G7 soll über Waldbrände in Brasilien sprechen
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Waldbrände in Brasilien zu einem G7-Thema in Biarritz gemacht. Es handele sich um eine internationale Krise, weil 20 Prozent des Sauerstoffs aus dem Tropischen Regenwald stamme. Dieser Vorschlag wurde im Vorfeld intensiv diskutiert (auch wurde kritisiert, dass Macron zu dem Tweet ein Bild beifügte, das bereits Jahre alt ist).
Department of Ecological Modelling, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
„In der Trockenzeit (Mai-Oktober) kommen Waldbrände im brasilianischen Regenwald häufiger vor. Allerdings haben laut Satellitenanalysen der Brasilianischen Weltraumagentur (INPE) die Anzahl der Waldbrände in Brasilien in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Verglichen mit dem letzten Jahr hat man für den gleichen Zeitraum 85 Prozent mehr Feuer detektieren können. Die Ursachen dafür können vielfältig sein, sind aber oft durch den Menschen verursacht (Feuer, die durch die Abholzung entstehen oder auch das absichtliche Abbrennen von riesigen Waldflächen um neue Weideflächen zu schaffen). Gerade in der Trockenzeit können sich diese Brände dann unkontrolliert ausbreiten.“
„Eine vollständige Regeneration dieser Waldflächen wird zirka hundert Jahre dauern. Besonders unter dem Einfluss des Klimawandels könnte sich diese Regeneration noch verlangsamen. Die genauen Auswirkungen des Klimawandels sind Gegenstand der Forschung.“
„Die tropischen Wälder sind eines der artenreichsten Ökosysteme unserer Erde. Über die Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten leben dort. Der Amazonas-Regenwald ist der größte intakte Tropenwald mit einem Anteil von ca. 18 Prozent an der globalen Waldfläche [1]. Durch die Brände und Rodungen wären viele Arten bedroht, weil ihnen der Lebensraum weggenommen wird.“
„Regenwälder spielen eine entscheidende Rolle im Wasser- und im Kohlenstoffkreislauf der Erde. Diese Wälder sind bisher eine Kohlenstoffsenke, speichern also mehr Kohlenstoff als sie in die Atmosphäre abgeben. Der Amazonas Regenwald spielt dabei eine wichtige Rolle, da er insgesamt fast 80 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichert. Waldbrände sorgen aber für immense Kohlenstoffemissionen. Werden diese Waldgebiete nicht zeitnah wieder aufgeforstet, dann fehlt auf diesen Flächen das Potenzial, Kohlenstoff zu binden. Es könnte somit in den nächsten Jahrzehnten dazu führen, dass die Wälder von einer Kohlenstoffsenke zu einer Quelle werden. Der Klimawandel könnte diesen Prozess noch beschleunigen.“
„Höhere Kohlenstoffemissionen durch Waldbrände führen zu einem schnelleren Anstieg von CO2 in der Atmosphäre mit weitreichenden Folgen für das Klima auf der Erde, nicht nur in den tropischen Gebieten, sondern auch in Europa. Die Temperaturen würden weiter steigen und Extremereignisse wie Dürren und Hitzewellen würden zunehmen.“
Professor für Welternährungswirtschaft, Georg-August-Universität Göttingen
„Die massiven Brände im Amazonas sind eine Katastrophe für das Weltklima, die Biodiversität und die Luft- und Wasserkreisläufe unserer Erde. Wir müssen mit viel höherer Priorität Mechanismen finden und umsetzen, um den Regenwald zu schützen.“
„Das erfordert politischen Willen, ein breites Verständnis der komplexen Zusammenhänge und Geld. Ernsthafte Konservierungsmaßnahmen gibt es nicht zum Nulltarif, aber die Investitionen lohnen sich, denn die Kosten des Nichtstuns – im Sinne wirtschaftlicher und gesundheitlicher Schäden – werden um ein Vielfaches größer sein.“
„Natürlich hat auch unser Handeln in Deutschland viel mit dem Verlust des Regenwaldes zu tun. Zum Beispiel importieren wir große Mengen Soja als Futtermittel für unsere Rinder und Schweine, und der steigende Sojaanbau trägt in Brasilien mit zur Regenwaldrodung bei.“
„Aber wir sollten uns nicht zu wenig durchdachten ad-hoc Lösungen verleiten lassen. Ein Verbot von Sojaimporten könnte sogar kontraproduktiv sein, weil dann andere Futtermittel benötigt würden, die noch mehr Fläche beanspruchen und zu noch mehr Rodungen führen könnten. Viel zielführender wäre es, unseren Fleischkonsum zu reduzieren, so dass insgesamt weniger Futtermittel benötigt werden.“
„Außerdem sind neue Agrartechnologien ein wichtiger Mechanismus, um mehr auf der vorhandenen Fläche zu ernten und so den Druck auf den Regenwald zu reduzieren. Leider werden in Deutschland Technologien mit großem Potential – wie die Gentechnik und das Genome Editing – fälschlicherweise oft als Teil des Problems statt als Teil der Lösung gesehen. Hier bauchen wir größere gesellschaftliche Offenheit.“
Geographisches Institut, Abteilung Humangeographie, Georg-August-Universität Göttingen
„Die Waldbrände und -rodungen in Amazonien werden zu komplexen ökologischen und sozioökonomischen Veränderungen führen: Die großen negativen Umweltauswirkungen können durch die postulierten positiven ökonomischen Effekte nicht annähernd ausgeglichen werden. Eine potenzielle Verringerung der Armut und ein verbesserter Lebensstandard einer überschaubaren Zahl von Kleinbauern und Landarbeitern stehen zudem Landnutzungskonflikte mit einer industrialisierten Landwirtschaft und den gewinnorientierten Interessen von staatlichen Akteuren, Großgrundbesitzern und transnationalen Unternehmen gegenüber.“
„Obwohl grundsätzliche Gegenüberstellungen von ökologischen und ökonomischen Effekten der Regenwaldrodung wissenschaftlich kaum messbar sind und normativ beziehungsweise ethisch bewertet werden, helfen differenzierte wissenschaftliche Erkenntnisse, solide nachhaltige Landnutzungspolitiken zu entwickeln. Aktuelle Ergebnisse aus bisher sechs Jahren interdisziplinärer Forschung in Sumatra und Indonesien über Landnutzungswandel von Regenwald zu Plantagenprodukten zeigen zwar, dass weitreichende negative Umweltwirkungen mit tendenziell positiven sozioökonomischen Effekten einhergehen. Doch für Amazonien sind diese tendenziell sozioökonomischen Effekte lokal nicht zu erwarten.“
„In Indonesien und Sumatra zeigten sich folgende Auswirkungen:
„Für Amazonien sind vergleichbare negativen Auswirkungen der Umweltprozesse wie in Indonesien zu erwarten, allerdings werden die lokalen sozioökonomischen Effekte deutlich weniger positiv ausfallen als in Sumatra, da die Bevölkerungsdichte geringer und der Einbezug von unabhängigen Kleinbauern in das Plantagenwirtschaftssystem in Brasilien kaum eine Rolle spielt.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Hansen M et al. (2010): Quantification of global gross forest cover loss. PNAS; 107 (19): 8650-8655. DOI:10.1073/pnas.0912668107
Dr. Rico Fischer
Department of Ecological Modelling, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
Prof. Dr. Matin Qaim
Professor für Welternährungswirtschaft, Georg-August-Universität Göttingen
Prof. Dr. Heiko Faust
Geographisches Institut, Abteilung Humangeographie, Georg-August-Universität Göttingen