Emissionsbudget bis 2030: Reaktionen zum Gutachten des Expertenrates Klimafragen
Expertenrat für Klimafragen stellt fest, dass das Emissionsbudget 2021 bis 2030 weder unter- noch überschritten wird
prognostizierte Überschreitung im zweiten Jahr in Folge hätte die Bundesregierung noch in diesem Jahr zu ergänzenden Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet
Forschende verweisen auf große Unsicherheiten bei den Projektionen der Treibhausgasemissionen bis 2030 und skizzieren dringend gebotene Maßnahmen für das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung
Das im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsbudget für die Jahre 2021 bis 2030 wird weder unter- noch überschritten. Zu dieser Einschätzung kommt der Expertenrat für Klimafragen (ERK) in seinem Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2025, das am 15.05.2025 veröffentlicht wurde (siehe Primärquelle).
Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
„Dass die europarechtlich verankerten Ziele unter der Lastenteilungsverordnung verfehlt werden, ist auch das Ergebnis von Projektionen der Europäischen Umweltagentur. Dies wird nicht nur in Deutschland passieren, sondern in fast allen großen Mitgliedstaaten. Anders als in Deutschland oft behauptet, werden dabei aber keine ‚Strafzahlungen‘ fällig. Das ESR-System ist eine Art zwischenstaatlicher Emissionshandel. Verfehlt Deutschland sein Ziel, hat es die Möglichkeit, anderen Ländern überschüssige Zertifikate abzukaufen – so geschehen in 2020. Wenn aber viele große Länder ihre Ziele verfehlen, aber nur einige kleinere Länder ihre Ziele übererfüllen, werden nicht genügend Zertifikate ‚auf dem Markt‘ sein, insofern kommt dann auch kaum Transfer zustande. Wenn Deutschland und Frankreich ihre ESR-Ziele drastisch verfehlen, wird der EU-Kommission politisch nichts anderes übrigbleiben als die ESR-Regularien anzupassen, so wie einst bei den Maastricht-Kriterien zu Verschuldungsquoten in der Euro-Zone.“
Projektionen im Landnutzungssektor LULUCF
„In der Debatte um das Bundes-Klimaschutzgesetz geht meist unter, dass die dort formulierten Senkenziele für LULUCF Netto-Werte sind, die sich aus Brutto-Treibhausgasemissionen und Brutto-CO2-Entnahmen zusammensetzen. Die drastische Verschlechterung der Zahlen in den vergangenen Jahren – von einer Netto-Senke zu einer Netto-Quelle – ist im Wesentlichen auf den Zustand der Wälder zurückzuführen. Diese Debatte überdeckt aber, dass Deutschland jährlich nach wie vor 40 bis 50 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen aus trockengelegten Mooren aufweist. Die Erreichung der Netto-LULUCF-Ziele im Bundes-Klimaschutzgesetz sollte sich nicht alleine auf die Forstwirtschaft konzentrieren, sondern auch auf die Moor-Emissionen.“
Notwendige Maßnahmen
„Die Bundesregierung sollte das Zusammenspiel von Restemissionen und CO2-Entnahme präzisieren – für das Jahr des Erreichens von Treibhausgas-Neutralität aber auch auf dem Weg dorthin.“
Unsicherheiten der Projektionen
Auf die Frage, inwiefern sich abschätzen lässt, welche Kosten aufgrund einer Gesamtüberschreitung in der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) auf Deutschland zukommen können:
Senior Researcher, Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Allgemeine Einordnung des Gutachtens
„Die Einschätzung des Expertenrats beruht auf einer gründlichen und transparenten Prüfung der Annahmen, die den Berechnungen der Projektionsstudie des Umweltbundesamtes zugrunde liegen. Ich halte sie daher für eine sehr gute Darstellung dessen, was wir zum jetzigen Zeitpunkt über die wahrscheinliche Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2030 wissen können – und was wir nicht wissen können. Denn der Bericht des Expertenrats verdeutlicht, dass die Unsicherheiten bei solchen Projektionen sehr groß sind. Es ist trotz gründlicher Analysen unvermeidbar, dass eine erhebliche Unsicherheit verbleibt, wie sich die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2030 tatsächlich entwickeln werden.“
Unsicherheiten der Projektionen
„Zu den Annahmen, die einen bedeutenden Einfluss auf die Treibhausgasemissionen haben und die gleichzeitig sehr unsicher sind, gehört beispielsweise die konjunkturelle Entwicklung der kommenden Jahre. Damit zusammenhängend spielt die zukünftige Entwicklung der Produktionsmengen der energieintensiven Industriebranchen eine bedeutende Rolle, also beispielsweise wie viel Stahl und chemische Grundstoffe in den kommenden Jahren in Deutschland produziert werden. Auch die Entwicklung der Energieträger- und CO2-Preise ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und kann starke Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen haben. So könnten beispielweise sinkende Strompreise und steigende Erdgaspreise die Elektrifizierung in der Industrie und in den Gebäuden voranbringen und auf diese Weise die Emissionen erheblich senken. Eine wesentliche von der Politik ausgehende Unsicherheit besteht in der Frage, welche bestehenden Klimaschutzinstrumente auch nach dem Wechsel der Bundesregierung mit welchen Fördervolumina beibehalten werden.“
Aktualität der Annahmen
„In der Tat zeichnen sich für das laufende Jahr – nicht zuletzt aufgrund des zumindest bisher deutlich windärmeren Jahres – höhere Emissionen in der Energiewirtschaft ab als im vergangenen Jahr. Zudem war es in den vergangenen Monaten kühler als in den Vorjahresmonaten, was wiederum im Gebäudesektor zu höheren Emissionen geführt haben dürfte. Diese aktuellen Entwicklungen der Wetterbedingungen im laufenden Jahr konnten wegen des zeitlichen Vorlaufs im Projektionsbericht des Umweltbundesamtes noch nicht berücksichtigt werden.“
„Der Expertenrat wiederum thematisiert in seinem Prüfbericht nicht diese kurzfristigen Wetterentwicklungen, da er solche Unsicherheiten in den Blick nimmt, die bis zum Jahr 2030 systematisch und damit dauerhaft die Emissionen in eine bestimmte Richtung verändern können. Temperatur und Windverhältnisse schwanken stark von Jahr zu Jahr und schon 2026 könnte sich beispielsweise als ein windreiches Jahr mit milden Wintermonaten herausstellen. Mit anderen Worten: Die bisherigen Abweichungen beim Wetter im Jahr 2025 werden vergleichsweise geringfügige Auswirkungen auf die Summe der Emissionen in Deutschland zwischen 2021 und 2030 haben, die im Vordergrund der Analysen des Prüfberichts steht.“
Unsicherheiten der Projektionen
Auf die Frage, inwiefern sich abschätzen lässt, welche Kosten aufgrund einer Gesamtüberschreitung in der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) auf Deutschland zukommen können:
Aktualität der Annahmen
„Die genauen Kosten pro überschrittener Tonne CO2 sind noch nicht bekannt, es wird aber vielfach angenommen, dass die Kosten mindestens in der Größenordnung von 50 bis 100 € pro Tonne CO2 liegen werden, möglicherweise auch höher. Dies würde bedeuten, dass Deutschland infolge seiner unzureichenden Emissionsminderungen insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude bis 2030 mit Kosten in Höhe von mindestens 11 bis 22 Milliarden Euro rechnen muss.“
Klimaschutzprogramm der Bundesregierung
„Der aktuelle Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen sollte für die neue Bundesregierung ein Ansporn sein, das laut Klimaschutzgesetz bis Ende März 2026 fällige Klimaschutzprogramm bereits deutlich früher vorzulegen – und es ausreichend ambitioniert auszugestalten. Ein solches Klimaschutzprogramm sollte geeignete und ausreichend konkret beschriebene Maßnahmen enthalten, um das Klimaziel für 2030 mit hinreichender Sicherheit erreichen zu können. Auch die strukturellen Veränderungen, die in den kommenden Jahren für das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 notwendig sein werden, sollten durch die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms mitgedacht werden.“
Notwendige Maßnahmen
„Dringend geboten ist aus meiner Sicht auch, dass die Maßnahmen für das Klimaschutzprogramm seitens der Bundesregierung sehr stark auf ihre Verteilungswirkung hin geprüft werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass der dringend notwendige ambitionierte Klimaschutz auf keinen Fall für bestimmten Bevölkerungsgruppen eine unzumutbare Belastung darstellen wird. Vorschläge für klimapolitische Maßnahmen mit sozialer Komponente gibt es mittlerweile viele und finden sich unter anderem auch in früheren Veröffentlichungen des Expertenrats für Klimafragen. Von Verbesserungen im öffentlichen Verkehr und einem Ausbau umweltfreundlicher Fernwärme in Ballungsgebieten profitieren beispielsweise überdurchschnittlich Menschen mit relativ geringem Einkommen. Und die Förderung von Elektroautos, Heizungstausch und Gebäudesanierung könnte zukünftig deutlich stärker als bisher darauf ausgerichtet sein, denjenigen Menschen Fördermittel bereitzustellen, die sich diese Maßnahmen ohne Förderung nicht leisten könnten.“
„Eine konkrete Maßnahme zur Steigerung der Anzahl der Neuzulassungen von Elektroautos könnte ein Bonus-Malus-System sein, das steuerlich den Neukauf von Verbrenner-Autos verteuert und über die so eingenommenen Mittel den Kauf von Elektroautos vergünstigt. Auch das Instrument des ‚Social Leasing‘ könnte aus anderen Ländern wie Frankreich übernommen werden. Bei diesem Instrument können Menschen bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze einen staatlichen Zuschuss für das Leasen von Elektroautos erhalten.“
„Im Gebäudesektor ist eine deutliche Erhöhung der Sanierungsraten ein wichtiger Baustein für erfolgreichen Klimaschutz. Ein hilfreiches Instrument zur Förderung dieser Sanierungen kann die staatliche Unterstützung für die Einrichtung sogenannter One-Stop-Shops sein. Dabei handelt es sich um Anlaufstellen, die für die Durchführung von Gebäudesanierungen kontaktiert werden können und die sich um die Organisation der vielen Aufgaben kümmern, die sich bei einem Sanierungsvorhaben ergeben. One-Stop-Shops können auf diese Weise helfen, die Durchführung energetischer Gebäudesanierungen deutlich zu vereinfachen und damit attraktiver zu machen.“
Senior Researcher, Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Herr Graichen und Frau Dr. Sibylle Braungardt haben sich gemeinsam geäußert, aber zu unterschiedlichen Fragen.
Auf die Frage, inwiefern sich abschätzen lässt, welche Kosten aufgrund einer Gesamtüberschreitung in der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) auf Deutschland zukommen können:
„Deutschland muss die fehlenden 224 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente von EU-Mitgliedsländern zukaufen, die ihre zugeteilten Emissionsgrenzen übererfüllen. Allerdings sieht es aktuell danach aus, dass viele andere Länder ebenfalls ein Defizit haben werden und das Angebot an künftigen Emissionsrechten nicht reichen wird. Entsprechend hohe Preise werden daher erwartet, oft werden 100 Euro pro verfehlter Tonne CO2 genannt. In diesem Falle müsste Deutschland 22 Milliarden Euro zahlen. Auch die Folgekosten sind hoch – nach 2030 müssen dann entsprechend schneller Emissionen gemindert werden, um die Klimaziele zu erreichen.“
Gruppenleiterin Wärmewende und Effizienz, Öko-Institut e.V., Freiburg
Herr Graichen und Frau Dr. Braungardt haben sich gemeinsam geäußert, aber zu unterschiedlichen Fragen.
Klimaschutzprogramm der Bundesregierung
„Die projizierten Emissionsdaten zeigen, dass Deutschland die Ziele der Effort-Sharing-Regulierung der EU deutlich verpassen wird. Der Koalitionsvertrag verschlimmert die Situation: Im Gebäudesektor soll das bestehende ‚Heizungsgesetz‘ abgeschafft werden und Fristen zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie sollen nach hinten geschoben werden. Im Verkehrssektor soll mehr Technologieoffenheit und damit eine geringere Richtungssicherheit gelten. Anstatt die Klimaschutzbemühungen beispielsweise über ein Bonus-Malus-System für neue Fahrzeuge oder über Anpassungsmöglichkeiten der Abschreibung von gewerblichen Nullemissionsfahrzeugen zu beschleunigen, ist zu befürchten, dass sich die Geschwindigkeit der Emissionsminderung im Verkehrssektor verlangsamt.“
Notwendige Maßnahmen
„CO2-Abscheidung und Speicherung wird in den Sektoren Verkehr und Gebäude keine Rolle spielen. Mittelfristig werden wir die Technologien benötigen, um unvermeidbare Restemissionen von einigen Großanlagen zu speichern, aber bis 2030 sind die erwarteten Speichermengen minimal.“
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln, und Professor für Mitigation of greenhouse gas emissions, Wageningen Universität, Niederlande
Allgemeine Einordnung des Gutachtens
„Der Expertenrat für Klimafragen stellt der neuen Regierung ein extrem schlechtes Zeugnis aus und gibt ihr einige Hausaufgaben mit. Es ist gut, dass Deutschland einen Expertenrat für Klimafragen hat. Die Prüfung des Regierungshandelns durch eine offizielle, kompetente und unabhängige Stelle erhöht die Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung. Sie muss sich diese Kritik anhören und entsprechend handeln.“
Politische Schwächen
„Der Bericht macht deutlich, dass die Umsetzung des neuen Koalitionsvertrags eher zu mehr und nicht zu weniger Emissionen im Vergleich zu den bereits umgesetzten Maßnahmen der Vorgängerregierung führen wird. Er stellt klar, dass das Klimaschutzziel für das Jahr 2030 (hier geht es um das Ziel, dass im Jahr 2030 ein Rückgang der jährlichen Treibhausgasemissionen von 65% im Vergleich zu 1990 erreicht wird; Anm. d. Red.) verfehlt wird und damit auch die Klimaneutralität bis 2045 in Gefahr ist.“
„Dies zeigt die Schwäche der letzten Novelle des Klimaschutzgesetzes: Obwohl im Jahr 2030 die Emissionen nach bester Schätzung sicher über dem Zielwert liegen werden, die Sektoren Verkehr und Gebäude klar ihre Ziele verfehlen werden und die Klimaneutralität 2045 gefährdet ist, tritt der Mechanismus für ein verpflichtendes Sofortprogramm nicht in Kraft. Die Flaute der Wirtschaft in der Coronakrise gibt der Regierung hier eine Verschnaufpause, denn die kumulativen Emissionen seit 2021 über alle Sektoren hinweg zählen, nicht der Zielwert einzelner Sektoren im Jahr 2030.“
Unsicherheiten der Projektionen
Auf die Frage, inwiefern sich abschätzen lässt, welche Kosten aufgrund einer Gesamtüberschreitung in der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) auf Deutschland zukommen können:
Politische Schwächen
„Das Verfehlen der europäischen Emissionsziele bis 2030 kann potenziell teuer werden. Das Umweltbundesamt geht von 224 Mt CO2-Äq. zu viel aus, für den Rat ist das nach jetzigem Stand noch optimistisch. Würden diese überschüssigen Emissionen durch Zertifikate ausgeglichen, würden bei einem grob geschätzten Preis von 100 Euro je Tonne CO2-Äq. etwa 22 Milliarden Euro Strafzahlungen anfallen.“
Notwendige Maßnahmen
„Die Regierung ist gut beraten, bereits jetzt über mehr Maßnahmen nachzudenken, auch wenn der offizielle Mechanismus für ein Sofortprogramm nicht greift. Spätestens im Herbst 2025 wird die Europäische Kommission anmahnen, dass die Emissionen im Verkehr und im Gebäudebereich über dem Zielwert liegen und einen Maßnahmenplan verlangen. Laut deutschem Klimaschutzgesetz muss die neue Regierung bis spätestens Ende März 2026 ein Klimaschutzprogramm vorlegen. Dieses muss konkreter und wirkungsvoller sein als der Koalitionsvertrag, sonst wird es bei der nächsten Prüfung durch den Rat durchfallen.“
„Der Rat ist klar in der Liste der Hausaufgaben: Mehr Maßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor, klare Regeln, wie der Europäische Emissionshandel für diese Sektoren umgesetzt werden soll, eine Strategie für Emissionen der Forstwirtschaft und eine klare Definition, wie hoch der Anteil der technischen Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre langfristig sein soll. Außerdem mahnt der Rat flankierende Maßnahmen zur Erhöhung der Sozialverträglichkeit und flankierende industriepolitische Maßnahmen an, die Grundvoraussetzungen für eine langfristig akzeptierte Klimapolitik sind. Dem Nutzen von Emissionsreduktionen aus dem außereuropäischen Ausland, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, steht der Rat zurecht skeptisch gegenüber.“
„Der Rat rät ebenfalls, dass Klimapolitik breit in der Regierung eingebettet sein sollte, zum Beispiel über ein Klimakabinett. Das Gegenteil hat die Regierung gerade beschlossen, indem Kompetenzen für Klimaschutz und Energie auf zwei unterschiedliche Ministerien aufgeteilt wurden, die dazu noch von unterschiedlichen Parteien geführt werden. Konflikte sind hier vorprogrammiert.“
„Leider stellt der Rat größtenteils das bereits Bekannte fest. Es ist bedauerlich, dass die neue Regierung das Thema Klimaschutz auf die lange Bank schiebt und so ihrer Verantwortung für die Zukunft nicht nachkommt.“
Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel
Allgemeine Einordnung des Gutachtens
„Das gesamte Emissionsbudget laut Klimaschutzgesetz liegt für den Zeitraum von 2021 bis 2030 bei 6199 Mt CO2-Äq. Eine Unterschreitung um 81 Mt entspricht 1,31 Prozent. Dies ist ein nur sehr geringer Puffer, wenn bedacht wird, dass die Emissionen der Jahre 2025 bis 2030 noch nicht bekannt sind und daher projiziert werden müssen. Diese Projektionen beinhalten Unsicherheiten, die leicht auch zu höheren Emissionen und damit einer Überschreitung des Budgets bis Ende 2030 führen können. Diese Unsicherheiten werden vom Umweltbundesamt in verschiedenen Sensitivitäten analysiert. Allein die größte Sensitivität, die sich auf den Industriesektor bezieht, könnte zu um 76 Mt höheren Treibhausgasemissionen führen, wodurch der Puffer bereits fast vollständig aufgebraucht wäre.“
„Was das Umweltbundesamt aber im Gegensatz zum Vorjahr nicht untersucht hat, ist der Einfluss gegebenenfalls niedriger Preise im Emissionshandelssystem 1. Im vergangenen Jahr wurde identifiziert, dass bei einem im Mittel um 32 Euro pro Tonne CO2 geringeren EU-ETS1-Preis die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Energiewirtschaft und Industrie um insgesamt 248 Mt CO2-Äq. höher ausfallen würden, was deutlich mehr als der verbleibende Puffer wäre.“
„Diese und weitere methodische Einschränkungen werden vom Expertenrat kritisch angemerkt. Sie führen für ihn aber nicht zu der Bewertung, dass das Emissionsbudget aus heutiger Sicht überschritten werden wird. Diese Einschätzung mag formal korrekt sein, weist jedoch – wie vom ERK klar aufgezeigt – nicht zu vernachlässigende Risiken auf.“
Unsicherheiten der Projektionen
„Für die Prüfung verwendet der ERK Ist-Daten für die Jahre 2021, 2022, 2023 und 2024. Ab 2025 werden Projektionsdaten verwendet. Die deutlich unterdurchschnittliche erneuerbare Stromerzeugung und die damit laut BDEW verbundene, um etwa 8,7 TWh oder knapp 15 Prozent höhere fossile Stromerzeugung im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahresquartal sind daher in den Daten nicht enthalten. Dies entspricht grob abgeschätzt rund fünf Mt zusätzlichen Emissionen gegenüber den Projektionen.“
„Die Projektionen zu den Emissionen der Stromerzeugung beruhen jedoch auf typischen Wetterjahren. Es ist möglich, dass ein besonders windiges zweites Halbjahr und insbesondere überdurchschnittliche Auslastungen der erneuerbaren Stromerzeuger in den Jahren bis Ende 2030 diesen Effekt kompensieren werden. Hier steht letztlich eine Unterauslastung in einem Quartal einem Projektionszeitraum von insgesamt 24 Quartalen gegenüber, weshalb dieser Effekt nicht überbewertet werden sollte. Mit rund fünf Mt ist er überdies bislang eher klein.“
Auf die Frage, inwiefern sich abschätzen lässt, welche Kosten aufgrund einer Gesamtüberschreitung in der Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) auf Deutschland zukommen können:
„Bei Überschreitung der Ziele der ESR müssen die Überschreitungen plus acht Prozent in Folgejahren kompensiert werden. Zudem sind die Staaten verpflichtet, Aktionspläne zur Emissionsminderung vorzulegen. Es bestehen aber zeitliche Flexibilitäten, so dass die Kommission eine Emissionsüberschreitung erst mit Verzögerung feststellt. “
„Sollte Deutschland aber bis einschließlich 2030 die Ziele um 224 Mt überschreiten, wie das vom UBA projiziert wird, müssten diese Mengen von anderen Mitgliedsstaaten erworben werden, wofür voraussichtlich der Preis im ETS zugrunde gelegt werden würde. Da unbekannt ist, wann Deutschland diese Mengen erwerben würde und welcher Preis dann gelten würde kann hier nur grob geschätzt werden. Das UBA geht davon aus, dass der Preis pro Tonne CO2 im ETS1 von 70 auf 95 Euro im Jahr 2030 ansteigen wird. Allerdings wird diese Annahme vom ERK als möglicherweise zu hoch eingeschätzt. Im Mai 2025 lag der aktuelle ETS-Preis bei 62 Euro. Für das Jahr 2030 wird CO2 im ETS derzeit mit knapp 82 Euro gehandelt. Wenn die Bundesrepublik also 224 Mt Emissionsrechte für 62 bis 95 Euro pro Tonne erwerben müsste, würde das zwischen 13,9 und 21,8 Milliarden Euro kosten – alle Preise real mit Preisbasis 2023.“
Notwendige Maßnahmen
„In allen Bereichen sind grundsätzlich dringend weitere Maßnahmen erforderlich. Neben dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und insbesondere der Netze hinken die Sektoren Wohngebäude und Verkehr ihren Zielen besonders hinterher. In diesen Bereichen wird die CO₂-Abscheidung und -Speicherung jedoch keine Rolle spielen, da sie sich vor allem auf anderweitig schwer zu vermindernde Emissionen in der Grundstoffindustrie und eventuell auf die Erzeugung von blauem Wasserstoff fokussieren wird.“
„Hinzu kommt, dass die CO₂-Abscheidung technisch aufwendig ist und für den Abtransport signifikanter Mengen an CO₂ entsprechende Pipelines, beispielsweise an die Küste, erforderlich sein werden. Selbst bei sehr aktiver politischer Unterstützung muss damit gerechnet werden, dass bis 2030 insgesamt – wenn überhaupt – nur wenige Millionen Tonnen CO₂ abgetrennt und gespeichert werden. Langfristig kann diese Technologie allerdings dort einen gewissen Beitrag zur Emissionsminderung leisten, wo es keine anderen Optionen gibt.“
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass ich ein Ratsmitglied im Prozess der Berichtserstellung unterstützt habe.“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
„Das Öko-Institut erstellt gemeinsam mit Projektpartnern den Projektionsbericht 2025 für das Umweltbundesamt. Daher können wir nicht die Bewertung der Projektionen bewerten.“
„Das Öko-Institut erstellt gemeinsam mit Projektpartnern den Projektionsbericht 2025 für das Umweltbundesamt. Daher können wir nicht die Bewertung der Projektionen bewerten.“
„Keine.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Expertenrat für Klimafragen (2025): Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2024 und zu den Projektionsdaten 2025.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2025): Welche Folgen hätte eine Flexibilisierung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw? Statements. Stand: 07.05.2025.
Science Media Center (2025): Emissionsbilanz 2024: Warum überschätzten Prognosen die realen Treibhausgasemissionen? Stand: 07.01.2025.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Wehnemann K et al. (2025): Treibhausgas-Projektionen 2025 – Ergebnisse kompakt. DOI: 10.60810/openumwelt-7821.
[II] Kemmler A et al. (2025): Rahmendaten für die Treibhausgas-Projektionen 2025. DOI: 10.60810/openumwelt-7765.
[III] Förster H et al. (2025): Zentrale sektorbezogene Annahmen für die Treibhausgas-Projektionen 2025. DOI: 10.60810/openumwelt-7812.
[IV] Förster H et al. (2024): Instrumente für die Treibhausgas-Projektionen 2025. DOI: 10.60810/openumwelt-7632.
Dr. Oliver Geden
Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es liegen keine Interessenkonflikte vor. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass ich ein Ratsmitglied im Prozess der Berichtserstellung unterstützt habe.“
Dr. Sascha Samadi
Senior Researcher, Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
Jakob Graichen
Senior Researcher, Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Das Öko-Institut erstellt gemeinsam mit Projektpartnern den Projektionsbericht 2025 für das Umweltbundesamt. Daher können wir nicht die Bewertung der Projektionen bewerten.“
Dr. Sibylle Braungardt
Gruppenleiterin Wärmewende und Effizienz, Öko-Institut e.V., Freiburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Das Öko-Institut erstellt gemeinsam mit Projektpartnern den Projektionsbericht 2025 für das Umweltbundesamt. Daher können wir nicht die Bewertung der Projektionen bewerten.“
Prof. Dr. Niklas Höhne
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln, und Professor für Mitigation of greenhouse gas emissions, Wageningen Universität, Niederlande
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer
Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel