Gebärmuttertransplantation. Die in der vorliegenden Studie verwendete Technik zur Unfruchtbarkeitsbehandlung zeigt nun im Tierversuch eine ähnliche Erfolgsquote wie bisher durchgeführte Gebärmuttertransplantationen [II] und umgeht durch die Verwendung körpereigener Zellen einige Probleme, die bei Gebärmuttertransplantationen auftreten. Möglicherweise könnte eine solche Technik der Gewebereparatur in Zukunft Frauen helfen, gesunde Kinder zu bekommen, die – von Geburt an oder durch Erkrankungen – funktionelle Teile ihrer Gebärmutter verloren haben.

 

Statement

Herr Prof. Dr. Matthias Beckmann

Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

„Die vorliegenden Studienergebnisse von Magalhaes et al. sind sowohl neu als auch klinisch relevant. Die Grundprinzipien, die im Tierversuch mit Kaninchen gezeigt worden sind, sind auf den Menschen übertragbar. Problematisch ist lediglich die Ausgangssituation der Frau, die so ein Transplantat bekommt. In der Studie war das räumliche Implantat mit Zellen besiedelt, die von der Gebärmutter des jeweiligen Kaninchen gewonnen worden sind. Das ist natürlich bei Frauen, die keine Gebärmutter und auch diesen Zelltyp nicht haben, nicht möglich. An dieser Stelle müssten künstlich gezüchtete Zellen genutzt werden. In der Form wäre diese Technik allerdings gut denkbar.“

„Sollten Frauen Gebärmutterzellen haben, die in das Modell eingängig sind, dann wäre diese Methode sicherlich eine Alternative zur Uterustransplantation von Spenderinnen. Die bis dato erfolgreichen Schwangerschaften nach Uterustransplantationen sind alle per Kaiserschnitt beendet worden. Auf diese Weise wurden auch die Nachkommen der Kaninchen im Studienexperiment auf die Welt geholt. Es können also, wenn die entsprechende Entwicklung des Gewebes und damit die im Rahmen des Wachstums während der Schwangerschaft notwendige Elastizität vorhanden ist, gegebenenfalls auch Schwangerschaften ausgetragen werden.“

Auf die Frage, was noch zu klären bleibt, bevor ein solches Verfahren Einzug in den klinischen Alltag halten könnte:
„Zu klären ist, inwiefern die Dehnbarkeit des Gewebes und der eingesetzten Struktur gegeben ist. Diese ist natürlich in der Größenordnung Mensch anders als beim Kaninchen, weil Menschen im Gegensatz meistens nur ein Kind während einer Schwangerschaft austragen und dieses in Relation größer ist. Zusätzlich müssen entsprechende Zelltypen vorhanden sein, um das Implantat zu bestücken. Kontraktionen, also ein Zusammenziehen der Gebärmutter, sind in dieser Form sicherlich nicht möglich, sodass grundsätzlich eine Entbindung per Kaiserschnitt nötig ist. Inwiefern die Durchblutung der vorhandenen Blutgefäße ausreichend ist oder ob es notwendig sein wird, die Blutgefäße mit dem Implantat zu verbinden, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch unklar. Grundsätzlich stellt die Methode aber eine mögliche Alternative zur Uterustransplantation dar, weil eben keine Operationen bei anderen Personen durchgeführt werden müssen, um ein Organ zu erhalten, welches dann transplantiert werden kann.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Matthias Beckmann: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Primärquelle

Magalhaes RS et al. (2020): A tissue-engineered uterus supports live births in rabbits. Nature Biotechnology. DOI: 10.1038/s41587-020-0547-7.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Centers for Disease Control and Prevention (2017): Assisted Reproduktion technology National Summary Report.

[II] Peters HE et al. (2020): Feasibility study for performing uterus transplantation in the Netherlands. Human Reproduction Open; 2020 (2): 1-9. DOI: 10.1093/hropen/hoz032.