Vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow: Was wird wichtig auf der COP26?
Am 31.10.2021 beginnt im schottischen Glasgow die 26. UN-Klimakonferenz COP26 – wegen der COVID-19-Pandemie mit einem Jahr Verspätung. Möglicherweise ist der internationalen Klimapolitik durch diese Verschiebung wichtige Zeit für den globalen Kampf gegen den Klimawandel verloren gegangen. Umso dringlicher werden die politischen Weichenstellungen, die in den zwei Wochen des Gipfels bis zum 12. November verhandelt werden. Es gibt Stimmen, die in diesem Klimagipfel die letzte Chance sehen, das Tempo für die Transformation in eine post-fossile Ära entscheidend zu beschleunigen, bevor die Ziele des Pariser Klimavertrages unerreichbar sein werden.
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Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings gefragt, bei welchen Resultaten sie von einer erfolgreichen Klimakonferenz sprechen würden oder wann sie es als eine vertane Chance betrachten würden:
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
„Erst mal würde ich festhalten: Das Pariser Klimaschutzabkommen wirkt. Es hat dazu geführt, dass die Idee, Treibhausgasemissionen auf Null zu reduzieren, komplett aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, dass diese Idee tatsächlich in der politischen Diskussion angekommen ist. Fast alle Länder dieser Welt wollen hin zu Null-Emissionen und das Pariser Klimaschutzabkommen hat diesen Druck ausgeübt, dass die Länder das auch tun. Das ist sehr positiv. Trotzdem sehen wir immer noch diese gigantische Lücke kurzfristig zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zwischen den kurzfristigen Maßnahmen, die Länder umsetzen und die sie eigentlich umsetzen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten. Deshalb sind für mich drei Dinge wichtig oder vier sogar, damit die COP ein Erfolg wird. Erstens: Eine Einigung zu den Regeln des Pariser Klimaschutzabkommens, allein um zu zeigen, dass dieser Prozess Entscheidungen fällen kann und nicht immer alles nach hinten vertagt. Das ist das Allerwichtigste. Das zweite ist, dass neue Ziele vorgelegt werden. Und da habe ich die Hoffnung, dass auch am Montag und Dienstag Länder noch neue Vorschläge machen. Aber vieles ist da schon geschehen. Dritter Punkt wäre, monothematischen Initiativen zu unterstützen, dass sich da mehrere Länder zum Kohleaussteig bekennen oder zum Ende des Verbrennungsmotors. Da ist auch das Methan-Abkommen ein Thema, wenn auch nicht das Wichtigste, dann doch Teil des Prozesses. Und mein vierter Punkt wäre, dass die Klimafinanzierung signifikant hochgeht, dass Länder zur Konferenz kommen und sagen, dass sie hier mehr Geld bereitstellen. Wenn all diese vier Dinge passieren, dann wäre das sicherlich ein großer Erfolg.“
Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin
„Ich würde Herrn Höhne in allen Punkten beipflichten. Was ich noch anfügen würde aus meiner Warte: Wenn die COP es nicht schafft, eine Perspektive aufzuzeigen, wie in der nächsten Dekade die Ambition erhöht wird, sowohl beim Klimaschutz als auch zum Beispiel bei der Bereitstellung von Finanzen und Finanzierungsmitteln, dann wird es eine vertane Chance sein, denn wir werden auch über diese Klimakonferenz hinaus mehr Klimaschutz brauchen. Wir werden am Ende der COP immer noch eine Lücke haben, davon würde ich sehr stark ausgehen, auch wenn wir die optimistischen Annahmen treffen, welche Länder sich möglicherweise noch Ziele setzen. Dort muss weiter drangeblieben, dort muss weiter nachgeschärft werden und die COP muss ein Signal setzen, dass es eher ein Startschuss für einen Sprint in der nächsten Dekade ist als ein Abschluss von einem Prozess fünf Jahre nach Paris. Und dann warten wir fünf Jahre, bis wir uns das nächste Mal darüber unterhalten. Dazu muss ein auf hohem Level gesendetes politisches Signal her, um diese Dynamik zu erzeugen und für mich wäre das ein ganz wesentlicher Punkt, den ich als Erfolgskriterium für diese COP mit ansetzen würde, ob solche Signale auch wirklich gesendet werden.“
Leiter AG Klimawandel und Extremereignisse, Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
„Die entscheidende Frage ist: Funktioniert der UN-Prozess. Das ist eine Frage, die an diese Veranstaltung gestellt wird. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist, dass sich so was wie ein Walkout von den zivilgesellschaftlichen Organisationen wiederholt wie bei der COP in Madrid 2019. Das war einfach unerträglich. Und insofern muss wieder der UN- Prozess revitalisiert werden nach einer schweren Störung. Ich sehe es nach wie vor als schwer gestört durch die Pandemie, aber eben auch durch vielfaches Versagen. Daran entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg der UN. Was jetzt die ganz konkreten Fragen angeht, stimme ich natürlich den beiden anderen zu. Essenziell wird jetzt sein, das Regelwerk zu schließen. Das ist eine kleine, sehr konkret definierte Maßnahme, die erreicht werden muss. Ich finde es wichtig, dass Missbrauch verhindert wird, also auch, dass Länder wie Mexiko oder Brasilien schönrechnen in der Baseline, das muss gestoppt werden. Wenn es Signale gibt, einzelne korrumpieren den Prozess und das geht jetzt durch, dann wird es schwierig. Wann wird es ein Erfolg? Hauptsächlich glaube ich, wenn die Mittel jetzt langfristig erkennbar werden, also nicht nur einmal eine Leistung erbracht wird, sondern erkennbar den Bedürfnissen der Entwicklungsländer gefolgt wird, die Struktur und Aufbringung der Mittel über eine längere Frist erreicht wird. Das wäre ein echter Erfolg aus diesen Verhandlungen.“
Weiterführende Recherchequellen
[I] Science Media Center (2021): Stimmen zum WG-I-Report des IPCC. Research in Context. Stand: 09.08.2021.
[II] Science Media Center (2021): Report der Arbeitsgruppe I zum 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC veröffentlicht. Press Briefing. Stand: 08.08.2021.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.
Niklas Höhne
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
Carl-Friedrich Schleussner
Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin
Reimund Schwarze
Leiter AG Klimawandel und Extremereignisse, Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig