EU-Klimaziele: Internationale Gutschriften als ein Baustein?
Emissionseinsparungen durch Klimaschutzprojekte außerhalb der EU sollen künftig für Klimaziele angerechnet werden können
Rat und Parlament sprechen sich für einen maximalen Anteil von fünf Prozentpunkten aus, die genaue Ausgestaltung wird zeitnah im Trilog verhandelt
Forschende: Gutschriften sparen oft deutlich weniger Emissionen als angegeben, könnten für die internationale Klimadiplomatie aber hilfreich sein; für Drittstaaten ergeben sich Chancen und Risiken
„Hochwertige internationale CO2-Zertifikate“ sollen im Jahr 2040 einen Teil der vorgeschriebenen Emissionsminderung der EU erfüllen können [I] [II] [III]. Diese internationalen Zertifikate – auch Emissionsgutschriften, ‚carbon credits‘ oder Klimaschutzzertifikate genannt – sollen Emissionen in einem Land außerhalb der EU vermeiden und damit höhere Emissionen innerhalb der EU ausgleichen. Der Kauf der Gutschriften finanziert dann beispielsweise Aufforstung, Waldschutz oder den Ausbau von erneuerbaren Energien. Die eingesparten Emissionen zu berechnen ist jedoch komplex und es wird kritisiert, dass die Gutschriften unrealistisch hohe Vermeidungen versprechen [IV] [V] [VI] [VII].
Die internationalen Klimaschutzzertifikate sind nicht zu verwechseln mit den Emissionszertifikaten, die in den europäischen Emissionshandelssystemen ETS 1 und ETS 2 gehandelt werden oder zukünftig gehandelt werden sollen. In den Emissionshandelssystemen erlaubt jedes Zertifikat den Ausstoß von einer Tonne CO2. Die erlaubte Menge an Emissionen ist gedeckelt und es wird kontrolliert, dass Unternehmen exakt so viele Zertifikate abgeben, wie sie Emissionen verursacht haben. So kann sichergestellt werden, dass die ausgestoßene Menge in den abgedeckten Sektoren den festgelegten Höchstwert nicht überschreitet [VIII]. Eine Gutschrift hingegen repräsentiert eine Tonne vermiedenes CO2 – im Vergleich zu einem fiktiven Alternativszenario. Die Unsicherheiten bei der Wirkung sind bei den Gutschriften also deutlich höher. Inwiefern die Gutschriften zukünftig in die Emissionshandelssysteme integriert werden, ist noch unklar.
Senior Researcher, RFF-CMCC European Institute on Economics and the Environment (EIEE), Mailand, Italien
Qualität der Emissionsgutschriften
„Die tatsächliche Emissionsvermeidung durch Emissionsgutschriften ist mit vielen Risiken und Unsicherheiten behaftet. Es ist sehr schwierig zu beurteilen, ob die Emissionen langfristig vermieden werden und vor allem, ob die Einsparung wirklich ‚zusätzlich‘ war. Insofern ist die von den Gutschriften angegebene Menge sicher nicht exakt und in den meisten Fällen höher als der tatsächliche Einspareffekt.“
„Gutschriften sollten meines Erachtens nur eine absolute Ausnahme in Emissionspreismechanismen darstellen. Die Unsicherheiten sind gerade aus langfristiger Sicht riesig – ich würde schätzen, dass nur etwa 20 bis 50 Prozent der Emissionsreduktionen tatsächlich langfristig effektiv sind. Wenn ein Projekt beispielsweise Gutschriften verkauft, weil es die Abholzung eines Waldes vermeidet und der Wald dann ein paar Jahre später abbrennt, ist die gesamte verkaufte Emissionsvermeidung unwirksam.“
Bisheriger Markt
„Der derzeitige Markt für Emissionsgutschriften ist relativ unübersichtlich, was Plattformen und Zertifizierungen angeht. Firmen stellen die größten Akteure dar und das Volumen an gehandelten Gutschriften ist stark gestiegen. Mittlerweile gibt es auch Nischenmärkte im Bereich CO₂-Abscheidung. Forstbezogene Gutschriften machen aber weiterhin die große Mehrheit aus.“
Einbindung in die EU-Klimaziele
„Wenn die EU im Jahr 2040 fünf Prozent der Minderung über Gutschriften abdeckt, benötigt sie dafür etwa 230 Megatonnen CO2-Gutschriften. Damit ist der jährliche Bedarf allerdings deutlich höher als das bisher weltweit gehandelte Volumen – vor allem, wenn auch andere Länder und Regionen Zertifikate im großen Stil verwenden werden.“
„Das effektiv um fünf Prozentpunkte niedrigere Emissionsziel wird allerdings einen positiven Effekt für Europa haben. Die EU-Klimaziele für 2030 – minus 55 Prozent – und 2050 – Netto-Null – sind bereits festgelegt. Ein Klimaziel von 90 Prozent Minderung bis 2040 würde bedeuten: Minus 35 Prozentpunkte in den zehn Jahren zwischen 2030 und 2040 und minus 10 Prozentpunkte zwischen 2040 und 2050. Das ist eine ungleiche Verteilung der Belastung. Man muss zwar berücksichtigen, dass die Vermeidung von CO2 teurer wird, je näher man der Klimaneutralität kommt. Dass die Vermeidung der letzten zehn Prozentpunkte aber mehr als dreimal so teuer wird wie die Einsparungen zuvor, halte ich für unrealistisch. Eine steilere Einsparung zu späterem Zeitpunkt kann auch deshalb wirtschaftlich günstiger sein, weil die Kosten für neue Technologien im Zeitverlauf sinken. Außerdem spielt die Lebensdauer von Kapitalgütern – wie Heizungen oder Autos – eine Rolle.“
„Verschiedene Modelle versuchen, all diese Faktoren mit einzubeziehen und einen wirtschaftlich und wohlfahrtsökonomisch optimalen Weg zur Klimaneutralität zu berechnen. In einem noch unveröffentlichten EU-Projekt haben wir neun verschiedene Modelle miteinander verglichen und kommen zu dem Ergebnis, dass ein Vermeidungsziel zwischen 83 und 86 Prozent für das Jahr 2040 ökonomisch sinnvoll ist.“
„Auch wenn man davon ausgeht, dass die Emissionsgutschriften die angegebenen Emissionen nicht wirksam vermeiden: Das Ziel, 85 Prozent der Emissionen bis 2040 innerhalb der EU zu reduzieren, ist trotzdem sehr ambitioniert. Netto-Null bis 2050 bleibt damit realistisch.“
Effekte auf Drittstaaten
„Um weltweit möglichst effizient Emissionen zu vermeiden, bräuchte es eigentlich eine globale CO2-Bepreisung mit einheitlichen Preisen pro Tonne. Die EU unternimmt erste Anläufe, ihren CO2-Handel beispielsweise mit China oder Australien abzustimmen. Ein weltweiter Handel zu einheitlichen Preisen ist jedoch utopisch.“
„Je mehr Länder nationale Systeme zur CO2-Bepreisung einführen, desto schwieriger wird es nachzuweisen, dass Klimaschutzprojekte durch den Verkauf von Gutschriften zusätzliche Emissionen einsparen. Der Markt für Emissionsgutschriften ist außerdem derzeit sehr intransparent. Meist gibt es auf der einen Seite eine Nichtregierungsorganisation (NGO) oder eine Unternehmensberatung, die Gutschriften verkauft. Auf der anderen Seite stehen die Projekte, die Maßnahmen zur Emissionsminderung umsetzen. Wie der Profit aufgeteilt wird, ist oft unklar.“
„Bisher liegen die Preise für Emissionsgutschriften meistens zwischen 4 und 20 Dollar pro Tonne eingespartes CO2. Die Preise in den europäischen Emissionshandelssystemen im Jahr 2040 werden hingegen voraussichtlich bei einigen hundert Dollar pro Tonne liegen. Für die Ausgestaltung der zukünftigen Regulierung könnte eine Mindestausschüttung an die Projekte sinnvoll sein, die sich am Marktpreis für die europäischen Emissionszertifikate orientiert.“
Max-Planck-Forschungsgruppenleiter Innovation and Entrepreneurship Research und Net Zero Lab, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München
Qualität der Emissionsgutschriften
„Die EU müsste sicherstellen, dass nur Projekte zertifiziert werden, die ohne den Verkauf von Zertifikaten nicht umgesetzt worden wären. Diese sogenannte Zusätzlichkeit ist in der Praxis jedoch oft nur schwer zu überprüfen, wie die Forschung der vergangenen 20 Jahre zeigt. Unsere Übersichtsstudie zeigt, dass die untersuchten Kompensationsprojekte weniger als 16 Prozent der von Projektentwicklern angegebenen Treibhausgasemissionen tatsächlich eingespart haben [IV]. Projektentwickler nutzen häufig veraltete Berechnungsmethoden, die nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Zudem gibt es systemische Fehlanreize, die zu massiven Überschätzungen der Emissionsminderungen führen. Artikel 6 des Pariser Abkommens bietet zwar grundsätzlich das Potenzial für höhere Standards. Allerdings zeigt sich bereits jetzt, dass diese Standards durch äußeren politischen und wirtschaftlichen Druck zunehmend verwässert werden.“
Unsicherheiten der Emissionseinsparung
„Die Unsicherheiten sind enorm, weil sich das kontrafaktische Szenario nie mit Sicherheit bestimmen lässt. Mehrere Studien zeigen etwa, dass Windkraftprojekte in China auch ohne Zertifikatsverkauf gebaut worden wären. Bei Waldschutzprojekten werden Reduktionen oft gegenüber überhöhten Abholzungsraten berechnet, die ohne das Projekt gar nicht eingetreten wären. Um verlässliche Aussagen treffen zu können, sind häufig sehr projektspezifische Prüfungen erforderlich, die enorme Bürokratie und erheblichen Aufwand nach sich ziehen. Für die Kompensation fossiler Emissionen kommt grundsätzlich nur die permanente CO₂-Entfernung in Frage. Das CO₂ muss in den geologischen Kohlenstoffspeicher zurückgebracht werden. Gängige Projektkategorien wie etwa im Waldbereich kommen dafür nicht in Frage, da sie nur kurzfristige Minderungen erzielen.“
Bisheriger Markt
„Emissionsgutschriften werden derzeit von Privatpersonen, Unternehmen und Staaten gehandelt, wobei Unternehmen aktuell den größten Marktanteil haben. Die bisherigen Erfahrungen sind ernüchternd: Die Evidenz der vergangenen 20 Jahre zeigt eindeutig, dass Klimazertifikate häufig nicht die versprochenen Emissionsminderungen erzielt haben. Unsere große Übersichtsstudie in Nature Communications hat über 2.000 CO₂-Minderungsprojekte ausgewertet [IV]. Die untersuchten Projekte erzielten weniger als 16 Prozent der angegebenen Emissionsreduktionen. Erfahrungen aus der Schweiz – die stark auf Auslandskompensation setzt – zeigen zudem, wie schwierig es ist, gute Auslandsprojekte zu entwickeln: Bis 2030 benötigt die Schweiz rund 34 Millionen Zertifikate, bisher wurden jedoch nur 0,04 Prozent davon beschafft. Es gibt zwar Ansätze für strengere Standards und bessere Überwachung, aber die bisherige Evidenz macht keinen Mut zu Optimismus.“
Einbindung in die EU-Klimaziele
„Die EU-Umweltminister haben vereinbart, dass bis zu fünf Prozentpunkte des 2040er-Klimaziels durch internationale Emissionszertifikate erfüllt werden können. Nach Berechnungen des Öko-Instituts würden sich die zusätzlichen Emissionen zwischen 2036 und 2040 auf 709 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent belaufen [1].“
„Es besteht die Befürchtung, dass diese Zertifikate genutzt werden könnten, um die europäischen Emissionshandelssysteme ETS 1 und ETS 2 zu verwässern. Die Erfahrung aus dem Clean Development Mechanism (CDM) zeigt, dass dies schon einmal geschehen ist: CDM-Zertifikate flossen in das EU-ETS ein und trugen zum Preisverfall bei, bevor sie später ausgeschlossen wurden. Der Druck auf die europäische Wirtschaft zur Transformation würde erheblich abnehmen, wenn zukünftig Gutschriften aus dem außereuropäischen Ausland im ETS 1 oder ETS 2 anerkannt werden würden.“
Effekte auf Drittstaaten
„Für Drittstaaten besteht die Gefahr, dass sie ihre eigenen Klimaziele abschwächen, um mehr Zertifikate ins Ausland verkaufen zu können. Wenn Zertifikate echten Klimaschutz und die Entwicklung neuer Technologien in Europa verschleppen, führt dies letztlich zu stärkeren Klimaschäden im Globalen Süden. Zwar könnten durch den Zertifikatshandel zusätzliche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen im Globalen Süden mobilisiert werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass ein Großteil der Einnahmen in den Globalen Norden zurückfließt, da viele Projektentwickler und Zertifikatsverkäufer dort ansässig sind, insbesondere bei Projekten in Afrika.“
Professor für Ökonomik Nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik und Zentrum für Entwicklungsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Qualität der Emissionsgutschriften
„Emissionsgutschriften haben aktuell keinen guten Ruf. Viele Studien zeigen, dass international gehandelten Kohlenstoffzertifikaten oft deutlich weniger vermiedene Emissionen zugrunde liegen, als sie ausweisen. In der Wissenschaft wird darum die Frage diskutiert, ob es überhaupt technisch und institutionell möglich ist, qualitativ ‚hochwertige‘ CO2-Zertifikate in einem relevanten Umfang zu generieren.“
„Die vorgeschlagenen fünf Prozent aus internationalen Gutschriften entsprechen etwa 230 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das ist etwa das Dreifache der aktuellen Menge an gehandelten Gutschriften auf dem in der Kritik stehenden freiwilligen Markt für Kohlenstoffzertifikate. Insofern erscheint es zunächst vernünftig, dass das EU-Parlament internationale Zertifikate erst ab 2036 und unter Vorbehalt einer Qualitätssicherung in Erwägung zieht.“
Verbesserung der Qualität
„Es gibt zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Qualität solcher Gutschriften [2] [VI]. Bei der Ausgestaltung müssen vor allem die folgenden zwei Hürden überwunden werden.“
„Erstens die korrekte Abschätzung des Vermeidungspotenzials: Die Vermeidung von Emissionen erfordert in der Regel Investitionen, die getätigt werden müssen, bevor Emissionen eingespart werden können. Projektentwickler und Zertifizierer nutzen dafür sogenannte Referenzszenarien mit deren Hilfe das Vermeidungspotenzial geschätzt wird. Hier entsteht Spielraum für Manipulation.“
„Zweitens die Berücksichtigung von Verlagerungseffekten: Vor allem projektbasierte Maßnahmen zur Emissionsvermeidung – zum Beispiel im Bereich vermiedener Entwaldung – bergen das Risiko, dass sich die verursachenden ökonomischen Aktivitäten räumlich in Regionen außerhalb der Projektgebiete verlagern. Im Extremfall kann dies die Projektwirkung neutralisieren.“
„Grundsätzlich sind diese Hürden überwindbar. Robuste Methoden zur nachträglichen Überprüfung von Referenzszenarien existieren und könnten eingesetzt werden, um den Manipulationsspielraum drastisch einzuschränken. Anstelle von Einzelprojekten könnten Portfolios von Projekten oder auch regionale und nationale Initiativen gefördert werden. Diese könnten Ausfallrisiken abfedern beziehungsweise einpreisen und Verlagerungseffekte bei der Berechnung der realen Vermeidungsleistung berücksichtigen. Aktuell fehlt allerdings ein internationaler institutioneller Rahmen, der eine Umsetzung und unabhängige, wissenschaftlich rigorose Überprüfung der Umweltwirkung und Sozialverträglichkeit von Gutschriften in dieser oder ähnlicher Form sicherstellen könnte.“
Einbindung in die EU-Klimaziele
„Lohnt es sich einen solchen institutionellen Rahmen zu schaffen? Dagegen spricht ein klassisches Argument, das auf die Notwendigkeit verweist, Anreize zur Vermeidung von Emissionen in Europa selbst zu schaffen. Mit oder ohne internationale Zertifikate liegt es allerdings in der Hand der europäischen Regulierungsbehörden, dafür zu sorgen, dass der Preis für Treibhausgasemissionen auf EU-Ebene ausreichend Anreize für Investitionen in emissionsarme Technologien und Verhaltensweisen schafft.“
„Der Mehrwert globaler Ausgleichsmechanismen wie einer begrenzten Beimischung mit qualitativ hochwertigen internationalen Zertifikaten liegt darum aus meiner Sicht vor allem in einem Beitrag zur dringend notwendigen Finanzierung von Emissionsvermeidungs- und Naturschutzmaßnahmen in Weltregionen mit geringen Investitionskapazitäten [3] [4]. Ohne entsprechende Finanzierungsmechanismen sind die globalen Klimaziele aus heutiger Sicht schwer erreichbar. Verlorenes Vertrauen in den fehlerhaft ausgestalteten freiwilligen Kohlenstoffmarkt sollte darum nicht zu Verdruss führen, sondern als Ansporn für Neugestaltung dienen.“
Direktor des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
„Ein funktionierender Markt mit internationalen Emissionszertifikaten ist eine Voraussetzung für effiziente, globale Dekarbonisierung und damit für die Erreichung ambitionierter Klimaziele. Sowohl der ‚Paris Agreement Credit Mechanism‘ (PACM) unter Artikel 6.4 als auch bilaterale Absprachen unter Artikel 6.2 bieten dafür einen Rahmen. Dieser ist nun von den handelnden Akteuren so auszugestalten und umzusetzen, dass sich dieser Markt entwickelt und ein ausreichendes Angebot an internationalen Zertifikaten entsteht. Diese Zertifikate werden auch ‚internationally transferred mitigation outcomes‘ (ITMOS) genannt. Wichtig ist, dass diese Zertifikate nicht doppelt angerechnet werden dürfen – in dem Land, in dem die Emissionen vermieden werden und in dem Land, das die Zertifikate kauft. Das soll durch sogenannte ‚corresponding adjustments‘ sichergestellt werden. Außerdem sollen dadurch Emissionen als Defizit auftauchen, wenn vermiedene Emissionen später doch noch entstehen – wie beispielsweise bei dem Brand eines vorher aufgeforsteten Waldes.“
Markthochlauf
„Bislang sind vor allem Südkorea, Singapur, Schweden und Norwegen mit Ankaufverpflichtungen aufgetreten [5]. Durch den Einfluss großer ‚Käufer‘ lassen sich jetzt Standards und Praktiken entwickeln. Diese können zahlreiche Schwächen der ursprünglichen, weniger regulierten Zertifikate – wie sie vor allem im freiwilligen Zertifikatehandel aufgetreten sind – beheben. Der EU kommt dabei als große Nachfragerin nach diesen Zertifikaten eine entscheidende Rolle zu: Sie muss in diesem neuen Markt Standards zu setzen und die Zertifikate so in die europäische Klimapolitik einbinden, dass weiterhin auch in Europa ambitionierte Emissionsminderung die richtigen Anreize hat.“
Emissionsgutschriften in der internationalen Klimadiplomatie
„Es greift zu kurz, wenn man diese Zertifikate allein auf CO2-Tonnen-Basis bewertet, weil sie auch ein wichtiges Element der internationalen Klimadiplomatie sind. Insofern ist es sehr wichtig, dass die EU ihre restriktive Haltung bei diesen Zertifikaten zumindest teilweise aufgegeben hat. Gerade dann, wenn sie weiterhin Instrumente wie den CO2-Grenzausgleich (CBAM) umsetzen will. Dieser soll eine Art CO2-Abgabe auf Produkte erheben, die in die EU importiert werden. In Verbindung mit anderen Anforderungen wie dem Lieferkettengesetz beziehungsweise der Diskussion darum, trägt der CBAM nicht zu der Verbesserung der internationalen Beziehungen bei und könnte dazu führen, dass die Koalitionen der Willigen in der Klimapolitik eher kleiner als größer wird. Das zeigt, das man die Diskussion über die internationalen Zertifikate nicht isoliert führen kann.“
Einbindung in die EU-Klimaziele
„Um die Klimawirkung aus den internationalen Zertifikaten sicherzustellen, gibt es mittlerweile intelligente Möglichkeiten der Anrechnung. Wenn die EU wie andere Länder als zentraler Käufer auftritt, kann sie einerseits Standards beim Angebot setzen. Andererseits kann die EU auch entscheiden, wann und in welchem Umfang sie diese Zertifikate in ihre Emissionshandelssysteme – direkt oder indirekt – integriert. Das kann zum Beispiel geschehen, indem diese Zertifikate zur Befüllung der Marktstabilitätsreserven genutzt werden, wodurch sie erst marktwirksam werden, wenn bestimmte CO2-Preisniveaus erreicht wurden.“
„Risiken, die sich aus Nicht-Permanenz oder Nicht-Zusätzlichkeit ergeben, können im Rahmen eines Zertifikate-Portfoliomanagements gemanagt werden – denn dann werden internationale Emissionszertifikate aus unterschiedlichen Sektoren, Entnahmeprojekten und Regionen angekauft. Idealerweise würde man diese Aufgaben unter dem Mandat einer CO2-Zentralbank in der EU bündeln, aber es gibt natürlich auch weitere Designmöglichkeiten.“
Verwendung der Gutschriften für Methanemissionen
„Darüber hinaus kann man internationale Zertifikate, bei denen man Bedenken bezüglich der Permanenz hat, auch für die Kompensation von Nicht-CO2-Emissionen verwenden, zum Beispiel von Methanemissionen. Methan hat eine kürzere Halbwertszeit in der Atmosphäre als CO2. Wenn man den kurzfristigen, aber sehr starken Temperatureffekt von Methanemissionen kompensieren will, verkürzt man – vereinfacht gesagt – den Zeithorizont. Dadurch passieren zwei Dinge: Man braucht sehr viele CO2-Zertifikate und man bewertet diese CO2-Zertifikate über einen Zeithorizont von nur 20 bis 30 Jahren. Durch die hohe Anzahl der CO2-Zertifikate fallen mögliche Nicht-Permanenzen bei einzelnen Zertifikaten weniger ins Gewicht. Gleichzeitig hat man einen Zeitraum, den man deutlich besser überwachen kann. Entsprechend bietet es sich an, einen Teil der internationalen Zertifikate, bei denen man Bedenken bezüglich der Permanenz hat, für die Kompensation von Methanemissionen in den Sektoren der Effort Sharing Regulation (ESR) einzubringen, die zukünftig nicht unter das Emissionshandelssystem EU ETS2 fallen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Keine Conflicts of Interest.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte. “
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Graichen J et al. (19.11.2025): The EU’s 2040 climate target. Bericht.
[2] Romm J et al. (2025): Are Carbon Offsets Fixable? Annual Review of Environment and Resources. DOI: 10.1146/annurev-environ-112823-064813.
[3] Umweltbundesamt (07.11.2025): Pathways towards convergence: Recommendations from the T1.5 Dialogue on Ambitious Climate Policy between Brazil and Germany. Bericht.
[4] Pande R (2024): Offsets, carbon markets, and climate and economic justice. Science. DOI: 10.1126/science.ads1902.
[5] Hauman H et al. (2025): From Principles to Practice: Operationalization of a Global Carbon Market under Article 6. Bericht.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Europäischer Rat (2025): Rat „Umwelt“, 4./5. November 2025. Webseite. Stand: 20.11.2025.
[II] Europäisches Parlament (13.11.2025): EU-Klimaziel 2040: Abgeordnete wollen 90 % Emissionsreduktion im EU-Klimagesetz. Pressemitteilung.
[III] Europäische Kommission (05.11.2025): Kommission begrüßt Einigung der EU-Staaten auf neue Klimaziele. Pressemitteilung.
[IV] Probst B et al. (2024): Systematic assessment of the achieved emission reductions of carbon crediting projects. Nature Communication. DOI: 10.1038/s41467-024-53645-z.
[V] Science Media Center (2024): Metastudie: Emissionsminderungen aus Klimaschutzprojekten deutlich geringer als angegeben. Statements. Stand: 14.11.2024.
[VI] West TAP et al. (2023): Action needed to make carbon offsets from forest conservation work for climate change mitigation. Science. DOI: 10.1126/science.ade3535.
[VII] Science Media Center (2023): CO2-Kompensation durch Waldschutz hält nicht, was sie verspricht. Statements. Stand: 24.08.2023.
[VIII] Science Media Center (2025): ETS 2: Der geplante EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr. Data & Facts. Stand: 31.10.2025.
Dr. Johannes Emmerling
Senior Researcher, RFF-CMCC European Institute on Economics and the Environment (EIEE), Mailand, Italien
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Dr. Benedict Probst
Max-Planck-Forschungsgruppenleiter Innovation and Entrepreneurship Research und Net Zero Lab, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine Conflicts of Interest.“
Prof. Dr. Jan Börner
Professor für Ökonomik Nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik und Zentrum für Entwicklungsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte. “
Prof. Dr. Wilfried Rickels
Direktor des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“