Weltbiodiversitätskonferenz: Verhandlungen in Rom fortgesetzt
im November 2024 musste die Konferenz im kolumbianischen Cali vor der Verabschiedung noch offener Punkte abgebrochen werden
im Fokus der wiederaufgenommenen Verhandlungen wird die Finanzierung und Ressourcenmobilisierung stehen
Experten gehen von substantiellen Ergebnissen der Verhandlungen in Rom aus und kritisiert die Darstellung, dass die Cali-Verhandlungen gescheitert wären
Vom 25. bis zum 27. Februar 2025 werden in der italienischen Hauptstadt die Verhandlungen der 16. UN-Biodiversitätskonferenz (COP 16) fortgesetzt. Die Gespräche waren im November 2024 im kolumbianischen Cali unterbrochen worden, nachdem die Beschlussfähigkeit verloren gegangen war. Viele Delegierte mussten die bereits verlängerten Verhandlungen verlassen, um ihre Rückreise anzutreten. Bevor die Verhandlungen in Cali abgebrochen werden mussten, konnten die Teilnehmerstaaten Erfolge bei der Einrichtung des sogenannten Cali-Fonds erzielen, durch dessen Gelder zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung digitaler genetischer Sequenzinformationen beigetragen werden soll [I] [II].
Leiter Department Naturschutzforschung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Halle, und Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung
Erwartungen an die Verhandlungen in Rom
„In Cali war einfach die Zeit zu knapp geworden und am Ende waren nicht mehr genügend Delegationen vor Ort, um beschlussfähig zu bleiben. Die für Rom vorgesehenen Verhandlungstage müssten eigentlich sehr gut ausreichen, um den Deckel drauf zu machen. Die Ergebnisse werden substantiell sein, unabhängig davon, ob an der einen oder andere Stelle die Verhandlungen zäher sind oder durch Kompromisse einzelne Elemente rausfallen.“
Auf die Frage, welche strukturellen oder institutionellen Hürden bestehen, die einen effektiven Austausch zwischen wissenschaftlicher Expertise und politischen Entscheidungsprozessen behindern?
„Warum wird die Frage in diesem Kontext gestellt? Da scheint mir die Grundannahme dahinter zu stehen, dass die Cali-Verhandlungen gescheitert wären. Eine derartige Sichtweise, die vor allem in der deutschen Presse, aber auch von NGOs, vermittelt wurde und somit auch als gescheitert in der interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, teile ich keineswegs. Ich halte den Austausch in den Prozessen, die ich näher kenne, nach wie vor für sehr effektiv. Also beispielsweise die Biodiversitäts-COP oder auch die Verhandlungen von IPBES im Dezember 2024 – wenngleich Verbesserungen immer möglich sind.“
Entscheidende Einigungspunkte
„Es geht meines Erachtens vor allem um den Finanzierungsmechanismus und um die Ausgestaltung des Monitoring-Frameworks. Bei letzterem werden sicherlich noch einige Punkte diskutiert werden – mit einem vorhersehbar konstruktiven Gesamtausgang, wenngleich Detailaspekte nicht vorhersagbar sind. Beim Finanzierungsmechanismus – wohl gemerkt, der Frage nach dem Vorgehen bei der Verteilung der Ressourcen und gar nicht die nach der Höhe – erscheint mir der Ausgang noch ungewiss. Also zum Beispiel die Frage, ob es neben der GEF (Global Environment Facility) noch weitere Fonds geben wird. Auch der ‚Mechanism for Planning, Monitoring, Reporting and Review (PMRR)‘ steht noch auf der Agenda, bei dem es zum Beispiel darum geht, wie Inputs und Commitments von Akteuren jenseits nationaler Regierungen integriert werden können.“
Wann wäre die COP 16.2 ein Erfolg?
„Werden in den genannten Punkten Einigungen erzielt, wäre für mich die COP 16.2 ein Erfolg. In Zeiten der Krisen des Multilateralismus kann allein schon durch die Einigung ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass wir als Menschheit nach wie vor in der Lage sind, uns zu einigen und uns damit von aktuellen autokratischen Tendenzen abzusetzen.“
Politische Entwicklungen seit Cali
„Donald Trumps direkte Auswirkungen dürften hier noch gering sein, zumal die USA die Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) nie ratifiziert haben und daher in diesem Prozess nicht die zentrale Rolle spielten und spielen. Eventuell ist das nun eher zufällig ein interessanter Testfall für Vorgehensweisen jenseits der direkten Einflussnahme durch die USA. Dass die Biodiversitätspolitik in der kommenden Bundesregierung eine zentrale Rolle spielen wird, bleibt zu hoffen und würde ich sogar erwarten, zumal über Parteigrenzen hinweg viel Unterstützung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen besteht und dies im Wahlkampf auch nicht zerredet wurde.“
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS), Universität Greifswald, und Referentin beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Erwartungen an die Verhandlungen in Rom
„Seit den Verhandlungen in Cali hat sich in geopolitischer Hinsicht und auch innenpolitisch Einiges geändert, das befürchten lässt, dass dem Biodiversitätsschutz nicht die notwendige Aufmerksamkeit zuteilwird. Allerdings wird auf nationaler Ebene in Fachkreisen etwa verstärkt die Umsetzung der EU-Wiederherstellungsverordnung diskutiert, sodass insoweit nicht die Rede davon sein kann, dass der Schutz von Ökosystemen in den Hintergrund getreten ist.“
„Das Sekretariat der CBD hat in der Zwischenzeit mehrere Mitteilungen veröffentlicht, in welchen Vertragsstaaten und Stakeholder dazu aufgerufen werden, sich durch Stellungnahmen (submission of views) an der Weiterentwicklung der Beschlüsse von Cali zu beteiligen, beispielsweise zur weiteren Ausgestaltung des multilateralen Mechanismus für einen gerechten Vorteilsausgleich für die Nutzung digitaler Sequenzinformationen genetischer Ressourcen, einschließlich des beschlossenen Cali-Fonds, der am 25.02.2025 offiziell die Arbeit aufgenommen hat. Hier kann sich auch die Wissenschaft als Stakeholder beteiligen.“
Entscheidende Einigungspunkte
„Die wohl grundlegendsten noch offenen Beschlüsse sind die zur Biodiversitätsfinanzierung, das heißt, die Mobilisierung von Geldern einerseits und ein Finanzierungsmechanismus andererseits. Am Vormittag des ersten Verhandlungstages (25.02.2025) wurde in den Verhandlungen in Rom deutlich, dass die Positionen hier noch weit auseinander liegen und es sind für den Abend des 25.02.2025 informelle Konsultationen auf Ebene der Minister:innen und Delegationsleitungen geplant. Die Länder des Globalen Südens haben die Schaffung eines neuen Fonds unter dem Dach der Vertragsstaatenkonferenz gefordert, auf welchen sie mehr Einfluss nehmen können und einen Finanzierungsmechanismus, der eine flexible Auszahlung von Geldern ermöglicht, insbesondere für besonders vulnerable Staaten. Sie verweisen dabei vor allem auf ihre Rolle als ‚mega-diverse‘ Staaten, also Staaten mit hoher Biodiversitätsdichte und den Handlungsdruck. Von der Finanzierung hängt wesentlich ab, ob die 23 Aktionsziele des KMGBF bis 2030 erfüllt werden können, wozu die Wiederherstellung von mindestens 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme zählt.“
Wann wäre die COP 16.2 ein Erfolg?
„In der gegenwärtigen geopolitischen Lage ist es vielleicht bereits als Erfolg zu werten, dass eine Gemeinschaft aus 196 Vertragsstaaten und Vertreter:innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie Vertreter:innen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften überhaupt erneut zusammenkommen, um über Biodiversität zu sprechen und konkrete Beschlüsse zu fassen. Allerdings hängt viel an der Finanzierung – der Cali-Fonds allein wird das nicht lösen, zumal dieser spezifisch für den Vorteilsausgleich vorgesehen ist. Ein Erfolg wäre also, wenn in Rom ein starkes Finanzierungsprogramm beschlossen würde, das auch die Privatwirtschaft in die Verantwortung nimmt, indem etwa die Vertragsstaaten aufgefordert werden, Investitionsanreize zu schaffen oder schädliche Subventionen abzubauen.“
„Ein Erfolg wäre es aus meiner Sicht außerdem, wenn mit dem ausstehenden Beschluss zur Kooperation der CBD beziehungsweise des Sekretariats mit anderen biodiversitätsrelevanten Konventionen betont würde, dass Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie der Schutz der Biodiversität auf der hohen See eng miteinander verbunden sind und das auch institutionell zum Tragen kommt.“
Politische Entwicklungen seit Cali
„Die USA waren zu keinem Zeitpunkt Vertragsstaat der Biodiversitätskonvention. Insofern mag man meinen, die neue US-Präsidentschaft habe keine Auswirkungen auf die laufenden und auf künftige Verhandlungen. Es ist aber nicht zu unterschätzen, dass viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Biodiversitätsschutz einsetzen und auch in Cali präsent waren, ihren Sitz in den USA haben und dort voraussichtlich unter verstärkten politischen Druck geraten. Hinzu kommt eine Verschiebung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Sicherheitsthemen.“
„Die kommende Bundesregierung sollte den Biodiversitätsschutz zu einer Priorität machen – und mit der Klima- und Landwirtschaftspolitik verknüpfen. Da die industrielle Landwirtschaft wesentlich für den Biodiversitätsrückgang mitverantwortlich ist, die Agrarpolitik aber EU-rechtlich durchprägt ist, sollte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür stark machen, diese entsprechend zu reformieren. Intakte Ökosysteme tragen wesentlich zur natürlichen CO2-Senkung bei und sind die Grundlage unserer Ernährungssicherheit. Die Bundesregierung sollte diese Zusammenhänge in ihrer Politik anerkennen und der Bevölkerung entsprechend kommunizieren.“
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Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Science Media Center (2024): Reaktionen zum Ende der Weltbiodiversitätskonferenz COP16 in Cali. Statements. Stand: 04.11.2024.
[II] Science Media Center (2022): COP15: großer Streit um genetische Datenbanken. Statements. Stand: 29.11.2022.
[III] Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services IPBES (2024): Summary for policymakers of the thematic assessment report of the underlying causes of biodiversity loss and the determinants of transformative change and options for achieving the 2050 vision for biodiversity.
[IV] Science Media Center (2024): Reaktionen zum IPBES-Report Transformativer Wandel. Statements. Stand: 18.12.2024.
Prof. Dr. Josef Settele
Leiter Department Naturschutzforschung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Halle, und Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung
Catharina Caspari
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS), Universität Greifswald, und Referentin beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)