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08.02.2022

Long Covid – Begriff, Befund, Behandlung

Im Dezember 2019 präsentierte sich COVID-19 weltweit als akute Atemwegserkrankung. Heute ist bekannt, dass der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufene Infekt langfristige, womöglich chronische Beeinträchtigungen mit sich bringen kann – Long Covid oder je nach Definition auch Post Covid genannt. Bereits die früheren Epidemien der Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV hinterließen bei Personen, die sich von den entsprechenden Viruserkrankungen erholten, Symptome wie starke Müdigkeit, anhaltende Kurzatmigkeit und kognitive Probleme, die teils zu einer erheblichen Belastung der lokalen Gesundheitssysteme führten [I]. Derlei Symptome und einige weitere werden nun auch von COVID-19-Patientinnen und -patienten beschrieben [II]. 

Sechs Monate nach der Infektion berichten der Mainzer Gutenberg-COVID-19-Studie zufolge rund 40 Prozent der Genesenen über mindestens eines der von der WHO klassifizierten Symptome [III]. Aber auch noch nach acht Monaten können die Leiden anhalten [IV]. Kinder und Jugendliche sind zwar deutlich seltener betroffen als Erwachsene, aber von dem Risiko auch nicht gänzlich gefeit [V]. Wer mindestens zweifach geimpft ist, berichtet nach einer Infektion später seltener über Long-Covid-Symptome als Ungeimpfte [VI].

Die Pathomechanismen hinter diesen Leiden werden derzeit intensiv erforscht. Insbesondere die nachhaltigen Einflüsse des Virus auf das zentrale Nervensystem sind aktuell Gegenstand einiger Untersuchungen. So ließ schon der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, der bei manchen Infizierten bereits früh in der Pandemie beschrieben wurde, darauf schließen, dass SARS-CoV-2 womöglich über die Mund- und Nasenschleimhäute ins Gehirn gelangt. Einen eindeutigen Nachweis dafür gibt es bislang aber nicht. Während in einer Studie im Gehirn von 19 infizierten Patientinnen und Patienten ohne neurologische Symptome kein Nachweis von SARS-CoV-2 gefunden wurde [VII], entdeckten Forschende in einer anderen Studie mit 33 Patienten mit neurologischen Symptomen in wenigen Fällen virale RNA im Kleinhirn [VIII]. Dass der Erreger grundsätzlich in der Lage ist, über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn vorzudringen, zeigten deutsche Forschende jüngst in einem Zellmodell [IX].

Unklar ist bisher, ob bestimmte Virusvarianten eher zu Long Covid führen als andere. So zeichnet sich die Omikron-Variante im Vergleich zu Delta zwar mit einem milderen Krankheitsverlauf aus, die möglichen langfristigen Beeinträchtigungen einer Erstinfektion oder auch einer Durchbruchinfektion bei Geimpften sind jedoch noch nicht detailliert beschrieben. Hinzu kommt, dass Omikron als Immune-Escape-Variante allein aufgrund der hohen Infektiosität zu vielen neuen Infektionsfällen führt, wodurch auch die absolute Zahl der Long-Covid-Fälle steigen könnte. 

In einem virtuellen Press Briefing erörterten Fachleute, wie es zu den langfristigen Symptomen kommt, wie sie behandelt werden, welche Personen besonders gefährdet sind und welche Forschungsfragen derzeit intensiv diskutiert werden.

Hier finden Sie zudem eine Auswahl an Studien, welche unter anderem als Vorbereitung auf das Press Briefing diente. Die Studien können auch zu weiteren Recherchezwecken und zur Beurteilung der aktuellen Forschungsfragen verwendet werden. Die Studienauswahl hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Fachleute im virtuellen Press Briefing

     

  • Prof. Dr. Onur Boyman 
    Direktor der Klinik für Immunologie, Universitätsspital Zürich 
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  • Prof. Dr. Paul Lingor 
    Oberarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der Spezialambulanz für Motoneuronerkrankungen, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
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  • Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen 
    Leiterin der Immundefekt-Ambulanz am Institut für Medizinische Immunologie und Leiterin des Fatigue-Centrums, Charité – Universitätsmedizin Berlin
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  • Prof. Dr. Philipp Wild
    Leiter Klinische Epidemiologie und Studienleiter der Gutenberg-COVID-19-Studie, Universitätsmedizin Mainz
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Video-Mitschnitt & Transkript

Das Transkript können Sie hier als PDF herunterladen.

Auf unserem Youtube-Kanal können Sie das Video in der Sprecheransicht oder Galerieansicht anschauen.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Ahmed H et al. (2020): Long-term clinical outcomes in survivors of severe acute respiratory syndrome (SARS) and Middle East respiratory syndrome coronavirus (MERS) outbreaks after hospitalisation or ICU admission: A systematic review and meta-analysis. Journal of Rehabilitation Medicine. DOI: 10.2340/16501977-2694.

[II] Mendéz R et al. (2021): Long-term neuropsychiatric outcomes in COVID-19 survivors: A 1-year longitudinal study. Journal of Internal Medicine. DOI: 10.1111/joim.13389.

[III] Wild P et al. (2021): Präsentation zu Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Dashboard Gutenberg-COVID-19-Studie.

[IV] Darley D et al. (2021): Limited recovery from post-acute sequelae of SARS-CoV-2 at 8 months in a prospective cohort. ERJ Open Research. DOI: 10.1183/23120541.00384-2021.

[V] Borch L et al. (2022): Long COVID symptoms and duration in SARS-CoV-2 positive children — a nationwide cohort study. European Journal of Pediatrics. DOI: 10.1007/s00431-021-04345-z.

[VI] Kuodi P et al. (2022): Association between vaccination status and reported incidence of post-acute COVID-19 symptoms in Israel: a cross-sectional study of patients tested between March 2020 and November 2021. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.01.05.22268800.

[VII] Hirschbühl K et al. (2021): Viral mapping in COVID-19 deceased in the Augsburg autopsy series of the first wave: A multiorgan and multimethodological approach. Plos One. DOI: 10.1371/journal.pone.0254872.

[VIII] Meinhardt J et al. (2021): Olfactory transmucosal SARS-CoV-2 invasion as a port of central nervous system entry in individuals with COVID-19. Nature Neuroscience. DOI: 10.1038/s41593-020-00758-5.

[IX] Krasemann S et al. (2022): The blood-brain barrier is dysregulated in COVID-19 and serves as a CNS entry route for SARS-CoV-2. Stem Cell Reports. DOI: 10.1016/j.stemcr.2021.12.011.