Xenotransplantation: Hirntoter Patient erhält Schweinelunge
erstmals ist einem Menschen eine Lunge eines genmodifizierten Schweins transplantiert worden
die Xenotransplantation gilt als mögliche Lösung für den weltweiten Organmangel
Forschende sehen in dem Experiment einen weiteren Schritt, weisen aber auf methodische Mängel und ethische Fragen hin
Chinesische Forschende haben erstmals eine gentechnisch veränderte Schweinelunge in einen hirntoten Patienten transplantiert. Der Eingriff erfolgte bereits am 15. Mai 2024, die Machbarkeitsstudie zu dieser sogenannten Xenotransplantation ist nun im Fachjournal „Nature Medicine“ (siehe Primärquelle) erschienen.
Die Forschenden transplantierten einem 39-jährigen Mann die linke Lunge eines Schweins, in dem sechs genetische Veränderungen vorgenommen wurden, die eine Abstoßung des Organs verhindern sollen. Die Schweinelunge blieb unmittelbar nach der Transplantation funktionstüchtig und durchblutet, ohne hyperakute Abstoßung oder schwere Infektionen. Bereits nach 24 Stunden kam es jedoch zu einem starken Lungenödem. Ab dem dritten und sechsten Tag zeigten sich Zeichen einer Abstoßung durch das Immunsystem. Am neunten Tag besserte sich der Zustand teilweise – die Abwehrreaktion ging zurück. Auf Bitten der Familie des Patienten wurde das Experiment aber zu diesem Zeitpunkt abgebrochen. Vor dem Eingriff hatten die Angehörigen eine schriftliche Einverständniserklärung für die Operation erteilt. Der Mann hatte 16 Tage zuvor eine Hirnblutung erlitten und galt seitdem als hirntot.
Leiter der Sektion Xenotransplantation und Personalverantwortlicher für die Großtieranlagen, Technische Universität München (TUM)
Bedeutung für das Forschungsfeld
„Die erstmalige xenogene Lungentransplantation eines sechsfach genetisch modifizierten Schweins in einen hirntoten Patienten stellt einen wichtigen Schritt in der Transplantationsmedizin dar. Die genetisch veränderte Schweinelungen wies neben der Modifikation der wichtigsten Zuckermoleküle auf der Zelloberfläche ebenfalls eine starke Expression humaner Transgene (CD46, CD55, Thrombomodulin) auf, wodurch eine hyperakute Abstoßungsreaktion effektiv vermieden wurde.“
Besonderheit Lungentransplantation
„Der Versuch macht deutlich, dass die Lunge als Organ besonders herausfordernd ist. Schon nach kurzer Zeit traten ausgeprägte entzündliche Reaktionen und Thrombosen auf, begleitet von Antikörper- und Komplement-vermittelten Abstoßungsprozessen (das Komplementsystem ist ein Teil des angeborenen Immunsystems; Anm. d. Red.). Diese begannen bereits kurz nach der Transplantation und führten zunehmend zur Schädigung des Organs, auch wenn sich humorale Abstoßungsreaktionen (Antikörper greifen transplantiertes Organ an; Anm. d. Red.) gegen Ende teilweise wieder abschwächten. Die besonderen Herausforderungen einer Lungentransplantation ergeben sich durch ihren permanenten Kontakt zur Außenwelt, was ein außergewöhnlich hohes Infektionsrisiko mit sich bringt. Zudem stand die Lungentransplantation bisher nicht im Fokus der Forschung, wodurch epithelspezifische Abstoßungsmechanismen sowie Immunglobulin-A-Antikörperbindungen bisher kaum erforscht wurden.“
Künftige Ansätze
„Trotz dieser Limitationen ist das Ergebnis von großer Bedeutung. Es zeigt, dass eine xenogene Lungentransplantation technisch möglich ist und dass wesentliche immunologische Barrieren überwunden werden können. Für die langfristige Organtransplantation werden jedoch zusätzliche genetische Modifikationen notwendig sein. So ist eigentlich die CD40-CD40L-Blockade mittlerweile ein Standard bei vielen Immunsuppressionsprotokollen. Diese zielt darauf ab, die Costimulation bei T-Zellen zu verhindern, also die T-Zell Aktivierung an sich. Bei der Lungentransplantation wurde – vielleicht auch deshalb – eine massive zelluläre Immunantwort festgestellt. Das hat sicher zur Abstoßung beigetragen. Die Autoren haben dies selbst richtig erkannt. Nach meiner Einschätzung scheint aber besonders die CD47-Transgenexpression entscheidend, um die Aktivierung von Makrophagen und Natürlichen Killerzellen gezielt zu unterdrücken und das Transplantat langfristig zu schützen. Ebenso könnten durch Expression des erst kürzlich charakterisierten AKIP1-Transgens die aufgetretenen Ischämie Reperfusionsschäden stark reduziert werden.“
Perspektive von Patientinnen und Patienten
„Aus Patientensicht ist dieser Fortschritt der Xenotransplantation bereits jetzt von Relevanz. Gerade für Menschen mit schwersten Lungenerkrankungen, die oft jahrelang auf ein Spenderorgan warten oder nie eines erhalten, weckt dieser Versuch neue Hoffnungen. Die Arbeit zeigt, dass eine realistische Perspektive für zukünftige Schweinelungen als Spenderorgane besteht und damit eine mögliche Lösung für den gravierenden Mangel an Spenderlungen.“
Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie, Freie Universität Berlin
Ergebnisse der Studie
„Im Hospital der Medizinischen Universität in Guanzhou in China wurde die linke Lunge eines gentechnisch modifizierten Schweins in einen 39 Jahre alten hirntoten Mann transplantiert. Das verwendete Chinesische Bama-Xiang-Donorschwein hatte sechs genetische Modifikationen, darunter vier Knock-outs mittels Crispr/Cas von Schweinegenen, die für Zuckerreste verantwortlich und die das Hauptziel der hyperakuten Abstoßung durch präformierte Antikörper sind. Außerdem wurden die humanen Komplementregulatorgene CD55, CD46 und Thrombomodulin (TBM) eingeführt (Proteine, die Teile des Immunsystems regulieren; Anm. d. Red.).“
„Als Immunsuppressiva wurden Anti-Thymocytenglobulin, Basiliximab (ein monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-2-Rezeptor CD25), Rituximab (ein monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenprotein CD20 auf B-Zellen), Eculizumab (bindet an das Protein C5 des Komplementsystems), Tofacitinib (synthetisches Arzneimittel, das die Wirkung von Januskinasen hemmt), Tacrolimus (Makrolidlacton aus dem grampositiven Bakterium Streptomyces tsukubaensis, hemmt Calcineurin), Mycophenolate mofetil (ein Arzneimittel, das die Proliferation von Lymphozyten hemmt) und Steroide verwendet. Das Lungentransplantat vom Schwein funktionierte neun Tage, bereits nach 24 Stunden wurden schwere Ödeme beobachtet and eine antikörpervermittelte Abstoßung begann an Tag drei.“
Vorherige Experimente
„Bisher wurden zwei Transplantationen von Schweineherzen in Patienten mit einer Überlebenszeit von 60 und 40 Tagen und mehrere Transplantationen von Schweinnieren in Patienten mit der längsten Überlebensdauer von über sieben Monaten durchgeführt. Dabei wurden Organe von Tieren mit nur einer, mit 10 und mit 69 genetischen Modifikationen verwendet. Im letzten Fall wurden 59 porcine endogene Retroviren (PERVs) im Genom der Schweine mittels Crispr/Cas inaktiviert. Außerdem wurden mehrere Transplantationen von Schweineherzen, Schweinenieren und einer Schweineleber in Hirntote durchgeführt. Die Überlebenszeiten bei den Studien mit Nieren bei Hirntoten schwankten zwischen 54 Stunden und 61 Tagen. Dies ist die erste Transplantation einer Lunge in einen Hirntoten.“
Besonderheit Lungen-Xenotransplantation
„Betrachtet man die Erfolge der Xenotransplantation von Schweineorganen in nicht-humane Primaten (NHP) mit Überlebensdauern von 945 Tagen bei heterotopen Herzen, 270 Tagen bei orthotopen Herzen, und 195 Tagen bei orthotopen Herzen in Deutschland [1], schneidet die Lunge ganz schlecht ab (orthotop: korrekte Lage eines Organs; Anm. d. Red.). 240 Minuten Perfusion in vitro [2] und acht Tage in vivo [3] sind die längsten Überlebenszeiten (Perfusion meint die Durchblutung des Organs, entweder im Labor oder im Menschen; Anm. d. Red.). Die Lunge ist derzeit das am schwersten zu transplantierende Organ in Xenotransplantationsmodellen – die Überlebenszeiten liegen bei wenigen Stunden bis maximal etwa einer Woche. Das unterscheidet sie deutlich von anderen Organen wie Herz, Niere oder Leber, bei denen in nichtmenschlichen-Primaten-Modellen (NHP) teils deutlich längere Überlebenszeiten erreicht wurden.“
Hirntote für die Forschung
„Die Verwendung von Hirntoten als präklinisches Modell für die Xenotransplantation wird von vielen Forschenden sehr kritisch gesehen [4]. Der Hirntod geht mit erheblichen pathophysiologischen Veränderungen einher, zum Beispiel strukturellen Schäden und Zellinfiltrationen in lebenswichtigen Organen sowie erheblichen hormonellen, metabolischen, entzündlichen und hämodynamischen Veränderungen. Es ist deshalb schwierig festzustellen, ob das Versagen oder die Funktionsstörung des Transplantats auf die Auswirkungen des Hirntods oder auf eine Immun-/Entzündungsreaktion auf das Xenotransplantat zurückzuführen ist.“
Virusnachweise
„Obwohl bei einer Dauer von neun Tagen kaum Übertragungen von Mikroorganismen des Schweins auf den Xenotransplantat-Rezipienten zu erwarten sind, wurden in dieser Studie umfangreiche mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse nicht immer logisch sind. Bei der Analyse der porcinen endogenen Retroviren (PERVs) wurde festgestellt, dass das Donorschwein PERV-C negativ war – damit konnte eine Rekombination mit PERV-A, das in allen Schweinen vorhanden ist, vorgebeugt werden. Das porcine Cytomegalovirus, das eigentlich ein porcines Roseolovirus ist (PCMV/PRV), war im Donorschwein vorhanden, wurde aber nicht auf den Rezipienten übertragen. PCMV/PRV ist das Herpesvirus, das beim ersten Patienten, der ein Schweineherz erhielt, übertragen wurde und zum Tod des Patienten beitrug. Das porcine lymphotrope Herpesvirus 1 (PLHV-1) wurde jedoch im Rezipienten gefunden, PLHV-3, das auch im Schwein vorkam, wurde nicht übertragen. Die Untersuchungen wurden mittels Sequenzierung durchgeführt, was dazu führte, dass das porcine Circovirus 1 im Rezipienten gefunden wurde, obwohl es im Schwein nicht vorkam. Spezifische und sensitive Polymerase-Kettenreaktion-Methoden (PCR) zum Nachweis der Viren wären angebracht gewesen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
He J et al. (2025): Pig-to-human lung xenotransplantation into a brain-dead recipient. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-025-03861-x.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Längin M et al. (2018): Consistent success in life-supporting porcine cardiac xenotransplantation. Nature. DOI: 10.1038/s41586-018-0765-z.
[2] Burdorf L et al. (2023): Expression of human thrombomodulin by GalTKO.hCD46 pigs modulates coagulation cascade activation by endothelial cells and during ex vivo lung perfusion with human blood. Xenotransplantation. DOI: 10.1111/xen.12828.
[3] Kubicki N et al. (2015): Current status of pig lung xenotransplantation. International Journal of Surgery. DOI: 10.1016/j.ijsu.2015.08.019.
[4] Cooper DKC et al. (2024): Xenotransplantation experiments in brain-dead human subjects–A critical appraisal. American Journal of Transplantation. DOI: 10.1016/j.ajt.2023.12.020.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Singh AK et al. (2023): CD40-CD40L Blockade: Update on Novel Investigational Therapeutics for Transplantation. Transplantation. DOI: 10.1097/TP.0000000000004469.
[II] Science Media Center (2021): Schweineniere an hirntote Frau angeschlossen. Statements. Stand: 21.10.2021.
[III] Science Media Center (2022): Lehren aus der ersten Xenotransplantation eines Schweinherzens. Statements. Stand: 13.05.2022.
[IV] Science Media Center (2025): Von der Vision zur Realität: Klinische Studien zur Xenotransplantation dürfen starten. Press Briefing. Stand: 11.02.2025.
Dr. Konrad Fischer
Leiter der Sektion Xenotransplantation und Personalverantwortlicher für die Großtieranlagen, Technische Universität München (TUM)
Dr. Joachim Denner
Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie, Freie Universität Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“