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14.06.2023

Hinweis auf Bakterium als möglicher Auslöser von Endometriose

     

  • Fusobakterien könnten einer Studie zufolge eine Ursache für Endometriose sein
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  • Antibiotika wären demnach womöglich als neue Therapieoption geeignet
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  • Experte: wichtige These, aber weitere Forschung am Menschen notwendig
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Fusobakterien könnten ein Auslöser für die Unterleibs-Erkrankung Endometriose sein. Das berichten Forschende im Fachblatt „Science Translational Medicine“ (siehe Primärquelle). In einer Gruppe von 155 Frauen wiesen demnach 64 Prozent der Patientinnen mit Endometriose, aber weniger als 10 Prozent der Kontrollpersonen Fusobakterien in der Gebärmutterschleimhaut auf.

Endometriose ist eine lähmende und schmerzhafte Erkrankung, die entsteht, wenn sich Gewebe, das normalerweise die Gebärmutterhöhle auskleidet, in den Eierstöcken und anderen Geweben außerhalb der Gebärmutterschleimhaut bildet. Die Ursache für die Erkrankung ist bisher nicht geklärt.

Mithilfe biochemischer Analysen fand das Forschungsteam in Laborversuchen heraus, dass Infektionen mit Fusobakterien in Zellen der Gebärmutterschleimhaut das Signalmolekül TGF-β auslösen. Dieses wiederum führt dazu, dass sich zuvor inaktive Fibroblasten in Myofibroblasten umwandeln. Fibroblasten sind Zellen, die ein Hauptbestandteil des Bindegewebes sind. Myofibroblasten dagegen sorgen eigentlich nach Verletzungen für die Wundheilung und Narbenbildung. Werden sie übermäßig produziert, können sie das Gewebe stark verändern.

Bei Mäusen, denen Fusobakterien injiziert wurden, verschlimmerten sich der Studie zufolge die für die Endometriose typischen Gewebeveränderungen (Läsionen). Eine anschließende Antibiotikabehandlung ließ die Läsionen schrumpfen und verhinderte die Entstehung von Endometriose. Antibiotika könnten demnach eine einfache Therapieoption bieten, so die Forschenden. Die bisherige Behandlung kann je nach Schwere der Symptome und den individuellen Umständen der Frau variieren. Sie kann Schmerzmittel, hormonelle Therapien zur Unterdrückung des Menstruationszyklus, operative Eingriffe zur Entfernung des Endometriosegewebes oder in einigen Fällen eine vollständige Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke umfassen.

Die Forschenden betonen, dass es sich bei ihren Beobachtungen bei betroffenen Frauen lediglich um eine Korrelation zwischen Bakterium und Krankheit handelt. Ob Fusobakterien Auslöser, Folge oder Nebensache von Endometriose sind, wird letztlich nicht eindeutig gezeigt. Unklar ist damit auch, warum es bei einigen Frauen zur Infektion der Gebärmutterschleimhaut kommt. Laut Studie ist eine Übertragung über die Mundhöhle oder die Vagina denkbar.

Auch das Mausmodell weist Einschränkungen auf: Mäuse haben keinen Menstruationszyklus und entwickeln keine spontane Endometriose. Daher mussten für die Untersuchungen krankheitstypische Läsionen durch die Injektion von zerkleinertem Gebärmutterschleimhautgewebe ausgelöst werden. Eine einfache Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen ist unter anderem deshalb nicht möglich.

Statement

Prof. Dr. Matthias Beckmann

Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

„Das scheint jetzt auf den ersten Blick die Helicobacter-Darmkrebs-Version bei Endometriose zu sein. Vom Bakterium Helicobacter wissen wir heute, dass es Magen- und Darmkrebs verursachen kann. Und auch bei anderen Keimen sind solche Mechanismen ja beobachtet worden, etwa beim Humanen Papillomavirus (HPV) oder beim Epstein-Barr-Virus. Die in dieser Studie vorgestellte Idee, Fusobakterien könnten Endometriose mitverusachen, ist deshalb erst einmal interessant und nicht vollkommen abwegig. Doch sollte man dies jetzt auch nicht auf Grundlage dieser Arbeit postulieren. Ich bewerte die Studie eher als spannende Hypothesenbildung, nicht als finales Ergebnis.“

„Das verwendete Mausmodell ist an sich sehr sauber und die Tests gut durchgeführt, aber die Maus kann hier definitiv nicht als ,typisch Frau’ angesehen werden. Entsprechende Limitationen führen die Autoren ja auch auf. Auch sind die in den Laboruntersuchungen beschriebenen Fibroblasten höchstwahrscheinlich nicht der entscheidende Bestandteil bei der Endometriose. Neben dem Schleimhautgewebe ist maßgeblich auch das Drüsengewebe beteiligt – und Drüsen reagieren stark hormonell. In der Studie wird auch nicht genau klar, welche Art von Läsionen die Autoren letztlich beobachtet haben. Zudem weiß man zu wenig über die Patientinnen: Werden sie zum Beispiel schon wegen Endometriose behandelt? Wenn ja, mit was? Nehmen sie die Pille? Und ist die Endometriose erstmalig oder schon ein Rezidiv? Das alles ist nicht erläutert, wäre aber wichtig zu wissen.“

„Dass Antibiotika womöglich bei der Endometriose helfen könnten, ist aber trotzdem ein wichtiger Gedanke. Wir haben selbst schon Untersuchungen zum CRP-Wert gemacht. Dieser Entzündungswert ist auch bei Endometriose erhöht, er dient landläufig als Entscheidungskriterium für den Einsatz eines Antibiotikums. Diese mögliche Therapie ist letzten Endes auch das Spannendste an dieser Studie, finde ich. Bei der Erforschung der Endometriose ist in den vergangenen Jahren wenig Geld geflossen. Jetzt gab es jüngst mal eine Finanzspritze des Bunds. Neue Thesen zur Ursache der Endometriose oder zur möglichen Therapie sind daher erst einmal sehr willkommen – auch wenn diese Studie jetzt noch nicht auf ein Level mit der Entdeckung, dass HPV Gebärmutterhalskrebs verursachen kann, zu setzen ist.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Keine Angaben erhalten.

Primärquellen

Muraoka A et al. (2023): Fusobacterium infection facilitates the development of endometriosis through the phenotypic transition of endometrial fibroblasts. Science Translational Medicine. DOI: 10.1126/scitranslmed.add1531.