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30.08.2022

Konflikte und Chancen durch Häuserbau mit Holz

     

  • Bau neuer Häuser aus Holz statt Beton könnte große Menge Treibhausgasemissionen einsparen
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  • global leben immer mehr Menschen in Städten, massiver Neubau von Wohnhäusern unvermeidbar
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  • Forschende: Studie sehr gut gemacht, wenn auch mit Limitationen, Flächenbedarf erscheint enorm, aber nicht unrealistisch
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Bis zu 106 Gigatonnen CO2-Emissionen könnten bis zum Ende des Jahrhunderts vermieden werden, wenn künftig beim Neubau von Häusern vor allem auf Holz als Baumaterial gesetzt würde und weniger auf Beton und Stahl. Dies entspricht fast dem Dreifachen der aktuellen jährlichen globalen Emissionen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Humboldt-Universität zu Berlin. In ihrer Potenzial-Studie untersuchten sie neben den Effekten auf die Treibhausgasemissionen auch, welche Landnutzungsänderungen und -konkurrenzen entstehen würden und woher diese großen Mengen Holz kommen könnten. Dabei stellen sie fest, dass die Fläche der Holzplantagen von aktuell 137 Millionen Hektar auf dann 425 Millionen Hektar erweitert werden müsste, wenn 90 Prozent der neu hinzukommenden Stadtbevölkerung in Holz- statt Betonhäusern leben würde. Die Studie ist am 30.08.2022 im Fachjournal „Nature Communications“ (siehe Primärquelle) erschienen.

Weltweit leben immer mehr Menschen in Städten [I]. Ende dieses Jahrhunderts könnten es bis zu 80 Prozent der Weltbevölkerung sein [II], für die dann neue Häuser in den Städten gebaut werden müssten. Aktuell ist Beton das am meisten genutzte Material beim Bau von Gebäuden [III]. Die Herstellung von Beton ist dabei sehr energie- und emissionsintensiv. Zudem ist der Herstellungsprozess nur sehr schwer zu dekarbonisieren, da beim Brennen des Kalksteins zur Herstellung von Zement große Mengen Kohlendioxid frei werden. Mehr als die Hälfte des verbleibenden Kohlenstoffbudgets für die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels könnte verbraucht werden, wenn die Infrastruktur auch künftig vor allem aus Beton gebaut werden. Die Nutzung von Holz als Baumaterial würde die immensen Emissionen aus der Beton- und Stahlproduktion verringern und zudem große Mengen des Treibhausgases langfristig im Holz speichern und somit der Atmosphäre entziehen.

Für ihre Studie nahmen die Forschenden vier verschiedene Szenarien unter die Lupe. Im sogenannten Business-as-usal-Szenario werden keine Gebäude aus Holz für die neuen Stadtbewohnenden errichtet. In den anderen Projektionen leben dagegen 10, 50 beziehungsweise 90 Prozent der Neueinwohnerinnen und -einwohner in hölzernen Behausungen. Allein im Business-as-usual-Fall müsste die Fläche mit Holzplantagen bis zum Jahr 2100 mehr als verdoppelt werden – auf dann 276 Millionen Hektar im Vergleich zu den aktuellen 137 Millionen Hektar – auch ohne zusätzlichen Holzbedarf für Konstruktionen. Um die für das 90-Prozent-Szenario notwendigen 425 Millionen Hektar Fläche für den Holzanbau zu erreichen, müsste der durchschnittliche jährliche Zuwachs für diese Plantagen von aktuell zwei Millionen auf 3,6 Millionen Hektar steigen. In allen Szenarien würden Holzplantagen vor allem auf Kosten von Flächen mit ungeschütztem naturnahen Wald und anderen Vegetationsflächen hinzukommen. Die Flächenkonkurrenz zwischen zusätzlich benötigtem Ackerland zum Anbau von Nahrungsmitteln und neuen Holzplantagen würde zwar nicht auf globalen und regionalen Skalen zunehmen, könnte aber vor Ort in kleinskaligen Dimensionen sehr wichtig werden – vor allem in den Regionen mit einer besonders dynamischen Urbanisierung, beispielsweise der Sub-Sahara-Region. Die Forschenden betonen, dass in ihren Berechnungen die Auswirkungen von klimawandelbedingten Veränderungen des Waldbaus, der CO2-Düngung, veränderten Regenmengen und Temperaturänderungen nicht berücksichtigt sind.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Christine Fürst, Leiterin des Fachgebiets Nachhaltige Landschaftsentwicklung, Institut für Geowissenschaften und Geographie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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  • Prof. Dr. Jürgen Bauhus, Leitung der Professur für Waldbau, Institut für Forstwissenschaften, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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  • Dr. Hannes Böttcher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
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  • Dr. Melvin Lippe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Waldwirtschaft Weltweit, Institut für Waldwirtschaft, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Hamburg
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Statements

Prof. Dr. Christine Fürst

Leiterin des Fachgebiets Nachhaltige Landschaftsentwicklung, Institut für Geowissenschaften und Geographie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Die Studie als solche ist hochrelevant und in ihrem Ansatz sehr innovativ, weil sie viele Aspekte anspricht, die bislang in diesem Zusammenhang oft wenig betrachtet worden sind. Eine nachhaltigere Entwicklung von Städten durch die Nutzung von Holz als Konstruktionsmaterial mit einem wesentlich günstigeren CO2-Ausstoß verglichen zu Beton wäre wünschenswert. Dies würde zu einer langfristigen Fixierung von Kohlenstoff beitragen und möglicherweise auch zu günstigeren Klimasituationen in städtischen Gebäuden, da Holz für seine regulativen Fähigkeiten bekannt und geschätzt ist. Allerdings – und da sehe ich ein Problem dieser globalen Betrachtung – Holz für konstruktive Zwecke kann nicht überall und vor allem nicht schnell produziert werden. Selbst wenn wir global mehr Flächen hätten, um Holz für konstruktive Zwecke zu produzieren, so darf man einfach die Zeitdauer zwischen der Bereitstellung von Material mit den benötigten mechanischen Eigenschaften (Statik) und dem eher kurzfristigen Bedarf nicht unterschätzen. Selbst wenn man Leimbinder beziehungsweise thermisch verändertes Material nutzt, benötigen wir Bäume, die dieses Material bereitstellen können. Vielleicht können neue Technologien helfen, auch Material aus jüngeren Beständen zu nutzen – aber da bin ich ehrlicherweise keine Expertin. Holz ist nicht einfach gleich Holz – man benötigt eine entsprechende Faserstruktur, Lignifizierung und gegebenenfalls Einlagerung von antifungalen Stoffen, damit aus Holz ein Baustoff werden kann.“

„Das sehr innovative an der Studie ist, den möglichen Bedarf an Holz als konstruktives Material in der globalen Urbanisierung mit den möglichen Auswirkungen auf die Fläche für die Holzproduktion und den klimatisch relevanten Wirkungen zu kombinieren. Die Szenarien sind – einer globalen Studie entsprechend – grob gefasst, aber sehr nachvollziehbar.“

„Es fehlt die Ökobudgetierung – zwar sind ‚trade costs‘ integriert, aber zum Beispiel die Kohlenstoffbilanz des Transports von Holzprodukten habe ich nicht gefunden. Mir fehlt ehrlich gesagt auch eine Sensitivitätsbetrachtung, was die Wirkung des Klimawandels auf die Verfügbarkeit und Möglichkeit der Holzproduktion betrifft. Global haben wir schon jetzt die Situation, dass Waldbestände aufgrund der Trockenheit massiv absterben und es nicht klar ist, inwieweit es möglich ist, in manchen Bereichen überhaupt Wälder zu re-etablieren und zu managen, die Holz bereitstellen können, das für konstruktive Zwecke geeignet ist. Insofern sehe ich es als ‚Visionary Study‘, die aber einige Aspekte – und dazu gehört die Frage, welche Baumarten überhaupt und wo noch angebaut werden können – ausblendet. Die Autoren sprechen dies allerdings in der Diskussion an (caveats).“

„Globale Studien sind niemals räumlich explizit. Daher ist es schwer, die genannten Flächenbedarfe und möglichen Flächennutzungskonkurrenzen zu beurteilen. Generell würden die Szenarien, die sehr stark in Richtung einer Ausweitung von ‚Holzplantagen‘ gehen, sehr stark in Konflikt mit der Nahrungsmittelversorgung gehen. Völlig durchschaut habe ich bei dem 90-Prozent-Szenario nicht, wo die Flächen eigentlich herkommen sollen. Und – wie die Autoren auch schreiben – die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit der Flächen unter einem Produktionsverlust auch auf landwirtschaftlichen Flächen unter fortschreitendem Klimawandel wurden nicht einbezogen. Man müsste sich also zunächst – auf Basis von Klimawandelprojektionen – ansehen, wo global Flächen zur Verfügung stehen, auf denen noch Holzproduktion möglich ist, wie groß Flächen sein müssen, um die Nahrungssicherheit einer projizierten zukünftigen Weltbevölkerung zu sichern und dann sehen, was eigentlich übrigbleibt und vor allem wie lange es dauert, Holz für konstruktive Zwecke dann mit projizierten Szenarien für den Holzbedarf in Städten zu harmonisieren. Und dann müsste man eben noch prüfen, wie das Holz vom Produktionsort zu den Verarbeitungsstandorten und zu den Städten kommt. Erst dann kann man Emissionsszenarien rechnen. Die Schwächen solcher globalen Studien liegen in der Komplexität der Zusammenhänge Raum und Zeit, die schwer abzubilden sind.“

„Es ist wichtig, bei diesem Thema immer zwischen ‚Wald‘ und ‚Holzplantage‘ zu unterscheiden. Wald ist ein gewachsenes Ökosystem, in dem man im Rahmen der Bewirtschaftung permanent räumlich und zeitlich Holz für unterschiedliche Verwendungszwecke entnehmen kann und diese Entnahme auch nutzt, um bestimmte Produktionsziele zu verfolgen – eben Holz für Konstruktion, aber auch zum Beispiel für Furnier/Möbelbau, entlang der Produktion für Energie und Industrie (Papier). Eine Plantage dient in der Regel der Produktion von Industrieholz, das meistens in die chemische Verwertung – Papier, Zellstoff und Weiterverwendung – oder in die energetische Verwertung geht. Je nach Baumart gibt es auch die Möglichkeit, damit Holz zum Beispiel für Grobspanplatten beziehungsweise Leimbinder oder Ähnliches zu produzieren. Holz für konstruktive Anwendungen im klassischen Sinn erfordert eine längere Produktionszeit, damit sich mechanische Eigenschaften (Lignifizierung) herausbilden können.“

„Zeitnah kann man nicht plötzlich Unmengen an Bauholz zur Verfügung stellen. Verändern ließe sich aber, qualitativ weniger gutes Holz aus Altbeständen in der Verwertungskette in Richtung Konstruktionsholz zu schieben. Das hängt mit mechanischen Eigenschaften zusammen. Ein extrem astiger, schnellgewachsener Baum kann einfach nicht direkt als Dachträger eingesetzt werden, könnte aber zum Beispiel als Leimbinder durchaus in Frage kommen.“

„Aktuell haben wir in Europa aber eher ein anderes Problem: Durch die Hitzeperioden sind viele unserer Waldbestände zurückgestorben und durch Schädlinge auch in ihrer Holzqualität beeinträchtigt. Dadurch ergibt sich eine hohe Menge an Schadholz auf dem Markt, das zu extrem geringen Preisen ‚verramscht‘ wird. Die Zeitspanne, bis dann aus Folgebeständen mit meistens anderer Baumartenzusammensetzung – die Autoren haben Weich- und Hartholz angesprochen – entsprechend Holz und dieses mit anderen mechanischen, chemischen beziehungsweise physikalischen Eigenschaften zur Verfügung steht, beträgt mindestens 30 bis 50 Jahre.“

„Aktuell wissen wir nicht, welche ‚naturnahen‘ Bestände es bei fortschreitendem Klimawandel geben kann. Fakt ist, dass in Deutschland die sogenannten ‚Brotbaumarten‘ wie Fichte und Kiefer ausfallen, die ‚Mutter des Waldes‘ Buche ebenfalls. Eiche ist leider ebenso betroffen, weil sich die Anzahl ihrer Schädlinge erhöht. Folgebestände auf Freiflächen zu etablieren, ist mit hohen Kosten und Ausfallwahrscheinlichkeiten verbunden. ‚Fremdländer‘ sind durch naturschutzrechtliche Aspekte in ihrem Anbau eingeschränkt. Was damit in Anbauempfehlungen und Fördermöglichkeiten noch nicht berücksichtigt ist, ist, dass wir uns durch den Klimawandel unter Bedingungen bewegen, in denen nicht-heimische Baumarten besser angepasst sind. Allerdings liefern Bestände mit diesen Baumarten nicht zwingend die Holzqualitäten und -quantitäten unserer traditionell angebauten Baumarten. Also ist die Wahrscheinlichkeit geringer, aus ‚halbwegs‘ naturnahen Beständen noch vergleichbare Mengen an Konstruktionsholz als relativ hochwertiges Produkt zu erhalten.“

„Plantagen mögen in manchen Weltregionen möglich sein, in Europa sind sie eher im Süden verbreitet – Spanien, Portugal, teils Frankreich. Bei uns sind sie als ‚Kurzumtriebsplantage‘ mehr für den energetischen Sektor gedacht. Sie können sehr negative Folgewirkungen entfalten, wenn man vor allem an die Eukalyptus- und Monterey-Kiefer-Plantagen denkt, die überhaupt keinerlei positive Wirkungen auf die Biodiversität und den Wasserhaushalt haben und darüber hinaus ein riesiges Risiko mit Blick auf flächige Waldbrände entfalten – mit der Bedrohung angrenzender Siedlungen.“

„Rechtlich gesehen kann man Waldfläche – zumindest in diesem Kontext – auch nicht einfach mal eben ‚erhöhen‘. Jede Landnutzungsänderung muss vorher durch die Raumplanung ausgewiesen werden. Da laufen andere Interessen – Nahrung, Industrie, Stadt – dagegen, die ökonomisch relevant(er) sind. Zu glauben und zu hoffen, man könne mal eben im Globalen Süden Flächen aufforsten, ist ökologisch, rechtlich und hinsichtlich der Landeigentümerschaften auch ein Irrläufer. Ökologisch muss erst einmal genügend Wasser zur Verfügung stehen, bei Landeigentum muss rechtlich erst einmal eine Konzession dafür bestehen, die aber zum Beispiel der Nahrungsmittelsicherheit und anderen Interessen möglicherweise diametral entgegensteht. Brasilien als Beispiel: Dort wäre Forstwirtschaft absolut lohnend, wird aber zugunsten der Soja-Produktion und Fleischproduktion für die globale Nahrungsmittelproduktion total zurückgedrängt.“

„Zusammenfassend: Ich finde die Studie relevant und interessant, aber sie wägt nicht im Raum ab, was global ökonomisch und vernetzt möglich ist. Das kann sie auch nicht. Sie kann nur Potenziale aufzeigen, die aber immer gegenüber anderen Interessen abgewogen werden müssen.“

Auf die Frage, inwiefern es überhaupt vorstellbar ist, zum vornehmlichen Häuserbau aus Holz zurückzukehren:
„Holz wurde – als es knapp wurde – durch Beton und Stahl kompensiert. Holz wäre ein Baustoff, der viele Vorteile in sich vereint – langfristige Bindung von CO2, klimaregulierend im Hinblick auf den Innen- und Außenraum, höhere Lebensqualität. Aus heutiger Sicht gibt es nur einfach nicht genug Holz für konstruktive Zwecke. Sicherlich könnte man mit innovativen Technologien der Transformierung von vielleicht bislang statisch/mechanisch geeignetem Holz in Materialien für den Bau einiges erreichen. Soweit ich sehe, ist da einiges im Bereich chemo-thermische Bearbeitung im Gange. Wie weit dieser Forschungsbereich ist, kann ich leider nicht beantworten. Nur energetisch muss man dann eben auch eine Budgetierung berücksichtigen, was dies für die ‚Nachhaltigkeit‘ des Rohstoffs bedeutet. Wenn man mehr Energie für die Transformation benötigt, als durch die natürliche Ressourcenproduktion eingespart werden kann, dann würde sich dies nicht lohnen.“

„Holz als Konstruktionsstoff ist immer noch eher ein Nischengebiet. Es gibt wunderbare architektonische Beispiele, was man damit machen kann. Es wäre wünschenswert, Architekten und Ingenieure mehr darin auszubilden, was mit dieser natürlichen Ressource möglich ist. Allerdings: Als natürliche Ressource, die erst wachsen muss, ist Holz in seiner Verfügbarkeit in der Materialqualität, die man benötigt, schlichtweg nicht unbegrenzt verfügbar.“

„Ich erlaube mir hier die provokative Frage: Warum kann man in Städten – oder auf welcher Ebene auch immer – nicht bestehende und ungenutzte Gebäude erst einmal vorrangig nutzen? Muss denn jeder sein ‚Wunschgebäude‘ bekommen? Wäre es nicht sinnvoller, das zu nutzen, was da ist und einfach in Kauf zu nehmen, dass dies keiner Retorte entsprungen ist, sondern natürlich auch seine Einschränkungen hat? Sollte man nicht Auflagen hier überprüfen und vielleicht reduzieren? Natürlich soll alles gedämmt, wärmetechnisch und elektrisch optimiert sein, nur jedes neue Gebäude hat einen Fußabdruck, der beträchtlich ist. Material muss erstmal zur Verfügung stehen, transportiert und verbaut werden. Warum kann man bei Altgebäuden nicht überlegen, wo man zum Beispiel Holz(produkte) als Dämmstoff, Material für Ausbauten, Innenrestoration und so weiter einsetzt. Das ließe sich mit sehr viel weniger Anforderungen an Materialeigenschaften und sehr viel größeren Möglichkeiten für den Einsatz von nachwachsendem (‚jungem‘) Holz ermöglichen. Warum zum Beispiel nicht grundsätzlich mal über Parkett als Boden, Grobspanplatten als Trennwand, holzbasierte Rohstoffe für Wandverkleidung nachdenken? Warum nicht Vollholzmöbel – gern mit Ästen – statt laminierten Pressspanplatten, warum nicht Holztreppen, Holzfenster statt Alu oder Plastik? All das wäre leichter umsetzbar und ökologisch beziehungsweise klimawandelbezogen ein echter Gewinn.“

Auf die Frage, inwiefern überhaupt Holz für den Gebäudebau bei derart dynamischer Urbanisierung zur Verfügung steht:
„Grundsätzlich haben wir nicht genug Holz, um der Urbanisierung zu entsprechen. Ich forsche gerade an ‚informellen‘ Siedlungen (Slums) in Afrika. Dort wird schlichtweg jedes verfügbare Material genutzt, um Unterkünfte zu schaffen. Diese Unterkünfte können viele Jahre ohne Verbesserung bestehen, weil schlichtweg die rechtlichen und ökonomischen Grundlagen fehlen, um eine informelle Siedlung in den Status eines Stadtteils zu überführen.“

„Urbanisierung ist ein generelles Problem und leider auch eines, das unsere Regierungen immer versucht haben, voranzutreiben. Ein nachhaltiger Lebensstil in der Stadt ist nicht möglich. Städtische Siedlungen sind immer in absoluter Abhängigkeit von der Zulieferung an Energie, Wasser, Nahrung, Produkten welcher Art auch immer von außerhalb und verbrauchen überproportional mehr, weil städtische Lebensstile auf Konsum und Belustigung – Brot und Spiele – ausgerichtet sind. Überproportional ist dann auch der Einfluss auf benachbarte Gebiete durch Naherholung und durch Ferntourismus. Gegenargument ist, dass viele Arbeitsplätze in Städten sind und das Pendeln natürlich ein Klimakiller ist. Dank zwangsweiser Digitalisierung durch Covid: Leben auf dem Land ist nachhaltiger – wenn man den bestehenden Gebäudebestand nutzt – und lässt sich in einer neuen Arbeitswelt inzwischen für viele Sektoren gut abbilden.“

„Holz in der schnellen, informellen Stadtentwicklung hat keinen geplanten Einsatz. ‚Man macht das halt‘wenn nichts anderes zur Verfügung steht. Ökologisch positiv werden dann ‚Restmaterialien‘ genutzt, ökologisch negativ wird die Schadstoffbelastung nicht abgeprüft. Und was nicht mehr tauglich ist, wird verheizt oder einfach als Restmüll abgelagert – das ist auch nicht wünschenswert.“

„Und nein – genügend hochwertiges Holz für Holzkonstruktionen ist schlichtweg auch hinsichtlich der Kosten einfach nicht da. International gibt es auch aufgrund des ‚Holzhungers‘ in China schon extrem viel illegalen Holzeinschlag. Zuletzt gab es auch in Osteuropa staatlich gelenkte Interventionen, um Holz zu bekommen, das eigentlich nicht im Sinne der Eigentümer geschlagen werden sollte. Das ist etwas, was zu unterbinden ist, da es jegliche Nachhaltigkeitsüberlegungen kompromittiert. Wälder und das Holz, das sie uns bringen – das braucht Zeit, um zu wachsen. Wachstumsprozesse kann man nicht einfach mal antreiben – die Natur braucht Zeit. Die Debatte, mehr Holz für vieles zu beanspruchen, ist im Kern gut, aber in der Konsequenz gefährlich für unsere Waldökosysteme. Die Substitution von Holz (als Energie- und Bauressource) hat in der Vergangenheit Druck von unseren Wäldern genommen, die schon im Frühmittelalter extrem degradiert waren.“

„Insgesamt: Holz als Bauträger, ja – aber wenn, dann nachhaltig gewachsenes Holz aus der jeweiligen Region in dem Maß, in dem es zur Verfügung steht.“

Prof. Dr. Jürgen Bauhus

Leitung der Professur für Waldbau, Institut für Forstwissenschaften, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

„Diese Studie unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Holzbaus als einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Die Verwendung von Holz, um insbesondere Stahl und Beton im Gebäudesektor zu ersetzen, wurde bereits in anderen Studien als eine sofort bis kurzfristig verfügbare Technologie eingeschätzt, um erhebliche Emissionsreduktionen zu erzielen. Um dieses Potenzial zu realisieren, ist es natürlich wichtig zu wissen, wo das Holz für diese Initiative herkommen soll und mit welchen Effekten auf die globale Treibhausgasbilanz eine erhöhte Verwendung von Holz für den Gebäudesektor verbunden ist. Zum einen kann es natürlich Verschiebungen im Vergleich zur bestehenden Verwendung von Holz kommen, um einen entsprechend größeren Anteil als bisher in langlebigen Holzprodukten zu verwenden. Das Potenzial einer solchen Verschiebung ist natürlich begrenzt, da wir auch bestehende Verbindungen von Holz nicht einfach aufgeben oder substituieren können und sich auch nicht alles Holz für die Verwendung im Holzbau eignet. Daher besteht ein wesentlicher Beitrag dieser Studie darin, dass sie durch die modellbasierten Analysen zeigt, dass der zusätzliche Bedarf für den hier angenommenen Anstieg der Holzbauweise in verschiedenen Regionen der Welt durch eine realistische Ausdehnung gepflanzter Wälder (Plantagen) zustande kommen kann. Der Wert der Studie liegt hier insbesondere in dieser Verbindung mit einem Landnutzungsmodell, in dem auch Flächenkonkurrenzen – zum Beispiel mit der Landwirtschaft – berücksichtigt werden.“

„Die in der aktuellen Studie genannten zusätzlichen Flächen für Baumplantagen in der Größenordnung von 150 Millionen Hektar weltweit zur Erreichung des Ziels – 90 Prozent der neuen Stadtbevölkerung in neu gebauten städtischen Mittelhäusern in Holzbauweise unterzubringen, um bis ins Jahr 2100 106 Gigatonnen zusätzliches CO2 einzusparen – erscheinen auf den ersten Blick sehr viel. Das entspräche etwas mehr als einer Verdopplung der gegenwärtigen globalen Plantagenfläche. Auf den zweiten Blick sind diese Flächen aber durchaus realistisch, wenn wir sie zu anderen Größen in Beziehung setzen. Zum Beispiel wurden laut Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) seit 1990 etwa 420 Millionen Hektar Wald in andere Landnutzungsformen umgewandelt. Die benötigten Flächen stellen somit eine moderate Rückumwandlung in Waldfläche dar. Eine Umwandlung von landwirtschaftlich genutzter Fläche in Baumplantagen könnte dadurch befördert werden, dass wir unseren Fleischkonsum insgesamt reduzieren. Gleichzeitig gibt es Schätzungen, dass allein in den Tropen und Subtropen über zwei Milliarden Hektar degradierte Flächen existieren, von denen etwa ein Drittel für Aufforstungen für produktive Wälder geeignet wäre. Sprich, das Potenzial wäre grundsätzlich vorhanden und die Aufforstungen würden hier sehr wahrscheinlich sogar positive Umwelteffekte bewirken – Verringerung von Erosion, Speicherung von Kohlenstoff im Ökosystem und so weiter. Hierbei ist zu bedenken, dass dieses Potenzial nur realisiert werden kann, wenn die Gründe für die Degradierung aufgehoben werden können. Gleichzeitig müssen in den betroffenen Ländern Rahmenbedingungen bestehen beziehungsweise geschaffen werden, die eine sicheres Umfeld für langfristige Investitionen bieten. Das ist heute vielfach nicht gegeben.“

„Die zusätzlichen Plantagen sollten selbstverständlich die Belange des Biodiversitäts- und Umweltschutzes berücksichtigen. Das bedeutet, dass darauf geachtet werden muss, dass die Aufforstungen nicht dazu führen, dass Wassereinzugsgebiete austrocknen. In Regionen mit Wasserknappheit sollte daher immer nur ein bestimmter Anteil von Einzugsgebieten aufgeforstet werden. Gleichzeitig sollten die neuen Plantagen keine natürlichen Ökosysteme ersetzen und dort, wo degradierte Flächen aufgeforstet werden, sollten ausreichende Flächen für die Wiederherstellung von natürlichen Wäldern bereitgehalten werden. Das sind Gesichtspunkte, die in den gängigen Nachhaltigkeitszertifizierungen wie zum Beispiel dem FSC-Siegel (Forest Stewardship Council) bereits berücksichtigt werden und in vielen Ländern zur Anwendung kommen, wie zum Beispiel in Brasilien oder Chile – Ländern mit einem großen Plantagenanteil.“

„Es ist eine häufige, intuitive Annahme, dass intensiv bewirtschaftete Baumplantagen sich negativ auf die Biodiversität auswirken. Bei einer Betrachtung des gesamten Systems kann man zu einem anderen Ergebnis kommen, denn intensiv bewirtschaftete Plantagen mit schnellwüchsigen Baumarten können durch die Konzentration der Waldbewirtschaftung auf wenige Flächen bedeutsame positive Effekte auf die Biodiversität haben. Global gesehen werden im Jahr durchschnittlich etwas weniger als vier Milliarden Kubikmeter Holz auf etwas weniger als vier Milliarden Hektar Wald geerntet, sprich etwa ein Kubikmeter pro Hektar. Diese jährlich geerntete Holzmenge könnte auf nur fünf bis sechs Prozent der globalen Waldfläche in Plantagen mit einer Produktivität von 20 Kubikmetern pro Hektar und Jahr geerntet werden – das ein moderater Wert für schnellwüchsige Plantagen. Dadurch können die forstliche Nutzung anderer Waldflächen reduziert und mehr Schutzgebiete ausgewiesen werden. Beispielsweise wird in Brasilien weit über 90 Prozent des gesamten jährlichen Holzbedarfs in Plantagen produziert, die nur zwei Prozent der Waldfläche des Landes ausmachen. Von daher kann die Option, das zusätzliche Holz für den Hausbau in Plantagen zu produzieren, eindeutig geringeren Einfluss auf die Biodiversität und andere Ökosystemleistungen haben als die Erhöhung der Nutzung der Wälder auf großer Fläche.“

„In der vorliegenden Studie wird die Annahme getroffen, dass in der Landwirtschaft eine ‚Verdoppelung der Landnutzungsintensivierung‘ im Zeitraum von 2020 bis 2100 in allen Szenarien erforderlich ist, um über diese Produktivitätssteigerung zusätzlichen Flächenbedarf abzupuffern. Bisher waren die großen Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft hauptsächlich durch genetische Verbesserung der Kulturpflanzen, Bewässerung, Düngung und den effizienten Einsatz von Maschinen zurückzuführen. Ob hier eine Verdopplung der Produktivität auch vor dem Hintergrund des Klimawandels ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt möglich ist, darf bezweifelt werden. Diese Annahme erhöht sicherlich die Unsicherheit, die mit den Aussagen der Studie hinsichtlich der Landnutzung verbunden ist.“

„Auch Plantagenwälder müssen selbstverständlich vor dem Hintergrund des globalen Wandels resilient gestaltet werden. Daher plädiert das internationale wissenschaftliche Netzwerk ‚TreeDivNet‘ ganz explizit dafür, in Zukunft viel stärker als bisher auf gemischte Plantagen zu setzen, sowohl um das Risiko zu streuen als auch um die Biodiversität und das Angebot an Ökosystemleistungen zu erhöhen [1]. Die Resilienz und Anpassungsfähigkeit können auch in produktiven Plantagenwäldern sehr hoch sein, wenn diese sowohl auf der Ebene von Waldbeständen wie auf der Ebene der Landschaft mit angepassten Baumarten und divers gestaltet werden. Da die Bäume in diesen Systemen deutlich weniger alt und hoch werden als in natürlichen Wäldern, sind sie häufig sogar resistenter gegenüber Störungen wie Trockenstress und Windwurf.“

„In den Tropen und Subtropen lässt sich aufgrund der guten Wachstumsbedingungen auch in kurzen Produktionszyklen von 10 bis 20 Jahren bereits Holz produzieren, das als Bauholz verwendet werden kann. Hier ist – wie auch von den Autoren der aktuellen Studie angemerkt – zusätzlich ein Innovationsschub notwendig, um in Zukunft mehr Laubholz in diesem Bereich verwenden zu können, der bisher vom Nadelholz dominiert wird.“

„Holzbau kann bereits jetzt sowohl für Bauunternehmen als auch für Gebäudeeigentümer ökonomisch attraktiv sein. Das Baumaterial ist nicht teurer als konventionelle Materialien und die Bauzeiten können deutlich verkürzt werden, da größere Gebäudeteile vorgefertigt werden können. Die Attraktivität kann weiter dadurch erhöht werden, wenn die Speicherung von CO2 entsprechend honoriert wird. So fördert zum Beispiel das Bundesland Bayern seit Juli 2022 die Speicherung von CO2 in Holzbauelementen, Holzwerkstoffen und Dämmstoffen in Gebäuden mit 500 Euro je Tonne gespeichertem Kohlendioxidäquivalent.“

Dr. Hannes Böttcher

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin

„Die aktuelle Studie gibt vor, eine Lücke zu schließen: Die Betrachtung der Auswirkungen auf die globale Landnutzung und die Treibhausgasemissionen für Szenarien eines massiven Einsatzes von Holz als Baumaterial. Dies tut sie auch und ist damit umfänglicher als vorherige Studien. Allerdings sind die Annahmen derart grob und vereinfacht, dass die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen wirklich mit großer Vorsicht gezogen werden müssen. Insbesondere ignoriert das Modell, dass intensiv bewirtschaftete Plantagen weniger Kohlenstoff speichern als natürliche Wälder. Diese Annahme suggeriert, dass natürliche Wälder in Plantagen umgewandelt werden könnten, ohne Verluste an Kohlenstoff zu haben. Das ist aber nicht so. Stattdessen wird dadurch die natürliche Klimaschutzfunktion naturnaher Wälder verhindert. Nur ein kleiner Teil des geernteten Holzes kann wirklich dauerhaft in Holzprodukten gespeichert werden. Lebende Bäume können darüber hinaus auch weiterhin aktiv der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen.“

„Eine weitere erhebliche Vereinfachung ist die Annahme, dass die Emission von fossilem Kohlenstoff bis ins Jahr 2100 andauern wird. Die Autor*innen gehen also davon aus, dass Produktionsprozesse noch 80 Jahre lang auf fossile Energien angewiesen sein werden. Die Wirkung der Verstärkung der Holznutzung tritt den Modellergebnissen zufolge vor allem nach 2050 ein. Da werden aber viele Länder bereits stark dekarbonisierte Wirtschaftssysteme haben, sodass die relative Einsparung von Emissionen viel geringer sein wird. Zumindest in einer Variante hätten die Autor*innen derartige Effekte einmal quantifizieren können, um zu zeigen, dass die Ergebnisse tatsächlich robust sind.“

„Die aktuelle Studie lässt zu der Frage, ob die Plantagen dem Klimawandel besser trotzen würden als natürliche Wälder, keine Schlüsse zu, da diese Effekte nicht berücksichtigt wurden. Weder wurden Baumarten unterschieden noch die Wirkung des Klimawandels auf das Wachstum dargestellt. Zwar würden stark verkürzte Rotationen, also sehr jung geerntete Bäume, das Risiko von Schäden vermindern. Allerdings stellen intensiv bewirtschaftete Wälder auch weniger andere Ökosystemdienstleistungen zur Verfügung, auf die wir in Zukunft angewiesen sein werden: Kühlung, Wasserhaushalt, Biodiversität. Neben natürlichen Wäldern soll vor allem sogenanntes ‚anderes‘ Land für die Plantagen umgewandelt werden. Häufig sind dies auch sensible Flächen, deren Umwandlung mit dem Verlust von Ökosystemleistungen verbunden ist.“

„Die aktuelle Studie nimmt an, dass die sonstige Wirtschaft sich nicht ändern wird. Wie fatal eine solche Entwicklung wäre, zeigen die großen Flächen, die dadurch für den Holzanbau nötig wären. Statt natürliche Wälder zu roden, um Plantagen anzupflanzen, müssen wir viel stärker die aktuelle Verschwendung von Holz in Frage stellen. Folgt die Welt dem Business-as-usual-Szenario der Studie, würde der Holzbedarf sich auch ohne mehr Holzbau verdoppeln. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Verbrennung von frischem Holz für Energie und kurzlebige Produkte wie Papier und Verpackungen. Würden derartige Nutzungen verringert, zum Beispiel durch eine stärkere Kreislaufwirtschaft und weniger Verschwendung, bliebe nicht nur mehr Holz im Wald, sondern ein Teil könnte auch für einen verstärkten Holzbau verwendet werden. Insgesamt muss Bauen ökologischer werden. Das schließt auch Lehmbau, die Nutzung von Stroh, Recycling von Beton und Stahl und anderes ein.“

Dr. Melvin Lippe

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Waldwirtschaft Weltweit, Institut für Waldwirtschaft, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Hamburg

„Die Methodik der Studie basiert auf einer vergleichenden Szenarien-Analyse mittels des ‚MAgPIE Land System Models‘ [2], das auf einer globalen und regionalspezifischen Länderskala simulationsbasierte Aussagen zu Landnutzungswandel, Flächenkonkurrenzen und dessen Einfluss auf Kohlenstoffsenken-Potenziale trifft. Für den Zeitraum 2020 bis 2100 werden Modellsimulationen für ein Business-as-usual- und drei weitere Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen (10 Prozent, 50 Prozent und 90 Prozent Anstieg) in der Nutzung von sogenanntem Holzwerkstoff (engineered wood) zum Bau von Holzhäusern in urbanen Gebieten simuliert.“

„Die gesteigerte Holznutzung führt in diesem Szenarien-Ansatz zu einer Nutzungsreduzierung der bisher vorherrschenden Baumaterialien Zement und Stahl, die im Vergleich zu Holzwerkstoff durch einen höheren CO2-Fußabdruck gekennzeichnet sind. Im Szenario mit einer 90-prozentigen Steigerung der Nutzung von Holzwerkstoff im Gebäudebau wird durch das Modell ein zusätzliches CO2-Einsparungspotenzial von 106 Gigatonnen im Jahr 2100 modelliert, das einem zusätzlichen Flächenbedarf für Plantagenholz – nur zur Nutzung im Gebäudebau – von 149 Millionen Hektar bis 2100 entspräche. Die aktuelle Studie bestätigt andere Potenzialstudien im Land Sektor [zum Beispiel 2], die ähnliche globalen Substitutionspotenziale des Bausektors bis 2100 prognostizierten.“

„Der Unterschied der aktuellen Studie ist die Verwendung des Modellansatzes MAgPIE und der zugrundeliegenden Szenarienannahmen – hier: SSP 2 mit einem prognostizierten Bevölkerungs-Peak in circa 2060 –, der zu einem höheren Bedarf an Nahrungsmitteln und anderen Ressourcen bis etwa 2060 führt und der entsprechenden Abnahme des Ressourcenbedarfs nach circa 2060. Es gilt hervorzuheben, dass eine Modellansatz wie MAgPIE auf einer relativ groben räumlichen Skala arbeitet. In Zusammenhang mit der zugrundeliegende Datenbasis können also (nur) Aussagen auf der globalen und regionalen Skale durch das Modell getroffen werden. Entsprechend sollte hierbei von einem ‚theoretischen Potenzial‘ der Substitution von Stahl und Zement zu Holzwerkstoff und des Flächenbedarfs gesprochen werden. Inwiefern das theoretische Potenzial auch vor Ort tatsächlich umsetzbar ist – zum Beispiel in Abhängigkeit von politischen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen eines Landes, anderen ökologischen Standortbedingungen –, kann in solchen Modellansätzen üblicherweise nicht behandelt werden, da die räumliche Auflösung im Fall von MAgPIE bei 0,5 mal 0,5° liegt – etwa 50 Kilometer Pixelgröße. Diese sehr grobe räumliche Auflösung ist für Modellansätze wie MAgPIE geeignet, in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Datenbasis und Annahmen, reduziert aber letztendlich dessen Aussagekraft auf einer feineren räumlichen Ebene. Neue Modellansätze versuchen hier auf Hektarbasis zu simulieren, sind aber mit den Herausforderungen von Big Data konfrontiert, da schnell Datengrößen im Terabyte-Bereich entstehen.“

„Die aktuelle Studie weist bereits auf die Problematik der Biodiversität in (oftmals) monokulturellen Holzplantagen hin, wenn diese zum Beispiel auf Graslandflächen oder anderen natürlich vorkommenden Vegetationsformen – in der Studie als ‚other lands‘ bezeichnet – etabliert werden, die im Vergleich zu Plantagen eine oftmals höhere Biodiversität aufweisen. Es gilt zu beachten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Substitutionsnachteile für multiple Ökosystemdienstleistungen entstehen, wenn Naturflächen in intensiv genutzte Flächen – Agrar, Forst, Weide – umgewandelt werden, da in den oftmals vorherrschenden monokulturellen Anbauformen der Fokus oftmals auf nur einer beziehungsweise wenigen Ökosystemdienstleistungen liegt, zum Beispiel Nahrungs- und Holzproduktion oder auch das Kohlenstoffsenken-Potenzial. Weitere Probleme könnten durch gestörte hydrologische und auch andere biophysikalische Kreisläufe entstehen, wenn zum Beispiel schnellwachsende Holzplantagen aufgebaut werden, die im Vergleich zu den oftmals langsam wachsenden, lokal vorherrschenden Waldsystemen einen höheren Wasserbedarf aufweisen. Hierbei ist auch der Wasserbedarf während der Aufbauphase einer Plantage zu berücksichtigen, insbesondere für solche Gebiete, in denen verstärkt Trockenperioden – hervorgerufen durch den fortschreitenden Klimawandel – in Zukunft auftreten werden. Dieser Aspekt wurde in der aktuellen Studie nicht berücksichtigt.“

„Gleiches gilt für sozio-ökonomische Aspekte, hierbei insbesondere im Bezug zur lokalen Bevölkerung, in deren Nachbarschaft solche großflächigen Holzplantagen entstehen müssten. Die lokale Bevölkerung wird in solchen Fällen oftmals keinen direkten Nutzen aus solchen Holzplantagen direkt erzielen können – zum Beispiel die Verbesserung der Lebensgrundlagen durch ein gesteigertes Einkommen. Letzteres könnte durch gute Regierungsführung – ‚good governance‘ – und flankierende politische Rahmenbedingungen gemindert oder sogar vermieden werden. Ob dies im Kontext von Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländern – unter anderem in Sub-Sahara-Afrika und China –, in denen die höchsten Potenziale für den zusätzlichen Plantagenflächenbedarf durch MAgPIE in den drei Zuwachs-Szenarien prognostiziert werden, auch tatsächlich umsetzbar sein wird, wurde in der Studie nicht eingehend betrachtet. Es müsste zum Beispiel in einer weiteren Studie untersucht werden, inwiefern eine Umsetzung der prognostizierten Potenziale in Sub-Sahara-Afrika oder China auch möglich ist.“

„Aufgrund des großen simulierten Flächenbedarfs für neue Holzplantagen muss weiter davon ausgegangen werden, dass diese eher von Industrieunternehmen mit entsprechend großem Finanzvolumen aufgebaut werden können und nicht von Kleinbauern, die in vielen tropischen und subtropischen Breiten weiterhin die vorherrschenden Landnutzer im ländlichen Raum darstellen. Inwiefern ein zusätzlicher globaler Flächenbedarf von 149 Millionen Hektar für Holzplantagen im plus-90-Prozent-Szenario tatsächlich 2100 global abgedeckt werden kann, ist mit vielen Unsicherheiten behaftet – Faktoren sind zum Beispiel die politische Stabilität eines Landes, der fortschreitende Klimawandel und der einhergehende Anstieg von Kalamitäten im Wald wie Schädlingsbefall, Wasserstress, Feuer, Sturmwurf und so weiter; zudem andere Aspekte wie höhere und kurzfristige Markt-Volatilitäten. In der aktuellen Studie wurden diese Aspekte nicht untersucht, sondern nur als mögliche Einschränkung der Modellergebnisse diskutiert. Weiterhin wird gezeigt (Abbildung 15 in den Supplementary Information), dass vor allem Regionen in China, Osteuropa, Teile von Nordamerika, Sub-Sahara-Afrika und Südostasien als Gebiete für neue Holzplantagen durch das MaGPIE-Modell in Erwägung gezogen wurden. China wird als Region mit dem höchsten Flächenpotenzial dargestellt.“

„Andere, eher politisch behaftete Aspekte sollten in der Diskussion von Landnutzungsänderungen und -konkurrenzen – unter anderem aus der Perspektive der EU – weiterhin berücksichtigt werden. Erstens: Die EU-Biodiversitäts-Strategie hat das Ziel, bis 2030 den Naturschutz weiter zu stärken, was im Umkehrschluss dazu führen kann, dass die EU zu einem Netto-Holzimporteur wird [siehe zum Beispiel 4]. Das prognostizierte Holzdefizit des aktuellen Status Quo des europäischen Holzbedarfs wäre in diesem Fall zum Beispiel aus den großen Waldländern wie USA, Kanada, China oder Brasilien zu importieren. Zweitens: Die ‚Glasgow Declaration‘ beim vergangenen Klimagipfel COP 26 postulierte dazu im Vergleich einen Entwaldungsstopp bis 2030 [5]. Hierbei sollte unter anderem der fortschreitenden Entwaldung von Sekundärwäldern Einhalt geboten werden. In der aktuellen Studie wären aber gerade Sekundärwälder außerhalb bestehender Schutzzonen eines der möglichen Gebiete, die durch den gestiegenen Holzbedarf für Holzwerkstoff unter Druck gerieten. Die aktuelle Studie geht weiterhin davon aus, dass ein weiterer ansteigender globaler Nahrungsmittelbedarf durch verbesserte Anbausysteme und Technologien gedeckt werden kann. Dies ist eine der am häufigsten getroffen Annahmen in solchen modellbasierten Potenzialstudien und gilt sicherlich für Regionen, die über Zugang zu solchen Technologien und Wissen verfügen. Inwiefern dies auf alle Regionen global und einheitlich übertragbar ist, wurde in der Studie nicht untersucht, aber als Ausgangsannahme den Modellsimulationen zugrunde gelegt.“

„Was bei der aktuellen Studie auffällt ist, dass davon ausgegangen wird, dass nur wenig Migration von ländlichen Räumen in urbane Gebiete bis 2100 stattfinden wird, und dass weiterhin nur eine minimale Nachfrage von Holzwerkstoff in entwickelten Ländern bis 2100 stattfinden wird. Beide Annahmen sind meiner Einschätzung nach nicht realistisch, da Migration in urbanen Zentren einer der Haupttreiber sein wird, warum ein gestiegener Bedarf an Gebäuden aus Holzwerkstoff im urbanen Raum und im globalen Süden in Zukunft nötig sein wird. Hier ist die Studie in der Argumentationslinie nicht schlüssig und auch widersprechend.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Christine Fürst: „Interessenkonflikte habe ich keine.“

Dr. Hannes Böttcher: „Ich erkläre, dass ich keine Interessenkonflikte habe.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Mishra A et al. (2022): Land use change and carbon emissions of a transformation to timber cities. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-022-32244-w.

Weiterführende Recherchequellen

Howard C et al. (2021): Wood product carbon substitution benefits: a critical review of assumptions. Carbon Balance and Management. DOI: 10.1186/s13021-021-00171-w.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Messier C et al. (2021): For the sake of resilience and multifunctionality, let’s diversify planted forests! Conservation Letters. DOI: 10.1111/conl.12829.

[2] Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: MAgPIE – Model of Agricultural Production and its Impact on the Environment. Webseite des PIK.

[3] Roe S et al. (2021): Land-based measures to mitigate climate change: Potential and feasibility by country. Global Change Biology. DOI: 10.1111/gcb.15873.

[4] Schier F et al. (2022): Assessment of Possible Production Leakage from Implementing the EU Biodiversity Strategy on Forest Product Markets. Forests. DOI: 10.3390/f13081225.

[5] Gasser T et al. (2022): How the Glasgow Declaration on Forests can help keep alive the 1.5 °C target. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.2200519119.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] WBGU (2016): Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Flagship Report des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. ISBN 978-3-936191-45-5.

[II] Riahi K et al. (2017): The Shared Socioeconomic Pathways and their energy, land use, and greenhouse gas emissions implications: An overview. Global Environmental Change. DOI: 10.1016/j.gloenvcha.2016.05.009.

[III] IPCC (2022): Kapitel 9 in: Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.