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22.10.2019

Folgen von Ökolandbau für das Klima

Bei einer kompletten Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion auf Methoden des Ökolandbaus würden mehr Treibhausgase emittiert. Während der Ausstoß regional zurückginge, würde sich die globale Bilanz hin zu mehr Emissionen verschieben.
Zu diesem Ergebnis kommt das Autorenteam um Laurence Smith von der Royal Agricultural University in England. Es hat die Auswirkungen eines konsequenten Umstiegs von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft in England und Wales berechnet. Das Ergebnis: Die Treibhausgasemissionen durch Getreide- und Gemüse-Anbau würden zwar um 20 Prozent, die aus der Nutztierhaltung um 4 Prozent zurückgehen. Gleichzeitig gingen aber auch die Erträge um bis zu 40 Prozent zurück. Deswegen müssten zusätzlich Nahrungsmittel aus anderen Ländern importiert werden. Durch den zusätzlichen Anbau und die damit verbundene Umwidmung von Flächen in den Staaten, aus denen die Importe bezogen würden, durch die dort weiterhin betriebene konventionelle Landwirtschaft und durch den Transport entstünden so viele zusätzliche Treibhausgasemissionen, dass die regionalen Emissions-Einsparungen übertroffen würden.
Die Autoren schlussfolgern, dass ohne eine veränderte Ernährung der Menschen eine weitgehende Umstellung auf ökologische Landwirtschaft nicht ohne zusätzliche Treibhausgasemissionen möglich sei.
Die Studie wurde am 22.10.2019 im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Klaus Butterbach-Bahl, Leiter der Abteilung Bio-Geo-Chemische Prozesse, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen
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  • Dr. Adrian Müller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL und Institut für Umweltentscheidungen, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
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  • Dr. Stefan Frank, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm Ökosystemdienstleistungen und Management, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich
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Statements

Prof. Dr. Klaus Butterbach-Bahl

Leiter der Abteilung Bio-Geo-Chemische Prozesse, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen

„Das ist ein sehr interessanter Artikel, der methodisch sauber ist, wenn auch basierend auf eine Reihe von Modellierungsannahmen. Er zeigt klar und deutlich auf, dass wir bei vollständiger Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion auf Ökolandbau die Nahrungsmittelimporte massiv erhöhen müssten. Vorausgesetzt natürlich, dass wir unsere Ernährungsgewohnheiten nicht ebenfalls massiv ändern würden. Eine Reduktion des ‚Food Waste‘ könnte hier natürlich helfen, aber das wird sicher nicht reichen, um die 40 Prozent geringere Nahrungsmittelproduktion auszugleichen. Ökolandbau ist ein wunderbares Konzept, aber es reicht eben nicht aus, um den Nahrungsmittelbedarf unserer Bevölkerung zu decken. In gewissem Maße ist dies eine Luxuserscheinung bei der wir, solange wir nicht zum Verzicht und zur Umstellung von Ernährungsgewohnheiten bereit sind, die Umweltprobleme in Länder verlagern die a) zum Teil aus klimatischen und bodenkundlichen Gründen nicht so gut für landwirtschaftliche Produktion geeignet sind wie Länder in Zentraleuropa (und somit auch nicht unbedingt unsere Flächenerträge erreichen) und b) oft nicht so strengen Umweltauflagen unterliegen (wobei man sicher diskutieren kann, dass diese bei uns auch nicht streng genug sind). Das heißt, im globalen Maßstab bilden wir unser Paradies auf Kosten anderer. Das wird den anderen Ländern sicher auch irgendwann bewusst.“

„Mein Eindruck ist, dass diese Studie sehr fundiert und kritisch mit Eingangsdaten und Abschätzungen umgegangen ist, und sich daraus nachvollziehbar die höheren Emissionswerte erklären lassen. Generell sind solche Studien, gerade auf nationaler und EU Ebene, sehr wichtig, weil sie zeigen, dass die Umstellung auf Ökolandbau durchaus ungewollte Konsequenzen haben kann (in anderen Ländern) und nicht zu einer globalen Reduktion der Treibhausgasemissionen aus dem sogenannten LULUC (Land Use and Land Use Change) Sektor beiträgt.“

„Basierend auf Abschätzungen der EU werden circa 50 Prozent der für den menschlichen Konsum produzierten Nahrungsmittel letztendlich nicht konsumiert (weltweit 30 Prozent) [1]. Die Reduktion der Nahrungsmittelproduktion bei Umstellung auf Ökolandbau in der Studie liegt bei circa 40 Prozent. Obwohl beide Bereiche, das heißt ‚Food Waste‘ und verringerte Nahrungsmittelproduktion, sich theoretisch aufheben könnten, ist es etwas illusorisch anzunehmen, dass letztendlich keine Nahrungsmittel mehr weggeschmissen werden. Die EU hofft, den Food Waste um 50 Prozent zu reduzieren. Zudem muss man berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich nicht Selbstversorger bei Nahrungsmitteln ist, das heißt, dass auch jetzt schon im großen Maßstab Nahrungs- und Futtermittel importiert werden. Das heißt eine nachhaltige, regionale Versorgung ist allein durch Ökolandbau wahrscheinlich nicht machbar, auch wenn der Food Waste auf Null (was definitiv nie der Fall sein wird) gedrückt werden könnte. Hier hilft nur zusätzliche Umstellung von Ernährungsgewohnheiten.“

Auf die Frage, warum die Studie ein in der Praxis unrealistisches Szenario durchrechnet und inwiefern es ein Gleichgewicht zwischen konventioneller und Ökolandwirtschaft gibt:
„Für mich ist dies eine Szenarienstudie, in der man dies grundsätzlich fragen darf. Sie zeigt für mich, dass Ökolandbau und Ökoprodukte zu massiv höheren Preisen bei der Nahrungsmittelversorgung führen würden, was für viele einkommensstärkere Personengruppen kein wesentliches Problem ist, aber andere Gruppen eventuell ausschließt. Es ist also eine Luxusfrage bei der Ernährung. Generell benötigen wir Studien, die im globalen Maßstab über Produktion von Nahrungsmittel nachdenken müssen, so dass wir eben nicht unsere Umweltprobleme externalisieren. Und bei einer solchen Studie wären es mit Sicherheit die temperaten Breiten, das heißt hier eben auch Europa, die aufgrund klimatischer und edaphischer (Boden) Faktoren am besten für Nahrungsmittelproduktion geeignet sind. Eine Auslagerung in schlechter geeignete Gebiete bedeutet damit meistens eine relative Ausdehnung der benötigten Fläche.“

„Treibhausgasminderungen in der Landwirtschaft können aber nicht nur durch Ökolandbau, sondern eben auch durch andere Maßnahmen wie zum Beispiel angepasste Düngung (precision agriculture), bessere Humusbodenbewirtschaftung, verbessertes Residuenmanagement, angepasste Fütterung, verbessertes Wirtschaftsdüngermanagement, Vernetzung von Tier- und Getreideproduktion und so weiter erreicht werden. Die Potentiale hier sind beileibe nicht ausgeschöpft, da die Umweltkosten, insbesondere im Hinblick auf die Freisetzung von THG (Treibhausgase; Anm. d. Red.) bisher nicht berücksichtigt werden.“

Auf die Frage, wie Ökolandwirtschaft lokal und überregional zu bewerten ist:
„Regional positiv für die Gebiete mit Ökolandbau, aber wahrscheinlich negativ im globalen Maßstab. Siehe oben bei der Externalisierung der Umweltprobleme. Natürlich ist der Ökolandbau positiv und viele der Konzepte, wie besonders die Kreislaufwirtschaft bei Nährstoffen, die verstärkte Einbindung von Leguminosen in Fruchtfolgen oder die erforderliche Verschränkung von Getreide- und Viehwirtschaft, sollten auch bei konventioneller Landwirtschaft verstärkt berücksichtigt werden. Insgesamt kann aber vieles nur durch Umstellung von Ernährungsgewohnheiten erreicht werden.“

„Ich denke, dass die Ergebnisse der Studie prinzipiell auf Deutschland und die Schweiz übertragbar sind.“

Dr. Adrian Müller

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL und Institut für Umweltentscheidungen, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz

„Die Methodik der Studie ist gut. Kritisieren kann man teils gewisse Annahmen – zum Beispiel mit welcher Art Leguminosen (die Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchtler; Anm. d. Red.) die biologischen Fruchtfolgen umgesetzt werden. Da scheint es sich vor allem um Futterleguminosen/Kleegras zu handeln, und viel weniger um für die menschliche Ernährung geeignete Hülsenfrüchte, die aber auch in den Fruchtfolgen Platz finden könnten.“

„Die Studie bestätigt bisheriges Wissen. Allfällig teils auch widersprüchlich erscheinende Resultate lassen sich auf unterschiedliche Annahmen zurückführen, zum Beispiel darüber, wieviel Reduktion an Abfällen und Kraftfutter/Futtermais angenommen wird. Die Szenarien von Smith et al. bleiben dabei recht nah am Business-as-usual, während einige Szenarien in Muller et al. 2017 [2] zum Beispiel von einer starken Reduktion der Kraftfuttermittel und von Futtermais (von allem Food-competing-feed) und Abfällen und Verlusten ausgehen. Bei den reinen Bioszenarien (ohne zusätzliche Strategien wie Abfallvermeidung und konsequente Kraftfuttermittelreduktion) ist der Landbedarf bei Smith et al. recht hoch – dies spiegelt die vergleichsweise hohen Erträge im konventionellen System wider (dies wird auch in der Studie betont). Bei einer globalen Modellierung wie zum Beispiel in [2] sind aber auch Länder mit tieferen Ertragsniveaus abgedeckt, bei denen die Unterschiede dann kleiner wären.“

Auf die Frage, was die Studie an neuen Erkenntnissen liefert und ob diese einen entscheidenden Beitrag zur Debatte liefern:
„Die Studie liefert eine sehr detaillierte Analyse für ein Land und zeigt dort konkret die besonderen Herausforderungen auf. Ein wichtiger Punkt sind auch die Anzahl Flächen, die in den Fruchtfolgen unter Futterleguminosen stehen. Da gibt es teils große Ungewissheiten, was wo möglich wäre, insbesondere für Zwischenkulturen – je nachdem, was hier angenommen wird, würde der Flächenbedarf auch wieder tiefer ausfallen.“

„Sie liefert detaillierte Berechnungen, deren Resultate aber teils von der Situation in England/Wales abhängen und somit nicht generell vergleichbar sind (zum Beispiel, dass zusätzliche Leguminosen vor allem auf schweren nassen Böden angebaut werden). Sie ist somit nicht entscheidend, zeigt aber beispielhaft auf, wie man sowas gut in einem nationalen/regionalen Kontext rechnen sollte.“

Auf die Frage, inwiefern es denkbar wäre, den Nahrungsbedarf zu großen Teilen aus Ökolandwirtschaft zu decken, wenn die Verschwendung von Nahrungsmitteln oder der Fleischkonsum reduziert würde und inwiefern ein solcher Umstieg ökologisch und gleichzeitig nachhaltig möglich wäre:
„Das ist ein Kernaspekt, der meiner Meinung nach zu kurz kommt. Da hätte die Studie noch vermehrt die Annahmen zum Produktions- und Konsumniveau diskutieren können. Dies ist genau der Ansatz, der in [2] und weiteren Studien verfolgt wird und zeigt, dass eine Umstellung auf Bio in Kombination mit diesen weiteren Strategien das Potential hat, die Ernährung sicherzustellen, und zwar bei tieferem Landbedarf und tieferen Treibhausgas (THG)-Emissionen als das entsprechende konventionelle Referenzszenario mit hohen Abfallanteilen und hohem Konsum an tierischen Produkten.“

„Es geht darum, nicht nur über nachhaltige Produktion zu sprechen, sondern immer das gesamte Ernährungssystem und insbesondere auch den Konsum im Auge zu haben. Beim Konsum sind dann die zentralen Aspekte die Abfälle und die Anteile tierischer Produkte in der Diät. Wichtig ist auch, dass eine Nachhaltigkeitsbeurteilung mehr als ‚nur ‘ Landnutzung und THG umfasst. Es geht dabei auch um Stickstoff- und andere Nährstoffüberschüsse, um Toxizität, um Erosion und Bodendegradation und so weiter. Dies ist insbesondere im Kontext der Klimaverhandlungen wichtig – man darf sich dadurch nicht dazu drängen lassen, die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft primär über THG-Emissionen zu erfassen – dies ist nur ein Indikator unter vielen. Der Ökolandbau ist ein System, das das Potential hat, bei großflächiger Umsetzung in Kombination mit den konsumseitigen Strategien in einer Reihe von Nachhaltigkeitsindikatoren leidlich gut abzuschneiden – wenn auch in keinem am besten. Insofern ist das konventionelle System betreffend Landnutzung immer besser als das biologische – aber wenn man die anderen Indikatoren dazu nimmt, dann liefert der Biolandbau eher ein umfassend nachhaltiges System als der konventionelle (siehe zum Beispiel [2]).“

Auf die Frage, warum die Studie von einem 100-prozentigen Anteil Ökolandwirtschaft ausgeht, obwohl dieser Wert unrealistisch ist:
„Die Rolle solcher Modellierungen liegt darin, den ‚Raum der Möglichkeiten‘ für das zukünftige Ernährungssystem abzustecken und auszuloten und Zielkonflikte und Synergien zwischen verschiedenen Aspekten zu identifizieren. Niemand erwartet, dass wir in einigen Jahren zu 100 Prozent auf Bio umstellen – das wäre auch nicht unbedingt die beste Lösung – aber diese Modellierungen zeigen, was möglich wäre und was nicht, und wo dann besondere Herausforderungen liegen. Muller et al. zum Beispiel betrachten in [2] Umstellungen auf Bio von 20 Prozent, 40 Prozent, 60 Prozent, 80 Prozent und 100 Prozent – kombiniert mit verschiedenen Umsetzungen von Abfall- und Kraftfutterreduktionen. Dabei zeigt sich dann, dass zum Beispiel eine Umstellung auf 60 Prozent Bio noch gut machbar sein könnte, ohne in irgendeinem Indikator schlecht dazustehen. Deshalb wäre es auch interessant, in der Studie von Smith et al. verschiedene Anteile Bio gerechnet zu haben, um aufzuzeigen, welche Anteile dort noch mit welchen Auswirkungen einhergingen.“

Auf die Frage, ob es ein sinvolles Gleichgewicht zwischen Öko- und konventioneller Landwirtschaft gibt, das die Nahrungsversorgung sicherstellt und Treibhausgasemissionen nicht signifikant steigert und inwiefern die regional positiven Aspekte der Ökolandwirtschaft den zusätzlichen CO2‐Ausstoß rechtfertigen oder aufwiegen:
„Siehe oben – das wäre eben interessant, wenn das gerechnet worden wäre. In [2] für die globale Umstellung auf Bio liegt das zum Beispiel bei 60 Prozent Bio, 50 Prozent Abfallreduktion und 50 Prozent Kraftfutterreduktion – wobei weitere Reduktionen natürlich noch höhere Bioanteile ermöglichen würden – aber auch schwieriger zu realisieren wären.“

„THG-Ausstoß und andere Indikatoren lassen sich nicht ‚aufwiegen‘. Aber ich bin der Meinung, dass man bei Indikatoren, die Zielkonflikte aufweisen, eine mittlere Balance anstreben sollte – wie oben gesagt: Es geht darum, ein Ernährungssystem umzusetzen, das in allen Nachhaltigkeitsindikatoren leidlich gut dasteht, und nicht eines, das in einem Indikator maximal gut ist, in anderen aber vielleicht recht schlecht.“

Auf die Frage, ob es positive Aspekte der Ökolandwirtschaft gibt, die überregionale oder globale Bedeutung haben:
„Da die Landwirtschaft global große Flächen belegt, hat die Art, wie diese kultiviert werden, sehr wohl eine globale/überregionale Bedeutung. Die positiven Effekte bezüglich Nährstoffverlusten (die Biosysteme haben im Schnitt viel weniger Stickstoffeinträge als die gängigen konventionellen, welche teils massiv überdüngt werden) und Toxizität (aus der Pestizidnutzung) gehören dazu.“

Auf die Frage, inwiefern die grundsätzlichen Erkenntnisse der Studie auf Deutschland, Österreich und die Schweiz übertragbar sind:
„Dies sind auch Länder mit relativ hohen Erträgen, so würde sich eine Umstellung auf biologische Landwirtschaft dort ähnlich auswirken. Wie es im Detail aussieht, hängt aber von den lokalen Gegebenheiten ab, auch von den Anteilen Ackerland, Grasland und importierten Kraftfuttermitteln, von den Anteilen Getreide, Futtermais und so weiter. Bei Berechnungen, die wir für die Schweiz und Österreich durchgeführt haben, führte eine Umstellung auf Bio zu weniger drastischen Einbußen (25-30 Prozent statt 40 Prozent). Wir hatten aber höhere Anteile an für die menschliche Ernährung geeignete Leguminosen in den biologischen Fruchtfolgen angenommen. Was auch zu großen Unterschieden führen kann ist die Relevanz von Kulturen mit hohen Ertragslücken zwischen Bio und konventionell: Da scheint es in England/Wales sehr hohe Anteile an Getreide/Hackfrüchten (Kartoffeln/Zuckerrüben) zu geben, die eher hohe Ertragslücken aufweisen – anders als zum Beispiel Hülsenfrüchte oder Raps, was in der Schweiz relativ ein wenig wichtiger ist. Auch eine Rolle spielt, welche Ertragslücke zwischen Bio und konventionell angenommen wird. Für die THG-Emissionen ist es auch sehr relevant, was wo auf welchen Böden wie angebaut wird, wie der Hofdünger gelagert und ausgebracht wird und so weiter.“

Dr. Stefan Frank

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm Ökosystemdienstleistungen und Management, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich

„Die Studie liefert einen interessanten ‚Was-wäre-wenn-Blick‘ auf mögliche Produktions- und Treibhausgaseffekte, die eine komplette Umstellung auf biologische Landwirtschaft in England und Wales nach sich ziehen könnte. Während die nationalen Ergebnisse auf einem detaillierten Betriebsmodell basieren, wurde für die Quantifizierung möglicher ‚Leakage‘ Effekte durch Landnutzungsänderungen außerhalb Englands und einhergehende Emissionen eine sehr vereinfachte Berechnungsmethode gewählt. Eine der Hauptschlussfolgerung des Artikels, nämlich dass nationale Emissionseinsparungen bei der Umstellung auf biologische Landwirtschaft durch einen Anstieg der Landnutzungsemissionen im Ausland überkompensiert werden, ist deshalb nur bedingt aussagekräftig und kann auch aufgrund der limitierten Daten im Artikel nicht genauer überprüft werden.“

„Derzeit landen in etwa 25-30 Prozent der weltweit produzierten Agrarprodukte nicht im Magen der Konsumenten, sondern gehen auf dem Weg dorthin verloren, zum Beispiel durch Ernteverluste oder Nahrungsmittelabfälle. Zusätzlich kann die Anpassung der Ernährung in Ländern mit hohem Fleischkonsum einen Beitrag leisten, um den prognostizierten Anstieg der Lebensmittelproduktion einzudämmen. Neben diesen nachfrageseitigen Maßnahmen, wäre dennoch eine weitreichende Umstellung auf Ökolandbau auf globaler Ebene nur bei entsprechenden Erträgen realisierbar. In einer kürzlich veröffentlichten Studie in Nature Sustainability zeigen Hasegawa und Kollegen [3] aber, dass nicht zwingend die landwirtschaftliche Fläche weiter ausgeweitet werden muss, um die Welt in 2030 zu ernähren und gleichzeitig Unterernährung global zu bekämpfen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Adrian Müller: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Smith L et al. (2019): The greenhouse gas impacts of converting food production in England and Wales to organic methods. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-019-12622-7.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Website des Europäischen Parlaments (2017): Food waste: the problem in the EU in numbers [infographic].

[2] Müller A et al (2017): Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-017-01410-w.

[3] Hasegawa T et al. (2019) Tackling food consumption inequality to fight hunger without pressuring the environment. Nature Sustainability. DOI: 10.1038/s41893-019-0371-6.