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29.01.2024

Mit Klimageld Akzeptanz und faire Kompensation sichern?

Klimaschutz kostet zunächst: Ob implizit, wenn bestimmte Technologien verboten oder andere subventioniert werden, oder explizit, wenn über Emissionshandel oder CO2­­-Steuer Emissionen verteuert werden [I]. Einsparungen durch vermiedene Klimawandelschäden stellen sich dagegen erst viel später ein. Mit einem Klimageld, meist gedacht als simple Pro-Kopf-Rückerstattung der Einnahmen aus der CO-Bepreisung, soll daher zumindest der explizite Teil der Kosten fair kompensiert werden, um in der Bevölkerung Akzeptanz für die CO2-Bepreisung zu gewinnen. Auch im Koalitionsvertrag wurde das Klimageld so begründet. Demnach will die Bundesregierung ein Klimageld „entwickeln“, um „einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten“ [II].

Seit Christian Lindner verkündet hat, dass in dieser Legislaturperiode kein Klimageld mehr eingeführt werde, wird das Thema in Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Umwelt- und Sozialverbände forderten in einem offenen Brief die Umsetzung des Klimageldes [III]. Gerade in Bezug auf die nationale CO2-Bepreisung im Gebäude- und Verkehrssektor sowie mit Blick auf den zukünftigen europäischen Emissionshandel für diese Bereiche stellt sich die Frage nach dem sozialen Ausgleich. Denn wer auf das Verbrennerauto angewiesen ist oder fossil heizt, wird durch die Klimapolitik mit weiter steigenden Energiekosten konfrontiert sein. Nicht alle Betroffenen können einfach auf Alternativen umstellen.

Doch welche Bevölkerungsgruppen genau sind von den Kosten der CO2-Bepreisung am stärksten betroffen? Ist eine pauschale Pro-Kopf-Rückerstattung der passende Weg, um die Einnahmen fair zu verteilen – welche anderen Vorschläge gibt es? Wie wichtig ist das Klimageld wirklich für die Akzeptanz der Klimapolitik und CO2-Bepreisung – oder kommt es auf andere Faktoren an?

Expertinnen und Experten im virtuellen Press Briefing

     

  • Prof. Dr. Matthias Kalkuhl, Leiter der Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin, und Professor für Klimawandel, Entwicklung und Wirtschaftswachstum an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam
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  • Dr. Sabine Preuß, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Geschäftsfeld Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
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  • Prof. Dr. Stephan Sommer, Professor für Volkswirtschaftslehre, Hochschule Bochum – University of Applied Sciences, und Wissenschaftler im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen
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Statements aus dem Press Briefing

Prof. Dr. Stephan Sommer

Professor für Volkswirtschaftslehre, Hochschule Bochum – University of Applied Sciences, und Wissenschaftler im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen

Auf die Frage nach der Kompensationswirkung von Klimageld:
„Klimapolitik führt immer auch zu Verteilungseffekten. Und diese Verteilungseffekte sind, wenn man nichts macht, häufig regressiv, weil einkommensschwache Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens für solche Güter wie Energie, also Güter mit unelastischer Nachfrage, ausgeben. Das heißt, wenn man nichts macht, ist Klimapolitik meistens regressiv. Und durch das Klimageld könnte man diese regressiven Verteilungseffekte abschwächen. Dann würde je nach Rechnung, je nach Höhe des CO2-Preises und je nach Rückerstattungsoption ungefähr die Hälfte der Haushalte durch die Rückzahlung des Klimageldes im Mittel zumindest entlastet werden. Dann sprechen wir von sogenannten vertikalen Verteilungsseffekten, die dadurch abgeschwächt werden könnten. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch in jeder Haushalts- oder Einkommensgruppe eine ganz große Streuung, eine ganz große Heterogenität, die man so pauschal mit dem Klimageld eben nicht abfedern kann.“

Dr. Sabine Preuß

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Geschäftsfeld Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

Auf die Frage, was zur Akzeptanz der CO2-Bepreisung beiträgt:
„Die Akzeptanz wird vor allem über die Verwendung der Mittel hergestellt. Wir haben dazu tatsächlich eine Studie durchgeführt, bei der wir uns diese vulnerablen Gruppen, die schon angesprochen wurden, angeschaut haben, mit denen Fokusgruppen durchgeführt haben, Diskussionsrunden. Wir haben sie gefragt, wie sie zum CO2-Preis stehen, und wir haben auch verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie das Geld wieder verwendet werden kann. Und da haben wir gesehen, dass, wie gerade schon gesagt wurde, die Gerechtigkeit eine große Rolle spielt, aber eben vor allem der Klimaeffekt; also, wie relevant oder gut fürs Klima wird die Verwendung der Mittel tatsächlich eingeschätzt? Aber auch, wie sehr bin ich davon betroffen? Beziehungsweise: wie sehr habe ich davon dann auch eine entsprechende Entlastung? Und tatsächlich, obwohl das Klimageld da objektiv gesehen gut abschneidet, hat es selbst in diesen sehr vulnerablen Gruppen nicht zu einer Akzeptanz geführt. Das hat am schlechtesten abgeschnitten in der Bewertung, weil viele tatsächlich gesagt haben: ‚Na ja, das ist ja irgendwie rechte Tasche, linke Tasche, ich zahle etwas und dann kriege ich es wieder zurück‘. Also der Mechanismus war nicht leicht zu verstehen.“

Prof. Dr. Matthias Kalkuhl

Leiter der Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin, und Professor für Klimawandel, Entwicklung und Wirtschaftswachstum an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam

Auf die Frage, wie die Kompensation für CO2-Bepreisung ausgestaltet sein sollte:
„Ich würde den CO2-Preis erhöhen, die Einnahmen zurückerstatten in Form eines Klimageldes, was allerdings stärker ausdifferenziert werden sollte nach Betroffenheit. Und es gibt da ein schönes Beispiel, nämlich die Gaspreisbremse, die keine Preisbremse ist, wie der Name sagt, sondern die wirklich eine Kompensation ist anhand des Bedarfes, des historischen Verbrauchs, der vor der Gaskrise gegolten hat für einen Haushalt. Und das ist ein Beispiel, wie man es geschafft hat, auch in kurzer Zeit relativ zielgenau zu entlasten. Man hat immer noch das Problem zwischen Arm und Reich und so weiter, aber erst einmal [werden die], die stark betroffen sind von den Preisen, auch stark entlastet. Und ich glaube, in so eine Richtung sollten wir auch beim Klimageld nachdenken, wie das unbürokratisch, einfach funktioniert. Und hinzu kommt, wie schon gesagt, wir müssen im Bundeshaushalt separate Posten für den Klimaschutz, für die Förderprogramme haben, die ja auch noch fällig sind, damit auch diese Kosten, die eigentlichen Kosten des Klimaschutzes, damit auch die fair verteilt werden.“

Videomitschnitt und Transkript

Bei 12:28 hat Herr Sommer sich versprochen, gemeint war, dass die Senkung der Strompreise auch progressiv wirkt, nicht regressiv.

Ein Transkript kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Weiterführende Recherchequellen

Ariadne (2023): Einnahmen aus CO2-Preis: Wie Milliarden für Klimaschutz und sozialen Ausgleich genutzt werden können. Pressemitteilung zu verschiedenen Analysen.

Fuest C et al. (2024): Das Klimageld ist nicht das richtige Instrument. Ifo Standpunkt.

Keastner K et al. (2023): Analyse: Langfristige Verteilungswirkungen einer CO2-Bepreisung – ein neuartiger modelltechnischer Ansatz. Analyse des Ariadne-Projektes.

Mercator Research Institute on  Global Commons and Climate Change (2021):  CO2-Preis-Rechner: Das kostet sozial ausbalancierter Klimaschutz in Deutschland. Daten-Tool zum Vergleich der Auswirkungen unterschiedlicher Kompensationen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] ifo Institut (2021): Wie fair ist die Energiewende? Verteilungswirkungen in der deutschen Energie- und Klimapolitik. Ifo Schnelldienst.

[II] SPD, Die Grünen, FDP (2021): Mehr Fortschritt wagen. Koalitionsvertrag.

[III] BUND (16.01.2024): Klimageld noch in dieser Legislaturperiode auszahlen. Offener Brief.