Verlorene Lebenszeit durch Herz-Kreislauf-Risiken
50-Jährige mit fünf wichtigen Risikofaktoren verlieren über zehn Lebensjahre im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Risiken
doch auch dann lohnt es sich noch, den Lebensstil zu verbessern und Risikofaktoren zu behandeln
Fachleute messen der Studie große Bedeutung bei und beurteilen gesundheitspolitische Präventionsmaßnahmen in Deutschland
Ein Drittel aller Todesfälle in Deutschland geht auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurück [I]. Die verantwortlichen Risiken können aber teils reduziert werden. Wie viel Lebenszeit pro Person durch die fünf wichtigsten Risikofaktoren verloren geht und wie viel durch eine Veränderung des Lebensstils gewonnen werden kann, hat ein internationales Forschungsteam unter deutscher Leitung untersucht. Die dazugehörige Studie wurde im Fachjournal „The New England Journal of Medicine“ publiziert (siehe Primärquelle).
Oberärztin der Klinik für Kardiologie I und Leiterin des Zentrums für Prävention von Herz- und Gefäßerkrankungen, Universitätsklinikum Münster
Einordnung der Studie in das Forschungsfeld
„Die Studie ermöglicht Einblicke in mögliche Auswirkungen von Risikofaktorkombinationen von bereits etablierten kardiovaskulären Risikofaktoren. Bereits in vorangegangenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Risikofaktoren mit der Häufigkeit von späteren kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zusammenhängt. Einfach gesprochen: Je mehr Risikofaktoren, desto wahrscheinlicher ist ein kardiovaskuläres Ereignis [1].“
„In dieser Studie scheinen die arterielle Hypertonie und das Rauchen die Haupttreiber der ‚verlorenen‘ Lebensjahre zu sein. Etwas überraschend ist der doch geringe Effekt des Non-HDL-Cholesterins (Cholesterinwert abzüglich des nicht-schädlichen HDL-Cholesterins; Anm. d. Red.) selbst nach Harmonisierung der Datenlage. Hier gibt es andere prospektive Untersuchungen, die diesem Parameter eine stärkere Bedeutung zumessen. Insbesondere Werte von über 135 Milligramm pro Deziliter Non-HDL-Cholesterin in einem frühen Erwachsenenalter sind demnach mit einem bis zu vierfach erhöhten Risiko für Atherosklerose-Erkrankungen verbunden [2].“
Beurteilung der Methodik und Limitationen
„Die Fallzahl von über zwei Millionen Teilnehmern sowie die lange Nachbeobachtungszeit ist eine besondere Stärke der Arbeit. Allerdings ist die Probandengruppe sehr heterogen, was an der weltweit gewonnenen Datenmenge liegt. Auch mit Harmonisierungsmodellen lassen sich Unterschiede in den Einzelkohorten nicht vollends ausgleichen. Zudem ist der Beginn des Beobachtungzeitraums bis zu 27 Jahre unterschiedlich (1963 versus 1990), sodass hier ebenfalls postuliert werden kann, dass die Entwicklung der kardiovaskulären Risikofaktoren über die Zeit anders gewichtet werden sollte. Insgesamt ist eine Zunahme von kardiovaskulären Risikofaktoren seit den 50er-Jahren zu vermerken. In Ländern mit mittlerem und niedrigerem Einkommen ist diese Entwicklung aber um Jahrzehnte verzögert aufgetreten, sodass es hier bei einer Weltpopulation zu Verzerrungen gekommen sein kann.“
„Nicht zuletzt wurden in der Studie verhältnispräventive Aspekte wie Zugang zu Bildung, Einkommen und Umweltfaktoren, aber auch Lebensstilbedingungen wie körperliche Aktivität, Ernährung und Stressmanagement nicht berücksichtigt.“
Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
„Das wichtigste Instrument zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, welche weltweit die häufigste Todesursache darstellen, ist die frühzeitige Erkennung von kardiovaskulären Risikofaktoren, zu denen die in der Studie untersuchten Faktoren beitragen. Der Einstellung des Nikotingebrauchs sowie eine optimale Blutdruckregulierung kommen in der aktuellen Arbeit offenbar eine besondere Bedeutung zu. Leider wissen wir, dass gerade auch in Deutschland trotz erheblicher Investitionen im Gesundheitswesen die Risikofaktorerkennung und deren Behandlung vor Auftreten einer atherosklerosebedingten Erkrankung zu spät und zu wenig stringent erfolgt. Gerade auch im internationalen Vergleich kostet uns das in Deutschland einige Jahre an Lebenserwartung [3].“
Gesundheitspolitische und individuelle Prävention
„Sämtliche hier erwähnte Risikofaktoren (Übergewicht, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck und Cholesterin) sind zuallererst durch Lebensstilmodifikationen zu adressieren. Hierzu zählen eine ausgewogene, herzgesunde Ernährung, eine regelmäßige körperliche Aktivität sowie ein Nikotinverzicht.“
„Die Rahmenbedingungen zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind leider nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleich. Niederschwellige Bildungsangebote bereits beginnend in der Kita oder im Kindergarten sowie in den Grund- und weiterführenden Schulen sind essenzielle Bestandteile, allen Menschen Informationen zur Gesunderhaltung zuteilwerden zu lassen. Ein Screening auf kardiovaskuläre Risikofaktoren zu bestimmten Zeitpunkten im Leben der Menschen, wie im Gesunden-Herz-Gesetz vorgeschlagen, sollte ebenfalls Teil einer Strategie zur Erkennung und Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren sein.“
„Nicht zuletzt, und das gilt auch für globale Anstrengungen, ist eine Regulierung von krankmachenden Zusätzen wie Zucker, Salz und gesättigten Fetten in industriell gefertigten Nahrungsmitteln vonnöten. Hier gibt es bereits Länder wie Großbritannien, die eine Zuckersteuer eingeführt haben. Durch diese Maßnahme wurde der Zuckeranteil bei industriell hergestellten Lebensmitteln, besonders Softdrinks, erheblich reduziert. Damit ließe sich die Pandemie der kardiovaskulären Risikofaktoren adressieren, wenngleich auch dem Einzelnen eine Eigenverantwortung zukommt.“
Oberarzt Interventionelle Kardiologie, Angiologie und Lipidologie, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Jena
Einordnung der Studie in das Forschungsfeld
„Magnussen und Kollegen berichten in ihrer neu erhobenen Studie, dass bei 50-jährigen Frauen mit Vorliegen der ‚Big Five‘ (fünf kardiovaskuläre Risikofaktoren: Bluthochdruck, hohes Cholesterin, Übergewicht, Diabetes und Rauchen) die Lebenszeit bis zum Auftreten eines Herz-Kreislauf-Ereignisses um 13,3 Jahre und bei 50-jährigen Männern die Lebenserwartung um 10,6 Jahre reduziert wird, im Vergleich zu Menschen ohne Risikofaktoren. Bei Menschen ohne einen dieser fünf kardiovaskulären Risikofaktoren war das Lebenszeitrisiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung für Frauen immerhin 13 Prozent und für Männer 21 Prozent. Nach Magnussen und Kollegen ist der Bluthochdruck weltweit nicht nur der größte Risikofaktor für eine kardiovaskuläre Erkrankung, sondern auch der Risikofaktor, der – wenn gut kontrolliert – auch mit dem größten Gewinn an Lebensjahren verbunden ist.“
Gesundheitspolitische und individuelle Prävention
„Die Studie zeigt, dass kardiovaskuläre Erkrankungen – die Todesursache Nummer eins in Deutschland – zum Großteil vermeidbar wären. Gesundheitspolitisch sind daher präventive Maßnahmen zu begrüßen, die die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen in den Vordergrund stellen. Leider wird derzeit der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen, indem nur circa ein Prozent des Budgets für kardiovaskuläre Medizin auf das Konto der Prävention einzahlt. In anderen Worten: Wir geben in Deutschland das Geld für kardiovaskuläre Medizin erst dann aus, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Es wäre gesundheitspolitisch effektiver, die Erkrankung gänzlich zu verhindern, anstatt dann erst zu behandeln, wenn die Erkrankung manifest wird und vielen schon das Leben gekostet hat.“
„Bisherige Bemühungen in Deutschland, kardiovaskuläre Erkrankungen zu vermeiden, sind nicht ausreichend. Das Gesunde-Herz-Gesetz oder die Nationale Herzallianz sind daher elementar, um die Gesundheitspolitik hierzulande nachhaltig zu verbessern. Studien wie die VRONI-Studie oder die ‚Auf-Ziel‘-Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie (DGFL) unterstützen dabei auch die Awareness für kardiovaskuläre Risikofaktoren und sorgen für eine notwendige Sensibilisierung der breiten Bevölkerung. Ein Grundsatz der chinesischen Medizin lautet nicht umsonst: ‚Der gute Arzt verhindert die Erkrankung, der schlechte Arzt behandelt die Erkrankung erst im Endstadium‘.“
Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur am Herzzentrum Leipzig, Universitätsklinikum Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
Einordnung der Studie in das Forschungsfeld
„Diese Arbeit ist von großer Bedeutung, da sie zeigt, dass man mit rund 50 Jahren noch einiges an seinem Lebensstil beziehungsweise in der Prävention auf individuellem Level ändern kann, um damit seine Lebenserwartung relevant zu beeinflussen.“
„Die bedeutendsten beeinflussbaren Risikofaktoren sind das Aufhören des Rauchens und eine optimale Blutdruckeinstellung bei Bluthochdruck. Das hat die Studie überzeugend für eine globale Kohorte von Menschen zeigen können.“
„Insgesamt ist es aber von großer Relevanz, dass Frauen 13,3 Jahre und Männer 10,6 Jahre länger leben, wenn sie mit 50 Jahren keine Risikofaktoren aufweisen.“
Beurteilung der Methodik und Limitationen
„Die Methodik ist sehr robust und durch die große Zahl an eingeschlossenen Personen (mehr als zwei Millionen Menschen) mit langem Follow-Up sehr valide. Wichtig ist auch die Differenzierung zwischen Frauen und Männern.“
„Überraschend erscheint auf den ersten Blick, dass hohe Non-HDL-Cholesterinwerte und der Body-Mass-Index nur einen bedingten Einfluss zu haben scheinen. Hier gibt es U- beziehungsweise J-Kurven, die ein unterschiedliches Risiko für die Entstehung einer kardiovaskulären Erkrankung oder Tod zeigen. Das ist sicherlich schwierig statistisch zu adjustieren.“
Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland
„Man sollte mit dieser Studie neben den globalen Aspekten, die die Studie für alle großen Kontinente zeigt, vor allem Rückschlüssen auf Deutschland ziehen. Hierzulande sind die Hauptrisikofaktoren, die in dieser Studie untersucht wurden – Rauchen, Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und erhöhter Cholesterinwert – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der Bevölkerung deutlich überrepräsentiert. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum Deutschland im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern eine um 1,8 Jahre geringere Lebenserwartung aufweist. Und das, obwohl Deutschland eines der Länder mit den höchsten Gesundheitsausgaben weltweit ist.“
„In Deutschland muss also viel mehr in die individuelle aber auch Verhältnisprävention investiert werden. Der Ansatz des Gesunden-Herz-Gesetzes (GHG) zielte hier in Teilen schon in die richtige Richtung. Was Deutschland aber braucht, ist eine nationale Herz-Kreislauf-Strategie, wofür sich die Nationale Herz-Allianz und ich in meiner derzeitigen Funktion als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie weiterhin einsetzen.“
„Wie zuvor ausgeführt, war der Ansatz mit dem GHG sicherlich ein erster Mosaikbaustein, gesundheitspolitische Maßnahmen mit einem stärkeren Fokus auf der Prävention in Deutschland zu verbessern. Das gilt es jetzt in einen neuen Koalitionsvertrag einer neuen Regierung aufzunehmen und in Richtung einer nationalen Herz-Kreislauf-Strategie mit Fokus auf individuelle Prävention mit Früherkennungsmaßnahmen aber auch struktureller Intervention – wie zum Beispiel einer Erhöhung der Tabaksteuer – zu entwickeln.“
Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen, Deutsches Herzzentrum München
„Die Studie von Magnussen und Kollegen untersucht, wie viele Lebensjahre durch Risikofaktoren verloren gehen. Hierzu wurden über zwei Millionen Menschen für etwa acht Jahre auf allen Kontinenten beobachtet. Konkret wurde bei Menschen im Alter von 50 Jahren zunächst festgestellt, ob sie rauchen oder Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Diabetes mellitus, Unter- oder Übergewicht hatten. Menschen, die alle diese Risikofaktoren aufwiesen, erlitten im Durchschnitt 13,3 Jahre (Frauen) beziehungsweise 10,6 Jahre (Männer) früher eine Herz- oder Kreislauferkrankung. Die Lebenszeit war um 14,5 Jahre (Frauen) beziehungsweise 11,8 Jahre (Männer) kürzer. Wenn es gelang, vier dieser Risikofaktoren im Alter von 50 bis 55 Jahren erfolgreich in den Griff zu bekommen, wurde das bei Frauen mit 5,1 und bei Männern mit 3,1 zusätzlichen Lebensjahren belohnt.“
„Die Studie bestätigt viele vorherige Untersuchungen, die zeigen, dass Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen viele gesunde Lebensjahre rauben. Die Studie ist bemerkenswert wegen ihrer großen Datenbasis, da alle Teilnehmer individuell verfolgt und ausgewertet wurden. So konnte auch der Effekt einer Behandlung der Risikofaktoren bemessen werden. Die Daten belegen in eindrucksvoller Weise, wie wichtig die Prävention ist. Auch mit 50 Jahren ist es nicht zu spät, den Lebensstil zu verbessern und Risikofaktoren zu behandeln. Viele gesunde Lebensjahre sind der Lohn.“
Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Leipzig
Einordnung der Studie in das Forschungsfeld
„Die Studie bestätigt eindrucksvoll die Bedeutung der fünf Risikofaktoren Rauchen, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes mellitus sowie Über- und Untergewicht und ermöglicht folgende Aussagen: Mit einer ganz einfachen Untersuchung im mittleren Lebensalter – 50 Jahre – kann das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall und für Tod jeglicher Ursache vorhergesagt werden. Die fünf Risikofaktoren sind für Frauen sogar noch relevanter als für Männer. Je mehr Risikofaktoren vorliegen, desto größer wird das Risiko – das heißt, die Risikofaktoren verstärken sich gegenseitig. Daher ist jeder der Risikofaktoren individuell wichtig. Eine besonders starke Assoziation zeigt sich für Rauchen und Bluthochdruck. Eine Reduktion dieser Faktoren senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod.“
Beurteilung der Methodik und Limitationen
„Die große Stärke der Studie ist die globale Perspektive unter Verwendung von über zwei Millionen Datensätzen aus der ganzen Welt. Diese stellt gleichzeitig eine gewisse Schwäche dar, da die Daten auf sehr unterschiedliche Weise und unter unterschiedlichen Bedingungen erhoben wurden und die Autoren eine sogenannte ‚Harmonisierung‘ – das heißt mathematische Anpassungen auf dem Boden von Annahmen – durchgeführt haben. Dies könnte erklären, warum die Studie in einem Detail vielen anderen großen Studien widerspricht: In der Studie waren nur circa 50 Prozent des Risikos durch die fünf Risikofaktoren erklärt, während dies in anderen Studien ein deutlich größerer Anteil war. Auch die von anderen Studienergebnissen abweichende relative quantitative Bedeutung der Risikofaktoren untereinander, zum Beispiel Körpergewicht im Vergleich zu Cholesterin, könnte hierdurch erklärt sein. Diese Limitation liegt aber in der Stärke der globalen Betrachtung begründet und schmälert nicht die Kernaussagen der Studie.“
Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland
„Die Ergebnisse unterstreichen nachdrücklich die Ziele der Nationalen Herzkreislaufinitiative und des Entwurfes für ein Gesundes-Herz-Gesetz. Auf der Ebene der individuellen Prävention unterstützen die Daten nachdrücklich die Forderung nach einem Angebot der Untersuchung der Risikofaktoren im frühen Lebensalter für alle Personen.“
„Die Daten unterstützen unter anderem nachdrücklich die dringende Forderung nach politischen Maßnahmen zur Reduktion des Rauchens, insbesondere bei Jugendlichen und im jüngeren Lebensalter.“
„Die folgenden Punkte wurden bereits Ende 2024 im Kabinett beschlossen und in Bundesrat und Bundestag verhandelt, aufgrund des Bruchs der letzten Koalition jedoch nicht weiterverfolgt. Die Vorschläge wurden von der Nationalen Herz-Kreislauf-Initiative ausführlich wissenschaftlich begründet und liegen allen Parteien vor. Es ist sehr zu hoffen, dass diese parteiübergreifenden und wissenschaftlich eindeutigen Maßnahmen Eingang in die aktuellen Koalitionsverhandlungen finden:“
„Eine Verbesserung der Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen, ein Cholesterin-Screening im Kindesalter, eine Gesundheitsuntersuchung in den Altersstufen 25, 40 und 50, die Stärkung von Strukturierten Behandlungsprogrammen, ein neues Disease-Management-Programm für ein hohes Herz-Kreislauf-Risiko, die Verordnungsfähigkeit von Statinen, eine Verbesserung der Tabakentwöhnung und ernährungsspezifische Krankheitsprävention und Beratung zur Prävention und Früherkennung in Apotheken.“
Direktor der Klinik III für Innere Medizin – Allgemeine und interventionelle Kardiologie, Elektrophysiologie, Angiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln
Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland
„Die in dieser Studie untersuchten Risikofaktoren sind nicht nur häufig, sondern auch einfach zu diagnostizieren und effektiv und mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu behandeln.“
„In Deutschland wird eine auf Prävention fokussierte Gesundheitsversorgung bisher aber nur ungenügend umgesetzt: Deutschland hat kein Früherkennungsprogramm der angeborenen Hypercholesterinämie bei Kindern (angeborener erhöhter Cholesterinspiegel; Anm. d. Red.), kein auf Einladung basierendes Präventionsprogramm zur Erkennung von Bluthochdruck, Diabetes oder Niereninsuffizienz und nur ein ungenügendes Raucher-Entwöhnungsprogramm.“
„Hier ist England beispielweise mittlerweile weiter: Im Jahr 2009 wurde ein ‚NHS Health Check‘ eingeführt und es gibt Hinweise für eine Prognoseverbesserung der Teilnehmer dieser Präventionsmaßnahme [4].“
„Da diese Risikofaktoren nicht nur kardiovaskuläre Gesundheit, sondern auch Krebserkrankungen und neurologische Erkrankungen verantworten, sollte ein solcher Ansatz aus gesundheitspolitischer Sicht besonders attraktiv sein.“
„Es bleibt zu hoffen, dass die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums aus der letzten Legislaturperiode seine Fortsetzung mit der neuen Regierungskoalition findet und ein Schwerpunkt auf (kardiovaskuläre) Prävention in Deutschland gelegt wird. Die aktuelle Studie unterstreicht die Bedeutung und mögliche Effektivität einer solchen Initiative eindrucksvoll.“
Außerordentlicher Professor für Kardiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
Einordnung der Studie in das Forschungsfeld
„Die Studie ist tatsächlich eine sogenannte ‚Patient-Level‘-Analyse und daher sehr aussagekräftig hinsichtlich der Interpretation für individuelle Teilnehmer und somit auch für individuelle Personen. In meinen Augen ist die Studie aus einem besonderen Grund relevant: Sie untersucht den Einfluss von ‚modifizierbaren‘ Risikofaktoren auf die Lebenserwartung und zeigt eindrucksvoll, dass eine Blutdruckkontrolle innerhalb von Normwerten und ein Rauch-Stopp auch im Alter von 55 bis 60 Jahren einen bedeutsamen Effekt hinsichtlich ‚gewonnener‘ Lebensjahre nach sich ziehen.“
Beurteilung der Methodik und Limitationen
„Die Methodik der Studie ist State of the Art und die Aussagekraft herausragend. Besonders erwähnenswert sind vier Beobachtungen:
„Ein möglicher ‚Confounder‘ (Störfaktor, der die Ergebnisse einer Studie verzerren kann; Anm. d. Red.) ist sicherlich die körperliche Aktivität (Sport), die sowohl den Blutdruck als auch die Cholesterin-Werte, das Körpergewicht und eventuell einen Diabetes beeinflusst und nachweislich mit einer erhöhten Lebenserwartung einhergeht. Das widerlegt allerdings nicht die Schlussfolgerungen der Studie, die sich nur auf das Vorhandensein der Risikofaktoren bezieht, unabhängig davon, wie diese zu minimieren sind.“
Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland
„Die Konsequenz ist relativ einfach: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Bluthochdruck ist exzellent behandelbar, Rauch-Stopp ist machbar, diagnostizierter Diabetes, eine diagnostizierte Hypercholesterinämie und Übergewicht sind behandelbar.“
„Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) setzt sich seit Jahrzehnten für eine Reduktion dieser fünf Risikofaktoren ein, nicht zuletzt auch durch ein in einigen Bundesländern etabliertes gezieltes Screening für erhöhte Cholesterin-Werte bereits im Kindesalter. Eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit ist zwingend notwendig, die Studie von Christina Magnussen könnte hierfür eine wunderbare Grundlage sein.“
„Die fünf ‚modifizierbaren‘ Risikofaktoren sind nicht nur für 50 Prozent der globalen Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Ereignisse verantwortlich [5], sondern beeinflussen massiv und wie keine andere Erkrankung die Lebenserwartung ab dem 50. Lebensjahr. Diese Tatsache dürfte doch genügend ‚Nahrung‘ bieten für eine überzeugende, die Menschen erreichende Öffentlichkeitsarbeit.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte bezüglich dieser Arbeit anzugeben.“
„Ich habe keine.“
„Keine Interessenkonflikte.“
„Zu dem Thema direkt habe ich keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe in der Vergangenheit Vortrag Honorare von Amgen, Daiichi Sankyo, und Astra erhalten.“
„Ich habe keinen Interessenskonflikt bei der Studie.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Magnussen C et al. (2025): Global effect of cardiovascular risk factors on lifetime estimates. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2415879.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Kronenberg F (2024): Lipoprotein(a): from Causality to Treatment. Curr Atherosclerosis Reports. DOI: 10.1007/s11883-024-01187-6.
[2] Wilkins T et al. (2024): Prediction of Cumulative Exposure to Atherogenic Lipids During Early Adulthood. Journal of the American College of Cardiology. DOI: 10.1016/j.jacc.2024.05.070.
[3] Jasilionis D et al. (2023): The underwhelming German life expectancy. European Journal of Epidemiology. DOI:10.1007/s10654-023-00995-5.
[4] McCracken C et al. (2024): NHS Health Check attendance is associated with reduced multiorgan disease risk: a matched cohort study in the UK Biobank. BMC Medicine. DOI: 10.1186/s12916-023-03187-w.
[5] The Global Cardiovascular Risk Consortium (2023): Global Effect of Modifiable Risk Factors on Cardiovascular Disease and Mortality. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2206916.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Statistisches Bundesamt (30.09.2024): KORREKTUR: Todesursachenstatistik 2023: Zahl der Todesfälle im Jahr 2023 um 3,6 % gesunken. Pressemitteilung.
[II] Science Media Center (2024): „Gesundes-Herz-Gesetz“: Verordnung von Statinen soll erleichtert werden. Statements. Stand: 19.06.2024.
[III] Science Media Center (2023): Auswirkungen der Besteuerung zuckergesüßter Getränke. Statements. Stand: 19.06.2024.
Dr. Katrin Gebauer
Oberärztin der Klinik für Kardiologie I und Leiterin des Zentrums für Prävention von Herz- und Gefäßerkrankungen, Universitätsklinikum Münster
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte bezüglich dieser Arbeit anzugeben.“
Prof. Dr. Oliver Weingärtner
Oberarzt Interventionelle Kardiologie, Angiologie und Lipidologie, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Jena
Prof. Dr. Holger Thiele
Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur am Herzzentrum Leipzig, Universitätsklinikum Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine.“
Prof. Dr. Heribert Schunkert
Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen, Deutsches Herzzentrum München
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Ulrich Laufs
Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Leipzig
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Zu dem Thema direkt habe ich keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Stephan Baldus
Direktor der Klinik III für Innere Medizin – Allgemeine und interventionelle Kardiologie, Elektrophysiologie, Angiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe in der Vergangenheit Vortrag Honorare von Amgen, Daiichi Sankyo, und Astra erhalten.“
Prof. Dr. Andreas Zeiher
Außerordentlicher Professor für Kardiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keinen Interessenskonflikt bei der Studie.“