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03.03.2022

Dopamin aktiviert REM-Schlafphase in Mäusen

Für den Eintritt in die Traumschlafphase spielen erhöhte Werte des Nervenbotenstoffs Dopamin in einer Schlüsselregion des Gehirns eine wichtige Rolle. Das zeigt eine Studie an Mäusen, die am 03.03.2022 im Fachjournal „Science” erschienen ist (siehe Primärquelle). Darüber hinaus konnten die Forschenden anhand der Tierversuche zeigen, dass dieser Dopaminanstieg auch im Zusammenhang mit dem Symptom Kataplexie bei Narkolepsie stehen könnte, bei dem Betroffene im wachen Zustand plötzliche Muskelschwäche erleiden.

Bei Säugetieren ist der Schlaf durch abwechselnde Perioden gekennzeichnet: Das Stadium, in dem Träume auftreten, die REM (Rapid Eye Movement)-Schlafphase, folgt auf mehrere nicht-REM-Phasen (NREM-Phasen). Dieser Zyklus setzt sich bis zum Aufwachen fort. Wie das Gehirn den Schlaf und den Zyklus zwischen den Schlafstadien reguliert, ist bisher nicht gut verstanden. Der Botenstoff Dopamin wird meist mit Vergnügen und Sucht in Verbindung gebracht, kann aber laut pharmakologischen Studien auch den REM-Schlaf beeinflussen. Dennoch fehlt Dopamin in den meisten gängigen Forschungsmodellen des REM-Schlafs.

Um den Einfluss von Dopamin auf die Schlafphasen zu erforschen, untersuchte das Team zuerst die Dopaminlevel in verschiedenen Gehirnregionen bei Mäusen. Sie beobachteten, dass kurz vor dem Übergang in den REM-Schlaf vorrübergehend Dopamin in einem Teil des Gehirns, der basolateralen Amygdala, ausgeschüttet wurde. Nachfolgend stimulierten sie mithilfe von optogenetischen Methoden Nervenfasern, die Dopamin ausschütten sowie Fasern, die Dopamin empfangen, während der NREM-Phase und bewirkten damit einen Übergang in den REM-Schlaf.

In einem weiteren Schritt beobachteten die Autoren an narkoleptischen Mäusen, dass Dopaminlevel in der Amygdala auch vor Kataplexie-Episoden anstieg. In Wildtyp-Mäusen konnten sie sogar Kataplexie-ähnliche Episoden auslösen, wenn sie gezielt die Dopaminausschüttung in der Amygdala anregten.

Die Autorin und der Autor eines parallel erscheinenden Perspektive [I] betonen das Potenzial der in der Studie verwendeten Methode gezielt Nervenfasern in der Amygdala zu stimulieren für die therapeutische Anwendung bei Narkolepsie oder auch Parkinson. Inwiefern die Erkenntnisse allerdings auf Menschen übertragbar sind und ob aus der Studie therapeutische Ansätze für Narkolepsieerkrankte erwachsen, erläutert eine Expertin in dem nachfolgenden Statement.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Anita Lüthi, Leiterin der Forschungsgruppe neuronale Funktionen des Schlafes in der Abteilung für Grundlegende Neurowissenschaften, Universität Lausanne, Schweiz
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Statements

Prof. Dr. Anita Lüthi

Leiterin der Forschungsgruppe neuronale Funktionen des Schlafes in der Abteilung für Grundlegende Neurowissenschaften, Universität Lausanne, Schweiz

„Diese Arbeit beschreibt einen neuronalen Signalweg, der den Übergang zwischen den zwei wichtigsten Schlafstadien der Wirbeltiere, dem Non-REM und dem REM-Schlaf, kontrolliert und vom Neurotransmitter Dopamin gesteuert wird. Diese Studie reiht sich in eine Serie von Hinweisen dafür ein, dass der Schlaf vom neuromodulatorischen Gesichtspunkt aus viel dynamischer ist als bislang bekannt. Erstaunlicherweise sind es gerade die monoaminergen Neuromodulatoren (dazu gehören neben Dopamin auch Noradrenalin [1] und Serotonin; Neuromodulatoren, die eine Aminogruppe enthalten; Anm. d. Red.), die wir bislang vor allem mit dem aufmerksamen und motivierten Wachzustand verbunden haben, die hier eine wichtige Rolle übernehmen. Diese neuen Einsichten sind möglich, weil neue hochempfindliche Biosensoren zur Verfügung stehen, die über das Aussenden von Lichtsignalen Aufschluss über die lokal freigesetzten Mengen an Neuromodulatoren geben.“

„Non-REM und REM-Schlafstadien sind beide sehr wichtig für unsere Schlafqualität. Wir wissen viel über die neuronalen Mechanismen, die für diese beiden Schlafstadien zuständig sind und wir kennen die Funktionen, die sie ausüben. Dahingegen wissen wir viel weniger darüber, wie und wann die Übergänge zwischen den beiden Schlafstadien geregelt werden. Dies zu verstehen ist aber sehr wichtig, denn die Dauer des REM-Schlafs wird durch ganz viele Faktoren bestimmt. Dazu gehören Alter, Sauerstoffgehalt der Luft, Umgebungstemperatur, aber auch unsere körperliche und psychische Verfassung. Entsprechend ist das neuronale Netzwerk, das den REM-Schlaf steuert, sehr komplex.“

„Diese neue Studie zeigt überraschenderweise, dass Dopamin in diesem Netzwerk eine wichtige Rolle spielt. Ganz bemerkenswert ist das sprunghafte und kurze Ansteigen des Dopamins beim Einsetzen des REM-Schlafs. Von dem dopaminergen Projektionssystem in die Amygdala ist bisher vor allem bekannt, dass es im Wachzustand bei überraschenden sensorischen Erfahrungen aktiviert wird [2]. Wie es während des Schlafes aktiviert wird, und ob die oben genannten Faktoren eine Rolle spielen oder ob neue dazukommen, ist noch völlig unbekannt.“

„Sicherlich eröffnen sich weitergehende Fragestellungen: Es wird wichtig sein, zu verstehen, wie dieser Dopaminanstieg während des Schlafes ausgelöst wird. Dadurch wird man insbesondere die Funktion des REM-Schlafes besser verstehen. Der Übergang zwischen nicht-REM und REM-Schlaf ist zudem durch mehrere charakteristische Parameter der Hirnoszillationen (rhythmische elektrische Potenziale in den Hirnarealen, die sich synchronisieren müssen, um Informationen auszutauschen; Anm. d. Red.), der Herzrate und des Muskeltonus charakterisiert. Es wird wichtig sein, genau zu quantifizieren, wie diese Parameter zeitlich mit dem Dopaminanstieg in Zusammenhang stehen. Auch die Mechanismen, die den REM-Schlaf nach dem Dopaminanstieg auslösen, sind in der Studie zwar in wichtigen Schritten angegangen, aber noch nicht vollständig geklärt.“

Die veränderten Dopamin-Signale im etablierten Narkolepsie-Mausmodell sind sehr bemerkenswert und deuten darauf hin, dass das Dopaminsystem besonders empfindlich auf den Verlust der orexinergen Innervation reagiert (durch das Neuropeptid-Hormon Orexin angeregte Leitung der Reize durch die Nerven; Anm. d. Red.). Aufsehenerregend ist auch die Tatsache, dass Kataplexie-Anfälle in gesunden Tieren induziert werden können, wenn die dopaminerge Erregung in der Amygdala stark stimuliert wird. Wir haben es hier mit der Entdeckung eines bislang unbekannten Signalwegs für die Auslösung der Muskelatonie in der Narkolepsie zu tun. Das Mausmodell gilt als gutes Modell für den Krankheitsverlauf beim Menschen. Ob solche Veränderungen auch im Patienten stattfinden, bleibt allerdings nach wie vor abzuklären, was wiederum komplexe bildgebende Verfahren verlangt.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Hasegawa E et al. (2022): Rapid eye movement sleep is initiated by basolateral amygdala dopamine signaling in mice. Science. DOI: 10.1126/science.abl6618.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Osorio-Forero A et al. (2021): Noradrenergic circuit control of non-REM sleep substates. Current Biology. DOI: 10.1016/j.cub.2021.09.041.

[2] Tang W et al. (2020): A VTA to basal amygdala dopamine projection contributes to signal salient somatosensory events during fear learning. Journal of Neuroscience. DOI: 10.1523/JNEUROSCI.1796-19.2020.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Arrigoni E et al. (2022): Addicted to dreaming. Science. DOI: 10.1126/science.abo1987.