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14.12.2023

EU einigt sich auf Lieferkettengesetz

     

  • Einigung im EU-Trilog zum Lieferkettengesetz erzielt
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  • große Unternehmen müssen entlang gesamter Lieferketten Umweltstandards und Menschenrechte einhalten, Geschädigte und Verbände sollen klagen können, Finanzindustrie vorerst ausgeschlossen
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  • Forschende begrüßen einheitlichen Gesetzesrahmen für EU-Unternehmen; kritisieren Ausschluss der Finanzindustrie; können Wirksamkeit noch nicht beurteilen
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Seit knapp einem Jahr ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft und soll Unternehmen dazu verpflichten, minimale Menschenrechts- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferkette einzuhalten. Seit dem Sommer verhandelte der Trilog aus Kommission [I] [II], Rat [III] [IV] und Parlament [V] [VI] über einheitliche Regelungen für alle europäischen Unternehmen ab einer gewissen Größe. Nun haben sich die Parteien auf eine europäische Version des Gesetzes geeinigt [VII] [VIII] – und damit die zukünftigen Anforderungen an deutsche Unternehmen verschärft.

Das Gesetz soll garantieren, dass grundlegende Standards entlang der Lieferketten eingehalten werden – auch in Staaten, die ihre Bevölkerung nicht selbst effektiv schützen, etwa vor Menschenrechtsverletzungen. Unternehmen sollen kontrollieren, dass diese Standards eingehalten werden. Werden Standards nicht erfüllt, sollen Betroffene und Verbände in Beschwerdeverfahren klagen können. Nicht nur europäische Unternehmen, sondern auch ausländische, die viel Umsatz in der EU erwirtschaften, müssen sich an die Richtlinie halten. Dabei wird das europäische Gesetz in einigen Punkten deutlich über das deutsche hinaus gehen: Etliche Unternehmen mehr müssten sich an das Gesetz halten und eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen soll eingeführt werden. Außerdem werden Unternehmen verpflichtet, darzulegen, inwiefern Ihre Geschäfte mit dem 1,5-Grad Ziel von Paris kompatibel sind.

Besonders umstritten war in den Verhandlungen, inwiefern das Gesetz auch auf Finanzunternehmen angewandt werden sollte, die dann die Geschäftspraktiken etwa von Kreditnehmern hinsichtlich Menschenrechts- und Umweltstandards überprüfen müssten. Dazu wurde vereinbart, dass Finanzunternehmen zunächst vom Gesetz nicht reguliert werden – allerdings soll dies zukünftig nochmals überprüft werden. Das SMC hat Expertinnen und Experten gebeten, im Vorfeld des EU-Trilogs die aus ihrer Sicht wichtigsten Aspekte des europäischen Lieferkettengesetzes zu erläutern und zentrale Argumente aus der Debatte einzuordnen. Nach der nun gefundenen Einigung im Trilog hat das SMC sie um eine kurze ergänzende Bewertung der Einigung gebeten.

Übersicht

  • Prof. Dr. Julia Hartmann, Professorin für Management und Nachhaltigkeit, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Oestrich-Winkel
  • Prof. Dr. Sarah Jastram, Professorin für Internationale Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit sowie Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Hamburg School of Business Administration
  • Prof. Dr. Markus Krajewski, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Prof. Dr. Markus Scholz, Professor für Betriebswirtschaft, insbesondere Responsible Management, Technische Universität Dresden
  • Prof. Dr. Lena Rudkowski, Professorin für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Professor für Öffentliches Recht, Finanzverfassungs- und Gesundheitsrecht, Ruhr-Universität Bochum
  • Dr. Christian Scheper, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen
  • Dr. Peter Gailhofer, Senior Researcher für Umweltrecht und Governance, Öko-Institut e.V., Berlin
  • Prof. Dr. Stephanie Schrage, Professorin für International Management / International Business mit Schwerpunkt China, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • Prof. Dr. Clara Brandi, Professorin am Institut für internationale Wirtschaftspolitik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, und Programmleiterin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Bonn

Statements

Prof. Dr. Julia Hartmann

Professorin für Management und Nachhaltigkeit, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Oestrich-Winkel

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Der Rat und das Europäische Parlament haben heute eine Vereinbarung über die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) erzielt, die darauf abzielt, den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte in der EU und weltweit zu verbessern. Die Sorgfaltspflichten-Richtlinie wird für große Unternehmen Verpflichtungen hinsichtlich tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt festlegen. Sie wird in zahlreichen Aspekten über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgehen, unter anderem im Anwenderkreis und in der zivilrechtlichen Haftung. Für Unternehmen wird es wichtig sein, das Thema Sorgfalt in der Lieferkette strategisch zu sehen: Der Schutz von Menschrechten ist von zunehmender Bedeutung für die Unternehmensreputation weltweit. Außerdem sind Unternehmen, die enge Beziehungen zu Lieferanten und transparente Lieferketten pflegen, deutlich krisenresilienter. In einer Zeit, in welcher Ressourcen immer knapper werden, kann dies ein differenzierender Faktor werden.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Sowohl das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG) als auch die geplante EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sind sogenannte informationsbasierte Regelungen, welche eine Verhaltensänderung von Unternehmen anstreben, indem sie Transparenz einfordern. Zentrale Aspekte sind die Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Schaffung klarer Verantwortlichkeiten für Menschenrechtsschutz und die regelmäßige Berichterstattung. Bei konkreten Hinweisen auf Probleme sind Unternehmen außerdem zum Handeln verpflichtet.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Die CSDDD geht in vielen Punkten über das LkSG hinaus. Der Anwenderkreis ist deutlich größer und erfasst auch Unternehmen mit nur 500 oder gar weniger Mitarbeitern. In Deutschland sind ungefähr 3000 Unternehmen nach dem LkSG berichtspflichtig. Nach der CSDDD wären es schon 15.000.“

„Zudem fokussiert sich die CSDDD nicht nur auf direkte Lieferanten, sondern erstreckt sich über die gesamte Wertschöpfungskette upstream (Lieferantenseite) und downstream (Kundenseite). Sie beinhaltet auch mehr Bereiche im Umweltschutz, darunter auch Klima-Emissionen. Es wird daher zu einer Anpassung des LkSG an die EU-Richtlinie kommen.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Die CSDDD sieht im Gegensatz zum LkSG eine zivilrechtliche Haftung vor. Das ist eine zusätzliche Motivation, um unternehmerischen Sorgfaltspflichten nachzukommen. Ob eine solche Haftung dem Menschenrechtsschutz tatsächlich dienlich sein wird, bleibt dagegen abzuwarten.“

„In meinen Augen legen beide Gesetze das Augenmerk stark auf unternehmensinterne Prozesse und Berichterstattung und weniger auf konkrete Verbesserungen in der Lieferkette selbst. Hier ist noch viel Potenzial, über welches sich Unternehmen im Wettbewerb differenzieren können.“

„Da außerdem Finanzinstitute in der Europäischen Union schon jetzt (im Rahmen der EU Sustainable Finance Directive; Anm. d. Red.) verpflichtet sind, Kriterien des Menschrechtsschutzes bei Entscheidungen zu berücksichtigen, profitieren Unternehmen mit effektiven Konzepten außerdem von spürbar geringeren Zinsen.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Ein EU-weites Lieferkettengesetz würde zumindest innerhalb der EU ein level playing field (gleiche Wettbewerbsbedingungen; Anm. d. Red.) schaffen. Außerdem haben zahlreiche Länder in der EU bereits Lieferkettengesetze. Ein EU-weites Lieferkettengesetz kann zumindest hierzulande für Harmonisierung sorgen.“

„Weltweit haben viele Länder, darunter Kanada, Australien, England, Kalifornien und andere wichtige Handelspartner Deutschlands, Lieferkettengesetze verabschiedet. Lieferkettensorgfaltspflichten werden schlichtweg das ‚new normal‘ und je eher Unternehmen sich auf diese neue Welt vorbereiten, desto besser.“

Erfahrungen aus dem deutschen Lieferkettengesetz

„Für kleinere Unternehmen (KMU) ist der Aufwand der Berichterstattung erheblich. Außerdem müssen Lieferanten weltweit Informationen liefern. Sie sind also ebenfalls zunehmend belastet. Das CSDDD differenziert zwar bei den Berichtspflichten ein wenig zwischen kleinen und großen Unternehmen, aber man könnte mehr tun, um den Aufwand für KMU weiter zu begrenzen. Außerdem könnten Verbände oder Plattformen zur Entlastung beitragen, indem sie Datensammlung und -verteilung vereinfachen.“

Prof. Dr. Sarah Jastram

Professorin für Internationale Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit sowie Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Hamburg School of Business Administration

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Ein historischer Moment und Paukenschlag der europäischen Menschenrechtsregulierung. Als Europäerin freue ich mich sehr über diese wichtige Entscheidung. Auf Unternehmen kommen jetzt große Herausforderungen zu. Unternehmen werden ihr Lieferkettenmanagement vollkommen neu aufstellen müssen. Dies ist die weitreichendste ökonomische Menschenrechtsregulierung weltweit.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Relevanz des EU-Gesetzes

„Die europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der aktuellen europäischen Regulierungswelle, die den Übergang der EU zu einer nachhaltigeren wirtschaftlichen Zukunft kraftvoll vorantreibt. Diese neue Verordnung konzentriert sich auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten in internationalen Lieferketten. Solche Regelungen, bei denen Unternehmen die Verantwortung für unethisches Geschäftsverhalten in Zulieferbetrieben übernehmen müssen, waren vor nicht allzu langer Zeit politisch und rechtlich schwer vorstellbar. Diese Richtlinie ist daher eindeutig ein Meilenstein auf dem Gebiet des europäischen Regierens und zeigt den starken politischen Willen und die Macht der EU, die globalisierte Wirtschaft grundlegend zu verändern.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Für die Unternehmen, einschließlich der Pioniere im Bereich der Nachhaltigkeit, hat dieses umfangreiche Regelungspaket enorme Auswirkungen auf das Management. Es erfordert wesentlich mehr Investitionen in nachhaltige Geschäftspraktiken und verändert die Art und Weise, wie Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit in Unternehmen gehandhabt werden. Es wird ein Wechsel von freiwilligen, aber oft innovativen Projekten und Strategien, die von CSR-Abteilungen gefördert werden, hin zur Einhaltung von Vorschriften vollzogen, wobei Rechtsabteilungen und Wirtschaftsprüfer nun das Thema vorantreiben. Diese Entwicklung bringt sowohl Vorteile in Form von mehr Ressourcen und höherer strategischer Relevanz als auch Nachteile durch mehr Verwaltung sowie weniger Innovation und Kreativität mit sich.“

„Ein klares Versäumnis dieser jüngsten Regulierungspakete ist die fehlende Unterstützung für Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen, die durch Kaskadeneffekte indirekt, aber nicht weniger stark von den Richtlinien betroffen sind. Viele dieser Unternehmen sind mit der Menge und Komplexität der Daten, die sie nun ihren Geschäftspartnern zur Verfügung stellen müssen, völlig überfordert. Die EU muss eine Lösung für dieses Problem finden, und ein Aspekt dabei ist, dass eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften dringend erforderlich ist. Die European Sustainability Reporting Standards sind ein guter Ausgangspunkt, aber es bedarf einer viel stärkeren Integration und Angleichung der Rechtsvorschriften, um Legitimität zu sichern und die Unterstützung der Unternehmen in dieser wichtigen Frage nicht zu verlieren.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Insgesamt bleibt abzuwarten, ob all diese Regulierungsbemühungen zu den beabsichtigten positiven Auswirkungen für jene Menschen führen, deren Menschenrechte derzeit in Produktionsstätten auf der ganzen Welt verletzt werden. In diesem Zusammenhang besteht sicherlich auch ein Bedarf an mehr öffentlichen Mitteln für eine rigorose wissenschaftliche Wirkungsforschung.“

Prof. Dr. Markus Krajewski

Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Die neue Richtlinie soll auf Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Anwendung finden. Das ist eine erhebliche Ausweitung im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz, entspricht aber dem Ansatz, den die Bunderegierung bereits 2016 im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verfolgt hat.“

„Der vorläufige Ausschluss der Finanzbranche ist ein typischer politischer Kompromiss. Es ist jedoch nicht das Ende der Debatte. Unternehmen der Finanzbranche sollten sich bereits jetzt darauf einstellen, dass sie mittelfristig auch von den Regeln erfasst werden.“

„Die neue Richtlinie begründet – anders als das Lieferkettengesetz – auch eine zivilrechtliche Haftung. Das verbessert den Zugang zu Rechtsschutz für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und erhöht die Rechtssicherheit für Unternehmen, da sie sich bei einer Klage mit der Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach der Richtlinie verteidigen können.“

„Die Richtlinie folgt im Kern dem Ansatz, auf dem auch das Lieferkettengesetz beruht. Deutsche Unternehmen, die sich um eine ernsthafte und gewissenhafte Umsetzung ihrer Pflichten nach dem Lieferkettengesetz bemühen, haben also wenig zu befürchten. Vielmehr hat die Richtlinie für sie nur Vorteile: Sie haben sich bereits auf die neuen Regeln eingestellt und erleben nun auch keine Wettbewerbsverzerrungen mehr“.

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Die geplante EU-Richtlinie über unternehmerische Sorgfalt ist – ebenso wie das deutsche Lieferkettengesetz – ein Gesetz, das die Unternehmensverantwortung für Menschenrechte, die in den Leitprinzipien der Vereinten Nationen (VN) für Wirtschaft und Menschenrechte niedergelegt ist, in verbindliches nationales Recht umsetzen soll.“

„Um diesem Anspruch zu genügen, muss sich die Richtlinie an den Grundsätzen der VN-Leitprinzipien orientieren. Dazu gehört auch, dass kein Sektor der Wirtschaft ausgenommen wird. Ein Ausschluss der Finanzbranche würde daher den VN-Leitprinzipien widersprechen. Die Regelung der zivilrechtlichen Haftung ist sowohl aus menschenrechtlicher als auch aus unternehmerischer Sicht ebenfalls unabdingbar. Für Opfer von Menschenrechtsverletzungen besteht ein Anspruch auf Entschädigung, der im nationalen Recht verankert sein muss. Für Unternehmen erhöht es die Rechtssicherheit, wenn der Grundsatz gilt: Wer gegen Pflichten verstößt und dadurch einen Schaden verursacht, muss haften. Er bedeutet nämlich auch, dass Unternehmen, die sich rechtskonform verhalten haben, nicht haften müssen.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Für die einheitliche Regelung von Unternehmensverantwortung, die Unternehmen klare Vorgaben macht, an welchen Standards sie sich orientieren sollen, sprechen die Wettbewerbsgleichheit im europäischen Binnenmarkt und die Rechtsklarheit. Gegen die Richtlinie spricht, dass sie weitgehend ohne Beteiligung von betroffenen Rechteinhaber*innen aus dem Globalen Süden zustande gekommen ist und sich somit dem Vorwurf aussetzen lassen muss, dass es sich um eine einseitige Regelung handelt.“

Erfahrungen aus dem deutschen Lieferkettengesetz

„Empirisch belastbare Aussagen gibt es noch nicht. Aus anderen Gesetzesprozessen und aus anekdotischer Evidenz kann man vermuten, dass es sowohl Unternehmen gibt, die sich um eine ehrliche Verbesserung ihrer Lieferbeziehungen und Produktionszusammenhänge bemühen und sinnvolle Änderungen anstoßen als auch solche, die möglichst wenig Veränderungen vornehmen wollen und dem Gesetz nur auf dem Papier folgen. Welche tatsächlichen Veränderungen erfolgen und wie sich diese auswirken, kann aktuell nicht seriös prognostiziert werden.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Deutsche Unternehmen, die bereits dem LkSG unterfallen und sich darauf eingelassen haben, dürften einen Wettbewerbsvorteil auf dem EU-Markt haben, da der Kern der Richtlinie dem LkSG entspricht. Allerdings werden sich Richtlinie und LkSG in vielen Details unterscheiden. Das LkSG muss dann angepasst werden.“

Prof. Dr. Markus Scholz

Professor für Betriebswirtschaft, insbesondere Responsible Management, Technische Universität Dresden

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Die Einigung zum EU-Lieferkettengesetz schafft endlich einen verlässlichen europäischen Rahmen. Das Gesetz beinhaltet menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ziel ist es, dass große Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden.“

„Bedauernswert und meines Erachtens falsch ist die Exklusion des Finanzsektors. Hier wird eine Industrie geschont, die mittelbar erheblichen Einfluss auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten nehmen kann.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Öffentliche Debatte um das EU-Gesetz

„Befürworter sehen in der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ein längst überfälliges Rahmenwerk, das unternehmerische Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Menschenrechts- und Umweltthemen klar regelt. Mit dem Lieferkettengesetz wird endlich ein level playing field für europäische Unternehmen geschaffen. Die nationalen Gesetzgebungen werden damit überwiegend harmonisiert. Kritiker behaupten Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen und befürchten zudem eine Art Neo-Kolonialismus.“

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Das EU-Lieferkettengesetz wird endlich einen dringend benötigten europäischen Rahmen schaffen. Es beinhaltet menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ziel ist es, dass Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden. Die Richtlinie sieht zudem vor, dass Unternehmen ab einer gewissen Größe künftig Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten. Unternehmen müssen dabei in angemessener Weise sowohl die vorgelagerte (zum Beispiel Rohstoffabbau) als auch die nachgelagerte Kette (Verwendung, Verwertung, Entsorgung) im Blick haben.“

Ethische Beurteilung des EU-Gesetzes

„Ich sehe hier keinen größeren ethischen Dissens. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive wird immer wieder eingeworfen, dass das Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen schädigt. Das sehe ich nicht so. Die CSDDD schafft vielmehr endlich ein verlässliches level playing field für europäische Unternehmen und harmonisiert zudem nationale Gesetzgebungen.“

„Mitunter wird eingeworfen, dass das Gesetz eine Art neo-kolonialistischer Ansatz ist und die EU ärmere Länder bevormunden würde. Ich halte diese Argumente für verfehlt. Die CSDDD schafft vielmehr ein level playing field für Unternehmen in dessen Rahmen Menschenrechts- und Umweltschutzstandards möglichst klar definiert sind. Solche Spielregeln zu formulieren, ist das Recht jedes Einkäufers. Wenn die Politik einen entsprechenden Rahmen für Unternehmen schafft, ist das zu begrüßen und entlastet Unternehmen in moralischer Hinsicht.“

„Das Gesetz wird an seinem tatsächlichen Einfluss im Hinblick auf Menschrechte und Umweltschutz gemessen werden. Zudem muss die Akzeptanz bei den Zulieferunternehmen und bei der Bevölkerung in den entsprechenden Ländern regelmäßig evaluiert werden.“

Prof. Dr. Lena Rudkowski

Professorin für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Die EU-Lieferkettenrichtlinie will, wie schon das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG), eine Verbesserung der Umweltstandards und der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen entlang der globalen Lieferketten europäischer Unternehmen erreichen. Dafür haben die Mitgliedstaaten den verpflichteten Unternehmen Geschäftsorganisationspflichten aufzuerlegen. So müssen die Unternehmen analysieren, welche Risiken für Sozial- und Umweltbelange von ihrer Geschäftstätigkeit ausgeht und darstellen, wie sie diese bewältigen wollen. Ziel ist es, die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltbelangen in alle unternehmerischen Entscheidungsprozesse zu integrieren. Negative Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umweltbelange sollen vermieden oder, falls sie festgestellt werden, möglichst beseitigt werden.“

„Im Verhältnis zum LkSG ist neu, dass nach der Richtlinie das Unternehmen für eine Verletzung seiner Präventions- und Abhilfepflichten in zivilrechtliche Haftung genommen werden soll, und dass etwa Kreditinstitute verpflichtet werden sollen, vor der Kreditvergabe etwaige negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und auf Umweltbelange zu ermitteln (Laut der Einigung im EU-Trilog werden Kreditinstitute nun doch zunächst von dem Gesetz ausgenommen; Anm. d. Red.).“

„Vor allem aber ist der Anwendungsbereich der Richtline deutlich weiter gefasst als der des LkSG, mit deutlich niedrigeren Schwellenwerten für die Anwendung, sodass mehr Unternehmen als bislang durch Lieferkettenregulierung zu verpflichten sind.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Für Lieferkettenregulierung sprechen die oftmals offensichtlich prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen in den Staaten des Globalen Südens, und damit die globale soziale Gerechtigkeit, ebenso wie die Notwendigkeit des Umweltschutzes.“

„Umwelt- und Sozialbelange in den Staaten des Globalen Südens unterliegen nicht der Rechtsetzung durch Deutschland oder die EU. Beheben die jeweiligen Staaten innerhalb ihres Hoheitsgebiets Defizite in Rechtsetzung oder -durchsetzung im Bereich der Menschenrechte oder des Umweltschutzes nicht, ist es für die EU oder Deutschland schwierig, den Menschen und der Umwelt in diesen Staaten Schutz zu bieten.“

„Hier setzt Lieferkettenregulierung an: Aus der Erwägung heraus, dass das Unternehmen an der Spitze der Lieferkette von den Leistungen seiner Zulieferer profitiert, und aus der Erwägung heraus, dass es als Abnehmer über eine gewisse Verhandlungsmacht gegenüber seinen Zulieferern verfügt, wird es in die Pflicht genommen, bei seinen Zulieferern auf die Einhaltung von Mindeststandards im sozialen und ökologischen Bereich zu achten. Das Unternehmen gibt seinen Zulieferern bestimmte Standards vertraglich vor und verpflichtet sie auch, diese Standards wiederum an die eigenen Zulieferer weiterzugeben. Die Mindeststandards sickern so gleichsam bis an den Beginn der Lieferkette durch. Private Standardsetzung und -durchsetzung tritt so an die Stelle staatlicher Rechtsetzung und -durchsetzung. Mit anderen Worten: Da Staaten entlang der globalen Lieferketten ihrer Verantwortung zum Schutz von Mensch und Umwelt in unterschiedlichem Maße gerecht werden, wird die Wirtschaft in die Pflicht genommen. Private Unternehmen sollen Defizite in der Staatlichkeit ausgleichen.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Leider übersieht die EU-Lieferkettenrichtlinie (wie auch schon das deutsche LkSG), dass dieser Ansatz nach den tatsächlichen Rahmenbedingungen nicht uneingeschränkt funktionsfähig ist.“

„Der Grund: Das Konzept setzt hinreichende Verhandlungs- und damit Marktmacht des Abnehmers voraus. Diese muss aber nicht immer gegeben sein. Es kann auch der Abnehmer von der Leistung seines Zulieferers abhängig sein, etwa weil dieser eine marktbeherrschende Stellung bei einer bestimmten Spitzentechnologie hat. Auch Rohstoffabhängigkeiten deutscher und europäischer Unternehmen, die der breiteren Öffentlichkeit punktuell etwa durch den Ukrainekrieg vor Augen geführt worden sind, können die Marktmacht erheblich einschränken. Problematisch sind hier vor allem Fälle, in denen ein Rohstoff oder ein Vorprodukt vorwiegend von Unternehmen mit Sitz in einem Staat geliefert wird, der das westliche Menschenrechtsverständnis nicht oder nicht uneingeschränkt teilt.“

„Wie das LkSG ist die Lieferkettenrichtlinie außerdem stark von einer westlich-europäischen Sichtweise geprägt, die die tatsächlichen Rahmenbedingungen im Globalen Süden oft nicht hinreichend berücksichtigt.“

„Anders als das LkSG, das vor allem Arbeitnehmer im Globalen Süden schützen soll, setzt die Richtlinie zwar stärker auf den Schutz von Menschenrechten allgemein, unabhängig von der Frage, ob eine Person Arbeitnehmer ist. Dies ist insoweit sinnvoll, als im Globalen Süden der überwiegende Anteil der Beschäftigten dem informellen Sektor angehört, also nicht formal in einem Arbeitsverhältnis steht. Die Durchsetzung der nach der Richtlinie zu schützenden Rechte bleibt für die Menschen im Globalen Süden aber problematisch. Zugang zu staatlichen Gerichten oder funktionsfähigen Behörden ist oft nicht gegeben, gerade diesem Gedanken soll ja auch die Richtlinie Rechnung tragen. Der zur Rechtsdurchsetzung bei den verpflichteten Unternehmen vorgesehene Beschwerdemechanismus, der auch Personen aus den globalen Lieferketten offen stehen muss, hilft in vielen Staaten entlang der globalen Lieferketten jedoch nur bedingt: Der beste Beschwerdemechanismus nützt nichts, wenn die betroffene Person von dem Beschwerdemechanismus nichts erfährt und ihn nicht nutzen kann, etwa, weil sie nicht hinreichend alphabetisiert ist, keinen Internetzugang hat oder von bewaffneten Konflikten in ihrer persönlichen Sicherheit bedroht ist. Die Richtlinie zeigt hierfür kein ausreichendes Bewusstsein.“

„Sie sieht zwar unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen in Europa vor, etwa behördliche Rechtsdurchsetzung innerhalb der Mitgliedstaaten, aber die selbstbestimmte Rechtsdurchsetzung durch die Menschen vor Ort, die eigentlich gerade das Ziel sein müsste, bleibt gerade in den Staaten, in denen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung besonders prekär sind, praktisch problematisch. Inwieweit Rechtsetzung zur Lieferkettensorgfalt hier überhaupt der richtige Ansatz ist, ist fraglich.“

„Daneben gibt die Richtlinie keine konkreten Standards vor, die in sozialer und menschenrechtlicher Hinsicht einzuhalten sind, sondern nimmt auf eine Vielzahl völkerrechtlicher Übereinkommen Bezug, die ganz unterschiedliche Rechte schützen, von Religionsfreiheit bis Koalitionsfreiheit. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich aus diesen Übereinkommen bestimmte Mindeststandards ergeben, die Privaten hinreichende Orientierung bieten – dies ist aber in weiten Bereichen nicht der Fall. Die völkerrechtlichen Übereinkommen richten sich ihrer Natur nach an ihre Unterzeichnerstaaten, denen sie nur einen ungefähren Rahmen für eigene hoheitliche Tätigkeit setzen, insbesondere für eigene Normgebung. Den Nationalstaaten bleibt also erheblicher Spielraum für eigene Ausgestaltung, ebenso nun den Unternehmen. Hieraus folgt für diese aber auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Als Private müssen sie sich rechtskonform verhalten und dafür versuchen, mit ihren Standards die Vorstellungen des Normgebers zu treffen. Sind diese nicht klar bestimmt, ist das schwierig.“

„Darüber hinaus blendet die Richtlinie aus, dass das Verständnis von Menschenrechten international keineswegs einheitlich ist. Gerade bei zentralen Rechten für Arbeitnehmer, wie etwa Arbeitsschutz oder Koalitionsfreiheit, besteht erheblicher Konkretisierungsbedarf. Trotz der zahlreichen Übereinkommen, auf deren Schutzgüter die Unternehmen zu achten haben, bleibt damit der eigentliche Schutz recht unklar.“

„Betrachtet man Staaten des Globalen Südens näher, ist zu beobachten, dass selbst solche Staaten des Globalen Südens, die das europäische Menschenrechtsverständnis übernommen haben, keine einheitlichen Vorstellungen dessen haben, was menschenwürdiges Leben und menschenwürdige Arbeit ausmacht, welche konkreten Standards mithin unerlässlich sind und zwingend eingehalten werden müssen.“

„So haben sich in einer Untersuchung mit der Demokratischen Republik Kongo, einem der weltweit führenden Rohstoffproduzenten mit besonders schwierigen Lebensbedingungen, erhebliche Zweifel ergeben, ob die Lieferkettenregulierung Verbesserungen für die Menschen vor Ort bringen wird [1]. Trotz einer Arbeitsrechtslage, die europäischen Standards genügt, und eines Menschenrechtsverständnisses, das dem europäischen ähnlich ist, wird ‚menschenwürdige Arbeit‘ anders definiert als in Deutschland und Europa. Zugleich sind die tatsächlichen Bedingungen vor Ort geprägt von schwierigen Lebensbedingungen, die es fraglich erscheinen lassen, ob die Beschäftigten ihre Rechte – mithilfe staatlicher Gerichte, Behörden oder den Unternehmen an der Spitze der Lieferketten – werden durchsetzen können. Die Wirtschaftsstruktur ist überdies geprägt von einer Dominanz chinesischer Zwischenhändler gerade im Rohstoffankauf, die es unwahrscheinlich macht, dass deutsche Unternehmen, die diese Rohstoffe abnehmen, hier nennenswerten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen vor Ort nehmen können. Obgleich die Arbeitsbedingungen der DR Kongo streng genommen bereits unter verschiedene Regelungen zur Lieferkettensorgfalt fallen (etwa chinesischer), ist eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort bislang nicht festzustellen.“

„Es besteht die Gefahr, dass bei erheblichem organisatorischem Aufwand für die Unternehmen die Lieferkettenregulierung nur sehr wenigen Menschen im Globalen Süden auch eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen bringt.“

Erfahrungen aus dem deutschen Lieferkettengesetz

„Zur Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes gibt es bislang kaum gesicherte Erkenntnisse. Da das Gesetz erst seit dem 01.01.2023 überhaupt anzuwenden ist, entwickeln sich die Unternehmenspraxis und die Handhabung durch die zuständige Aufsichtsbehörde gerade erst.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Eine Richtlinie muss grundsätzlich erst in nationales Recht umgesetzt werden, um Private zu binden. Daher wird das LkSG – als nationaler Umsetzungsakt der Richtlinie – bleiben, muss aber den Anforderungen der Richtlinie entsprechen.“

„Der deutsche Gesetzgeber wird aufgrund der Richtlinie Anpassungen am LkSG vornehmen müssen, vor allem wird Paragraf 1 des LkSG zu ändern sein: Die Schwellenwerte, ab denen Unternehmen unter die EU-Lieferkettenregulierung fallen, sind deutlich niedriger als die Schwellenwerte, die das LkSG derzeit vorsieht. Es werden also mehr Unternehmen als bisher die Anforderungen an die Lieferkettensorgfalt einzuhalten haben.“

„Grundlegend neu ist auch die Haftungsregelung: Der deutsche Gesetzgeber hat ausdrücklich festgehalten, dass eine Verletzung der Pflichten aus dem LkSG – etwa ein unzureichendes Risikomanagement – keine Haftung des Unternehmens begründet (Paragraf drei, Absatz 3 des LkSG). Die Richtlinie dagegen verlangt, dass Unternehmen für Schäden haften, wenn sie ihre unternehmensorganisatorischen Verpflichtungen verletzt haben, etwa zur Vermeidung negativer Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte. Damit bekommen wir einen ganz neuen Durchsetzungsmechanismus, und die Haftungsrisiken für die Unternehmen steigen deutlich an.“

„Es ist zu bezweifeln, ob die EU-Richtlinie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen im Globalen Süden nennenswert verbessern wird. Auch die in der Richtlinie enthaltenen Neuerungen im Verhältnis zum deutschen LkSG lassen hier keinen ‚Durchbruch‘ erwarten.“

Prof. Dr. Markus Kaltenborn

Professor für Öffentliches Recht, Finanzverfassungs- und Gesundheitsrecht, Ruhr-Universität Bochum

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie stellt einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des globalen Menschenrechtsschutzes dar. Staaten haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass unternehmerische Aktivitäten nicht zur Verletzung grundlegender Menschen- und Arbeitsschutzrechte führen – egal auf welcher Ebene der Wertschöpfungskette und in welchem Land die betreffenden Personen tätig sind. Mit der Einigung im EU-Trilog sind nun die Weichen dafür gestellt worden, dass diese zentrale Anforderung des internationalen Menschenrechtsschutzes in die Praxis umgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten müssen jetzt entsprechende Regelungen schaffen beziehungsweise – wie im Fall Deutschlands – ihre hierzu bereits bestehende Gesetzgebung anpassen. Dass vorerst der Finanzsektor von den neuen Vorgaben ausgeschlossen bleibt, ist zwar aus menschenrechtlicher Perspektive keine gute Nachricht – aber da es eine Überprüfungsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehung dieses Sektors geben wird, besteht Hoffnung, dass langfristig auch diese Lücke geschlossen werden kann.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Relevanz des EU-Gesetzes

„Die EU-Lieferkettenrichtlinie wird man als eine große Chance betrachten können, den Menschenrechtsschutz in den globalen Wertschöpfungsketten nachhaltig zu verbessern. Internationale Verpflichtungen – und zwar die menschenrechtlichen Schutzpflichten, die auch über die Landesgrenzen hinausreichen – werden nun endlich von einem wichtigen globalen Wirtschaftsakteur, der EU, umgesetzt.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Im Vergleich zum deutschen Gesetz wird die Richtlinie deutlichere Vorgaben hinsichtlich der Sorgfaltspflichten machen, die nicht nur im Verhältnis zu den unmittelbaren Zulieferern, sondern darüber hinaus auch auf den vorgelagerten Stufen der Lieferkette einzuhalten sind. Gerade am Beginn dieser Kette – zum Beispiel in den Bergwerken und auf den Plantagen – werden Menschenrechte häufig mit Füßen getreten und massive Umweltschäden verursacht.“

„Wichtig ist die Richtline aber auch für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken insbesondere in den Ländern des Globalen Südens. Mangelnder Arbeitsschutz, Hungerlöhne und Diskriminierung am Arbeitsplatz sind Massenphänomene, die im Widerspruch zu menschenrechtlichen Kernanliegen stehen. Mit Hilfe der neuen EU-Richtlinie können hier wesentliche Verbesserungen erreicht werden.“

Dr. Christian Scheper

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Mit Blick auf den Schutz von Menschenrechten und ausgewählten Umweltaspekten in globalen Lieferketten ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass sich die EU im Trilog auf eine Richtlinie einigen konnte, die wichtige Elemente enthält, darunter Haftungsregelungen, eine relativ umfassende Definition der Wertschöpfungskette und die Möglichkeit effektiver Sanktionsmechanismen. Allerdings wird die Wirksamkeit beziehungsweise Reichweite der Richtlinie durch die Beschränkung auf große Unternehmen ab 500 Beschäftigten und die zumindest vorläufige Ausklammerung des Finanzsektors entscheidend eingeschränkt. Die Richtlinie wird damit den Prämissen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nicht in vollem Umfang gerecht, dürfte aber einen Meilenstein auf dem Weg zu einer sozial und ökologisch verbesserten Lieferkettenregulierung darstellen. Die tatsächliche Wirksamkeit für Menschen und Umwelt entlang globaler Lieferketten muss allerdings die Praxis erst zeigen.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Kern der Richtlinie soll die Einführung einer menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflicht für Unternehmen sein. Dabei handelt es sich um eine Bemühenspflicht. Das heißt Unternehmen müssen bestehende menschenrechtliche und ausgewählte umweltbezogene Risiken entlang ihrer Wertschöpfungskette bewerten, negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten identifizieren, verhindern oder mindern und darüber berichten, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen beziehungsweise nachgekommen sind.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Damit das Lieferkettengesetz einen wirksamen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten leisten kann, muss es eine ausreichende Zahl von Unternehmen erfassen, also nicht nur sehr große Unternehmen und nicht nur bestimmte Sektoren. Auch der Finanzsektor ist für menschenrechtliche und umweltbezogene Einflüsse von hoher Relevanz und muss daher einbezogen werden. Zudem muss es die Wertschöpfungskette weitreichend erfassen, also nicht nur etablierte Geschäftsbeziehungen betreffen, sondern die für das jeweilige Geschäftsmodell des Unternehmens relevanten Wertschöpfungsprozesse und Geschäftsbeziehungen erfassen. Das ist wichtig, weil vielfache Umwelt- und Menschenrechtsprobleme in der tieferen Lieferkette zu finden sind, etwa im Rohstoffabbau oder in der Landwirtschaft. Außerdem muss das Lieferkettengesetz Sorgfalt als kontinuierliche Pflicht verstehen, die nicht in weiten Teilen auf Geschäftspartner verschoben werden kann. Es muss wirksame behördliche Sanktionsmöglichkeiten vorsehen und es muss wirksame Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten für Anspruchsgruppen vorsehen, insbesondere für Arbeitnehmende und ihre Vertretenden entlang der Lieferketten – in Verfahren zur Risikoidentifizierung und im Rahmen von effektiven Beschwerde- und Klagemöglichkeiten.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Die Entwicklung der globalisierten Produktion, die gewachsenen Einflüsse großer transnationaler Konzerne in den letzten Jahrzehnten und die damit einhergehende Diskrepanz zwischen ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Ansprüchen einerseits und den tatsächlichen Auswirkungen globaler Produktions- und Handelsaktivitäten andererseits sprechen für ein starkes Lieferkettengesetz. Die EU kann hiermit angesichts ihrer Position und ihres Regelungseinflusses auf transnationale Player in der globalen Wirtschaft ihren Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Menschenrechtsschutz auf verbesserte Weise nachkommen, als dies bisher der Fall ist.“

Dr. Peter Gailhofer

Senior Researcher für Umweltrecht und Governance, Öko-Institut e.V., Berlin

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Mit der CSDDD bekommt die EU eine in vielerlei Hinsicht gut gemachte Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten, die viele Lücken im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz schließen wird. In seinem Anwendungsbereich bleibt das Gesetz zwar hinter einer Maximallösung zurück. Dass der Finanzsektor noch nicht in die Regulierung einbezogen wurde, dürfte die Erreichung der Ziele der CSDDD merklich einschränken. Auf der Habenseite des Kompromisses steht – neben zusätzlich einbezogenen, wichtigen Menschenrechtsgewährleistungen – aber eine offenbar umfassende Regelung umweltbezogener Sorgfaltspflichten und eine klimaschutzbezogene Pflicht der Unternehmen. Die Kombination unterschiedlicher Durchsetzungsmechanismen und insbesondere eine Regelung zur zivilrechtlichen Haftung soll sicherstellen, dass die Unternehmen diese Pflichten auch hinreichend ambitioniert erfüllen. Solche breiten Regelungen ‚mit Biss‘ werden seit langem gefordert und sind – aus rechtswissenschaftlicher und rechtspolitischer Sicht – zu begrüßen.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Die Sorgfaltspflichten-Richtlinie der EU verfolgt das Ziel, die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte in den Wertschöpfungsketten europäischer Unternehmen zu mindern und damit zur Nachhaltigkeitstransformation der globalisierten Wirtschaft beizutragen. Um effektiv im Hinblick auf diese ambitionierten Ziele zu sein, sollte die Richtlinie einer Reihe von übergeordneten Aspekten gerecht werden, unter anderem den im Folgenden aufgezählten Punkten.“

„Es liegt nahe, dass ambitionierte Nachhaltigkeitsziele nur erreicht werden können, wenn die geregelten Pflichten auch wesentliche Nachhaltigkeitsprobleme abdecken. Zunächst ist festzustellen, dass die Sorgfaltspflichten-Richtlinie diesbezüglich weiter geht als etwa das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG). Konkreter bestehen aber durchaus Unterschiede zwischen den Positionen im Trilog. Insbesondere mit Blick auf die umwelt- und klimaschutzbezogenen Sorgfaltspflichten sieht die Parlamentsposition zur Sorgfaltspflichtenrichtlinie erheblich umfangreichere Regelungen vor als der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission, der eher fragmentarisch nur die Einhaltung bestimmter umwelt- und völkerrechtlicher Verträge vorschreibt. Welcher dieser Ansätze für umweltbezogene Pflichten sich am Ende des Trilogs durchsetzt, bleibt abzuwarten.“

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Die effektive Zielerreichung der Richtlinie hängt insbesondere davon ab, ob wirksame Anreizmechanismen geschaffen werden: Das Konzept unternehmerischer Sorgfaltspflichten geht davon aus, dass Unternehmen die Besonderheiten ihrer Wertschöpfungsketten am besten kennen und daher zunächst selbst über die angemessenen Maßnahmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt entscheiden sollten. Damit die hieraus folgenden Entscheidungsspielräume der Unternehmen so genutzt werden, dass tatsächlich möglichst effektiv Umwelt und Menschenrechte geschützt werden, sind Um- und Durchsetzungsmechanismen so auszugestalten, dass sie entsprechende Anreize für die Unternehmen setzen.“

„Eine zentrale Rolle spielt dabei einerseits eine effektive behördliche Kontrolle und Durchsetzung und eine hiermit verbundene Sanktionsdrohung. Andererseits wird von vielen Seiten darauf hingewiesen, dass Rechte Dritter – also insbesondere Betroffener, aber zum Beispiel auch von NGOs oder Umweltverbänden – eine zentrale Voraussetzung dafür sind, dass Risiken für Schäden und Rechtsverletzungen wirksam gemindert werden. Solche Rechte Dritter etabliert insbesondere ein effektiver Haftungsmechanismus: Wenn Unternehmen mit womöglich kostspieligen Klagen rechnen müssen, kann das dazu beitragen, dass sie wirklich effektive Maßnahmen zu Risikominderung ergreifen. Geschädigten im Ausland entsprechende Rechte und wirksame Klagemöglichkeiten einzuräumen, wenn europäische Unternehmen dazu beitragen, dass ihre Rechte verletzt werden, ist neben Effektivitätserwägungen auch ein Gebot globaler Gerechtigkeit.“

„Eine andere Regelung, die Anreize zu einer ambitionierten Umsetzung der Pflichten schaffen könnte, enthält Artikel 15 Absatz 3 des Kommissionsentwurfs: Demnach sollen die variablen Vergütungen der Unternehmensleitung daran geknüpft werden, ob die betreffenden Mitglieder der Unternehmensleitung einen Beitrag zur nachhaltigen und klimagerechten Umstellung des Geschäftsmodells des Unternehmens leisten.“

„Gerade gegen die Umsetzung eines hinreichend konsequenten, wirksamen Haftungsmechanismus in der Richtlinie gab es große Widerstände vor allem seitens der Mitgliedsstaaten. Auch hier bleibt abzuwarten, welcher Ansatz sich im Trilog durchsetzt.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Es ist zu erwarten, dass die EU-Richtlinie die Grundidee unternehmerischer Sorgfaltspflichten, wie sie in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 enthalten ist, in vielerlei Hinsicht konsequent und folgerichtig umsetzt. Hervorzuheben ist dabei die umfassende Reichweite der Sorgfaltspflicht für die Wertschöpfungskette, die sowohl für unmittelbare als auch für mittelbare Zulieferer gilt. Eine Beschränkung der Regelung auf unmittelbare Zulieferer wie im deutschen LkSG ist angesichts ganz unterschiedlicher Einflussmöglichkeiten der Unternehmen nicht sinnvoll. Angesichts dessen, dass wesentliche Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden häufig in sehr frühen Stadien der Wertschöpfungskette vorkommen, wird die Beschränkung auf unmittelbare Zulieferer dem Anspruch der Gesetze auch nicht gerecht.“

„Zentrale Argumente für die Richtlinie sind auch deren (potenziell) relativ umfangreiche umwelt- und klimabezogenen Pflichten, sowie ein konsequenter ‚enforcement mix‘, der auch die zivilrechtliche Haftung als Durchsetzungsmechanismus berücksichtigt.“

„Wichtige Gegenargumente gegen das Gesetz betreffen eine zusätzliche Belastung europäischer Unternehmen mit Bürokratie, sowie die Belastung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und mit solchen Belastungen verbundene Nachteile im globalen Wettbewerb. Während KMU eigentlich nicht in den Adressatenbereich des Gesetzes einbezogen sind, werden Sorgfaltspflichten häufig durch sogenannte ‚Vertragskaskaden‘ an Zulieferer – und damit potenziell auch KMU – weitergereicht.“

„Zu diesen Gegenargumenten ist festzustellen, dass Bürokratielasten nach aller Voraussicht mit zunehmender Praxis sinken: Immer mehr Handreichungen und Hilfestellungen sind zu erwarten, ein wachsender Datenbestand wird den Aufwand für die Risikoanalyse senken und branchenspezifische Standards und Industrieinitiativen werden zunehmend bei der Orientierung helfen. Schon heute sind zum Beispiel eine Reihe von Dienstleistern auf dem Markt, die entsprechende Compliance-Systeme anbieten.“

„Aus (grund-)rechtlicher und ethischer Sicht bleibt auch im Hinblick auf solche Belastungen festzuhalten, dass unternehmerische Sorgfaltspflichten dem Schutz der Menschenrechte, der Umwelt und des Klimas dienen. Die Angemessenheit von gewissen Mehrbelastungen für mehrheitlich sehr große Unternehmen wird man vor diesem Hintergrund kaum mit guten Argumenten bestreiten können.“

Erfahrungen aus dem deutschen Lieferkettengesetz

„Da das LkSG erst seit diesem Jahr gilt, sind die Erfahrungen noch begrenzt. Erste Beschwerdeverfahren – zum Beispiel gegen Rewe, Edeka oder deutsche Automobilhersteller – können als Hinweise darauf gewertet werden, dass Beschwerdeverfahren für die Zivilgesellschaft ein effektiver Mechanismus sind, Probleme in Lieferketten aufzuklären und zu skandalisieren. Ähnliche Verfahren laufen (allerdings als Klageverfahren) in Frankreich auf der Grundlage der dortigen Lieferkettenregulierung.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Die Pflichten in der EU-Richtlinie und im deutschen Gesetz sind strukturell sehr ähnlich. Unternehmen, die die entsprechenden Verfahren, Zuständigkeiten und so weiter bereits eingerichtet haben, um dem deutschen LkSG zu entsprechen, werden diese also nach aller Wahrscheinlichkeit nicht ändern müssen. Ganz im Gegenteil dürfte eher ein Vorsprung gegenüber Konkurrenten vorliegen, die noch nicht über ein Sorgfaltspflichtensystem verfügen. Man wird zudem davon ausgehen können, dass der deutsche Gesetzgeber das LkSG nicht abschafft, sondern anpasst, um die Anforderungen des Europäische Gesetzes umzusetzen.“

Prof. Dr. Stephanie Schrage

Professorin für International Management / International Business mit Schwerpunkt China, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Die Einigung auf ein europäisches Lieferkettengesetz (CSDDD) ist ein Durchbruch und eine Errungenschaft der Zivilgesellschaft und engagierter Unternehmensvertreter:innen in Europa. In Ergänzung zum deutschen Lieferkettengesetz kann das CSDDD Menschenrechtsverletzungen und Umweltdelikte noch stärker aus dem internationalen Wettbewerb nehmen. Märkte, auf denen multinationale Unternehmen agieren – gerade die Märkte solcher, die Güter aus globalen Lieferketten beziehen – sind internationalisiert und auch der Wettbewerb in diesen Industrien findet auf internationaler Ebene statt. Je höher und internationaler eine Lieferkettengesetzgebung verankert ist, desto eher kann sie verhindern, dass Unternehmen, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen produzieren lassen oder Umweltproblematiken verursachen, Wettbewerbsvorteile haben. So sorgt das neue Gesetz für ein ‚level playing field‘ auf europäischer Ebene. Das europäische Gesetz kann das deutsche Gesetz insofern verschärfen, als dass der Geltungsbereich bereits ab einer Schwelle von 500 Mitarbeitenden greift und eine zivile Haftbarkeit eingeführt wird. Es bleibt spannend, wie diese zivile Haftbarkeit ausgestaltet wird und inwiefern das europäische Gesetz für Delikte bei mittelbaren Lieferanten geltend gemacht wird.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Wirksamkeit des EU-Gesetzes

„Das EU-Lieferkettengesetz sollte, um effektiv zu sein, das deutsche Lieferkettengesetz stärken und nicht verwässern. Wichtig ist, dass das Gesetz Unternehmen auch explizit in die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen bei mittelbaren Lieferanten zieht. Zudem sollten die Punkte der Überprüfung von Verstößen und die Sanktionen klar geregelt und stärker verankert sein als im deutschen Gesetz. Insbesondere sollte es zu einer strengeren Sanktionierung kommen.“

„Es ist eine Errungenschaft, dass wir ein deutsches Lieferkettengesetz haben. Allerdings ist eine Regulierung im europäischen Rahmen noch viel effektiver. Denn die Märkte auf denen multinationale Unternehmen agieren – gerade die Märkte solcher, die ihre Güter aus globalen Lieferketten beziehen – sind internationalisiert und auch der Wettbewerb findet auf internationaler Ebene statt. Je höher und internationaler eine Lieferkettengesetzgebung verankert ist, desto eher kann sie Menschenrechtsverletzungen und Umweltdelikte aus dem Wettbewerb nehmen – das heißt dafür sorgen, dass solche Unternehmen, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen produzieren lassen oder Umweltproblematiken verursachen, keinen Wettbewerbsvorteil mehr haben.“

Prof. Dr. Clara Brandi

Professorin am Institut für internationale Wirtschaftspolitik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, und Programmleiterin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Bonn

Nach der Einigung im EU-Trilog:

„Es ist großer Erfolg, dass es heute Nacht gelungen ist, sich auf ein EU-Lieferkettengesetz zu einigen. So werden Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten verpflichtet, insbesondere mit Blick auf Menschenrechte und Umweltschutz. Das Gesetz hat auch einige Schwächen und Lücken. Mit Blick auf den Klimaschutz hätte das Gesetz ambitionierter ausfallen können. Aber es ist zu begrüßen, dass größere Unternehmen zumindest Pläne vorlegen müssen, die sicherstellen, dass ihre Geschäftsmodelle mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Hier geht der EU-Ansatz über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Wichtig für die Zukunft ist, dass die Effekte des EU-Lieferkettengesetz sorgfältig analysiert werden. Dazu gehören auch nichtintendierte negative Auswirkungen in Entwicklungsländern. Essenziell ist ebenfalls, dass zukünftig auch der Finanzsektor in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt.“

Vor der Einigung im EU-Trilog:

Zentrale Aspekte des EU-Gesetzes

„Unternehmen sollten zivilrechtlich haftbar gemacht und angeklagt werden können. Es sollte verpflichtende Sorgfaltspflichten für Finanzinstitute geben. Und es sollte für Unternehmen stärkere klimabezogene Sorgfaltspflicht geben, zum Beispiel Obergrenzen für Emissionen.“

Wichtige Argumente zum EU-Gesetz

„Folgendes sind einige Argumente, die für das europäische Lieferkettengesetz sprechen: Es ist eine Basis für die bessere Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten, zum Beispiel mit Blick auf Umweltschutz und auch insgesamt für eine bessere Verhinderung sozialer und auch ökologischer Missstände. Außerdem bringt es für Konsument:innen mehr Transparenz bei Kaufentscheidungen. Zudem liefert das Gesetz Rechtssicherheit für EU-Unternehmen und mehr Vorhersehbarkeit in Bezug auf negative Auswirkungen und Risiken in den Bereichen Menschenrechte, Soziales und Umwelt. Und schließlich schafft das Gesetz gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen in der EU statt des derzeitigen Flickenteppichs unterschiedlicher nationaler Vorschriften.“

„Andere Argumente sprechen gegen das Gesetz: So gibt es Umsetzungsherausforderungen. Die Komplexität und Vielfalt der Lieferketten machen die Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu einer (oft auch kostenintensiven) Herausforderung, insbesondere für kleinere Unternehmen. Zudem können potenzielle Wettbewerbsnachteile entstehen. Damit EU-Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, sollten die verbindlichen Sorgfaltspflichten auch für Unternehmen aus Drittländern gelten – das ist aber nicht für alle der Fall. Zu guter Letzt könnte es im Globalen Süden zu nicht-intendierten negativen Implikationen kommen, wenn komparative Vorteile (Standortvorteile im Vergleich zu anderen Standorten; Anm. d. Red.) untergraben werden.“

Erfahrungen aus dem deutschen Lieferkettengesetz

„Es gibt bisher wenig systematische Daten zur Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes. Es gibt erste Einblicke aus Unternehmensperspektive, die auf die aufwändige Umsetzung hinweisen. Beim dafür zuständigen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle sind seit Beginn 2023 bereits eine Reihe von Beschwerden mit Blick auf Sorgfaltspflichten der relevanten Unternehmen eingegangen.“

Auswirkungen des EU-Gesetzes auf deutsche Unternehmen

„Der EU-Entwurf ist strenger als das deutsche Lieferkettengesetz. Er bezieht sich auf EU- und ausländische Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von 40 Millionen Euro. Das deutsche Gesetz gilt derzeit lediglich für Unternehmen mit mehr als 3.000 (seit 01.01.2023), ab dem 01.01.2024 mit mehr als 1.000 Arbeitnehmer:innen.“

„Die Umweltsorgfaltspflichten sind im EU-Entwurf umfassender, zum Beispiel mit Blick auf den Schutz der biologischen Vielfalt. Große Unternehmen sollen außerdem einen Plan entwickeln, der sicherstellt, dass die Unternehmensstrategie beispielsweise mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad gemäß des Pariser Abkommens vereinbar ist.“

„Deutschland hat mit dem Lieferkettengesetz eine Basis, aber sobald die EU-Mitgliedsstaaten die EU-Richtlinie in nationale Gesetze überführen müssen, wird Deutschland sein Lieferkettengesetz noch einmal nachschärfen müssen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Julia Hartmann: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Sarah Jastram: „Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“

Prof. Dr. Markus Krajewski: „Keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Markus Scholz: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Lena Rudkowski: „Interessenkonflikte bestehen keine.“

Prof. Dr. Markus Kaltenborn: „Ich bin Mitglied unter anderem im Aufsichtsrat von Oxfam Deutschland e.V. und im Trägerverein des Deutschen Instituts für Menschenrechte.“

Dr. Christian Scheper: „Keine Interessenkonflikte.“

Dr. Peter Gailhofer: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Stephanie Schrage: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Clara Brandi: „Keine Interessenkonflikte.“

Weiterführende Recherchequellen

Görg H et al. (2021): Ein Lieferkettengesetz für Deutschland?. Kiel Centre for Globalization Policy Paper.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Lumingu YM et al. (2023): Die Regulierung von Mindestarbeitsbedingungen in der globalen Lieferkette. Mohr Siebeck. DOI: 10.1628/978-3-16-162745-3.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Europäische Kommission (2022): Gerechte und nachhaltige Wirtschaft: Kommission legt Unternehmensregeln für Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in globalen Wertschöpfungsketten fest. Pressemitteilung.

[II] Europäische Kommission (2022): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. Gesetzesvorschlag der Kommission.

[III] Rat der Europäischen Union (2022): Rat legt Standpunkt zu Sorgfaltspflichten von großen Unternehmen fest. Pressemitteilung.

[IV] Rat der Europäischen Union (2022): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. Gesetzesvorschlag des Rates.

[V] Europäisches Parlament (2023): Unternehmen sollen Menschenrechte und Umweltnormen in Lieferketten berücksichtigen. Pressemitteilung.

[VI] Europäisches Parlament (2023): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. Gesetzesvorschlag des Parlaments.

[VII] Rat der Europäischen Union (2023): Corporate Sustainability Due Diligence: Council and Parliament strike deal to protect environment and human rights. Pressemitteilung.

[VIII] Europäisches Parlament (2023): Corporate due diligence rules agreed to safeguard human rights and environment. Pressemitteilung.