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28.03.2024

Studie untersucht Übertragung von Alzheimer durch Knochenmarkspende bei Mäusen

     

  • Experimente mit Mausmodellen suggerieren, dass Alzheimer in sehr seltenen Fällen durch Knochenmarkspenden übertragen werden könnte
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  • laut Autorinnen und Autoren könnten Ergebnisse Relevanz für die Kontrolle von Spenderproben haben
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  • unabhängige Forschende bezweifeln die klinische Relevanz und sehen derzeit keine stichhaltigen Belege für erweiterte Kontrollen von Spenderproben
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Forschende aus Kanada wollen mit Experimenten an Mäusen gezeigt haben, dass eine Form von familiären Alzheimer im Fall einer Knochenmarkspende auf gesunde Nager übertragen werden konnte. Ob die Ergebnisse klinische Relevanz für die Medizin haben, kann die Studie nicht klären. Bei familiärem Alzheimer handelt es sich um eine genetische Veranlagung, bei der Betroffene eine mutierte Version eines von drei bekannten Risiko-Genen tragen: Amyloid precursor protein (APP), Presenilin-1 (PS1) oder Presenilin-2 (PS2). Diese führen zu einer erhöhten Produktion von Amyloid-ß-Peptiden und einem meist früheren Krankheitsbeginn. Groben Schätzungen zu Folge lassen sich rund ein Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen auf familiären Alzheimer zurückzuführen [I].

Die Forschenden, die ihre Ergebnisse im Fachjournal „Stem Cell Reports“ veröffentlicht haben (siehe Primärquelle), verwendeten Mäuse, die ein mutiertes menschliches Amyloid-Vorläuferprotein (APP) tragen. Sie entnahmen ihnen Knochenmarkzellen und transplantierten diese in Wildtyp-Mäuse oder Mäuse, die gar kein APP-Gen haben (APP-Knock-Out). Die Empfängertiere zeigten laut der Studie innerhalb von sechs bis neun Monaten pathologische Merkmale von Alzheimer, wie zum Beispiel erhöhte Mengen an Amyloid-ß-Peptiden im Gehirn oder einige kognitive Beeinträchtigungen.

Die Autorinnen und Autoren schlussfolgern, dass eine Stammzelltransplantation Krankheiten des zentralen Nervensystems effektiv auf gesunde Empfänger übertragen kann. Vermutet wird, dass bestimmten Stammzellen ins Gehirn wandern und sich dort in Zellen verwandeln, die pathologisches Amyloid-ß produzieren. In der Diskussion empfehlen die Forschenden, vorsorglich Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationstherapien sowie vor Bluttransfusionen und der Verabreichung von Blutprodukten auf vorliegende Alzheimer-Risikogene zu untersuchen, um das Risiko einer Krankheitsübertragung zu minimieren.

Inwiefern die Untersuchung am Mausmodell eine solche Schlussfolgerung erlaubt, ob Spenderproben zukünftig auf Alzheimer-Risikogene untersucht werden sollten und inwiefern das klinisch überhaupt realistisch ist, befragte das SMC Expertinnen und Experten.

Übersicht

  • Prof. Dr. Thomas Schroeder, Bereichsleiter der Stammzelltransplantation in der Klinik für Hämatologie und Stammzelltransplantation am Westdeutschen Tumorzentrum Essen, Universitätsklinikum Essen
  • Prof. Dr. Mathias Jucker, Leiter der Abteilung Zellbiologie neurologischer Erkrankungen, Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, und Professor am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
  • Prof. Dr. Tara Spires-Jones, Group Leader, UK Dementia Research Institute, und President of the British Neuroscience Association, Vereinigtes Königreich
  • Prof. Paul Morgan, UK Dementia Research Institute Cardiff, Cardiff University, Vereinigtes Königreich
  • Prof Bart De Strooper, Group Leader at the UK Dementia Research Institute (DRI), University College London (UCL), Vereinigtes Königreich
  • Prof. David Curtis, Honorary Professor, UCL Genetics Institute, University College London (UCL), Vereinigtes Königreich
  • Prof. Dr. Nicolaus Kröger, Direktor der Klinik für Stammzelltransplantation, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
  • PD Dr. Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

Statements

Prof. Dr. Thomas Schroeder

Bereichsleiter der Stammzelltransplantation in der Klinik für Hämatologie und Stammzelltransplantation am Westdeutschen Tumorzentrum Essen, Universitätsklinikum Essen

Einordnung der Studie

„Prinzipiell ist das Mausmodell in der Studie solide gemacht. Es zeigt, dass es im Kontext der familiären Alzheimer-Erkrankung möglich ist, bestimmte genetisch veränderte Knochenmarkzellen (Bone marrow-derived mononuclear cells) in eine Wildtyp-Maus zu transplantieren. Aus diesen Stammzellen entwickeln sich Megakaryozyten (Riesenzellen, die sich vor allem im Knochenmark finden. Sie sind die Vorläuferzellen der Thrombozyten; Anm. d. Red.), welche ein pathologisches Eiweiß (misfolded ß-amyloid, Aß) erzeugen, das zu einer Störung der Bluthirnschranke führt und Hirnveränderungen, die eine Alzheimer-artige, aber nicht identische Pathologie in der Maus, erzeugt.“

„Letztlich ist das Paper für die Alzheimerforschung interessant, da es zeigt, dass nicht nur Hirn-interne Prozesse bei der Krankheit eine Rolle spielen, sondern dass auch von extern in das Hirn eingebrachte Faktoren die Entstehung von Alzheimer begünstigen können.“

Übertragbarkeit auf den Menschen und praktische Implikationen

„Für die allogene Stammzelltransplantation spielt diese Beobachtung allerdings eher keine Rolle, so dass ich die Forderung der Autoren und Autorinnen, dass Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie vor Bluttransfusionen mittels Genomsequenzierung untersucht werden sollten, für nicht angebracht finde. Es könnte durch solche weitreichende, aus meiner Sicht nicht aus der Studie ableitbare Forderungen dazu führen, dass Spender abschreckt und Empfänger von lebenswichtigen Therapien verunsichert werden. Gleiches gilt auch für die Verbindungen, die zwischen Komplikationen im zentralen Nervensystem nach allogener Stammzelltransplantation und dem in dem Paper verwendeten Mausmodel gezogen werden. Diese sind nicht nachvollziehbar.“

„Die Gründe sind wie folgt: Die familiäre Form des Alzheimers ist extrem selten und, daher für den Alltag der Knochenmarks-Transplantation eher irrelevant. In der Praxis befragen wir Familien-Spender und Empfänger regelhaft nach familiären Belastungen, Alzheimer ist mir hier noch nie zur Kenntnis gebracht worden. Wir transplantieren heutzutage zu einem deutlich größeren Anteil mit Knochenmarkzellen von jungen Fremdspendern –, auch diese werden vorher untersucht und anamnestiziert. Zudem ist mir ein solcher Fall aus der wissenschaftlichen Literatur nicht bekannt, selbst bei der geringen Frequenz einer denkbaren Übertragung hätte es wahrscheinlich bereits mal einen Fallbericht gegeben. Ein Gegenbeispiel, das im Gegensatz zu dieser neuen Hypothese viel relevanter für den Alltag ist, ist die Übertragung vom Stammzellerkrankungen, wie zum Beispiel einer Spenderinduzierten Leukämie, durch Keimbahnmutationen im Kontext myeloischer Stammzellerkrankungen (Stammzellerkrankungen aus Zellen des Knochenmarks; Anm. d. Red.).“

Prof. Dr. Mathias Jucker

Leiter der Abteilung Zellbiologie neurologischer Erkrankungen, Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, und Professor am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

„Bei der Studie handelt es sich um ein interessantes Tiermodell der Stammzelltransplantation. Die vorliegenden Ergebnisse und vor allem die Schlussfolgerungen scheinen jedoch vorläufig und nicht schlüssig zu sein. Ich denke, es sind weitere Untersuchungen erforderlich.“

Prof. Dr. Tara Spires-Jones

Group Leader, UK Dementia Research Institute, und President of the British Neuroscience Association, Vereinigtes Königreich

“This study transplanting bone marrow stem cells from mice engineered to carry a familial Alzheimer’s disease mutation into healthy mice was run in a single mouse model with very small numbers of mice per group (one animal per group shown in figure 1, 4-18 mice per group in other figures). The conclusion in the press release that ‘the recipients developed Alzheimer’s disease’ is not supported by the data. The recipient mice did not develop Alzheimer’s disease, they had small amounts of pathology and memory deficits in small groups of animals. They did not have neurodegeneration or tau pathology which occur in Alzheimer’s disease. While other data in the field do support the idea that amyloid pathology ‘seeds’ can induce clumping in healthy brain, there has never been conclusive evidence that this leads to dementia. Further, familial Alzheimer’s disease mutations such as the one used in this study are exceedingly rare, so these results should not cause concern to people who need bone marrow transplants.”

Prof. Paul Morgan

UK Dementia Research Institute Cardiff, Cardiff University, Vereinigtes Königreich

“This article reports some interesting data on transmission of Alzheimer-like pathology by bone marrow transplantation in mice and proceeds to make the gargantuan leap to propose that tissue, organ and cell transplantation, and even blood transfusion, carry a risk of transferring Alzheimer’s disease and other neuropathologies in man.”

“In the model, bone marrow from donor mice carrying a mutant human APP gene associated with a very rare and severe familial form of Alzheimer’s disease (only found in two families in Sweden!) was transferred into recipient mice, unmodified or knockout for the mouse APP gene. The recipient mice were subjected to whole body radiation prior to the transfer, ablating their immune systems and damaging the blood-brain barrier; crucial to allow the transplanted cells to survive and likely permitting their access to the brain. In the subsequent months the recipient mice developed brain pathologies and behavioural changes resembling those in the donor strain, suggesting that the transferred bone marrow cells had delivered the mutant gene in a form that could drive the associated brain disease.”

“The findings are scientifically intriguing in that they show, in this very specific experimental situation, that bone marrow cells are sufficient to transfer the gene and the disease. Relevance to human organ and cell transplant is limited. To their credit, the authors do clearly state the limitations of their study in the discussion; however, this is not helped by some broad statements elsewhere in the text suggesting relevance to human transplantation and transfusion, which should not be used to justify hyped up headlines.”

Prof Bart De Strooper

Group Leader at the UK Dementia Research Institute (DRI), University College London (UCL), Vereinigtes Königreich

“The fact that bone marrow cells could be sufficient to induce amyloid pathology in the brain is surprising, as current evidence suggests that the amyloid accumulation in the brain of people with Alzheimer’s originates from neurons and supporting glial cells. This paper could be of great interest, however, the data supporting the claims are too limited to make final conclusions. There are a number of issues with the analysis, for instance the quantitative assessment of the amyloid beta levels in the brains of the transplanted animals is missing. In addition, there are other results which are unclear or not of good enough quality to be convincing, namely figures 4A-C. There is not sufficient evidence here to suggest that anyone receiving a bone marrow transplant is at risk of developing Alzheimer’s disease as a result of the procedure, and nobody should forego a transplant for this reason.”

Prof. David Curtis

Honorary Professor, UCL Genetics Institute, University College London (UCL), Vereinigtes Königreich

"This study demonstrates that injecting stem cells containing DNA coding for a very rare familial form of Alzheimer's disease can lead to the development of features of the disease in mice. It is already well known that such stem cells will travel to the brain and develop into cells called glial cells, which surround the neurons in the brain. Thus, this study seems to suggest that the neurons themselves do not have to produce the abnormal amyloid protein which results in signs of Alzheimer's disease. However, it does not prove that the disease is due to production of the protein outside the brain, because glial cells are very much within the brain.”

"The study suggests that theoretically there could be a risk of acquiring Alzheimer's disease if one received a stem cell transplant from somebody carrying the severe, familial form of the disease. However, this form is extremely rare so in practice the risk seems low and there are many safeguards around stem cell transplantation. I do not see that the risks extend to other areas such as organ transplantation or blood transfusion because these procedures do not involve large numbers of stem cells which can go on to form glial cells.”

Prof. Dr. Nicolaus Kröger

Direktor der Klinik für Stammzelltransplantation, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Einordnung der Studie

„Bei der Studie handelt es sich um eine interessante präklinische Arbeit über die Möglichkeit der Übertragung einer familiären Alzheimer-Form über eine hämatopoietische Stammzelltransplantation in einem artifiziellen Mausmodel.“

Plausibilität des Übertragungsweges

„Der Übertragungsweg von Alzheimer erscheint hier im beschriebenen artifiziellen Mausmodell einer familiären Alzheimer-Form plausibel – auf den Menschen übertragen ist er eher hypothetisch. Die familiäre Alzheimer-Form ist beim Menschen selten. Eine Übertragung von anderen Erkrankungen vom Blut auf das Gehirn wurden beim Menschen bisher nicht beschrieben, es sei denn die Übertragung erfolgt über Viren/Prionen, die das Stammzellpräparat kontaminieren aber primär nicht Teil der Stammzellen sind.“

Auf die Frage, ob die Forderung realistisch ist, dass Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie vor Bluttransfusionen mittels Genomsequenzierung untersucht werden:
„Es gibt derzeit keinen Grund dafür, weil solche Fälle bisher nicht beim Menschen beschrieben wurden. Die möglichen und im Manuskript beschrieben neurologischen Komplikationen nach Stammzelltransplantation unterscheiden sich zudem von der Alzheimer-Erkrankung.“

PD Dr. Michael Beekes

Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

Einordnung der Studie

„Die vorliegende Arbeit stellt Ergebnisse von Transplantationsexperimenten in Mäusen vor, in denen Knochenmark mit Blutstammzellen aus Spendermäusen in Empfängermäuse transplantiert wurde, denen zuvor das eigene Knochenmark durch Ganzkörperbestrahlung zerstört wurde.“

„Dabei enthielten die Knochenmarkszellen der Spendermäuse (Tg2576-Mäuse) ein Transgen für eine mutierte Form des menschlichen Amyloid-Vorläuferproteins APP, welches mit gentechnischen Verfahren in das Erbgut der Spendermäuse eingebracht wurde. Die mutierte Form des APP, welche die Tg2576-Mäuse überexprimieren, führt zu erhöhten Amyloid-beta(Aβ)-Konzentrationen und der Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn sowie altersabhängig auftretenden Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit, und ist in Menschen ursächlich für eine familiäre Form der Alzheimer-Krankheit.“

„Bei den Empfängermäusen handelte es sich zum einen um gentechnisch veränderte Tiere, bei denen das APP-Gen ausgeschaltet wurde (APP KO-Mäuse), oder um normale Mäuse ohne gentechnische Veränderung (Wildtyp-Mäuse).“

„Nach der Übertragung des Knochenmarks aus Tg2576-Mäusen in APP-KO-Mäuse waren im Gehirn der Empfängertiere Ablagerungen von menschlichem Aβ nachweisbar, die mit einer Neubildung von und teilweise verminderten Dichtigkeit von Blutgefäßen und einer Integritätsbeeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke im Gehirn, einhergingen. Damit verbunden trat eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit der Empfängermäuse in verschiedenen Verhaltenstests auf. Wurde das Knochenmark von Tg2576-Mäusen in Wildtyp-Mäuse übertragen, entstanden im Gehirn der Empfängermäuse Alzheimer-artige Amyloid-Plaques, was wiederum von einer Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit der Empfängertiere in bestimmten Verhaltenstests begleitet war.“

„Dies zeigt, dass die Transplantation von Knochenmark mit Blutstammzellen aus Spendermäusen, die das genannte mutierte menschliche APP überproduzieren, bestimmte neuropathologische und klinische Merkmale der Alzheimer-Krankheit in normale Empfängermäuse oder gentechnisch veränderte Mäuse, die kein eigenes APP synthetisieren, übertragen kann.“

„Das Autorenteam leitet aus seinen Beobachtungen ab, das menschliches Aβ, dessen Ursprung außerhalb des zentralen Nervensystems liegt, eine wichtigere Rolle als bisher angenommen bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit spielt, beziehungsweise spielen kann. Darüber hinaus schlussfolgern die Autorinnen und Autoren, dass durch Transplantation von Blutstammzellen eine Erkrankung des zentralen Nervensystems – wie sie im Spendertier vorliegt und Teilaspekte der Alzheimer-Krankheit nachstellt – auf gesunde Empfängertiere übertragen werden kann.“

„Nach Auffassung des Autorenteams sprechen die berichteten Befunde für eine genomische Sequenzierung von Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie vor Bluttransfusionen und der Verabreichung von aus Blut gewonnenen Produkten, um das Risiko iatrogener – das heißt durch medizinische Maßnahmen erfolgende – Krankheitsübertragungen zu mindern.“

Plausibilität des Übertragungsweges

„Die Ergebnisse der Arbeit belegen keine vollumfängliche Übertragung der Alzheimer-Krankheit. Diese Krankheit ist hinsichtlich ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit in Mausmodellen naturgemäß auch nicht vollständig abbildbar.“

„Vielmehr zeigen die Befunde – wie bereits oben ausgeführt –, dass die Transplantation von Knochenmark mit Blutstammzellen aus Spendermäusen, die eine bestimmte Form von mutiertem menschlichen APP überproduzieren, verschiedene neuropathologische und klinische Merkmale der Alzheimer-Krankheit in normale Empfängermäuse oder gentechnisch veränderte Mäuse, die kein eigenes APP synthetisieren, übertragen kann.“

„Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die geistigen Leistungsbeeinträchtigungen, die in den Empfängermäusen beobachtet wurden, nicht notwendigerweise auf Alzheimer-spezifischen neurodegenerativen Prozessen beruhen müssen, sondern möglicherweise auch bereits durch die beobachteten Störungen der Integrität von Blutgefäßen im Gehirn nach der Knochenmarkstransplantation erklärt werden können.“

Auf die Frage, inwiefern die Erkrankung aus dem Blut zu den Nervenzellen im Gehirn gelangt:
„Das Autorenteam diskutiert zur Beantwortung dieser Frage unter anderem, dass das der Krankheitsübertragung mutmaßlich zugrundeliegende mutierte menschliche APP aus Blutstammzellen der Tg2576-Spendermäuse stammt und sich diese Blutstammzellen über Megakaryozyten zu Blutplättchen differenzieren können. Beide so gebildeten Zelltypen können menschliches Aβ produzieren. Im Blut gelöstes oder mit Blutplättchen assoziiertes Aβ könnte dann mit dem Blutstrom in Gehirngefäße gelangen. Durch Wechselwirkung von Aβ mit den Blutgefäßen des Gehirns würde in der Folge eine Zellteilung und Gefäßneubildung bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der Gefäßdichtigkeit und der Blut-Hirn-Schranke ausgelöst. Aβ könnte infolgedessen in das Gehirngewebe diffundieren und sich dort schließlich in Form amyloider Plaques ablagern. Allerdings sind auch noch andere Wege und Mechanismen des Transfers von peripherem Aβ in das Gehirngewebe der Empfängermäuse denkbar, die – so das Autorenteam – in zukünftigen Studien weiter untersucht werden müssten.“

Übertragbarkeit auf den Menschen und praktische Implikationen

„Da die Befunde der Studie in unterschiedlichen und zum Teil recht artifiziellen Mausmodellen gewonnen wurden, die sich in verschiedener Hinsicht deutlich von der Situation im Menschen unterscheiden, können die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden. Es ist zwar durchaus möglich, dass die Beobachtungen in den Versuchsmäusen wichtige und weiterzuverfolgende Erkenntnisse auch für den Menschen liefern, die tatsächliche Relevanz für den Menschen muss jedoch zunächst genauer abgeklärt werden. Diese Einschränkung und eine Reihe weiterer Limitationen der Studie räumt das Autorenteam auch selbst offen ein.“

„Vor diesem Hintergrund erscheint die weit über den konkreten Untersuchungsgegenstand der Studie hinausgehende Forderung, Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie vor Bluttransfusionen und der Verabreichung von aus Blut gewonnenen Produkten generell mittels Genomsequenzierung zu untersuchen, um das Risiko iatrogener Krankheitsübertragungen zu mindern nicht realistisch. Sowohl im Hinblick auf die präsentierten Studiendaten als auch auf die vielfältigen weitreichenden Implikationen etwa in medizinischer, rechtlicher und ethischer Hinsicht. Für den Bereich der Bluttransfusionen und Verabreichung von aus Blut gewonnenen Produkten gilt dies umso mehr, da sich Blutstammzellen hauptsächlich im Knochenmark und nur in relativ geringem Ausmaß im Blut selbst befinden.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Tara Spires-Jones: “I have no conflicts with this study.”

Prof. Paul Morgan: “No conflicts.” 

Prof Bart De Strooper:  “I have no direct conflicts of interest with the current manuscript. I am however consultant of several pharmaceutical companies working on Alzheimer’s Disease.”

Prof. David Curtis: “I have no conflict of interest.”

Prof. Dr. Nicolaus Kröger: „Keine.“

PD Dr. Michael Beekes: „Ich habe diesbezüglich keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Singh CSB et al. (2024): Conclusive demonstration of iatrogenic Alzheimer’s disease transmission in a model of stem cell transplantation. Stem Cell Report. DOI: 10.1016/j.stemcr.2024.02.012.

Weiterführende Recherchequellen

Science Media Centre (2024): expert reaction to study looking at a mouse model of a stem cell transplant that reports transmission of a rare familial form of Alzheimer’s disease. roundup. Stand: 28.03.2024.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Strobel G: What Is Early Onset Familial Alzheimer Disease (eFAD)? Alzforum.