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15.03.2024

Treibhausgasemissionen in Deutschland für 2023 und Projektionsbericht 2030

     

  • Emissionen von Treibhausgasen in Deutschland  sinken 2023 um über 10 Prozent,  die einzelnen Sektoren schneiden sehr unterschiedlich ab
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  • Projektionen der Emissionsentwicklung bis 2030 zeigen: das Reduktionsziel um 65 Prozent ist erreichbar
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  • Forschende  sehen substanzielle Fortschritte, weisen aber darauf hin, nur verstärkte Anstrengungen  machen Netto-Null-Emissionen bis 2045 möglich 
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Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind 2023 um 10,1 Prozent gesunken, der stärkste Rückgang seit 1990. Insgesamt wurden 673 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert und damit 76 Millionen Tonnen weniger als noch 2022. Die Projektion der aktuellen Entwicklungen auf das Jahr 2030 ließen nach Einschätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima und des Umweltbundesamtes die Schlussfolgerung zu, dass die deutschen Klimaziele für 2030 erreichbar wären: die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.

Der Blick in die einzelnen Sektoren zeigt unterschiedlich ausgeprägte Tendenzen:

·  Im Sektor Energie wurden 51,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und damit 20,1 Prozent weniger ausgestoßen als noch 2022. Der Grund: es wurden weniger fossile Energieträger für die Erzeugung von Strom und Wärme verbrannt. Auch der geringere Bedarf durch den eher milden Winter und Einsparungen wegen gestiegener Verbraucherpreise spielen hier eine Rolle.

· Für den Sektor Industrie werden 13,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (minus 7,7 Prozent) weniger Emissionen bilanziert. Auch hier geht ein wichtiger Anteil auf die verminderte Nutzung fossiler Energieträger zurück, was vor allem in einer negativen konjunkturellen Situation und gestiegenen Herstellungskosten seine Begründung findet, die beide zu Produktionsrückgängen beitragen.

· Der Gebäudesektor zeichnet für 8,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (minus 7,5 Prozent) weniger Emissionen verantwortlich. Wichtige Faktoren hier sind zum einen der vergleichsweise milde Winter, zum anderen auch der Einbau von 356.000 neuen Wärmepumpen, 50 Prozent mehr als in 2022. Allerdings verfehlt dieser Sektor trotzdem die Ziele aus dem Klimaschutzgesetz um 2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

· Der Sektor Verkehr trägt 1,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (minus 1,2 Prozent) weniger zu den Gesamtemissionen bei als noch 2022, liegt damit allerdings mit 13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten deutlich über den Sektorzielen. Der Rückgang hier geht auf eine verringerte Fahrleistung im Güterverkehr zurück. Die Emissionen aus Privatfahrzeugen steigen dagegen leicht. Im Flugverkehr sind die Emissionen durch internationale Flüge nahezu auf Vor-Corona-Niveau, innerdeutsch werden 50 Prozent weniger Kilometer geflogen als vor der Pandemie.

Die Projektion auf das Jahr 2030 zeigt: Die Sektoren Energie (175 Millionen Tonnen mehr kumulierte Einsparungen als im Klimaschutzgesetz angestrebt), Industrie (37 Millionen Tonnen), Landwirtschaft (29 Millionen Tonnen) und Abfallwirtschaft/Sonstige (17 Millionen Tonnen) übererfüllen die im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Emissionsziele im Jahr 2030. Anders sieht es bei Verkehr (180 Millionen Tonnen zu wenig kumulierte Einsparungen als im Klimaschutzgesetz angestrebt) und Gebäude (32 Millionen Tonnen) aus. In der Summe könnten so jedoch die Ziele der Klimaschutzgesetzes für 2030 um 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente übererfüllt werden.

Übersicht

  • Prof. Dr. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal, und Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (Schumpeter School of Business and Economics), Bergische Universität Wuppertal
  • Prof. Dr. Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, und Professor für Mitigation of greenhouse gas emissions, Wageningen Universität, Niederlande
  • Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
  • Dr. Gunnar Luderer, Leiter der Arbeitsgruppe Energiesysteme und stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Transformationspfade, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
  • Prof. Dr. Jan Christoph Minx, Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
  • Dr. Martin Pehnt, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Energie, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
  • Hauke Hermann, Senior Researcher für Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
  • Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel
  • Prof. Dr. Stefan Gössling, Professor für Tourismus, School of Business and Economics, Linnaeus University, Kalmar, Schweden, und Professor in Human Ecology, Lund University, Sweden, Schweden

Statements

Prof. Dr. Manfred Fischedick

Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal, und Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (Schumpeter School of Business and Economics), Bergische Universität Wuppertal

„Der vom Umweltbundesamt auf Basis vorläufiger Berechnungen berichtete Rückgang der Treibhausgasemissionen Deutschlands um rund 10 Prozent im vergangenen Jahr ist in Hinblick auf den Klimaschutz natürlich sehr erfreulich. Ein genauerer Blick auf die Gründe dieses starken Emissionsrückgangs verdeutlicht aber, dass nur ein kleiner Teil des Rückgangs wirklich auf langfristig wirkende Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen ist. Vielmehr sind besondere Entwicklungen, die sich zum Teil in den nächsten Jahren auch wieder umkehren können, für einen Großteil des Emissionsrückgangs verantwortlich.“

„Hierzu gehören insbesondere deutliche Veränderungen im Stromhandel zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern – Deutschland ist von einem Stromexport- zu einem Stromimportland geworden, milde Wintermonate sowie (ungewollte) Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie. Diese Produktionsrückgänge sind im Wesentlichen eine Folge des auch im Jahr 2023 noch relativ hohen Energiepreisniveaus. So haben die energieintensiven Branchen laut Produktionsindex des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2023 rund 10 Prozent weniger produziert als im Jahr 2022. Als klimaschutzorientierte Entwicklungen können dagegen der signifikant an Dynamik gewonnene Ausbau erneuerbarer Energien im Bereich der Stromerzeugung sowie verhaltensbedingte Rückgänge des Energiebedarfs gewertet werden, auch wenn letztere sicherlich in allen Sektoren zu großen Teilen preisinduziert gewesen sein dürften.“

„Erfreulich ist, dass die jährlich durch das Umweltbundesamt aktualisierte Projektion der Treibhausgasemissionen nun erstmals zeigt, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für die gesamten Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 einhalten könnte. Dieser gegenüber den Vorjahren optimistischere Ausblick der Emissionsentwicklung bis 2030 ist in großen Teilen den klimapolitischen Weichenstellungen der aktuellen Bundesregierung zu verdanken. Beigetragen haben hierzu unter anderem die verbesserten Rahmenbedingungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung, die Anpassungen bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude sowie die Erhöhung der Lkw-Maut.“

„Allerdings sollte weder der deutliche Rückgang der Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr noch die Verbesserungen in der Projektion der Treibhausgasemissionen dazu führen, dass sich Deutschland beim Klimaschutz bereits ‚auf Kurs‘ wähnt und seine Klimaschutzbemühungen in den kommenden Jahren runterfährt. So zeigt die nun vom Umweltbundesamt vorgelegte Projektion auch, dass Deutschland seine auf EU-Ebene bestehenden Emissionsminderungsziele bis 2030 unter derzeitigen Rahmenbedingungen deutlich verfehlen wird, da sich diese Ziele auf die Sektoren Verkehr und Gebäude beziehen, in denen auch in den kommenden Jahren nur sehr langsame Emissionsminderungen erwartet werden.“

„Eine Verfehlung dieser Ziele hätte zur Folge, dass Deutschland bis 2030 bedeutende finanzielle Mittel aufbringen müsste, um Emissionsberechtigungen aus dem Ausland zu beziehen. Zudem ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass vorliegende Projektionen weiterhin davon ausgehen, dass bei einer Fortschreibung der bisherigen Entwicklungen und politischen Maßnahmen das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 deutlich verfehlt werden wird. Um diese Lücke zu schließen, müssen zusätzliche ambitionierte Maßnahmen in allen Sektoren jetzt beschlossen und konsequent umgesetzt werden- vor allem aber in den Problemsektoren Verkehr und Gebäude.“

„Konsequenz und Klarheit in der Umsetzung ist aber auch bei den Maßnahmen notwendig, die bereits beschlossen sind und Eingang in die aktuellen Projektionen des Umweltbundesamtes gefunden haben. Mit der Ausschreibung von Klimaschutzverträgen für die Industrie, die mit dem ersten Förderaufruf am 12. März 2024 jetzt gestartet ist, setzt die Bundesregierung positive Signale. Mit der Verabschiedung des am Ende stark verwässerten Gebäudeenergiegesetzes im Herbst 2023 und der Anfang Februar 2024 veröffentlichten, allenfalls halbherzigen Kraftwerksstrategie, wird jedoch deutlich, dass noch nachzuarbeiten ist, um die gesteckten Ziele zu erreichen."

Dieses Statement entstand in Zusammenarbeit mit Sascha Samadi, Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien, Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal.

Prof. Dr. Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, und Professor für Mitigation of greenhouse gas emissions, Wageningen Universität, Niederlande

„Die verbesserten Werte vergangener und zukünftiger Treibhausgasemissionen geben Hoffnung, aber noch lange nicht sind alle Probleme gelöst.“

„Nach zwei Jahren Ampelregierung werden die Unterschiede deutlich: Das Grün-geführte Wirtschaftsministerium kann sich den Boom in der Solarbranche und eine deutliche Übererfüllung des Klimaschutzziels gutschreiben. Das SPD-geführte Bauministerium ist Mittelmaß, das Ziel für den Gebäudesektor wird leicht verfehlt. Und das FDP-geführte Verkehrsministerium ist abgeschlagen, lässt jegliche Ambition vermissen und verfehlt sein Ziel krachend.“

„Der unerwartete Rückgang der Emissionen im Jahr 2023 ist größtenteils nicht nachhaltig und nicht ein Zeichen von erfolgreicher Klimapolitik. Die Erreichung der langfristigen deutschen Klimaziele bleibt gefährdet.“

„Beeindruckend ist die Geschwindigkeit der Reduktion im Energiesektor, in dem die erneuerbaren Energien boomen wie nie zuvor. Emissionen im Jahr 2023 sind stark zurückgegangen, das Ziel bis 2030 wird wahrscheinlich deutlich übererfüllt. Aber die wirklich schwierige Phase kommt erst nach 2030. Hier nimmt die Reduktionsgeschwindigkeit drastisch ab, da mit jetziger Technologie fossile Kraftwerke als Back-up für Zeiten ohne Wind und Sonne vorgehalten werden müssen. Die letzten fossilen Kraftwerke zu ersetzen ist Neuland und bedarf großer Anstrengungen.“

„Sorgenkind ist der Verkehr: 2023 waren die Emissionen zu hoch, und auch das Ziel bis 2030 wird weit verfehlt. Es fehlt komplett an tiefgreifenden Maßnahmen. Das Verkehrsministerium sieht hier mit Abstand am schlechtesten aus. Es bedarf eines umfassenden Sofortprogramms, um den Rückstand aufzuholen. Auch der Gebäudesektor verfehlt das Ziel für 2023 und bis 2030, wenn auch nur knapp. Laut noch geltendem Klimaschutzgesetz (KSG) wäre auch hier ein Sofortprogramm nötig.“

„Die Emissionen in der Industrie waren 2023 extrem niedrig, weil die emissionsintensive Industrie wegen der hohen Energiepreise die Produktion runtergefahren hat. Auch für 2024 werden nun recht niedrige Emissionen angenommen. Es scheint davon ausgegangen zu werden, dass sich die emissionsintensive Industrie nach dem schlechten Jahr 2023 nicht wieder erholt.“

„Ein Aufrechnen über alle Sektoren, wie in der Klimaschutzgesetznovelle vorgesehen, ist irreführend und kontraproduktiv. Zwar wird mit den aktuellen Projektionen das Emissionsbudget des KSG-Ziels über alle Sektoren hinweg bis 2030 wahrscheinlich erfüllt. Es verschleiert aber, dass mit jetzigen Maßnahmen die Sektoren Verkehr und Gebäude die Klimaschutzziele des Klimaschutzgesetzes bis 2030 überschreiten werden. Ein Aufholen im Verkehr ist nach 2030 fast unmöglich, außer mit drastischen und disruptiven Maßnahmen, wie extrem hohen CO2-Preisen oder Fahrverboten. Ein Ausgleichen durch die anderen Sektoren ist nach 2030 auch nicht möglich, da es für diese immer schwieriger wird, noch die letzten Tonnen CO2 zu vermeiden.“

„Besorgniserregend ist auch, dass Deutschland das rechtlich bindende Ziel innerhalb der EU-Lastenteilung verfehlen wird, in der Verkehr und Gebäude zusammengerechnet werden. Es drohen hohe Zahlungen, da eine Zielverfehlung durch Zertifikate ausgeglichen werden muss. Insgesamt wird das Ziel um 126 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten. Bei einem grob geschätzten Preis von 100 Euro pro Zertifikat wären das 12 Milliarden Euro.“

„Es ist ein guter Schritt, in der vorgeschlagenen Novelle des Klimaschutzgesetzes den Blick nach vorne auf die zukünftige Zielerreichung zu richten und nicht nach hinten, ob jahresscharfe Ziele erreicht worden sind. Sofortprogramme aber nur dann zu fordern, wenn Deutschland als Ganzes sein Ziel verfehlt und nicht schon, wenn einzelne Sektoren es verfehlen, ist kontraproduktiv und verschleiert eine mögliche langfristige Zielverfehlung, wie der vorliegende Projektionsbericht zeigt.“

„Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gibt eine klare Richtung vor. Klimaneutralität kann nur erreicht werden, wenn alle Sektoren jetzt tiefgreifende Änderungen anstreben. Das Verschleppen von Klimaschutz, insbesondere im Verkehr, wird zukünftige Regierungen, die Bevölkerung und die Wirtschaft vor massive Herausforderungen stellen, wenn nach 2030 drastische Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um das Zielbudget doch noch zu erreichen.“

„Zu viel Klimaschutz gibt es nicht. Klimaschutz wurde global so lange verschleppt, dass jetzt die Emissionen so schnell wie irgend möglich reduziert werden müssen. Deutschland hat das ihm als fair zustehende CO2-Budget eigentlich schon ausgeschöpft.“

„Für den Climate Action Tracker werden wir die neuen Zahlen genau untersuchen und in den nächsten Monaten eine Aktualisierung unserer Deutschland-Analyse veröffentlichen.“

Dr. Stefan Thomas

Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal

in Ergänzung zum Statement von Manfred Fischedick und Sascha Samadi:

„Für den Gebäudesektor lässt sich feststellen: Der Gasverbrauch ist um etwa 15 Prozent gegenüber den Jahren 2018 bis 2021 gesunken – aufgrund der hohen Preise und der Sparappelle, um eine Versorgungskrise zu vermeiden. Die Frage ist aber, ob das von Dauer sein wird. Und vermutlich muss beim strukturellen Verbrauch mehr getan werden. Hier hat es zwar Fortschritte gegeben – die Zahl der installierten Wärmepumpen ist 2023 um 50 Prozent auf etwa 350.000 gestiegen. Aber die energetische Sanierungsrate ist durch die Verunsicherung um die Förderung ab 2024 zuletzt sogar auf unter 1 Prozent gesunken, statt zu steigen. Hier muss sich zeigen, ob die hohe Förderung im Jahr 2024 wirkt oder ob weiter verbessert werden muss.“

Dr. Gunnar Luderer

Leiter der Arbeitsgruppe Energiesysteme und stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Transformationspfade, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

„Ich sehe das nicht ganz so rosig wie das BMWK und das UBA – insbesondere in Bezug auf Verkehr und Gebäude geht die Umstellung auf E-Autos und Wärmepumpen viel zu langsam voran."

„Die vom Umweltbundesamt heute veröffentlichten Emissionsdaten bestätigen bisherige Abschätzungen und Trends [1] [2] [3]: Während bei Energiewirtschaft und Industrie die Emissionen rasch sinken, liegen die Emissionen aus Verkehr deutlich und die Emissionen des Gebäudesektors leicht über den Zielvorgaben des Klimaschutzgesetzes. Dies liegt vor allem am schleppenden Umstieg von Verbrennerautos und fossilen Heizungssystemen auf Elektromobilität und Wärmepumpen.“

„Der starke Rückgang der Emissionen ist in der Tat vor allem auf Sondereffekte zurückzuführen. Bemerkenswert sind vor allem die Auswirkungen der Gaskrise auf die Industrie: Die hohen Energiepreise führten zu einem starken Produktionsrückgang bei der energieintensiven Grundstoffindustrie. Dieser Produktionsrückgang erklärt einen großen Teil der 7,7 Prozent Emissionsminderung des Industriesektors. Zudem ist der Stromverbrauch der Industrie gesunken, was wiederum zu niedrigen Emissionen in der Energiewirtschaft geführt hat.“

„Es zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft einen Strukturwandel durchlaufen muss – weg von einer Energieversorgung, die auf billiges, aber klimaschädliches russisches Erdgas setzt und hin zu einem Geschäftsmodell, das auf Innovationen und Erneuerbaren basiert.“

„Bei der Gebäudewärme führten einerseits die milde Witterung und andererseits die Sparsamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu Einsparungen – bei der energetischen Sanierung von Häusern und bei der Umstellung auf nicht-fossile Heizungen geht es aber viel zu schleppend voran. Besonders erschreckend: Im vergangenen Jahr wurden 900.000 Gas- und Ölheizungssysteme installiert – ungefähr 40 Prozent mehr als im Vorjahr [2] [4]. Angesichts ihrer langen Lebensdauer drohen diese fossilen Heizungen dauerhaft unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu zementieren und die Erreichbarkeit der Klimaziele für 2030 und 2040 zu gefährden. Einziger Lichtblick auf dem Heizungsmarkt: Der Absatz von Wärmepumpen stieg um 51 Prozent auf 350.000 – nicht ausreichend, aber ein Schritt in die richtige Richtung.“

„Auch für den Verkehr sind die Zahlen sehr ernüchternd: Die Emissionen verbleiben auf viel zu hohem Niveau, die öffentlichen Verkehrsmittel sind überlastet und werden nicht schnell genug ausgebaut, der Anteil von E-Autos an Autoverkäufen stagniert, während über zwei Millionen Verbrenner neu zugelassen wurden [5]. Angesichts dieser strukturellen Fehlentwicklungen ist nicht abzusehen, dass der Verkehrssektor seinen Anteil an den notwendigen Emissionsminderungen zur Erreichung der Klimaziele für 2030 leisten kann.“

„Um die Sektoren Verkehr und Gebäudewärme auf Kurs zu bringen, ist es vor allem wichtig, bei Neuanschaffungen sicherzustellen, dass diese mit dem Ziel der Klimaneutralität vereinbar sind. Für die Politik heißt das konkret: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dabei unterstützt werden, auf klimafreundliche Technologien wie Elektroautos und Wärmepumpen umzusteigen. Neuverkäufe von fossilen Heizungssystemen und Verbrennerautos drohen hingegen, die Klimaziele außer Reichweite zu rücken, und müssen daher stärker reguliert werden. Zudem brauchen wir einen höheren und glaubwürdigen CO2-Preis auch für diese Sektoren.“

„Die Emissionen aus der Energiewirtschaft und großen Industrieanlagen sind durch den europäischen Emissionshandel reguliert und gedeckelt – diese Sektoren sind klar auf Kurs zur Erreichung der Klimaziele.“

„Gemäß den Vereinbarungen zur europäischen Lastenteilung liegt hingegen die Erreichung der Klimaziele für Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft in der direkten Verantwortung der Einzelstaaten. Gerade in diesen Sektoren hat Deutschland besonders große Probleme. Hier drohen Strafzahlungen oder Kosten in Milliardenhöhe für den Ankauf von Emissionsrechten aus anderen EU-Staaten, wenn die Ziele verfehlt werden.“

Prof. Dr. Jan Christoph Minx

Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin

„Die Treibhausgasemissionen sinken im Jahr 2023 auf einen historischen Tiefstand – tiefer als jemals zuvor in den vergangenen 70 Jahren. Der Klimaschutz kommt endlich wieder voran, nachdem die Emissionsreduktionen zwischen 2020 und 2022 stagnierten. Mit 10,1 Prozent gegenüber 2022 ist der Rückgang der größte seit 1990. Das zeigen die vom Umweltbundesamt vorgelegten, offiziellen Zahlen zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland. Diese decken sich mit den im Januar vorgelegten Schätzungen der Agora Energiewende [1].“

„Die gute Nachricht ist: Die Reduktionen sind nicht nur krisenbedingt. Natürlich spielen das schwache Wirtschaftswachstum und der Krieg in der Ukraine eine Rolle, aber es gibt handfeste Belege für Fortschritt beim Klimaschutz. Gerade im Energiesektor machen wir große Fortschritte. So ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion höher denn je, die Kohleverstromung geht zurück und der Zubau von Photovoltaik-Anlagen bricht den bisherigen Rekord aus dem Jahre 2012 um das Doppelte.“

„Aber da ist auch viel Wasser im Wein, weil der Gebäudesektor und der Verkehrssektor abermals ihre Ziele verfehlen – im Verkehr krachend. Was Sorge bereitet ist, dass die Dekarbonisierung in den Sektoren einen Umbau der Infrastruktur erfordert. Neue fossile Infrastruktur verteuert den Klimaschutz. So wurden zwar 2023 so viele Wärmepumpen eingebaut wie niemals zuvor. Aber im Verkehrsbereich müssen wir endlich über die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte hinausdenken und durch ein besseres Angebot auf der Schiene und im ÖPNV qualitativ hochwertige Alternativen schaffen – sonst wird sich der Erfolg nicht fristgerecht einstellen.“

„Kein Grund also zum Übermut. Es gilt zunächst, den Rückgang der Treibhausgasemissionen wieder zu verstetigen. Das erfreuliche Ergebnis darf keine Eintagsfliege sein – die Emissionen müssen auch weiter zügig sinken, wenn die deutsche Wirtschaft wieder schneller wächst.“

Dr. Martin Pehnt

Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Energie, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)

„Licht und Schatten: Über 10 Prozent weniger Klimaemissionen als im Vorjahr sind erst mal eine gute Nachricht. Es ist gut, dass die Emissionsminderung in der Stromerzeugung trotz Ausstieg aus der Atomenergie unvermindert fortwährt. 52 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien: Das ist eine stolze Bilanz nach gut 20 Jahren Erneuerbares-Energien-Gesetz. Eine besondere Erfolgsgeschichte ist die Photovoltaik: Trotz mittlerer Sonnenstunden 2023 liefert sie Rekordwerte. Hier zeigen sich erste Erfolge der verbesserten politischen Rahmenbedingungen. Es ist höchste Zeit, die verbleibenden Hemmnisse zum Ausbau der Photovoltaik zu entfernen. Das Solarpaket I, das beispielsweise ein einfaches gemeinschaftliches Versorgungsmodell für Mietsgebäude bringen soll, muss nun verabschiedet werden! Denn mit wenig Bürokratie wird die attraktive Sonnenenergie zum Selbstläufer.“

„Während die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle einbricht und die Treibhausgasemissionen der Stromerzeugung drastisch sinken, ist der Verkehrssektor das absolute Sorgenkind. Die Energiewirtschaft hilft dem Verkehrs-, aber auch dem Gebäudesektor aus der Patsche.“

„Die Bilanzen des Umweltbundesamtes zeigen: Die Einsparungen im Gebäudesektor reichen abermals nicht aus, um das Ziel zu erfüllen. Dieses Jahr wird das Ziel zwar nur knapp verfehlt. Aber bis zum Jahr 2030 wird sich die Zielverfehlung auf über 30 Millionen Tonnen Treibhausgase aufaddieren.“

„Die gute Nachricht: Eine Steigerung der Gebäudeeffizienz vor allem durch energetische Modernisierungen, mehr erneuerbare Energien und emissionsärmere fossile Brennstoffe haben deutlich zur CO2-Einsparung beigetragen. Diese Einsparungen wurden zu einem großen Teil aber durch die Steigerung der Wohnfläche pro Person ‚aufgefressen‘. Klimaschutz im Gebäudesektor heißt also auch: Mit klugen, flächenschonenden Gebäudekonzepten dem Wohnflächenwachstum entgegenwirken.“

„Die Weichen für eine echte Wärmewende sind eigentlich gestellt: Die neue Bundesförderung fördert den Ausbau von klimafreundlichen Wärmesystemen üppig, und die Wärmeplanung koordiniert die Entwicklung und Dekarbonisierung der Wärme- und Gasnetze. Die europäische Gebäuderichtlinie, die am Dienstag im Parlament verabschiedet wurde, führt folgerichtig das ‚Nullemissionsgebäude‘ als Zielbild ein: Ein Gebäude, in dem vor Ort keine CO2-Emissionen mehr aus fossilen Brennstoffen entstehen.“

„Vom ‚Zero Emission Building‘ sind wir aber noch weit entfernt. Erdgas und Heizöl dominieren immer noch den Wärmemarkt, auch 2023: In diesem Jahr wurden rund 900.000 Gas- und Ölheizungen verkauft. Das darf sich 2024 nicht wiederholen, denn dies zementiert einen Sockel an Emissionen auch in den nächsten zwei Jahrzehnten. Grüne Gase sind deutlich teurer und nicht in den erforderlichen Mengen verfügbar. Und Billigpreise für Erdgas und Heizöl werden nicht zuletzt wegen der CO2-Steuer bald der Vergangenheit angehören.“

„Was wir nun brauchen: Viele Unternehmen, die Endkundinnen und Endkunden bei der Realisierung klimafreundlicher und kostengünstiger Wärmelösungen unterstützen, beispielsweise durch Wärmepumpen zur Miete, durch ‚One-Stop-Shops‘, in denen Ratsuchende durch den Entscheidungsdschungel geführt werden oder durch den Ausbau kommunaler Wärmenetze. Neue Ideen sind gefragt: beispielsweise Genossenschaften, die kalte Nahwärmenetze initiieren, oder Sanierungsteams, die schnelle Gebäudemodernisierung aus einer Hand anbieten. Was wir auch brauchen: Gebäudeeigentümer, die die verständliche Verunsicherung ablegen und in eine klimafreundliche Wärmezukunft investieren.“

Hauke Hermann

Senior Researcher für Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin

„Die hohen Emissionsminderungen im Jahr 2023 sind weiterhin geprägt durch die hohen Energiepreise, die in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine aufgetreten sind. Über zwei Drittel der Emissionsminderungen entfallen auf die Energiewirtschaft. In anderen Sektoren – insbesondere im Verkehr und bei den Gebäuden – fehlen jedoch bisher ausreichende strukturelle Emissionsminderungsmaßnahmen.“

„Grundsätzlich ist es richtig, dass der Rückgang der Stromnachfrage insbesondere auf Einspareffekte in Folge der hohen Energiepreise zurückzuführen ist. Gleichzeitig ist es als Erfolg zu werten, dass sich der Kohleausstieg durch verschiedene Faktoren aktuell beschleunigt. Zum Beispiel dürfte das aktuelle Marktumfeld aus gesunkenen Gaspreisen und immer noch deutlich höheren CO2-Preisen als vor einigen Jahren dazu führen, dass sich der Kohleausstieg deutlich beschleunigen wird.“

„Sowohl im Verkehrs- als auch im Gebäudesektor gibt es nach wie vor Ziellücken. Dabei ist die Lücke im Gebäudesektor gering, das liegt jedoch hauptsächlich am ungewöhnlich warmen Wetter 2023. Die Lücke im Verkehrssektor ist auf über 10 Millionen Tonnen CO2 gestiegen und wird sehr wahrscheinlich weiter ansteigen. Der Verkehrssektor bleibt also das Sorgenkind beim Klimaschutz. Als zentrale Klimaschutzmaßnahme empfiehlt sich eine beschleunigende Elektrifizierung des Fahrzeugbestandes. Für den Gebäudesektor sind die Steigerung der Energieeffizienz und ein Ausstieg aus den fossilen Energien die wichtigsten Hebel, um die Klimaschutzziele zu erreichen.“

„Die Projektionen 2024 zeigen größere Unterschiede zwischen den Sektoren. Insbesondere der Verkehrssektor – und teilweise der Gebäudesektor – sind nicht auf dem Zielpfad. Andererseits kann die Energiewirtschaft ihre Emissionen voraussichtlich schneller mindern als erwartet. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn zum Beispiel die Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden.“

Dieses Statement entstand in Zusammenarbeit mit Peter Kasten, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität und Sibylle Braungardt, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz.

Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer

Leiter des Fachgebiets Sustainable Technology Design, Institut für Thermische Energietechnik, Universität Kassel

„Einleitend ein paar Worte zum typischen zeitlichen Ablauf der verschiedenen Emissionsberichte. Direkt am Anfang des Folgejahres – am 4. Januar 2024 für das Jahr 2023 – veröffentlicht Agora auf der Basis vorläufiger Statistiken und von monatlichen Auswertungen geschätzte Treibhausgasemissionsdaten für das abgelaufene Jahr [1]. Diese sind zum Beispiel im Energiebereich schon sehr genau, in anderen Sektoren – etwa der Industrie – gibt es noch gewisse Unsicherheiten. Zusätzlich stellt Agora zahlreiche weitere vor allem energiewirtschaftliche Trends dar, die insgesamt für die Einschätzung des Stands der Energiewende wichtig sind.“

„Mitte Januar dann veröffentlicht das UBA die endgültigen (genauen) und offiziellen Treibhausgasemissionen für das Vor-Vorjahr, das heißt aktuell für 2022. Mitte März schließlich erstellt das UBA eine vorläufige Berechnung der Treibhausgasemissionen für das Vorjahr, so eben heute für 2023. Dies erfolgt mit einer ähnlichen Methodik wie bei Agora. Da aber inzwischen einige Daten mehr vorliegen, sind die vorläufigen Berechnungen des UBA meist ein wenig genauer als die schnelleren Daten von Agora. Insgesamt sind aber die Abweichungen zwischen beiden vorläufigen Berechnungen – und auch zu den dann deutlich später vorliegenden endgültigen Berechnungen – so gering, dass sie für die inhaltliche und politische Einordung nicht – beziehungsweise kaum – ins Gewicht fallen.“

„Und so auch in diesem Jahr. Generell stimmen die Daten von UBA und Agora wie üblich gut überein. So überrascht es nicht, dass die Treibhausgasemissionen im Jahr 2023 auch nach den Daten des UBA deutlich um etwa 10 Prozent gesunken sind. Diese Reduktion ist insgesamt sehr erfreulich. Sehr positiv ist auch, dass es im Energiesektor trotz der anhaltenden Energiekrise und der (verzögerten) Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke im April gelungen ist, die Treibhausgasemissionen dennoch massiv um rund 20 Prozent zu reduzieren.“

„Besorgniserregend sind dagegen die erneut nur unzureichenden Emissionsreduktionen im Gebäude- und Verkehrssektor. Die Emissionen im Gebäudesektor und in der Industrie sind in der Einschätzung des UBA immerhin um 8 Prozent gesunken. Davon ist allerdings ein großer Teil auf die erneut warme Witterung beziehungsweise auf Produktionsrückgänge in den energieintensiven Branchen zurückzuführen.“

„Im Verkehr dagegen sind die Emissionen mit etwa minus einem Prozent nur marginal rückläufig. Auch in der Landwirtschaft sind die Emissionen nur wenig zurückgegangen, allerdings sind hier nach dem Klimaschutzgesetz auch geringere Minderungen zu erwarten.“

„Im Bericht von Agora im Januar [1] heißt es, ‚nur rund 15 Prozent des CO2-Äquivalente-Rückgangs 2023 [sind] langfristige Emissionseinsparungen, die sich vor allem aus dem Zubau erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen sowie dem Umstieg auf CO2-Äquivalent-ärmere oder klimafreundliche Brennstoffe beziehungsweise Alternativen ergeben‘. Ich stimme dieser Einschätzung grundsätzlich zu. Auch die UBA-Daten sagen hier in der Größenordnung nichts anderes aus.“

„Der UBA-Bericht bestätigt die Agora-Analyse in den Bereichen Verkehr und Gebäude, wobei das UBA bei den Gebäuden für 2023 eine größere Emissionsminderung identifiziert hat als Agora. Im Verkehrssektor kommt es darauf an, sowohl den Schienenverkehr und den ÖPNV entschiedener auszubauen, als auch die Elektrifizierung des Personen- und Güterverkehrs entschlossener voranzutreiben. Unter anderem durch entsprechende Infrastrukturausbauten. Im Gebäudesektor kommt es darauf an, die Wärmewende umfassend zu beschleunigen, zum Beispiel durch mehr energetische Sanierungen – unter anderem mit serieller Sanierung –, einen entschiedenen Ausbau der Wärmenetze und des Einsatzes von Wärmepumpen.“

„Der Wegfall der Sektorziele ist dabei wenig hilfreich. Es ist zu befürchten, dass die starken Minderungen in der Energiewirtschaft und der Industrie nicht ausreichend genutzt werden, um die Emissionen in Verkehr und Haushalten durch massive und vor allem langfristig angelegte Programme auf einen deutlichen und nachhaltigen Minderungspfad zu bringen. In der Landwirtschaft können die Emissionen nicht so schnell gesenkt werden wie in den anderen Sektoren. Dennoch sind die Erfolge in diesem Jahr fast schon marginal. Energiewirtschaft und Industrie weisen dagegen überdurchschnittliche Emissionsminderungen auf. Allerdings können nicht alle diese Reduktionen als langfristig gesichert angesehen werden.“

„Zusammen mit den Emissionsdaten legt das UBA auch eine Projektion der Entwicklung für die kommenden Jahre vor. Bestätigt sich die Einschätzung der Gutachter zur Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen, so ist Deutschland erstmals auf dem Weg, seine nationalen Treibhausgasemissionsziele tatsächlich zu erreichen, und die beschlossenen Maßnahmen könnten – bei erfolgreicher Umsetzung gemäß den Annahmen der Gutachter des UBA – weitgehend ausreichen, um die gesetzten Emissionsminderungsziele zu erreichen.“

„Ein Blick auf den aktuellen Stand und die kumulierten Emissionen zeigt jedoch, dass die einzelnen Sektoren unterschiedlich weit fortgeschritten sind. Insbesondere der Verkehr, aber auch die Gebäude liegen deutlich hinter den Zielen zurück, und es ist nicht klar, ob die ergriffenen Maßnahmen bereits ausreichen werden, um hier eine Trendwende herbeizuführen. Im Gebäudebereich wurde das entsprechende Wärmegesetz deutlich verwässert und im Verkehr fehlen noch weitgehend durchgreifende Maßnahmen. Gerade langfristig ist dieses Hinterherhinken bedenklich, weil die Energiewirtschaft die fehlenden Emissionsminderungen nicht auf Dauer ausgleichen können wird.“

Prof. Dr. Stefan Gössling

Professor für Tourismus, School of Business and Economics, Linnaeus University, Kalmar, Schweden, und Professor in Human Ecology, Lund University, Sweden, Schweden

„Die Bundesregierung verdient großes Lob für die ambitionierte Klimaschutzarbeit, die sie – und hier vor allem das Wirtschaftsministerium – geleistet hat.“

„Es gibt zwei Baustellen. Emissionsminderungen im Gebäudebestand sind nicht gesichert und es gibt große Widerstände in der Bevölkerung, verstärkt Maßnahmen umzusetzen. Hier sind alle politischen Parteien gefordert, die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen ihrer politischen Klientel zu vermitteln.“

„Im Verkehr ist die Erhöhung der Lkw-Maut die nahezu einzige Klimaschutzmaßnahme, die das Ministerium umgesetzt hat. Andere einfache Stellschrauben wurden ignoriert – Stichwort Tempo 130/80/30 –, ebenso problematische Trends, wie etwa der starke Zuwachs der SUV-Zulassungszahlen. Die Zunahme der Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr der Deutschen ist nicht einmal erwähnt, obwohl auch diese Teil der deutschen Emissionen sind. Würden diese berücksichtigt, wäre ein deutlicher Nettozuwachs bei den Verkehrsemissionen zu verzeichnen.“

„Das Verkehrsministerium trägt die Hauptverantwortung dafür, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit verfehlen wird, denn es nicht abzusehen, dass ohne sehr einschneidende, unmittelbare Maßnahmen die Vorgaben der Regierung erreicht werden können.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Manfred Fischedick:  „Interessenkonflikte sehen wir in Bezug auf dieses Statement bei uns nicht.“

Dr. Martin Pehnt:  „Keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Stefan Gössling:  „Es besteht kein Interessenkonflikt.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Agora Energiewende (2024): Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023, Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2024.

[2] Ariadne-Transformationstracker : Ist die Energiewende auf Kurs? Ariadne Webseite.

[3] Roth A et al.: OpenEnergyTracker: Deutschland.
Der Open Energy Tracker ist eine am DIW Berlin entwickelte offene Datenplattform, die energiepolitische Ziele und ihre Erreichung visualisiert.

[4] Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (2024): Marktentwicklung Wärmemarkt 2023.

[5] Kraftfahrtbundesamt (2024): Neuzulassungen von Personenkraftwagen (Pkw) im Jahresverlauf 2023 nach Marken und alternativen Antrieben.