IPCC-Sonderbericht zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels
Die Begrenzung des durch den Klimawandel bedingten durchschnittlichen Temperaturanstieges auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ist nur noch dann zu erreichen, wenn weltweit schnell umfassende Maßnahmen eingeleitet werden, die beinahe alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfassen. Zu diesem Ergebnis kommt der Sonderbericht SR15 des IPCC. Mehr als 6.000 Studien wurden von den 91 Autoren des Berichtes berücksichtigt. Sie betonen auch, dass es weitreichende Vorteile für Millionen Menschen und eine Vielzahl von Ökosystemen haben würde, wenn der globale Temperaturanstieg auf 1,5°C statt auf 2°C begrenzt werden könnte. Dafür müssten die CO2-Emissionen bis ins Jahr 2030 um 45 Prozent reduziert werden, um dann im Jahr 2050 auf Null zu sinken.
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
„Der Sonderbericht sendet ein klares Signal an die Politik: Jetzt handeln, es ist fast schon zu spät! Vielen in der Politik war vielleicht noch nicht klar, worauf sie sich eingelassen haben, als sie 2015 in Paris dem Ziel zugestimmt haben, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Nun ist durch einen der aufwändigsten wissenschaftlichen Überprüfungsprozesse klargestellt: Eine Begrenzung auf 1,5°C ist nötig, um wichtige Ökosysteme zu schützen, sie ist technisch und ökonomisch machbar und richtig umgesetzt kann sie zur nachhaltigen Entwicklung beitragen – das alles aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen.“
„Das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten ist extrem schwer, aber nicht unmöglich. Wir müssen komplett aus CO2-Emissionen aussteigen. Erstaunlich klar wird 2050 als globales Ausstiegsjahr genannt. Dazu müssen fast alle Bereiche des Lebens umgekrempelt werden: Wie wir wohnen, essen, uns fortbewegen, was wir konsumieren. Technische Lösungen alleine werden nicht ausreichen, wir müssen unser Verhalten ändern. Und dazu noch Entwicklungsländern helfen, auch diese rasante Transformation zu vollziehen.“
„Überraschend scheint zunächst, dass das Budget der noch zu emittierenden Emissionen etwas höher ist als noch im letzten IPCC-Bericht angenommen. Was nach einer einzelnen Veröffentlichung zu Verwirrung geführt hatte, wurde nun vom IPCC klar eingegrenzt. Die Korrektur zeigt die Unsicherheiten in unserem Wissen über das Klimasystem. Das Grundprinzip wird aber nicht infrage gestellt: Treibhausgas-Emissionen müssen auf netto null sinken, nun vielleicht ein paar Jahre später. Die Herausforderung bleibt enorm. Eine Konsequenz wäre aber, nun eher nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln und besser etwas früher zu handeln als später.“
„Die Verabschiedung des 1,5-Grad-Ziels hat bereits jetzt etwas bewirkt – deutlich mehr Information macht eine Umsetzung wahrscheinlicher. Der IPCC-Bericht ist ein gutes Beispiel für den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft. Die Politik hat den Bericht angefordert. Die Wissenschaft legt in dem Bericht die Handlungsoptionen dar, ohne – wie in Vorversionen versucht – die Umsetzbarkeit zu bewerten. Nun muss die Politik entscheiden, ob die Handlungsoptionen umsetzbar sind oder nicht.“
„Durch den Bericht steigt der Handlungsdruck enorm. Eigentlich enthält der Bericht für die Experten und auch für die wichtigen Entscheidungsträger nichts Neues – er fasst ja das zusammen, was schon veröffentlicht wurde. Der besondere Druck kommt aber daher, dass dies nun schwarz auf weiß feststeht. Die Tatsache, dass jeder Staat der Erde der Zusammenfassung zustimmen muss, gibt dem Bericht enorme Legitimität. Man kann sich nun nicht mehr herauswinden. In der Vergangenheit wurden die Berichte des IPCC immer als Richtschnur für politisches Handeln herangezogen, insbesondere von Umweltverbänden, die die Regierungen beobachten, und von der Öffentlichkeit. Und so wird es auch jetzt sein.“
„Den Klimawandel auf 1,5°C zu begrenzen ist ein globales, langfristiges Ziel. Die Frage sollte also lauten: Wollen wir 1,5°C einhalten? Und hier ist die Antwort im IPCC-Bericht ein klares ‚ja’ – es geht darum, unseren Lebensraum und Ökosysteme zu schützen und Katastrophen zu minimieren. Also müssen wir es versuchen. Der Bericht bestätigt, dass es Transformationen dieser Geschwindigkeit bereits gegeben hat, nur geographisch eingegrenzt, noch nicht global. Ein paar Beispiele: In nur fünf Jahren hat Norwegen Elektroautos zum neuen Standard gemacht, 50 Prozent der Neuanmeldungen sind elektrisch. Erneuerbare Energien sind derzeit so günstig, dass einige Regierung aktiv die Entwicklung sogar abbremsen. Erneuerbare Energien drängen Kohle aus Märkten wie Indien und China, was vor fünf Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Selbst in Problemfeldern wie der Industrie gibt es Highlights: Die erste Stahlproduktion ohne fossile Brennstoffe hat in Schweden ihren Betrieb aufgenommen – undenkbar vor fünf Jahren. Eines ist sicher: Wenn wir das Ziel aufgeben und es gar nicht erst versuchen, werden wir es ganz bestimmt weit verfehlen.“
Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
„Für den IPCC-Sonderbericht zu einer Erderwärmung um maximal 1,5°C – ein Ziel des Pariser Klimaabkommens – hat eine Vielzahl von Wissenschaftlern in den letzten anderthalb Jahren eine enorme Menge an Forschungsergebnissen unterschiedlicher Disziplinen ausgewertet und zur nun vorgelegten Zusammenfassung für Entscheidungsträger synthetisiert. Positiv hervorzuheben – im Vergleich zu früheren Berichten des IPCC – ist dabei, dass diesmal auch die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Forschung, welche von großer Bedeutung für den gesellschaftlichen Umgang mit Klimaschutz und Klimafolgen sind, wesentlich stärker einbezogen worden sind.“
„Neben den schon beträchtlichen ökologischen und sozialen Auswirkungen einer Erwärmung um 1,5°C macht der IPCC-Sonderbericht insbesondere noch einmal in hohem Detailgrad deutlich, was im Prinzip schon bei der Verabschiedung des Pariser Abkommens klar war: Soll die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C – im besten Fall 1,5°C – beschränkt werden, müssen Umfang und Tempo der Klimaschutzanstrengungen massiv erhöht werden. Der Sonderbericht belegt dabei, dass das 1,5-Grad-Ziel mit den bisherigen Zusagen der Weltgemeinschaft für Emissionsreduktionen bis zum Jahr 2030 zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar wäre. Aktuell wird daher bereits im Rahmen des sogenannten Talanoa-Dialogs [1] , welcher noch bis zur nächsten Klimakonferenz im Dezember in Polen andauert, über freiwillige, frühzeitige Ambitionssteigerungen verhandelt.“
„Hoffnung macht in dieser Hinsicht, dass sich – wie auch der IPCC-Sonderbericht nochmals belegt – seit der Formulierung der national festgelegten Beiträge zum Pariser Abkommen eine starke Zunahme der Nutzung einiger Schlüsseltechnologien, wie der erneuerbarer Stromerzeugung und den Batterien für Elektrofahrzeuge, zu verzeichnen ist und entsprechend die Voraussagen zur Kostenentwicklung deutlich gesunken sind. Dies führt bereits dazu, dass Staaten wie China und Indien ihre Ziele voraussichtlich deutlich übererfüllen werden und sich somit einer Ambitionssteigerung nicht grundsätzlich verschließen.“
„Generell ist die Erreichbarkeit der Ziele des Pariser Klimaabkommens vor allem insofern schwer zu beurteilen, als in allen Bereichen der Gesellschaft – Mobilität, Wohnen, Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft – Veränderungsprozesse in nie dagewesener Geschwindigkeit vonstattengehen müssen. Für das 1,5-Grad-Ziel legen die vier stilisierten Transformationspfade des IPCC-Sonderberichts jedoch nahe, dass die Menschheit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon in wenigen Jahren so viel Treibhausgase emittiert haben wird, dass der Temperaturanstieg auf Grund der Trägheit des Klimasystems zeitweise 1,5°C überschreitet. In diesem Fall kann die Erderwärmung nur durch eine spätere Realisierung von negativen Treibhausgasemissionen wieder auf 1,5°C abgesenkt werden.“
„Nichtsdestotrotz sollte das 1,5-Grad-Ziel – wie auch das 2-Grad-Ziel – weiterhin ernst genommen werden. Denn für einige kleinere Inselstaaten im Pazifik bedeutet ein längerfristiges Überschreiten selbst von 1,5°C Erwärmung voraussichtlich das Ende ihrer Existenz. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Aufnahme des Ziels in das Übereinkommen von Paris.“
„Der IPCC-Sonderbericht macht klar, dass die Frage, ob sich in Zukunft tatsächlich negative Emissionen realisieren lassen, von hoher Unsicherheit gekennzeichnet ist und einige der Optionen aus Nachhaltigkeitssicht bedenklich sind. Prinzipiell werden unterschiedliche Optionen in Betracht gezogen, wobei die prominenteste ist, der Atmosphäre durch Biomasseproduktion CO2 zu entziehen und dieses nach einer Nutzung der Biomasse abzuscheiden und im Erdboden zu verpressen (Carbon Capture and Storage = CCS). Noch ist jedoch eine Realisierung von CCS in industriellem Maßstab nicht erfolgreich gewesen, geschweige denn absehbar, dass Biomasse unter der Berücksichtigung der Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion in ausreichendem Umfang produziert werden kann. Ein Ernstnehmen der Ziele von Paris erfordert daher eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage, wie negative Emissionen realisiert werden können und sollen.“
„Klar ist jedoch, dass jede Tonne an Treibhausgasemissionen, die wir heute oder in den nächsten Jahren einsparen, anschließend weniger kompensiert werden muss. Entsprechend zeigt einer der stilisierten Transformationspfade des IPCC-Sonderberichts auf, dass bei frühzeitigen Emissionsminderungen negative Emissionen nur in begrenztem Umfang notwendig werden. Auch unsere eigenen Analysen für die EU zeigen, dass sich damit der Bedarf an negativen Emissionen bis Mitte des 21. Jahrhundert substanziell reduzieren lässt.“ [2] [3]
„Die EU ist aktuell dabei, ihre langfriste Klimaschutzstrategie aus dem Jahr 2011 im Kontext der Ziele des Übereinkommens von Paris zu überarbeiten und plant eine offizielle Kommunikation dazu für Ende November. Der IPCC-Sonderbericht macht diesbezüglich klar, dass der untere Rand des bisherigen EU-Ziels einer Reduktion der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 mit großer Sicherheit nicht verträglich mit dem Erreichen der Pariser Ziele ist. Ferner zeigt der IPCC-Sonderbericht, dass für die notwendigen Emissionsreduktionen nicht allein auf technische Lösungen gesetzt werden kann, sondern auch ein weitreichender gesellschaftlicher Wandel hin zur Treibhausgasneutralität erforderlich ist. Diesen Wandel gilt es nun seitens der Politik mit einzuleiten und zu gestalten. Entsprechend trifft dies auch auf Deutschland als ein Mitgliedsland der EU zu."
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Climate Engineering in Science, Society and Politics, Institute of Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), Potsdam und Copernicus Institute, Universität Utrecht, Niederlande
„Der wesentliche Unterschied zu früheren Berichten des Weltklimarates IPCC ist die voranschreitende Zeit: Gemäß den Zahlen des letzten Sachstand-Berichtes haben wir mittlerweile die verbliebene Menge CO2 – das sogenannte ‚Carbon Budget’ – für das 1,5-Grad-Ziel aufgebraucht und dürften demzufolge eigentlich keine einzige Tonne CO2 mehr emittieren.“
„Im letzten Bericht wurde dem 1,5-Grad-Ziel nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, da zu wenige Studien sich überhaupt mit einem derart ambitionierten Szenario auseinandergesetzt hatten. Dies hat sich mit dem Pariser Abkommen und dem Auftrag an den IPCC für diesen Bericht drastisch verändert: Mehr und mehr Studien haben sich mit der Frage befasst, wie das Ziel denn noch erreichbar sein könnte. Die Ergebnisse sind im Grunde jedoch ähnlich – nur eben läuft uns die Zeit davon. Mehr und mehr Beobachter schätzen es als extrem unwahrscheinlich ein, dass wir es noch in die Nähe von 1,5°C schaffen – ohne den Einsatz kontroverser direkter Klimaeingriffe, welche direkt die Energiebilanz des Planeten verändern würden – ‚Solar Radiation Management’ (SRM) oder Solar Geoengineering.“
„Letzteres wird in dem Bericht zwar unter dem Begriff ‚Solar Radiation Modification’ erwähnt, jedoch als zu unsicher abgetan. Das ist in Anbetracht der notwendigerweise zurückhaltenden Herangehensweise des IPCC völlig verständlich, da sich immer noch relativ wenig Forschung ernsthaft mit den Möglichkeiten des SRM auseinandersetzt. Ich beobachte jedoch eine zunehmende Anzahl auf Klimamodellen basierender Studien, die immer wieder zum Ergebnis kommen, dass ein partielles Gegensteuern durch SRM den Klimawandel besser im Zaum halten und möglicherweise viel Leid und Schaden vermeiden könnte. Dieselben Studien stellen aber auch ausnahmslos fest, dass SRM unter keinen Umständen einen Ersatz zur CO2-Reduktion und CO2-Abscheidung sein könnte, sondern nur als risikomindernde Ergänzung sinnvoll wäre.“
„Im Kontext der internationalen Klimapolitik hat der Spezialbericht die Funktion, aufzurütteln. Der Bericht des IPCC zeigt auf, dass uns das 1,5-Grad-Ziel, welches in Paris verwundbaren Bevölkerungen Grund zur Hoffnung gegeben hat, gerade durch die Finger gleitet. Wenn die internationale Staatengemeinschaft nicht sofort massiv zupackt, ist dieses Ziel nicht mehr zu erreichen. Eine im Bericht meines Wissens nicht zitierte Studie fand letztes Jahr eine einprozentige (1 Prozent) Wahrscheinlichkeit, dass die Erwärmung bei einer Fortsetzung der bisherigen Trends bei 1,5°C bleiben würde [7] . Die Staatengemeinschaft ist noch nicht einmal auf dem Weg zum weniger ambitionierten 2-Grad-Ziel; wenn die heute gültigen national erklärten Ziele – die sogenannten NDCs – unverändert umgesetzt werden, haben wir im Jahr 2100 eine Erwärmung von 3°C zu erwarten – und später noch mehr. Dies darf nicht zum Anlass genommen werden aufzugeben, denn Millionen von Menschen sind in ihrer Existenz von einer robusten Klimapolitik abhängig. Der Bericht stellt deutlich fest, dass eine Erwärmung von 1,5°C wesentlich weniger Leid und Schaden verursachen würde als eine Erwärmung von 2°C. Es gibt keine Zweifel: Die Schritte dafür müssen sofort unternommen werden.“
„Zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles mit bisherigen Mitteln der CO2-Emissionsminderung wären dramatische Maßnahmen notwendig, für die unter den historischen Beispielen nur noch Kriegsaufrüstungen herhalten können. Die überwiegende Mehrheit der Szenarien geht davon aus, dass künftig zusätzlich Milliarden von Tonnen von CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden würden – durch massive Nutzung von Bioenergie und CO2-Abscheidung oder der Abscheidung und Speicherung von CO2 direkt aus der Luft mit den entsprechenden Kosten. Beide Ansätze können jedoch in dieser Größenordnung problematisch sein und sind aufgrund mangelnder Attraktivität bisher von der Politik weitgehend ignoriert worden. Die Bioenergie-Nutzung bringt potenziell massive Landnutzungskonflikte mit sich, und das direkte Abscheiden von CO2 braucht viel Energie und ist heute noch viel zu teuer und mit viel zu wenig Forschungsmitteln bestückt. Die Politik dürfte sich eigentlich nicht auf solche Ansätze verlassen, ohne das dafür Nötige zu unternehmen, und doch tut sie das jedes Mal, wenn wir unsere Chancen für das 1,5-Grad- oder 2-Grad-Ziel ausrechnen.“
„Die IPCC-Autoren waren mit der brenzligen Situation konfrontiert, dass das 1,5-Grad-Ziel, dessen Erreichung möglicherweise für Millionen Menschen existenzsichernd sein könnte, selbst bei einer großen Anstrengung der Politik praktisch schon außer Reichweite ist. In Gesprächen mit Kollegen in der Klimaforschung zeigt sich mir immer wieder, dass viele es als unethisch betrachten, sich auch nur die Möglichkeit einer Zielverfehlung einzugestehen: Viele Kollegen vermuten, dass Äußerungen des Zweifels das politische Moment zur Zielverfolgung untergraben würden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist kaum zu beantworten und ein pragmatischer Optimismus hat auf jeden Fall seinen Stellenwert. Jedoch hat die Gesellschaft meines Erachtens ein Recht darauf, von der Wissenschaft vollumfänglich informiert zu werden: Wir sollten uns alle der Risiko-geladenen Zukunft bewusst sein, auf die wir zugehen und unsere Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf das bestmögliche Szenario beschränken. Wir würden demnach nicht gut daran tun, gewisse Optionen zur Emissionsminderung, Anpassung, CO2-Abscheidung und solarem Geoengineering (SRM) verfrüht auszuschließen, selbst wenn sie auf den ersten Blick nicht perfekt erscheinen und mehr Forschung bedürfen. Wer sich mit Finanzanlagen beschäftigt, weiß um die Notwendigkeit der Diversifizierung im Umgang mit Risiken.“
Professorin für Climate System Science, Forschungsgruppe, Atmospheric Chemistry and Climate of the Anthropocene, School of Geosciences, University of Edinburg, UK (Vereinigtes Königreich), Vereinigtes Königreich
„Der Bericht geht davon aus, dass etwa ein Grad Erwärmung bereits vom Menschen verursacht wurde. Er argumentiert damit, dass über einen Zeitraum, in dem die globale Erwärmung ein halbes Grad fortgeschritten ist, sich deutliche Klimaänderungen abgezeichnet haben, zum Beispiel in der Häufigkeit von Extremereignissen. Damit unterstützen beobachtete Änderungen die Projektion, dass ein weiteres halbes Grad weitere Änderungen mit sich bringt und dass ein Verschieben des Temperaturziels nach oben spürbare Folgen hätte. Der Bericht legt deutlich dar, dass der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad wichtig sein kann, zum Beispiel in der Abschätzung, dass die Arktis anstatt einmal im Jahrhundert einmal im Jahrzehnt einen meereisfreien Sommer haben könnte. Das könnte einen deutlichen Unterschied in Klimafolgen nach sich ziehen.“
„Die geschätzten CO2-Emmissionen, die der Bericht zugrunde legt, wenn man das 1,5 Grad Ziel erreichen will, zeigen eine extreme starke Änderung im Trend im Vergleich zur Vergangenheit. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts müssten die Emissionen auf Null sinken. Das heißt, in den nächsten zwei oder mehr Jahrzehnten müsste sich die Energiegewinnung und der Transport völlig von fossilen Brennstoffen lösen. Das ist nicht einfach. Auch in Worten ist der Bericht sehr deutlich: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müsste man den Klimawandel wesentlich ambitionierter angehen, als dies zur Zeit der Fall ist. Der Bericht zeigt, dass wichtige Konsequenzen des Klimawandels reduziert werden könnten, wenn man das 1,5-Grad-Ziel schafft. Auf jeden Fall sind die Ambition, den Klimawandel zu begrenzen, und die derzeitige Emissionslage weltweit im Widerspruch.“
„Wenn man die 1,5-Grad- oder 2-Grad-Ziele aufgibt, ist mit zunehmend stärkeren Klimafolgen zu rechnen, wie der Bericht deutlich macht. Ich mache mir Sorgen um die Generation meiner Kinder, die sich an sehr starke Änderungen im Klima anpassen müsste, wenn wir die Ambitionen fallen lassen, den Klimawandel auf 1,5 oder 2 Grad zu begrenzen. Ich hoffe für sie, dass es zu schaffen ist und dass der menschliche Erfindungsgeist auch weiter dabei hilft.“
Vizepräsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
„Seit der Veröffentlichung des letzten Sachstandsberichtes des IPCC und der Pariser Klimakonferenz sind bereits wieder einige Jahre vergangen, ohne dass auf globaler Ebene – trotz zahlreicher Bemühungen in einigen Staaten – eine substanzielle Trendwende in Bezug auf den Ausstoß an Treibhausgas-Emissionen eingeleitet worden ist. Da für den Klimawandel die kumulierten Emissionen entscheidend sind – sie führen letztlich zu einer Zunahme der Treibhausgas-Konzentration in der Erdatmosphäre – führt dies für die nächsten Jahre zu einem wachsenden Handlungsdruck und der Notwendigkeit, die Emissionen zukünftig schneller zu senken.“
„Die zentrale Fragte ist, ob dieser Handlungsdruck auch auf Widerhall bei den Entscheidungsträgern stoßen wird und die Umsetzungsgeschwindigkeit von klimapolitischen Maßnahmen deutlich zunimmt. Warum könnte dies – positiv gedacht – diesmal passieren:•Sicher führt die Zunahme der Wetterextreme gerade in Ländern mit hohem Treibhausgas-Ausstoß zu einer stärkeren Sensibilisierung für den Klimaschutz als zu früheren Zeiten. •Die für den Klimaschutz zentralen Technologien – vor allem die erneuerbaren Energien Wind und Sonne – sind mittlerweile so kostengünstig, dass sie in allen Weltregionen wettbewerbsfähig geworden sind – gleichwohl sind in vielen Ländern nach wie vor starke Lobby-Verbände aktiv, die eine Transformation des Energiesystems verhindern wollen. •Es gibt eine ganze Reihe von Zusatznutzen von Klimaschutzmaßnahmen – zum Beispiel die Verbesserung der Luftqualität in Städten – oder umgekehrt Klimaschutz ist der Zusatznutzen von Luftqualitätsverbesserungen – zum Beispiel durch die Einführung von Elektrofahrzeugen – und wird zu bestimmten Anteilen damit ‚nebenbei’, das heißt: aus anderen Grundmotiven umgesetzt. Dies gilt ganz massiv für Länder wie China, zeitversetzt aber auch für Länder wie Indien oder andere. •Der IPCC-Bericht zeigt deutlich, dass für die Einhaltung der Klimaschutzziele negative Emissionen notwendig sind, wenn kein sofortiger ‚turnaround’ bei den Emissionen gelingt. Viele Akteure schätzen die Umsetzungswahrscheinlichkeit von negativen Emissionen – massive Aufforstung, BECCS, das heißt Kopplung von Biomassenutzung und Carbon Capture and Storage, Direct Air Capture von CO2 – oder dem Geoengineering aber als sehr gering ein oder fürchten massive negative Nebeneffekte. In der Tat erscheint es extrem gefährlich, ‚heutiges Nichtstun’ mit dem Verweis auf eine zukünftig möglicherweise einmal verfügbare Technologie – sozusagen als eine Art zukünftige ‚Wunderwaffe’ – zu legitimieren."
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
„Das zentrale Signal ist, dass es keine Zeit zu verlieren gibt. Alle Szenarien sind sich darin einig, dass wir den klimapolitischen Durchbruch nicht länger hinauszögern dürfen. Bislang steigen die globalen Treibhausgas-Emissionen und auch die deutschen Emissionen sind zuletzt wieder gestiegen. Dieser Trend muss im Prinzip sofort umgedreht werden und die globalen Emissionen in den nächsten Jahren dramatisch sinken. Jede weitere Verzögerung führt dazu, dass Klimaschutz dramatisch teurer wird. Darüber hinaus führt jede weitere Verzögerung dazu, dass das 1,5-Grad-Ziel – und irgendwann auch das 2-Grad-Limit – nicht mehr ohne den Einsatz von Technologien möglich ist, die massiv in biogeophysische Prozesse eingreifen, sogenanntes Geoengineering. Eine der scheinbar greifbarsten Technologien ist das sogenannte BECCS, eine Kombination von massiver Nutzung von Biomasse als Brennstoff mit Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2. Doch jede einzelne Komponente davon ist schon für sich genommen höchst umstritten. Die Gefahr ist groß, dass solche Technologien in der Realität nichts anderes als ingenieurswissenschaftliche Luftschlösser bleiben.“
„Das 1,5-Grad- und das 2-Grad-Ziel sind nicht zufällig beschlossen worden, sondern stellen zentrale Orientierungsmarken für die Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels dar. Die zentrale Botschaft darf damit nicht sein, diese Ziele einfach aufzugeben, weil uns (berechtigte) Zweifel an deren Erreichbarkeit kommen. Die zentrale Botschaft muss entsprechend sein, dass wir als Weltgemeinschaft um jedes Zehntelgrad kämpfen müssen; denn mit jedem Zehntelgrad steigt das Risiko für unumkehrbare Umweltveränderungen und dramatische Umweltkatastrophen. Schon bei 1,5°C ist die Lebensgrundlage einiger kleiner Inselstaaten bedroht und bestimmte Ökosysteme – wie zum Beispiel tropische Korallenriffe – könnten unwiederbringlich verloren gehen. Das 1,5-Grad-Ziel ist letztlich der Ausdruck dessen, dass wir auch für die kleinen Inselstaaten und besonders gefährdete Ökosysteme kämpfen müssen.“
„Gleichermaßen gilt es zu beachten, dass sich die Temperaturerhöhung ungleichmäßig verteilt. Eine globale Erhöhung der Weltmitteltemperatur um 1,5°C bedeutet beispielsweise für die Arktis eine Erhöhung um 4°C – mit dramatischen Folgen für die Menschen, die dort leben und mehr als essenzielle Bedrohungen für Eisbären und Walrosse.“
„Zugegeben: Das 1,5/2-Grad-Ziel erfordert kaum vorstellbare Anstrengungen und Veränderungen. Es erfordert Weltrekorde an Innovationskraft und Willen zur Veränderung. Es geht aber nicht um Rekorde, sondern es geht darum, den Kampf gegen katastrophalen Klimawandel zu gewinnen. In einem olympischen Rennen würden die Sportler ja auch nie das Rennen abbrechen, nur weil sie nicht mehr auf Weltrekordkurs liegen.“
„Wenn es heißt, das 1,5/2-Grad-Ziel sei nicht mehr zu erreichen, heißt das nichts anderes, als dass uns die Vorstellungskraft fehlt. Nur weil sogenannten Integrated Assessment Models, die für solche Analysen herangezogen werden, keine (bezahlbaren) Lösungen mehr finden, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Die Modelle gehen immer von historischen Entwicklungen aus und sind kaum in der Lage, wirklich disruptive Veränderungen abzubilden, insbesondere nicht auf der Seite der Nachfrage und in Bezug auf veränderte Lebensstile.“
„Wir tun also gut daran, an dem Ziel solange wie möglich festzuhalten, ohne die Augen vor den Realitäten zu verschließen.“
Institut für Meteorologie und Klimaforschung Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
„Der vorliegende Bericht zeigt, dass eine weitere Zunahme der globalen Mitteltemperatur grundsätzlich weitreichende Folgen mit sich bringt. Damit bestätigt der aktuelle IPCC-Bericht seinen Vorgänger. Darüber hinaus wird sehr deutlich, dass eine Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 2 Grad weitaus stärkere Folgen haben wird als eine Zunahme von 1,5 Grad.“
„Der momentane Anstieg von etwa 1 Grad – im vorangegangenen IPCC-Bericht was dies noch etwa 0,8 Grad – zeigt, dass wir bereits zwei Drittel des Weges zum 1,5-Grad-Ziel gegangen sind. Der Bericht zeigt ganz klar, dass bereits bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad mit starken Folgen zu rechnen ist und nicht erst bei einem Anstieg von 2 Grad. Da die Folgen in den unterschiedlichen Regionen deutlich stärker ausfallen können als im globalen Mittel, ist es sehr wichtig, in den nächsten Jahren viele Klimaschutzmaßnahmen verstärkt umzusetzen. Dabei sollte die Politik Richtlinien vorgeben. Wir alle aber sind gefragt, auch unser eigenes Handeln zu überdenken und einem persönlichen Beitrag zu liefern, um den Klimawandel entgegen zu wirken.“
„Unabhängig von einer Diskussion über ein 1,5- oder 2-Grad-Ziel macht es immer Sinn, über Maßnahmen zu sprechen, die den Klimawandel abbremsen oder sogar stoppen lassen können. Diese festen Ziele und deren Folgen auf globaler Ebene sind zwar als Richtwert wichtig, allerdings sind vor allem die Folgen auf regionaler Ebene von großer Bedeutung und für uns Menschen konkret spürbar. Bei einem voranschreitenden Klimawandel werden diese Folgen noch ausgeprägter sein. Wegen großer Unterschiede in den regionalen Ausprägungen des Klimawandels, sollte die Forschung den regionalen Folgen weiterhin eine hohe Priorität zukommen lassen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht ist zudem, dass unser Leben auf unterschiedliche und sehr komplexe Art vom Klimawandel betroffen ist und die Folgen über einen reinen Temperaturanstieg weit hinausgehen. Wenn sowohl die globalen als auch regionalen Folgen des Klimawandels noch beherrschbar bleiben sollen, heißt es, den Anstieg eher auf 1,5 Grad als auf 2 Grad zu begrenzen. Die dazu erforderlichen Maßnahmen sollten dafür schnellstmöglich in die Wege geleitet werden, was auch ein wichtiges Thema auf der nächsten Weltklimakonferenz in Kattowitz sein wird.“
Forschungsdirektor der Crawford School of Public Policy und Direktor Centre for Climate Economics and Policy, Australian National University, Canberra, Australien
„Es ist glasklar, dass die Weltwirtschaft schnellstens und gänzlich auf CO2-freie Energieträger umsatteln muss, um den Klimawandel einzudämmen. Für Flächenländer wie Australien bietet die Umstellung auf Erneuerbare Energien enorme Chancen: Solarenergie kann zur Herstellung von Wasserstoff und höherwertigen synthetischen Brennstoffen verwendet werden und auch für die Produktion von Aluminium, Stahl und Düngemittel. All dies kann im großen Stil exportiert werden, nach Asien oder auch nach Europa. Wir brauchen Regierungen, die diese neuen Industrien unterstützen und Unternehmen, die beherzt investieren.“
„Der Umschwung zu sauberen Energien beginnt, auch in China und anderen Schwellenländern, aber längst nicht in dem nötigen Tempo für das 1,5-Grad-Ziel. Auch das Erreichen des 2-Grad-Ziels scheint derzeit sehr schwierig. Aber längerfristig könnte mehr möglich sein als man heute denkt. Technologien für ‚negative Emissionen’ entwickeln sich schnell und könnten in den kommenden Jahrzehnten auf breiter Basis eingesetzt werden. Die Bindung von Kohlendioxid direkt aus der Luft zum Beispiel ist eine Technologie, die in praktisch unbegrenzter Größe zum Einsatz kommen könnte. Die Wüstenregionen der Welt sind dafür prädestiniert: Dort hat man Platz und kann billig durch Solarenergie die notwendige Energie erzeugen.“
Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR), Kiel
„Schon eine Erwärmung um 1,5°C wird weitreichende Auswirkungen auf das Klima und die Ökosysteme haben. Das kann man allein schon daran ablesen, dass die bisherige Erwärmung von etwa 1°C gegenüber der vorindustriellen Zeit bereits weitreichende Auswirkungen hat. Das bezieht sich unter anderem auf die weltweite Zunahme von Wetterextremen, den Anstieg der Meeresspiegel oder die zunehmende Korallenbleiche in den Tropen. Gerade die Korallenbleiche wird bei einer Erderwärmung um 1,5°C massiv zunehmen, mit unabsehbaren Folgen für die Artenvielfalt und den Fischfang in der Region. Darüber hinaus könnte die Arktis im Sommer eisfrei sein – mit unabsehbaren Folgen für das dortige Ökosystem.“
„Wichtig ist in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach auch, dass das Erdsystem so komplex ist, dass man es nicht in allen Details berechnen kann. Wir führen ein gewaltiges Experiment mit unserem Planeten aus, mit zum Teil ungewissem Ausgang. Wenn wir nicht genau wissen, was im Einzelnen passieren wird, sollten wir es nicht herausfinden wollen. Deswegen zählt jedes Zehntel Grad, welches man vermeiden könnte.“
„Noch wäre es aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht zu spät, um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Der Bericht sagt aber sinngemäß, dass wir für den Klimaschutz völlig neue Wege finden müssen. Das heißt übersetzt, dass es bisher de facto gar keinen Klimaschutz gegeben hat. Das kann man auch daran ablesen: Seit sich die Weltpolitik dem Thema Klima widmet – seit Beginn der 1990iger Jahre – sind die weltweiten CO2-Emissionen förmlich explodiert. Sie sind um über 60 Prozent gestiegen. Anspruch und Wirklichkeit könnten nicht weiter auseinanderliegen als in der internationalen Klimaschutzpolitik. Im Moment sind wir weit davon entfernt, das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen und wenn möglich sogar auf 1,5°C. Wir sind selbst bei optimistischer Bewertung der gegenwärtigen politischen Maßnahmen auf dem Weg in eine ‘Über-3°C-Welt‘.“
„Es ist wichtig, dass man sich ambitionierte Ziele setzt. Nichts wäre schlimmer als die Kapitulation vor dem Klimaproblem. Notwendig wäre nicht weniger als eine technologische Revolution: weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien und das innerhalb weniger Jahrzehnte. Die Geschichte zeigt, dass Technologiewandel in so kurzer Zeit möglich ist. Beispiele wären der Übergang vom Pferdewagen zum Automobil oder der gegenwärtige Übergang vom Festnetz zum Mobil- und Smartphone. Derzeit fließen global schon mehr Investitionen in die erneuerbaren Energien als in die konventionellen Energien. Diese Dynamik muss die Politik beschleunigen.“
„Wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, würde unsere Welt komplett aus dem Ruder laufen. Die Folgen wären nicht nur klimatischer Natur. Es drohten unter anderem Flüchtlingsströme bisher ungekannten Ausmaßes und eine extreme Verschlechterung der Sicherheitslage auf der Erde.“
„Was die Anpassung betrifft, müssen wir auf jeden Fall besser werden. Wir sehen auch bei uns in Deutschland, dass wir nicht gut an den Klimawandel angepasst sind. Der zurückliegende Sommer hat uns dies wieder einmal deutlich vor Augen geführt.“
„Und schließlich: Ich warne ausdrücklich davor, künstliche Maßnahmen (Geo-Engineering) zur Begrenzung der Erderwärmung zu erwägen. Das wäre der pure Wahnsinn!“
stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
„Der Bericht liefert erstmal eine umfassende Zusammenfassung unseres Wissens über die Klimafolgen, die wir schon bis Mitte des Jahrhunderts zu erwarten haben. In vier von fünf Kategorien von Klimafolgen (Reasons for Concern) wurden die Risikoeinschätzungen bei niedrigen Erwärmungsniveaus nach oben verschoben. Einzigartige Ökosysteme wie die Korallen sind schon bei einer Erwärmung von 1,5°C stark bedroht. Bei einer Erwärmung von 2°C ist zu erwarten, dass sie praktisch ganz verschwinden. Schon bei einer Erwärmung von 2°C ist zu erwarten, dass die Arktis einmal pro Jahrzehnt eisfrei ist, während sich die Häufigkeit bei 1,5°C noch auf einmal pro hundert Jahre begrenzen ließe. Eine globale Erwärmung von 1,5°C Grad bedeutet im Schnitt 3°C mehr an heißen Tagen in unseren Breiten. Die Häufigkeit von heißen Tagen nimmt besonders in den tropischen Regionen stark zu. Die Menge der von Wasserstress betroffenen Menschen wird zunehmen – bei einer Begrenzung der Erwärmung um 1,5°C könnte der Anteil der betroffenen Menschen noch um 50 Prozent kleiner sein als bei einer Erwärmung um 2°C. Die Grenze für irreversible Verluste des grönländischen Eises, aber auch von Teilen der antarktischen Eismasse, könnte zwischen 1,5°C und 2°C liegen. Der Bericht weist in großer Klarheit auf diese Unterschiede hin. Die Risiken durch Extremwetterereignisse und die Verluste für insbesondere arme und vulnerable Bevölkerungsgruppen und Länder steigen an."
stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Nachhaltige Lösungsstrategien, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
„Der Bericht sagt in einer bisher nicht dagewesenen Deutlichkeit: Wenn die Nationen ihre Klimaschutzpläne bis 2030 nicht stärken, wird die 1,5-Grad-Grenze überschritten werden. Er sendet ein klares Signal, dass die bisherigen Klimaschutzanstrengungen und -pläne in der Summe nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind. Das wird in den Ländern und international zu neuen Debatten führen, wie die Anstrengungen gestärkt werden können. Die Länder haben sich im Abkommen verpflichtet, bis 2020 ihre Klimaschutzziele und -pläne für die nächsten zehn Jahre festzuzurren. Und viele arbeiten an Langfriststrategien für das Jahr 2050."
„Der Bericht macht die großen Herausforderungen deutlich, zeigt aber auch Wege zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels auf. Die weltweiten Emissionen müssen bis 2030 deutlich gegenüber dem heutigen Niveau abgesenkt werden und um die Mitte des Jahrhunderts netto null erreichen. Dafür brauchen wir alle uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen des Klimaschutzes: eine vollständige Dekarbonisierung der Stromerzeugung; eine effizientere Nutzung von Energie; nachhaltige Wege, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und eine nachhaltige Bewirtschaftung von Land. Klimaschutz muss in breitere Nachhaltigkeitsziele eingebettet werden, und der Bericht weist auf zahlreiche positive Wechselwirkungen zwischen Klimaschutz und den UN-Nachhaltigkeitszielen hin."
Head of Research "International Climate Policy", Institut für Politikwissenschaft, Universität Zürich, Schweiz
„Der 1,5-Grad-Bericht stellt sich leider nicht der Diskussion, wie ambitionierte, 1,5-Grad-kompatible Klimapolitik in einer Situation geopolitischen Chaos’ und gegen mächtige Lobbygruppen der fossilen Energieträger durchgesetzt werden kann, die sich mit populistischen Klimawandelleugnern verbünden. Er bewegt sich in seinen Politikkapiteln in einer ‚Scheinwelt’, die davon ausgeht, dass alle Akteure rational entscheiden und grundsätzlich an einer Eindämmung des Klimawandels interessiert sind. Das Lobbying mächtiger Gegner ambitionierter Klimapolitik – allen voran Saudi-Arabien – hat dazu geführt, dass bei den Schlussverhandlungen in Incheon über den 1,5-Grad-Bericht die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger gegenüber den vorherigen Entwürfen deutlich ‚entschärft’ wurde. Insofern ist zu befürchten, dass die Botschaften des 1,5-Grad-Berichts nicht wirklich zur Einführung von Politikinstrumenten führen, die 1,5-Grad-zielkompatibel sind.“
„Es ist entscheidend, dass die Sozialwissenschaften verstärkt die Frage aufgreifen, wie zweit- oder gar drittbeste Lösungen für Minderungspolitiken zügig durchgesetzt werden können, und wie die politische Ökonomie der Instrumentenwahl langfristig durch die Stärkung von Interessengruppen verändert werden kann, die von aktiven Treibhausgas-Minderungspolitiken profitieren. Wie in meinem Leitartikel für ‚Climate Policy’ ausgeführt, gibt es immer wieder immer Konstellationen, die die Einführung ambitionierter Klimapolitikinstrumente begünstigen. Es bedarf allerdings aktiver Vorbereitung, um diese Zeitfenster erfolgreich zu nutzen, da sie sich oft wieder rasch schließen.“
Institutsvorstand Institut für Soziale Ökologie Wien, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Österreich
„Der Bericht zeigt sehr anschaulich, wie groß der Unterschied in den Auswirkungen von 1,5°C und 2,0°C Erwärmung ist. Das Risiko einer massiven Freisetzung von CO2 durch großflächiges Auftauen von Permafrostböden ist bei zwei Grad erheblich höher. Das Gleiche gilt für das Risiko eines galoppierenden Meeresspiegel-Anstiegs, weil große Eisschilde (Antarktis, Grönland) instabil werden. Die nun vorliegende Bewertung der aktuellen Forschung zeigt auch, wie wichtig Nicht-Linearitäten im Erdsystem sind: 2,0°C statt 1,5°C ist nicht einfach ein bisschen wärmer. Es führt zu qualitativen Veränderungen in vielen Systemen und zu einem deutlich höheren Risiko nicht beherrschbarer Kipp-Effekte. Bei einer Erwärmung über 2,0°C oder einem deutlichen ‚overshoot’ über 1,5°C oder 2,0°C wären diese Risiken noch wesentlich größer.“
„Der Bericht zeigt glasklar, dass die gegenwärtige Klimapolitik zu einer Erwärmung von weit über 2 Grad führen wird. Werden bis 2030 nur die bereits vereinbarten Reduktionsziele umgesetzt, wird die Chance, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verspielt. Nur bei sofortigem, wirksamem Handeln wäre dies noch möglich. Doch selbst die ungenügenden Vereinbarungen der Klimapolitik werden in vielen Ländern nicht umgesetzt.“
„Das 1,5-Grad-Ziel wäre erreichbar - aber es erfordert massives Umsteuern. Nötig wäre eine sozial-ökologische Transformation zu einer raschen und deutlichen Verringerung des Verbrauchs von Rohstoffen und Energie. Dies erfordert, das massive Wachstum der gesellschaftlichen Materialbestände wie Gebäude, Straßen und andere Infrastrukturen zu begrenzen und diese rohstoffsparender zu gestalten. Der IPCC-Bericht zeigt die Vorteile einer nachfrageorientierten Strategie deutlich auf, etwa im Hinblick auf Synergien und Tradeoffs bezüglich der Sustainable Development Goals. Nötig ist dafür ein rasches und drastisches Umsteuern in der Infrastrukturpolitik, etwa bezüglich Gebäude – ab sofort nur mehr ‚low-energy & zero carbon’ Gebäude, massive Investitionen in die Reduktion der CO2-Emissionen aus dem bestehenden Gebäudebestand, – Verkehrsinfrastrukturen zum Beispiel Bahn, Fahrrad und öffentlicher Personennahverkehr statt Auto, Lkw und Flugzeug – und Ernährung, vor allem eine Reduktion des Anteils tierischer Produkte auf die Empfehlungen von Gesundheitsexperten sowie eine Verringerung der Nahrungsmittelverluste.“ [5] [6]
Direktor der Forschungsabteilung Ozean im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
„Ich bin froh und erleichtert, dass sich die Delegationen und Autoren – wenn auch mit Verspätung – auf einen gemeinsamen Text einigen konnten, der den Stand der Wissenschaft umfassend wiedergibt. Mein Kompliment gilt den Autoren, die in extrem kurzer Zeit einen so fundierten Bericht angefertigt haben."
„Der Bericht macht noch deutlicher als bisher, wie umfassend die Emissionsminderungen sind, die zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele des Pariser Abkommens von 2015 notwendig sind. Eine zentrale wissenschaftlicher Neuerung in diesem Bericht ist die Erkenntnis, dass das Emissionsbudget, das zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels noch zur Verfügung steht, um etwa zwei Drittel größer ist als zur Zeit des 5. Sachstandsberichts 2013 geschätzt. Diese Neueinschätzung beruht auf dem substanziellen Erkenntnisfortschritt, der in der Forschung seit 2013 stattgefunden hat. Allerdings bedeutet diese zusätzlich gewonnene Zeit keinesfalls, dass man die Hände in den Schoß legen kann, wenn man die Klimaziele erreichen will. Dazu sind die notwendigen gesellschaftlichen Umwälzungen zu umfassend. Wir werden, trotz der gewonnenen Zeit, alle im Pariser Abkommen genannten Klimaziele verfehlen, wenn nicht umgehend alle wirksamen Maßnahmen zur Emissionsminderung in die Wege geleitet werden."
Alle: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
IPCC (2018): Global Warming of 1.5°C.
Weiterführende Recherchequellen
Interaktive Aufbereitung zahlreicher Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels. Webseite Carbonbrief (2018) : The impacts of climate change at 1.5C, 2C and beyond.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Webseite der UNFCCC zum Talanoa-Dialog
[2] Wachsmuth, J. et al. (2018): Achievability of the Paris targets in the EU – the role of demand-side driven mitigation in different types of scenarios. Energy Efficiency. DOI: 10.1007/s12053-018-9670-4.
[3] Duscha, V. et al. (2018): Achievability of the Paris Agreement targets in the EU: Demand-side reduction potentials in a carbon budget perspective. Climate Policy. DOI: 10.1080/14693062.2018.1471385.
[4] Michaelowa, A. et al. (2018): Policy instruments for limiting global temperature rise to 1.5°C – can humanity rise to the challenge? Climate Policy, Vol 18 (3). DOI: 10.1080/14693062.2018.1426977.
[5] Krausmann, F. et al (2017): Global Socioeconomic Material Stocks Rise 23-Fold over the 20th Century and Require Half of Annual Resource Use. PNAS 114 (8): 1880–85. DOI: 10.1073/pnas.1613773114.
[6] Grubler, A. et al. (2018): A Low Energy Demand Scenario for Meeting the 1.5 °C Target and Sustainable Development Goals without Negative Emission Technologies. Nature Energy 3 (6): 515. DOI: 10.1038/s41560-018-0172-6.
[7] Raftery, A. E. et al (2017): Less than 2 °C warmnig by 2100 unlikely. Nature Climate Change, 7(9), 637. DOI: 10.1038/nclimate3352
Prof. Dr. Niklas Höhne
Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
Dr. Jakob Wachsmuth
Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Matthias Honegger
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Climate Engineering in Science, Society and Politics, Institute of Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), Potsdam und Copernicus Institute, Universität Utrecht, Niederlande
Prof. Dr. Gabriele Hegerl
Professorin für Climate System Science, Forschungsgruppe, Atmospheric Chemistry and Climate of the Anthropocene, School of Geosciences, University of Edinburg, UK (Vereinigtes Königreich), Vereinigtes Königreich
Prof. Dr. Manfred Fischedick
Vizepräsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
Lukas Hermwille
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
Dr. Hans Schipper
Institut für Meteorologie und Klimaforschung Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
Prof. Dr. Frank Jotzo
Forschungsdirektor der Crawford School of Public Policy und Direktor Centre for Climate Economics and Policy, Australian National University, Canberra, Australien
Prof. Dr. Mojib Latif
Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR), Kiel
Dr. Katja Frieler
stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
Dr. Elmar Kriegler
stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Nachhaltige Lösungsstrategien, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
Herr Dr. Axel Michaelowa
Head of Research "International Climate Policy", Institut für Politikwissenschaft, Universität Zürich, Schweiz
Prof. Dr. Helmut Haberl
Institutsvorstand Institut für Soziale Ökologie Wien, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Österreich
Prof. Dr. Jochem Marotzke
Direktor der Forschungsabteilung Ozean im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg