Auftakt der Dunkelflautensaison: Wie erkennt und beherrscht man sie?
Stromerzeugung aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen soll bis Ende der Woche stark sinken
Dunkelflauten-Niveau könnte erreicht werden und Energiekosten steigen
Forschende: Situation nicht außergewöhnlich, Strompreisspitzen während Dunkelflauten haben wenig Einfluss auf Gesamtstrompreis, sind aber wichtig für Investitionen
Die Dunkelflautensaison steht wieder an. Wie jedes Jahr etwa ab Beginn November können windstillere Phasen auftreten, in denen Windanlagen sehr wenig Strom liefern. Ist dann der Himmel über Deutschland wolkenverhangen, fällt auch die Solarstromproduktion stark ab. Am Wochenende vom 8. bis 9. November könnte so eine Phase eintreten. Nach den aktuellen Vorhersagen für den Strommarkt dürften die Leistungen der beiden fluktuierenden Erneuerbaren Quellen bis Sonntag möglicherweise auf fünf Gigawatt (GW) abfallen [I] [II] [III].
Was eine Dunkelflaute genau ausmacht, ist nicht exakt definiert. In der Wissenschaft versteht man darunter eine Flaute, die viele Tage anhält – bis zu zwei oder drei Wochen – und die sich über mehr als ein Land erstreckt [IV]. Dass solche Flauten auftreten können, wissen Forschende sowie Netz- und Kraftwerksbetreiber seit mehr als einem Jahrzehnt. Fast ebenso lange wird berechnet und diskutiert, wie sich Deutschland auf solche Phasen vorbereiten lässt, damit die Energiewende Erfolg hat. Die Ergebnisse müssten in den kommenden Jahren umgesetzt werden: Derzeit hat Deutschland noch genügend windunabhängige Kraftwerke am Netz, um sich auch in Dunkelflauten mit Strom zu versorgen. Die Kohlekraftwerke sollen aber stillgelegt werden. Gelingt es nicht, diese beispielsweise durch Gaskraftwerke zu ersetzen, die die Erneuerbaren Energien flexibel ergänzen, dann müssten die Kohlekraftwerke wahrscheinlich länger laufen.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe „Prognosen für Energiesysteme“ und Senior Business Developer im Businessfield „Energiemeteorologie und Geoinformationssysteme“, Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), Kassel
„Die Solarprognosen und Windprognosen – jeweils Stromeinspeisung in Deutschland, Stand vom 6.11. beziehungsweise 5.11., – zeigen deutlich eine Windflaute am kommenden Wochenende, 8. und 9.11., sowie eine bis Sonntag abnehmende Solareinstrahlung (siehe Grafik, Quelle: Fraunhofer IEE).“
„Nach dem Wochenende nimmt die Einspeisung aus Wind und Solar aber wieder zu. Es kann daher aktuell noch nicht von einer drohenden Dunkelflaute gesprochen werden.“
Vergleich erwartbare Erzeugung und möglicher Verbrauch
„Am vergangenen Wochenende Anfang November lag die Last zwischen 38 Gigawatt (GW) und 55 GW [3]. Die Last durch Erneuerbare Energien zu decken, wird also am Wochenende nicht möglich sein. Phasen wie die nun kommende sind nach unserer Einschätzung nicht sehr selten, sondern sind erfahrungsgemäß fünf bis zehn Mal jährlich beobachtbar.“
Leiterin der Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Nötiger Ausbau von Flexibilitäten
„Die erwartete Windflaute mit Einspeisungen unter fünf Gigawatt am Wochenende ist kein außergewöhnliches, aber ein gutes Beispiel für die notwendige Systemflexibilität. Kurzfristige Flauten lassen sich im heutigen Stromsystem gut abfedern – durch europäische Stromverbünde, flexible (Reserve-)Kraftwerke, Speicher und ein zunehmend aktives Lastmanagement (Vorübergehendes Senken des Stromverbrauchs (Last), um Anfahren von Reservekraftwerken zu vermeiden; Anm. d. Red.). Selbst bei windarmen Tagen stehen ausreichend Reserven bereit.“
„Mit dem Kohleausstieg wächst jedoch der Bedarf an flexiblen, klimaneutralen Back-up-Kapazitäten: Batteriespeicher, Wärmespeicher, flexible Biogas- und künftig Wasserstoffkraftwerke. Entscheidend ist, dass diese Kapazitäten rechtzeitig aufgebaut, digital vernetzt und marktbasiert angesteuert werden. Für längere Dunkelflauten von ein bis zwei Wochen braucht es ergänzend saisonale Speicher und eine engere europäische Kooperation – keine fossilen Reservekapazitäten, sondern ein intelligentes Zusammenspiel vieler Flexibilitätsbausteine.“
Dunkelflauten und Strompreise
„Die aktuelle Situation zeigt, wie kurzfristige Flauten temporär den Strompreis anheben, weil in windarmen Stunden teure Gas- oder Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen.“
„Kurzfristige Flauten führen oft zu temporären Strompreisspitzen, weil in Zeiten knapper Erzeugung teure konventionelle Kraftwerke zum Einsatz kommen. Diese Preissignale sind systemimmanent und können Anreize für Flexibilität und Speicherinvestitionen setzen. Längere Dunkelflauten von ein bis zwei Wochen wirken stärker auf die Großhandelspreise, doch sie sind selten und kalkulierbar. Langfristig senken erneuerbare Energien insgesamt die Stromkosten, weil sie keine Brennstoffkosten haben – Schwankungen werden durch Speicher, Nachfrageflexibilität und europäische Netze geglättet.“
„Ein kostengünstiges Back-up-System beruht auf Vielfalt: Batterien und Laststeuerung für Stunden, flexible Kraftwerke für Tage, Wasserstoff- und Wärmespeicher für längere Phasen. Je diverser und integrierter das System, desto stabiler und günstiger bleiben Strompreise – auch in Dunkelflauten.“
Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, und Leiter des Energie-Innovationszentrums Cottbus (EIZ)
Dunkelflauten und Strompreise
„Während einer ausgeprägten Dunkelflaute ist die Stromerzeugung von Photovoltaik und Wind extrem niedrig. Dieses extrem niedrige Angebot führt zu Preisspitzen auf dem Großhandelsmarkt für Strom.“
„Die Preisspitzen signalisieren eine Knappheit – ein wichtiges Signal für die Marktakteure: Zum einen werden Investitionen in Erzeugung, insbesondere gesicherte Leistung, wirtschaftlicher, wenn die Preise hoch sind. Zum anderen werden dann auch Investitionen in Flexibilität wirtschaftlicher, dies gilt sowohl für Speicher als auch für Nachfrager. Und schließlich können auch Haushalte profitieren, wenn sie zeitvariable Stromtarife abgeschlossen haben und ihren Strombedarf verschieben. Mit Hilfe von Speichern können Haushalte in der Dunkelflaute sogar Geld verdienen.“
„Preisspitzen während Dunkelflauten sind also ein effizientes Steuerungssignal im Strommarkt, solange der Markt funktioniert und zum Beispiel keine Marktmacht ausgeübt wird.“
Probleme mit Dunkelflauten
„Problematisch können Dunkelflauten werden, wenn der Markt auch beim zulässigen Maximalpreis von 3000 Euro pro Megawattstunde (MWh) nicht mehr ,cleared‘, also auch bei extrem hohen Preisen die Nachfrage noch größer als das Angebot ist. In einem solchen Fall könnten nicht alle Verbraucher beliefert werden und der Strom würde rationiert werden. Dieser Fall ist in Deutschland jedoch noch nie eingetreten – trotz bereits 60 Prozent erneuerbaren Stroms im System.“
„Viel problematischer als vereinzelte Preisspitzen sind die hohen Durchschnittspreise in Deutschland, die ungefähr doppelt so hoch sind wie in wichtigen Wettbewerbsmärkten. Dies ist ein Wettbewerbsnachteil für die Industrie und eine Kostenbelastung für die Haushalte, die die Energiewende zusätzlich aus ihren Steuern finanzieren.“
Juniorprofessur für Energy Market Design, Energiewirtschaftliches Institut, Universität zu Köln
„In Dunkelflauten steigt der Strompreis aufgrund des geringen Stromangebots so stark an, dass sich die Stromerzeugung auch für relativ teure Kraftwerke lohnt. Dabei schwankt der Strompreis auch innerhalb einer Dunkelflaute: Morgens und abends ist er meist besonders hoch, während er nachts wegen der geringeren Last und tagsüber wegen der – wenn auch geringen – Solarstromerzeugung etwas zurückgeht. Dadurch haben Stromspeicher einen Anreiz, nachts und mittags zu laden und morgens und abends zu entladen.“
„Für die Überbrückung von Dunkelflauten ist in der Regel ein Mix aus verschiedenen Technologien kostenoptimal. Gaskraftwerke sind aktuell die günstigste Option, um den durchschnittlichen Energiebedarf in Dunkelflauten zu decken. Zukünftig könnten hier klimafreundlichere Wasserstoffkraftwerke eine Rolle spielen. Pumpspeicherkraftwerke und Batterien hingegen können kurzfristige Bedarfsschwankungen innerhalb von Dunkelflauten kosteneffizient ausgleichen.“
„Zudem können Konsumenten durch Verbrauchsreduktion und die Verschiebung von Verbrauch in Mittag- und Nachtstunden zur Versorgungssicherheit in Dunkelflauten beitragen. Über dynamische oder andere innovative Stromtarife können sie davon auch finanziell profitieren.“
„Keine.“
„Ich bin Professor für Energiewirtschaft und leitet an der BTU in Cottbus das Energie-Innovationszentrum. Nebenamtlich bin ich Partner bei der r2b energy consulting GmbH, sehe darin aber keinen Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Klütz T et al. (2024): Wege zum Netto-Null-Energiesystem: Regionale Lupe auf Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft. Forschungszentrum Jülich. Stand: 12.12.2024.
[2] Klütz T et al. (2024): Europäische Energiewende: Deutschland im Herzen Europas. Forschungszentrum Jülich. Stand: 14.03.2025.
[3] Energy Charts (2025): Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland in Woche 44 2025.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Energie und Management (03.11.25): Meteorologen: Dunkelflaute am 9. November. Marktkommentar.
[II] Energie und Management (04.11.25): Sinkende Erneuerbaren-Einspeisung stützt Strommarkt. Marktkommentar.
[III] : Energie und Management (03.11.25): CO2 bleibt über 80 Euro. Marktkommentar. von Energie & Management Power News.
[IV]: Science Media Center (2025): Wie man Dunkelflauten (im Voraus) erkennt. Statements. Stand: 06.11.2025.
Dr. Rafael Fritz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe „Prognosen für Energiesysteme“ und Senior Business Developer im Businessfield „Energiemeteorologie und Geoinformationssysteme“, Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), Kassel
Prof. Dr. Claudia Kemfert
Leiterin der Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Felix Müsgens
Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, und Leiter des Energie-Innovationszentrums Cottbus (EIZ)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin Professor für Energiewirtschaft und leitet an der BTU in Cottbus das Energie-Innovationszentrum. Nebenamtlich bin ich Partner bei der r2b energy consulting GmbH, sehe darin aber keinen Interessenkonflikt.“
Prof. Dr. Oliver Ruhnau
Juniorprofessur für Energy Market Design, Energiewirtschaftliches Institut, Universität zu Köln
Dr. Jann Weinand
Abteilungsleiter „Integrated Scenarios“, Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“