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28.05.2020

Executive Order soll soziale Medien in USA regulieren

Die Regierung der USA hat eine Executive Order veröffentlicht, die den Schutz von sozialen Medien in den USA nach Section 230 einschränken soll. Laut der New York Times [I] könnte die Argumentation, soziale Medien würden durch das Löschen und Moderieren von Posts und Nutzern die freie Meinungsäußerung beschneiden, dadurch Gesetzgebern einfacher gemacht werden.

Am Donnerstag den 28.05.2020 wurde ein erster Leak der Executive Order veröffentlicht [II]. Daphne Keller, Dozentin an der Stanford Law School und dort Direktorin des „Program on Platform Regulation“ hat über Twitter [III] ihre erste Einschätzung dazu bekanntgegeben [IV]. In der Nacht zum Freitag den 29.05.2020 wurde auch die offizielle Executive Order veröffentlicht [V].

Diese Debatte gewann wieder dadurch an Relevanz, dass Twitter Aussagen von Donald Trump, dass Briefwahlen zu Wahlbetrug führen könnten, als unbegründet („unsubstantiated“) bezeichnet und markiert hat [VI]. Trump hatte sich dazu empört geäußert und Twitter Zensur und Meinungsmanipulation vorgeworfen.

Die folgenden Statements beziehen sich auf das geleakte Dokument. Die finale Version enthält zwar einige Änderungen, ist dem Leak aber inhaltlich so ähnlich, dass wir in Absprache mit den Experten keine Aktualisierung der Statements für nötig gehalten haben.

 

Übersicht

     

  • Dr. Simon Assion, Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Informations- und Kommunikationsrecht in der Kanzlei Bird&Bird und Mitbegründer von „Telemedicus“, einem „juristischen Internetprojekt zu allen Rechtsfragen der Informationsgesellschaft“
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  • Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher Medienrecht & Media Governance, Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), Universität Hamburg
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  • Prof. Dr. Tobias Keber, Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft, Hochschule der Medien Stuttgart
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  • PD Dr. Matthias Kettemann, Forschungsprogrammleiter „Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“, Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI), Hamburg
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  • Prof. Dr. Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht, Technische Universität Dortmund
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  • Prof. Dr. Anne Riechert, Professorin für Datenschutzrecht und Recht in der Informationsverarbeitung, Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main
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  • Prof. Dr. Oliver Zöllner, Professor für Medienforschung und Digitale Ethik, Hochschule der Medien Stuttgart
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Statements

Dr. Simon Assion

Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Informations- und Kommunikationsrecht in der Kanzlei Bird&Bird und Mitbegründer von „Telemedicus“, einem „juristischen Internetprojekt zu allen Rechtsfragen der Informationsgesellschaft“

„Ein solches Gesetz wäre in Deutschland weder möglich, noch notwendig. Für die sogenannte ‚Verbreiterhaftung‘ von sozialen Medienanbietern gibt es hier bereits Gesetze und gewachsene Rechtsprechung. Das ist sind gute und sinnvolle Regelungen, die sich in der Praxis bewährt haben.“

„In der EU gibt es unter der Überschrift ‚Digital Services Act‘ ebenfalls Überlegungen dazu, Social Media-Plattformen stärker in die Pflicht für die von ihnen verbreiteten Inhalte zu nehmen. Allerdings eher in die Richtung, dass die Anbieter Falschinformationen besser bekämpfen sollen.“

„Aus Sicht der deutschen und europäischen Grundrechte gilt, dass Staaten bei der Regulierung von Social Media-Anbietern sehr zurückhaltend sein müssen.“

Dr. Stephan Dreyer

Senior Researcher Medienrecht & Media Governance, Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), Universität Hamburg

Zur Frage, was sich für soziale Medien und deren Nutzer ändern würde, wenn die geleakte Executive Order tatsächlich so in Kraft treten würde:
„Im Kern besteht die Verfügung aus einer angeordneten gesetzlichen Interpretation: Wenn Plattformanbieter Einfluss auf die Selektion und Darstellung von nutzergenerierten Beiträgen nehmen, müssen staatliche Stellen das in Zukunft als redaktionelle Tätigkeit werten. Für derartige Maßnahmen können die Plattformen verantwortlich gemacht werden; die Verfügung unterstellt hier, dass es sich dabei stets um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit handele. Wenn die Anbieter aber wie bislang von einer breiten Haftungsprivilegierung bei nutzergenerierten Inhalten profitieren wollen, müssten sie solche Eingriffe unterlassen.“

„Damit etabliert die Verfügung ein rabiates Anreizsystem: Plattformen können nicht belangt werden, wenn sie alle nutzergenerierten Inhalte einfach ‚in Ruhe‘ lassen. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten nach wie vor für strafrechtlich unzulässige Inhalte. Aber für alle anderen Formen von Aussagen, die strafrechtlich irrelevant aber gegebenenfalls fragwürdig, desinformierend, manipulativ oder propagandistisch sind, wäre es für die Plattformen in Zukunft besser, alles unverändert online stehen zu lassen. Das entspricht einer der radikaleren Sichtweisen auf die US-amerikanische ‚free speech‘-Doktrin, natürlich gibt es dort auch andere, gemäßigtere.“

„Die Folge für die Plattformen wäre, dass breit diskutierte Maßnahmen gegen Hate Speech, Desinformation sowie manipulative Äußerungen und Propaganda auf diesen Plattformen nicht (mehr) attraktiv erschienen. Würden die Plattformen entsprechende Initiativen wie Fact Checking-Angebote, Auszeichnen von zweifelhaften Aussagen, Löschungen oder Downranking und so weiter nicht mehr unterstützen, wäre eine Vermehrung und verbesserte Sichtbarkeit solcher Inhalte ohne entsprechende Maßnahmen absehbar.“

Zur Frage, was die Auswirkungen auf Europa wären:
„Das ist nicht absehbar, weil (a) unklar ist, inwieweit sich die Plattformen dem Anreizsystem der Verfügung unterwerfen werden, (b) offen ist, inwieweit die verfügte Interpretation vor US-Gerichten Bestand haben wird, (c) den Plattformen theoretisch offensteht, die Inhalte in Europa anders auszuspielen als in den USA, und (d) dies die Frage der Umsetzung und Umsetzbarkeit von EU-Vorgaben bei Anbietern aus dem EU-Ausland betrifft.  Rein materiell widerspricht die Verfügung den in Europa vorherrschenden Ansätzen im Äußerungsrecht und der restriktiveren Regulierung von schädlichen Inhalten. Verglichen mit den USA geht der EU-Rechtsrahmen von einer weiteren Einschränkbarkeit von Äußerungen aus.“

Zur Frage, inwiefern soziale Medien in Europa ähnlich reguliert werden müssten wie klassische Medien:
„Wir befinden uns in Europa derzeit an einem Scheidepunkt, was die Regulierung von Social-Media-Plattformen angeht. Politisch und gesellschaftlich sind bestimmte Inhalte auf diesen Plattformen nicht erwünscht, daher appellierte man in den letzten Jahren an die Anbieterverantwortung oder schmiedete Gesetze wie das NetzDG, die inhaltliche Entscheidungen an diese Plattformen delegieren. Damit gab man diesen Plattformen aber weitreichende Entscheidungskompetenzen darüber, was aus deren Sicht in der öffentlichen Kommunikation Platz hat und was nicht. Die zuvor an die Anbieter abgetretene Entscheidungsmacht wird ihnen jetzt zum Vorwurf gemacht: Es wird zu viel gelöscht, sagen die einen; es wird zu wenig gelöscht, sagen die anderen. Es ist unklar, auf welchen Grundlagen die Plattformen löschen oder ‚flaggen‘, sagen wiederum andere.“

„An dieser Stelle befinden wir uns jetzt, und die politische Diskussion bewegt sich derzeit zwischen zwei Alternativen: Wollen wir, dass der Staat wieder stärker das Zepter in die Hand nimmt und den Anbietern mit starken Gesetzen vorgibt, was rechtlich geht und was nicht? Das ginge mit einer Abkehr von den bisherigen Haftungsprivilegien der Plattformen einher. Sie wären dann deutlich früher und umfassender verantwortlich für das, was auf ihren Angeboten passiert. Oder wollen wir die Entscheidungen und die Entscheidungsverfahren auf Seiten der Plattformen stärker rechtlich vorprägen und kontrollieren, um Willkür zu verhindern und Grundrechte zu sichern? Zwischen diesen Ansätzen bewegen sich derzeit die Vorschläge. Hier ist mit Blick auf die derzeitigen Diskussionen über die Richtung des ‚Digital Services Act‘ auf EU-Ebene derzeit noch vieles, wenn nicht alles offen. Dahinter steckt mit Blick auf Desinformation auch die Grundsatzfrage, wer darüber entscheiden soll, was wahr und was falsch ist. Es ist ein Kampf um Deutungshoheit über gesellschaftlich geteiltes Wissen.“

„Der Anwendungsbereich der Verfügung ist denkbar breit und würde für alle Formen der Bereitstellung nicht-eigener Inhalte gelten, also auch für Kommentarspalten von Blogs und journalistischen Portalen sowie ausdrücklich auch für Suchmaschinen. Insbesondere mit Blick auf letztere wird klar, dass die geleakte Verfügung auch für den vermeintlichen Ergebnisbias bei Google gelten soll. Die Verfügung etabliert damit auch ein Anreizsystem für eine radikal neutrale Ergebnissortierung bei Suchmaschinen.“

„Ein weiterer Punkt ist die in der Verfügung enthaltene Anordnung, dass keine US-Behörde mehr Werbegelder auf Plattformen ausgeben soll, die im Sinne der Verfügung redaktionelle Maßnahmen treffen. Mit Blick auf die auf Facebook, Google und Twitter entfallenden staatlichen Werbeetats ist das eine empfindliche Drohung.“

Prof. Dr. Tobias Keber

Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft, Hochschule der Medien Stuttgart

Zur Frage, was sich für soziale Medien und deren Nutzer ändern würde, wenn die geleakte Executive Order tatsächlich so in Kraft treten würde:
„Der Vorstoß berührt Grundsatzfragen der Verantwortlichkeit und ihrer Verteilung zwischen unterschiedlichen Akteuren im Internet. Traditionell – und so ist das Konzept dem Grunde nach in den USA ebenso wie in Europa – unterscheidet man Anbieter eigener Inhalte (Content-Provider) einerseits und Anbieter, die Inhalte Dritter (Host-Provider) vermitteln. Content-Provider sind für von ihnen veröffentlichte Inhalte voll verantwortlich. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Host-Provider gilt grundsätzlich, dass diese für rechtswidrige Inhalte Dritter erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit haften und Inhalte dann gegebenenfalls von der Plattform nehmen müssen (notice and take down). Im hergebrachten System würde man also Twitter als Host-Provider für Inhalte Dritter qualifizieren und dem Dienst das Haftungsprivileg zusprechen. Nach der Regelung in der geleakten Executive Order (so sie authentisch ist) würde Twitter in dem Moment, wo der Dienst aufgrund seines Hausrechts (Terms of Service) interveniert und auf den Inhalt eines Tweets einwirkt (indem beispielsweise an einem Posting ein Hinweis zu einem Fact-Check angebracht wird) das Haftungsprivileg verlieren.“

„In der Executive Order Trumps wird damit ein Konzept vorgeschlagen, das sich ohne Frage negativ und ganz grundsätzlich auf Faktenchecker-Initiativen der Social Media Plattformen auswirken würde. Facebook, Twitter und Co. müssten befürchten, für einen (fehlerhaften) Faktencheck in Anspruch genommen zu werden. Aus ökonomischen Gründen nachvollziehbar wäre es für die Plattformen dann, auf dieses Feature gänzlich zu verzichten.“

„Bemerkenswert ist die dem Vorschlag (wohl) zu Grunde liegende Ausgangsthese des US-Präsidenten, wonach er sich (uneingeschränkt) auf die Meinungsfreiheit (Free Speech) beruft (‚Twitter is completely stifling FREE SPEECH, and I, as President, will not allow it to happen!‘) und sich als Opfer einer Zensur durch Twitter inszeniert. Innerhalb unseres Mediensystems würde man sich die Frage stellen, ob sich ein Staatsoberhaupt in Ansehung seiner offiziellen Kommunikation überhaupt auf Grundrechte berufen kann und ob ein privates Unternehmen im Rechtssinne zensieren kann, da Zensur üblicherweise vom Staat ausgeht. Auch in welchem Maße die Meinungsfreiheit (auch) zu Gunsten eines Plattformanbieters wie Twitter ins Feld geführt werden kann, bedarf eingehender Reflexion.“

Zur Frage, was die Auswirkungen auf Europa wären:
„In Europa wird die Anpassung der Regeln für Informationsvermittler (Intermediäre, auch Host-Provider) schon länger und unabhängig von der Causa #Trump #Twitter diskutiert. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einen Entwurf für einen Digital Services Act angekündigt, den die Community mit Spannung erwartet. Auf nationaler Ebene adressieren wir Modifikationen der Providerverantwortlichkeit unter anderem auf Ebene des NetzDG (nebst seinem gegenwärtig diskutierten Update) sowie des künftigen Medienstaatsvertrages. Unbestritten ist, dass die originär weitreichende Privilegierung der Host-Provider in einzelnen Bereichen angesichts der technischen Fortentwicklung (etwa durch den Einsatz von Algorithmen bei der Priorisierung angezeigter Inhalte) Anpassungen bedarf. Gleichzeitig ist aber zu sehen, dass es sich um ein wichtiges Institut handelt, das für die Entwicklung des Internets als freiem Kommunikationsraum von zentraler Bedeutung ist. Anpassungen des Gesetzgebers müssen daher mit hinreichender Sensibilität für das die Problematik umspannende komplexe Grundrechtegeflecht erfolgen. Auszutarieren sind die Interessen der Inhalte einstellenden (aktiven) User sowie von diesen Informationen gegebenenfalls betroffene Dritte, die (wirtschaftlichen) Interessen der vermittelnden Plattform sowie solche der die Inhalte (nur passiv) nachfragenden User.“

Zur Frage, inwiefern soziale Medien in Europa ähnlich reguliert werden müssten wie klassische Medien:
„Vom Dogma, dass soziale Netzwerke als bloße Infrastruktur ohne Bezug zu den Inhalten erscheinen, wird man sich lösen müssen. Andererseits lassen sich die Regeln für Medien, die sich bei gedruckter Presse und elektronischen Medien trotz aller Konvergenz noch immer stark unterscheiden, auf den Bereich der sozialen Netzwerke nicht vollständig übertragen. Wichtige Schritte in die richtige Richtung sind die neuen Regulierungsansätze im Medienstaatsvertrag, Intermediäre jedenfalls zu mehr Transparenz und auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu verpflichten.“

PD Dr. Matthias Kettemann

Forschungsprogrammleiter „Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“, Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI), Hamburg

Zur Frage, was sich für soziale Medien und deren Nutzer ändern würde, wenn die geleakte Executive Order tatsächlich so in Kraft treten würde:
„Zunächst einmal würde sich sehr wenig ändern. Der Text ist ein großes Ablenkungsmanöver. Es ist ein politischer Versuch Trumps, sich als verfolgtes Opfer der Plattformen darzustellen. Er will seine Basis damit aufheizen. Das ist Wahlkampf und nicht der ernsthafte Versuch, die Online-Kommunikationswelt fairer zu regulieren.“

„Die Executive Order (EO) hat einen ersten Abschnitt, in dem Trump betont, dass er immer für die Freiheit und Offenheit der Online-Kommunikation eingetreten ist und seiner Meinung nach Online-Plattformen ‚selektive Zensur‘ durchführten. Dies sei ‚unamerikanisch und anti-demokratisch‘. Dann folgen vier inhaltliche Abschnitte.“

„Dazu ist vorauszuschicken: Das wichtigste Internetgesetz der Welt, Abschnitt 230 des Communications Decency Act (CDA) von 1996 (‚Section 230‘) sieht eine Befreiung von der Haftung für Anbieter und Benutzer eines ‚interaktiven Computerdienstes‘ vor, die von Nutzern bereitgestellte Informationen veröffentlichen. Kurz gesagt: Plattformen haften nicht für Inhalte ihrer Nutzer. Section 230(c) hat einen Abschnitt 2 (A), der festhält, dass kein Anbieter oder Benutzer eines interaktiven Computerdienstes haftbar gemacht werden kann für eine Löschung von Inhalten,  ‚die freiwillig in gutem Glauben unternommen wird, um den Zugang zu oder die Verfügbarkeit von Material einzuschränken‘, das die Plattform als ‚obszön ... übermäßig gewalttätig, belästigend oder anderweitig anstößig erachtet, unabhängig davon, ob dieses Material verfassungsrechtlich geschützt ist oder nicht‘. Die Frage, wann eine Löschung beziehungsweise Einschränkung der Verfügbarkeit ‚in good faith‘/im guten Glauben erfolgt, wird gleich wichtig.“

„Nun zur EO:
Zunächst soll die Bundeskommunikationskommission (Federal Communication Commission) eine Verordnung (regulation) vorbereiten, die klärt, wann eine Plattform nicht ‚im guten Glauben‘ löscht und damit nicht unter die Ausnahme von Sec. 230 (c) (2) (A) des Communications Decency Act fällt und damit als Herausgeber (editor) zu betrachten wäre; und unter welchen Bedingungen es Einfluss auf Löschungen ‚im guten Glauben‘ hat, wenn die Plattform die Nutzer*innen nicht ausreichend anhört oder ihnen die Löschungen nicht gut genug erklärt.“

„Zweitens will Trump es verbieten, aus Bundesmitteln finanzierte Werbung auf Plattformen zu platzieren, die Prinzipien der Redefreiheit verletzen.“

„Drittens soll eine Online-Plattform eingerichtet werden, um Beispiele für ‚Internetzensur‘ zu sammeln. Diese sollen dann dem Justizministerium und der Federal Trade Commission vorgelegt werden. Die Wettbewerbshüter sollen auch untersuchen, ob Plattformen täuschen oder unfaire Unternehmenspraktiken an den Tag legen.“

„Viertens soll der Justizminister eine Arbeitsgruppe einrichten, um die Gesetze der Bundesstaaten zu sichten, ob gegen ‚unlautere Praktiken‘ von Online-Plattformen vorgegangen werden kann, unter anderem, weil diese wie öffentliche Räume zu behandeln seien.“

Zur Frage, was die Auswirkungen auf Europa wären:
„Twitter und Facebook und die anderen Plattformen wenden in den meisten europäischen Ländern schon jetzt höhere Standards an als in Amerika. Die politische Relevanz der Executive Order ist weit höher als die rechtliche. Unter Umständen könnte die Debatte Plattformen dazu motivieren, ihre inhaltsbezogenen Entscheidungen stärker zu begründen, um den ‚good faith‘ nachzuweisen. Dies könnte auch in Europa zu mehr Begründungen führen, was nur gut wäre.“

Zur Frage, inwiefern soziale Medien in Europa ähnlich reguliert werden müssten wie klassische Medien:
„Die Regulierung sozialer Medien wird in Deutschland durch ein austariertes System nationaler und europäischer Normen sowie durch Selbstregulierung sichergestellt. Neben dem NetzDG hat hier zuletzt der Medienstaatsvertrag Akzente gesetzt. Gerichte wenden auch zunehmend Grundrechte im Verhältnis der Userinnen zueinander an und verpflichten Plattformen auf die Grundrechte.“

Zur Frage, wie die Rechtslage zu Faktenchecks auf Plattformen in Deutschland aussieht:
„Zumindest in einem Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe gestern einen Faktencheck auf Facebook durch das Recherchenetzwerk ‚Correctiv‘ für unstatthaft erklärt. Das Gericht (so die mündliche Verkündung; schriftlich liegt noch nichts vor) hielt den Prüfeintrag für den durchschnittlichen Facebook-Nutzer ‚missverständlich‘. Es habe so ausgesehen, als beziehe sich der Faktencheck auf die Berichterstattung von ‚Tichys Einblick‘ und nicht auf den Inhalt des offenen Briefs über den ‚Tichys Einblick‘ berichtete. Dies sei aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht zulässig. Dies stellt aber noch kein Urteil über die Rechtmäßigkeit von Faktenprüfungen auf Facebook im Allgemeinen dar.“
 
Zur Frage, worum es seiner Meinung nach wirklich geht:
„Donald Trump ist in Sorge, dass seine Corona-Politik ihm im November die Wiederwahl kostet. Also eröffnet er eine neue Front, indem er einen Feind – ‚die Plattformen‘ – konstruiert, die ‚unamerikanisch‘ agieren.“

„Ein Tweet von Donald Trump, der unterstellte, dass es bei Briefwahlen zu massiven Wahlfälschungen kommen würde, wurde von Twitter mit einem Hinweis versehen, dass dieser inhaltlich fragwürdig sei. Der Hinweis verlinkte zu Berichten in etablierten Medien, die Trumps Behauptung in Frage stellten.“

„Das hat Trump getriggert. Am frühen Mittwochmorgen hatte er geschworen, Social-Media-Unternehmen ‚stark zu regulieren‘ oder sogar ‚zu schließen‘. Das kann er beides nicht.“

„Dennoch ist das ein Wendepunkt des Umgangs von sozialen Medien mit Inhalten von Politikern. Gerade im Kontext der Pandemiebekämpfung haben Twitter und Co. ihre Moderationsbefugnis für Falschinformationen robuster ausgeübt. Dies ist zu begrüßen. Stärkeres Faktchecking galt auch seit längerer Zeit bei Inhalten mit Wahlbezug – wir erinnern uns an gesperrte Twitter-Accounts wegen des Witzes, Wähler mögen doch ihren Stimmzettel unterschrieben.“

„Die Tweets von Trump über die Stimmabgabe und im Zusammenhang mit der Pandemie befinden sich daher an der Schnittstelle zweier außergewöhnlicher Themen, bei denen die Plattformen stärker moderieren. Und dennoch: Lange hat Twitter Trump gewähren lassen. Noch vorige Woche hat der Präsident mehrfach Tweets abgeschickt, die eine ähnlich schwache Faktenbasis hatten.“

„Das gilt nicht für alle. Im März entfernte Twitter Postings des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro wegen Verstoßes gegen das Verbot der Verbreitung von irreführender Informationen über COVID-19-Heilmittel.“

Zur Frage, ob Plattformen Präsidenten „zensieren“ dürfen:
„Plattformen stellen Kommunikationsräume zur Verfügung. Wer sie nutzen will, muss ich an die AGBs (‚terms of service‘) halten. Wer gegen diese verstößt, wird gelöscht. In Deutschland hat zuletzt das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass Plattformen sich dabei an Grundrechte zu halten haben und nicht ohne Grund löschen/zensieren dürfen. Ein guter Grund ist in etwa die gleiche Anwendung ihrer eigenen AGBs.“

„Eine funktionierende Demokratie setzt den Zugang zu Informationen voraus, auch über wahlwerbende Gruppen und Personen. Dies gilt auch (oder vielleicht sogar besonders), wenn diese Überzeugungen fragwürdig sind. Twitters eigene Regeln sagen, dass, wenn ein Tweet eines ‚world leaders‘ gegen die Twitter-Regeln verstößt, es aber im Interesse der Öffentlichkeit liegt, den Tweet auf dem Dienst zu belassen, dieser nicht gelöscht wird. Manchmal setzen sie davor einen Hinweis, der einen Kontext über den Verstoß liefert und es den Leuten erlaubt, sich durchzuklicken, wenn sie den Inhalt sehen wollen.“

Zur Frage, wie die Rechtslage in den USA aussieht:
„Erst gestern wies ein einflussreiches Bundesberufungsgericht die Klage der konservativen Organisation Freedom Watch und Laura Loomer aus dem Jahr 2018 gegen vier große Technologieunternehmen zurück. Facebook, Twitter und andere Plattformen hatten Laura Loomer unter Berufung auf ihre antimuslimischen Äußerungen die Accounts gesperrt. Das einstimmige Gerichtsurteil eines dreiköpfigen Gremiums umfasst nur vier Seiten, weist aber eine Vielzahl von rechtlichen Ansprüchen zurück, die einige Konservative und Liberale in den letzten Monaten gegen Social-Media-Firmen erhoben haben. Die Richter des Berufungsgerichts sagten, dass die Unternehmen trotz ihrer Macht nicht gegen den Ersten Verfassungszusatz verstoßen können, da dieser nur die Regierungen und nicht den privaten Sektor regelt.“

Zur Frage, ob Trumps Vorgehen ihm schaden könnte:
„Wenn Trump versucht, Twitter zu verbieten, seine Inhalte zu ‚kommentieren‘ (beziehungsweise faktzuchecken), dann könnte es Plattformen dazu verleiten, seine Tweets ganz zu löschen (denn das dürfen sie ja zweifellos unter dem CDA und der bestehenden Judikatur). Dann hätte er sein Blatt überspielt: Bisher wurde Trump von Twitter weit besser behandelt als andere User. Seine Tweets, auch wenn sie Desinformationen enthielten, wurden nicht gelöscht. Wenn Twitter jetzt damit beginnt, hat Trump rechtlich keine Chance. In Amerika dürfen Plattformen löschen, was sie wollen. Die Grundrechte sind – in Amerika – nicht auf Plattformen anzuwenden.“

Prof. Dr. Tobias Gostomzyk

Professor für Medienrecht, Technische Universität Dortmund

Zur Frage, was sich für soziale Medien und deren Nutzer ändern würde, wenn die geleakte Executive Order tatsächlich so in Kraft treten würde:
„Der Spielraum für Twitter könnte enger werden – und zwar immer dann, wenn entgegen dem liberalen Verständnis von Meinungsfreiheit des First Amendement engere Vorgaben für Meinungs- und Willensbildungsprozesse gezogen werden. Dazu gehört auch die Kennzeichnung von Posts aufgrund eines Fact-Checking. Zentral für die Beurteilung ist der Communications Decency Act, Section 230. Er befreit soziale Netzwerke weitgehend von Haftungsrisiken, wenn sie Inhalte allein kuratieren und moderieren. Allein Inhalte, die obszön, belästigend oder verletztend – also letztlich strafrechtlich relevant – sind, dürfen entfernt werden. Das Argument von Trump ist jetzt, das müsse mit gutem Glauben geschehen (‚good faith‘). Das sei aber nicht gegeben, gerade wenn Inhalte zensiert oder – wie beim Fact-Checking – geflaggt werden. Basis für diese Entscheidungen seien allein Vorgaben des privaten Unternehmens Twitter. Letztlich geht es Präsident Trump aber wohl zunächst darum, soziale Netzwerke gerade wegen des bevorstehenden Wahlkampfes in den USA unter Druck zu setzen. So twitterte er jüngst: ‚Republicans feel that Social Media Platforms totally silence conservatives voices. We will strongly regulate, or close them down, before we can ever allow this to happen.‘ Die weitere Umsetzung der Executive Order – bislang ist es allein ein Entwurf – halte ich deswegen zunächst für offen.“

„Zurzeit wird überdies darüber gestritten, ob Präsident Trump die Kompetenz einer Netz-Regulierung per Executive Order hätte oder ob nicht der US-Kongress zuständig wäre. Offenbar wurde aber der Kongress bereits angerufen, Section 230 zu streichen oder zu löschen (‚remove‘ oder ‚change‘). Direkt denkbare Maßnahmen wie bezahlte Werbung durch die US-Regierung zu unterlassen oder eine Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger aufzubauen, die sich von sozialen Medien unfair behandelt fühlen, beziehen sich – soweit sichtbar – erstmal allein auf die USA.“

Zur Frage, was die Auswirkungen auf Europa wären:
„Die Auswirkungen einer Executive Order des US-Präsidenten beträfe unmittelbar Twitter in den USA. In Europa, speziell für Deutschland, könnte dagegen anderes gelten – also umfassende Fakten-Checks weiterhin erlaubt sein, wenngleich auch hier eine Diskussion über deren Zulässigkeit begonnen hat. Dennoch haben soziale Medien wie Facebook, YouTube oder Twitter grundsätzlich ein wirtschaftliches Interesse an möglichst einheitlichen Standards in Deutschland und Europa. Das gilt auch für Rederegeln. Denn es ist schlicht kostengünstiger, Prozesse weltweit einheitlich aufzulegen und nicht für jede Rechtsordnung im Einzelnen. Das gilt auch für die Durchsetzung von Standards für freie Rede im Netz wie sie durch soziale Netzwerke betrieben wird, insbesondere durch ihre Gemeinschaftsstandards, aber auch bei der Kennzeichnung von Posts. Deshalb könnte es hier faktisch, wenn auch nicht rechtlich zu einer transatlantischen Kollision kommen: Die EU fordert Maßnahmen gegen Desinformation, in den USA könnten sie stark eingeschränkt werden.“

Zur Frage, inwiefern soziale Medien in Europa ähnlich reguliert werden müssten wie klassische Medien:
„Hierfür spricht nicht viel. Soziale Medien heißen zwar ‚Medien‘, erbringen aber vor allem eine Vielzahl von Vermittlungsleistungen für Inhalte Dritter. Das heißt, sie produzieren nicht wie Presse und Rundfunk selbst Inhalte, sondern erlauben vor allem anderen die Nutzung, um ihre Inhalte zu verbreiten. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Umgekehrt bedeutet das nicht, dass soziale Netzwerke keinen Einfluss auf Meinungsbildungsprozesse hätten: Sie formulieren Gemeinschaftsstandards, die jede Nutzerin und jeder Nutzer von Facebook, YouTube und Co. zu akzeptieren hat. Sie bestimmen Benutzeroberflächen, die Einfluss auf Äußerungen haben (zum Beispiel nur fröhliche Smileys oder auch traurige, nur 140 Zeichen oder auch mehr). Sie legen über Algorithmen Auffindbarkeiten fest, denen eine Wertung zugrunde liegt. Sie lassen Posts als ‚falsch‘ oder ‚teilweise falsch‘ kennzeichnen, was für ihre Wahrnehmung relevant ist. Sie schaffen zur Beurteilung von Äußerungen eigene Institutionen wie das Facebook Oversight Board. Dabei haben gerade große soziale Netzwerke die Funktion allgemeiner Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen. Es stellt sich also die Frage, wie frei soziale Netzwerke beim Festlegen von Äußerungsstandards sind. Genauer: Dürfen Sie mehr regulieren, als die Meinungsfreiheit gestattet? Denn letztlich liegen soziale Medien zwischen Inhalteproduzenten wie Medien und reiner technischer Vermittlung, indem sie – etwa durch Moderation, Kuratierung oder auch Flagging – auch Einfluss auf die Verbreitung, Sichtbarkeit und Bewertung von Informationen besitzen.“

Prof. Dr. Anne Riechert

Professorin für Datenschutzrecht und Recht in der Informationsverarbeitung, Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main

„Gemäß dem geleakten Dokument zu Section 230 Communication Decency Act können Anbieter von Online-Diensten wie Twitter künftig auch für das Löschen von oder die Zugangsbeschränkung zu Inhalten verantwortlich gemacht werden. Die Federal Communications Commission (FCC) soll gemäß dem geleakten Dokument innerhalb von 30 Tagen Regelungen in diesem Zusammenhang vorschlagen, unter welchen Bedingungen ein Anbieter nicht im ‚guten Glauben‘ handelt, da dies etwa als irreführend, voreingenommen oder als nicht vereinbar mit den Nutzungsbedingungen eines Online-Anbieters betrachtet wird oder eine Möglichkeit zur Anhörung vorliegen müsste. Hier bleiben also die Kriterien der FCC abzuwarten. Insgesamt handelt es sich stets um einen schwierigen Balanceakt, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gegenüber als rechtswidrig einzustufenden Inhalten abzuwägen. Dies haben verschiedene Gerichtsentscheidungen bereits in der Vergangenheit in Deutschland gezeigt.“

„In Europa würde sich ein einheitliches Vorgehen empfehlen. So hat in Deutschland die Bundesregierung am 1. April 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beschlossen, der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet. Eine der vorgeschlagenen Neuregelungen beinhaltet, dass bei Löschung eines Beitrags durch den Anbieter eines sozialen Netzwerks der Nutzer künftig die Überprüfung dieser Entscheidung vom Netzwerkanbieter verlangen kann. Auch in Großbritannien gibt es einen Gesetzesvorschlag, der Inhalte auf Internetplattformen regulieren soll [1]. Ebenso ist in Frankreich ein Gesetz verabschiedet worden, das soziale Netzwerke reguliert und Löschungspflichten vorsieht [2]. Grundsätzlich ist stets abzuwägen, inwieweit die Entscheidung über Grundrechte (zum Beispiel Meinungsfreiheit) eine Aufgabe von privaten Unternehmen darstellen kann.“

Prof. Dr. Oliver Zöllner

Professor für Medienforschung und Digitale Ethik, Hochschule der Medien Stuttgart

„Es klingt zunächst befremdlich, dass ausgerechnet der ‚Twitter-König‘ Donald Trump (mit 80,5 Mio. Followern und einer hohen Frequenz an nahezu täglichen Tweets) nun die verfassungsmäßigen Rechte der Social-Media-Plattformen beschneiden möchte – und dazu ein präsidentielles Dekret erlässt. Gleich vorweg: Diese Verfügung dürfte vor Gericht keinen Bestand haben. Die Auseinandersetzungen werden sich aber lange hinziehen, von den eigentlichen Problemen der USA (innen- wie außenpolitischen) ablenken und letztlich auch eine durchaus notwendige, sachliche Debatte um die Regulierung der sozialen Online-Netzwerke für lange Zeit erschweren.“

„Besonders absurd ist die Tatsache, dass Trump auf Twitter und über andere Social-Media-Plattformen seit Jahren ungefiltert seine ganz persönlichen Weltsichten und Meinungen verbreitet, die mit der Wahrheit oft wenig gemein haben. Bisher wurde ihm von Seiten der Betreiber wenig entgegengesetzt. Dass nun zaghafte Hinweise auf sachliche Fehler in den Trumpschen Tweets der Auslöser für einen Rundumschlag sind, deutet auf ein grundlegendes Unverständnis des Präsidenten der Rolle der Medien als traditionelle Kontrollmechanismen der Politik hin.“

„Für eine liberale Demokratie ist Trumps Dekret ein harter Schlag. ‚Free Speech‘ hat in den USA Verfassungsrang und ist eine der Grundfesten des gesellschaftlichen und politischen Selbstverständnisses des Landes. Hieran unter fadenscheinigen Vorwänden die Axt anzulegen, ist ein gefährlicher Spielzug des US-Präsidenten. Das Dekret, auch wenn es höchstwahrscheinlich rasch wieder kassiert wird, setzt ein Zeichen für gesellschaftliche Polarisierung, politisches Lagerdenken und Autoritarismus. Es bestärkt ähnliche Tendenzen in manchen anderen westlichen Staaten – von realen Diktaturen anderswo ganz zu schweigen. Was wir erleben, ist die zunehmende Verächtlichmachung freier Rede im Netz, die schleichende Aushöhlung demokratischer Prinzipien und die Absage an einer Orientierung an der Wahrheit. Trump wird mehr und mehr Vorbild für Autokraten und Diktatoren, die sich eigene Realitäten schaffen. Die USA verlieren mit ihm weiter ihre Führungsrolle für die westliche Welt, und sie verlieren mit ihm erheblich weiter an Ansehen. Die Absage an Wahrheitsorientierungen richtet in vielen Gesellschaften derzeit ohnehin großen Flurschaden an. Das Trumpsche Vorbild der ‚starken Mannes‘, der mit ‚harter Hand‘ gewissermaßen ‚durchregiert‘, wird viele Demokratieverächter weiter beflügeln.“

„Eine sachliche Auseinandersetzung um die Geschäftsmodelle, den Datenhandel, die Überwachungs- und Prognosemechanismen, die publizistische Macht und nicht zuletzt den teils enormen Einfluss von Facebook, Twitter, Google und Co. auf Informations- und Meinungsbildungsprozesse in vielen Ländern der Welt ist wichtig, das sollten wir nicht übersehen. Bisher agieren die Tech-Konzerne weitgehend unreguliert (besonders in den USA). Die Firma Facebook Inc. ist mit ihren diversen Plattformen längst ein globales Imperium und hat quasi mehr ‚Einwohner‘ als China und Indien zusammen. Ähnlich wie beim Google-Mutterkonzern Alphabet Inc. oder eben bei Twitter Inc. sind ihre Angebote, Programme und Algorithmen kaum transparent und entziehen sich öffentlicher Kontrolle. Trumps Attacke hat die notwendige weitere Debatte um eine angemessene Regulierung der Tech-Konzerne nun wahrscheinlich für lange Zeit quasi unmöglich gemacht – aber vielleicht ist ihm dies auch ganz recht (und den Konzernen selbst auch). Denn der US-Präsident weiß, dass just diese Plattformen sein wertvollstes Werkzeug im schon längst laufenden Präsidentschaftswahlkampf sind. Und die Firmen, denen diese Plattformen gehören, wollen vor allem ungestört ihre Geschäftsmodelle weiter betreiben.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Stephan Dreyer: „Es liegen keine Interessenkonflikte bei mir vor.“

Prof. Dr. Tobias Keber: „Interessenkonflikte sehe ich nicht.“

PD Dr. Matthias Kettemann: „Interessenkonflikte bestehen keine.“

Prof. Dr. Anne Riechert: „Interessenkonflikte habe ich keine.“

Prof. Dr. Oliver Zöllner: „Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Lammar D (2020): Ein NetzDG für Großbritannien? Netzpolitik.org

[2] Deutsche Welle (2020): Frankreich sagt Hass im Netz den Kampf an.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Haberman M et al. (2020): Executive Order Is Expected to Curtail Protections for Social Media Companies. New York Times.

[II] Executive Order: Preventing Online Censorship. Kateklonick.com

[III] Daphne Keller auf Twitter.

[IV] Keller D: A Quick Take on the May 26 Executive Order on Platforms and CDA 230. Google Doc.

[V] White House (2020): Executive Order on Preventing Online Censorship.

[VI] Twitter: Trump makes unsubstantiated claim that mail-in ballots will lead to voter fraud.

Weitere Recherchequellen

Oberlandesgericht Karlsruhe: Darstellung einer Faktenprüfung auf Facebook darf nicht missverständlich sein.

Will Oremus auf Twitter: Empfehlung von sechs Expertinnen und Experten zu dem Thema.