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26.02.2020

Wie kann die Bevölkerung vor COVID-19 geschützt werden?

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat Einzug in Europa gehalten. In Deutschland wurden neue Fälle bekannt, Kontaktpersonen werden recherchiert und isoliert, die Virusdiagnostik steht in vielen Fällen noch aus. Ein genaues Bild über die Zahl der bereits infizierten Kontaktpersonen der bekannt gewordenen Indexfälle liegt noch nicht vor. Mit weiteren bestätigten Infizierten ist zu rechnen. 

Welche Maßnahmen sollten die europäischen Länder gemeinsam und welche muss jedes Land für sich unternehmen, um die Bevölkerung zu schützen und sich effektiv auf eine mögliche Pandemie mit dem SARS-CoV-2 vorzubereiten? In einem aktuellen, noch unveröffentlichten Report einer Kommission von internationalen und chinesischen Fachleuten, die die chinesischen Ausbruchsgebiete besucht hatten, lobte der kanadische Infektiologe Bruce Aylward die erheblichen Anstrengungen Chinas, um die Ausbreitung des Erregern durch strikte Quarantäne zu verzögern und die Dynamik der Epidemie erheblich zu bremsen [I]. Es seien vermutlich hunderttausende COVID-19-Erkrankungen verhindert worden durch das „aggressive“ Vorgehen der chinesischen Behörden. Können sich andere Länder an den Maßnahmen ein Beispiel nehmen und wenn ja an welchen? Wie können Länder wie Deutschland von den Erfahrungen in China profitieren?

Das SMC kontaktierte Experten, die volatile Lage einzuschätzen und fragte, welche Maßnahmen eine weitere Ausbreitung von COVID-19 verhindern oder zumindest verzögern könnte.

Statement

Prof. Dr. Timo Ulrichs

Professor für globale Gesundheit an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften, Berlin

„Eine gute Abstimmung der Maßnahmen zwischen den EU-Staaten ist sinnvoll, so wie es die Gesundheitsminister der EU zurzeit in Rom beraten. Dazu gehört ein gemeinsames Vorgehen an den Grenzen, Grenzschließungen innerhalb der EU sind nicht hilfreich.“

„In der Frühphase einer Ausbreitung ist eine strikte Umsetzung von Isolation- und Quarantänemaßnahmen sinnvoll. Damit kann die weitere Verbreitung zumindest verlangsamt werden, was Zeiträume für weitere Gegenmaßnahmen eröffnet. Im besten Fall kann der lokale Ausbruch auf diese Weise eingedämmt und ausgelöscht werden. Bei nur einer oder weniger betroffenen Region ist so etwas möglich, wenn es zeitgleich viele Ausbrüche gibt, leider nicht mehr.“

Auf die Frage, welche Mittel der Abschottung/Quarantäne in Deutschland rechtlich zulässig wären:
„Das Infektionsschutzgesetz bildet hier die rechtliche Grundlage. Isolation und Quarantänemaßnahmen wie in Italien wären auch bei uns möglich.“

„Eine Pandemie liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Kontinente betroffen sind. Und wenn der Erreger dorthin nicht nur eingeschleppt wurde, sondern sich auch direkt ausbreiten kann. Diese Kriterien sind bereits erfüllt. Die WHO hat zudem den globalen Gesundheitsnotfall ausgerufen, das heißt alle Staaten sind aufgerufen, rechtzeitig die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und auch besonders betroffene Staaten zu unterstützen.“

„Wir stehen allerdings immer noch am Anfang, deshalb können stringente Eindämmungsmaßnahmen durchaus noch sinnvoll sein. Das gilt auch für Deutschland, wo über Italien neue Fälle eingeschleppt worden sind. Hauptakteur ist hier das Robert Koch-Institut in enger Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden. Entschiedene Eindämmungsmaßnahmen ermöglichen eine Hemmung der Ausbreitung und damit eine Entlastung des Gesundheitswesens.“

Auf die Frage, welche Maßnahmen auf europäischer Ebene ergriffen werden sollten:
„Das hängt vom weiteren Verlauf der Ausbreitung ab. Alle EU-Mitgliedstaaten sollten erwägen, Verdachtsfälle konsequenter zu testen, damit wir insgesamt auf dem Laufenden bleiben bezüglich der epidemiologischen Zahlen. Lokale Isolationsmaßnahmen können dann frühzeitig erwogen werden.“

„Laut WHO (-Rankingliste) gehört Deutschland zu den gut vorbereiteten Ländern. Unsere Gesundheitseinrichtungen sind gerüstet, und Pandemieplanungen liegen vor. Auch wurden solche Szenarien in länderübergreifenden Katastrophenübungen geübt (LÜKEX, Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung und die Bezeichnung für regelmäßig stattfindende Übungen in der Bundesrepublik Deutschland; Anm. d. Red.). Vermehrte Anfragen, Verdachtsfälle und tatsächliche Erkrankte stellen alle Institutionen unseres Gesundheitswesens vor zusätzliche Herausforderungen. die Bundesebene unterstützt hier subsidiär.“

„Vielleicht noch der Hinweis: Es besteht kein Grund für panikartige Reaktionen wie zum Beispiel Hamsterkäufe. Alle Reaktionen auf möglicherweise vermehrte Fälle in Deutschland erfolgen auf einer guten strukturellen Grundlage und den Erfahrungen aus der Influenzapandemie 2009. Grundsätzlich gilt: Husten-/Niesenhygiene/-etikette beachten; Abstand halten und bei Verdacht eine Testung veranlassen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Timo Ulrichs: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Word Health Organization (24.2.2020): Press Conference of WHO-China Joint Mission on COVID-19.