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12.12.2023

Auswirkungen sozialer Medien auf mentale Gesundheit

Über die vergangenen Jahre haben soziale Medien Einzug in fast alle Lebensbereiche genommen. Die Zahl der Nutzenden hat sich weltweit in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht. Schätzungen zufolge nutzen aktuell zwischen viereinhalb und fünf Milliarden Menschen soziale Medien, also mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Personen, die besonders stark soziale Medien nutzen, sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Was der Einzug sozialer Medien in das Leben junger Menschen bedeutet, ist umstritten, wird aber vor allem mit negativen Folgen in Verbindung gebracht: Verschiedene Studien deuten auf einen Zusammenhang mit Ängsten, schlechtem Wohlbefinden, Depressivität, Essstörungen und Stress hin. Gleichzeitig wird das Suchtpotenzial sozialer Netzwerke und dessen Auswirkungen auf das Sozialverhalten diskutiert.

In Kalifornien reichten dieses Jahr 33 Staaten eine Sammelklage gegen den Internetkonzern Meta ein, zu dem unter anderem Facebook und Instagram gehören. Darin heißt es, Meta habe gegen das Verbraucherschutzrecht verstoßen, da es Kinder auf unfaire Weise fessle und Nutzende über die Sicherheit seiner Plattformen getäuscht habe. Meta würde durch seine Algorithmen junge Nutzende zur zwanghaften und ausgedehnten Nutzung von seinen Plattformen bewegen und gerade mit Funktionen wie durchgehendem Scrollen und ständigen Meldungen junge Menschen ködern. Zudem wird Meta beschuldigt, ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet verletzt zu haben, da das Unternehmen unrechtmäßig die persönlichen Daten ohne die Zustimmung ihrer Eltern sammle.

Doch die Auswirkungen der Nutzung sozialer Medien auf die Psyche und das Verhalten lassen sich nicht so pauschal beschreiben. Zum einen haben soziale Medien auch positive Wirkungen, wie das leichtere Halten von Kontakten und Finden von Gleichgesinnten. Zum anderen wird der Zugriff auf die Daten, die letztendlich Aufschluss darüber geben könnten, welche Eigenschaften von sozialen Medien sich in welcher Weise auf die Psyche der Konsumierenden auswirken, von den großen Firmen wie Meta oft unter Verschluss gehalten. Über Simulationen und Fragebögen versuchen Forschende Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Konsum sozialer Medien und mentaler Gesundheit zu erlangen. Dabei ließen sich bislang kaum pauschale Aussagen treffen. Der Zusammenhang scheint vielschichtig und komplex zu sein und von verschiedenen Faktoren abzuhängen, sowohl auf Seiten der sozialen Netzwerke als auch der individuellen Person.

Welche Aussagen können wir überhaupt treffen? Welche negativen Auswirkungen auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen lassen sich auf den Konsum sozialer Medien zurückführen? Wer ist besonders stark betroffen? Und was können Betroffene, Angehörige oder auch die Gesellschaft dagegen tun?

Diese und weitere Fragen diskutierten wir mit drei Expertinnen und Experten in einem 50-minütigen virtuellen Press Briefing.

Expertinnen und Experten im virtuellen Press Briefing

     

  • Dr. Isabel Brandhorst, Leiterin der Forschungsgruppe Internetbezogene Störungen und Computerspielsucht, Universitätsklinikum Tübingen
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  • Prof. Dr. Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie, Universität Ulm
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  • Prof. Dr. Adrian Meier, Juniorprofessor für Kommunikationswissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Videomitschnitt und Transkript

Ein Transkript kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Isabel Brandhorst: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Christian Montag: „Prof. Dr. Montag meldet keine Interessenkonflikte. Aus Gründen der Transparenz erwähnt er jedoch, dass er (an die Universität Ulm und früher an die Universität Bonn) Forschungsgelder von Einrichtungen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten hat. Er hat Förderanträge für mehrere Agenturen begutachtet; Artikel in Fachzeitschriften begutachtet; akademische Vorträge in klinischen oder wissenschaftlichen Einrichtungen oder Unternehmen gehalten; und hat Bücher oder Buchkapitel für Verleger von Texten zur psychischen Gesundheit verfasst. Für einige dieser Tätigkeiten hat er Honorare erhalten, jedoch nie von Gaming- oder Social-Media-Unternehmen. Er erwähnt, dass er Teil eines Gesprächskreises bei Facebook (Digitalität und Verantwortung) war, der ethische Fragen im Zusammenhang mit sozialen Medien, Digitalisierung und Gesellschaft/Demokratie diskutierte. In diesem Zusammenhang erhielt er kein Gehalt für seine Tätigkeit. Schließlich gibt er an, dass er derzeit auch als unabhängiger Wissenschaftler im wissenschaftlichen Beirat der Gruppe Nymphenburg (München, Deutschland) tätig ist. Diese Tätigkeit wird finanziell abgegolten. Außerdem ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Applied Cognition (Redwood City, CA, USA), eine Tätigkeit, die ebenfalls vergütet wird.“

Prof. Dr. Adrian Meier: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Weiterführende Recherchequellen

Zu Filterblasen:

Bruns A (2019): Are filter bubbles real? Polity.

Prof. Dr. Adrian Meier verweist noch auf folgende Quellen:

Meier A et al. (2023): Habitual social media and smartphone use are linked to task delay for some, but not all, adolescents. Journal of Computer-Mediated Communication. DOI: 10.1093/jcmc/zmad008.

Meier A et al. (2020): Computer-Mediated Communication, Social Media, and Mental Health: A Conceptual and Empirical Meta-Review. Communication Research. DOI: 10.1177/0093650220958224.
Das Paper ist auch unter diesem Link auf Psyarxiv abrufbar.

Parry DA (2023): Does the Mere Presence of a Smartphone Impact Cognitive Performance? A Meta-Analysis of the “Brain Drain Effect”. Media Psychology. DOI: 10.1080/15213269.2023.2286647.

Valkenburg PM et al. (2022): Social media use and its impact on adolescent mental health: An umbrella review of the evidence. Current Opinion in Psychology. DOI: 10.1016/j.copsyc.2021.08.017.

Prof. Dr. Christian Montag verweist noch auf folgende Quellen:

Neurowissenschaften und Social Media:

Montag C et al. (2023): Unlocking the brain secrets of social media through neuroscience. Trends in Cognitive Sciences. DOI: 10.1016/j.tics.2023.09.005.

Maza MT et al. (2023): Association of Habitual Checking Behaviors on Social Media With Longitudinal Functional Brain Development. JAMA Pediatrics. DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.4924.

Sherman LE (2017): Peer Influence Via Instagram: Effects on Brain and Behavior in Adolescence and Young Adulthood. Child Development. DOI: 10.1111/cdev.12838.

Datengeschäftsmodell der sozialen Medien:

Montag C et al. (2023): On Social Media Design, (Online-)Time Well-spent and Addictive Behaviors in the Age of Surveillance Capitalism. Current Addiction Reports. DOI: 10.1007/s40429-023-00494-3.

Montag C (2021). Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, TikTok, Snapchat & Co. Karl Blessing Verlag.

Hintergrund zu Filterblasen:

Sindermann C et al. (2020): Age, gender, personality, ideological attitudes and individual differences in a person's news spectrum: how many and who might be prone to “filter bubbles” and “echo chambers” online? Heliyon. DOI: 10.1016/j.heliyon.2020.e03214.

Sindermann C et al. (2021): The degree of heterogeneity of news consumption in Germany—Descriptive statistics and relations with individual differences in personality, ideological attitudes, and voting intentions. New Media & Society. DOI: 10.1177/14614448211061729.

Lernen und Smartphones:

Sunday OJ et al. (2021): The effects of smartphone addiction on learning: A meta-analysis. Computers in Human Behavior Reports. DOI: 10.1016/j.chbr.2021.100114.

Montag C et al. (2023): Do we need a digital school uniform? Arguments for and against a smartphone ban in schools. Societal Impacts. DOI: 10.1016/j.socimp.2023.100002.

Dr. Isabel Brandhorst verweist noch auf folgende Quelle:

Abi-Jaoude E et al. (2020): Smartphones, social media use and youth mental health. Canadian Medical Association. DOI: 10.1503/cmaj.190434.