Alzheimer-Antikörper Donanemab ist klinisch wirksam
vorläufige Phase-III-Studiendaten zum Alzheimer-Antikörper Donanemab zeigen klinische Wirksamkeit
stärkerer Therapieeffekt als bei bereits zugelassenem Antikörper Lecanemab
Fachleute begrüßen die positiven Ergebnisse, weisen aber auf starke Nebenwirkungen hin
Der US-Pharmahersteller Eli Lilly hat heute in einer Pressmitteilung die vorläufigen Phase-III-Studienergebnisse seines Alzheimer-Antikörpers Donanemab veröffentlicht (siehe Primärquelle). Demnach verlangsamte die Therapie die klinische Verschlechterung der Erkrankung um 35 Prozent im Vergleich zur Placebogruppe. Die Patientinnen und Patienten waren außerdem 40 Prozent weniger beeinträchtigt, Aktivitäten des täglichen Lebens durchzuführen. Eine ausführliche Darstellung der Studiendaten in einem wissenschaftlichen Fachjournal mit Peer Review werden in den kommenden Monaten erwartet.
Standortsprecher, Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), München, und Leiter der Abteilung für neurodegenerative Erkrankungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
„Die Ergebnisse der Pressemitteilung zu Donanemab schauen wirklich sehr gut aus. Donanemab ist nun der zweite anti-Aβ-Antikörper, der ganz klar den Gedächtnisverlust verlangsamt.Sicherlich ist mit Blick auf die Nebenwirkungen und eine bessere Wirksamkeit der Therapienoch vieles zu verbessern, aber die Reduzierung von Amyloid ist damit sicherlich der richtige Ansatz, um die Krankheit zumindest zu verlangsamen.Und eines sollte jetzt nun auch endlich mal klar sein, die Amyloid-Hypothese ist keine Hypothese mehr, sondern ein Fakt!“
Leiter der Außenstelle Halle (Saale) für Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig
„Zunächst möchte ich dem Lilly-Team zu den überzeugenden Daten gratulieren. 34 Prozent der Studienteilnehmer zeigten eine signifikante Reduktion der Plaque-Level nach sechs Monaten und 71 Prozent der Teilnehmer erreichten eine signifikante Clearance nach zwölf Monaten Behandlungszeit. 47 Prozent der Studienteilnehmer zeigten keine Abnahme der ,CDR-SB‘, ein Schlüsselmaß für die Schwere der Krankheit nach einem Jahr Behandlung (verglichen mit 29 Prozent der Teilnehmer, die das Placebo erhielten). 52 Prozent der Studienteilnehmer beendeten die Studie nach einem Jahr und 72 Prozent beendeten die Studie nach 18 Monaten mit dem jeweiligen Ergebnis der völligen Plaque-Clearance.“
„Die Teilnehmer, die mit dem Verum behandelt wurden, zeigten eine 40 Prozent geringere Abnahme bei der Fähigkeit, nach 18 Monaten Behandlungszeit Alltagsaufgaben zu erfüllen. Die Teilnehmer, die mit Donanemab behandelt wurden, hatten ein 39 Prozent geringeres Risiko, zum nächsten Stadium der Krankheit fortzuschreiten, verglichen mit den Placebo-Empfängern.“
„In meinen Augen ist das der erste überragende Behandlungserfolg der Alzheimererkrankung mit einem Antikörper und ist dem Produkt von EISEI/Biogen/BioArctic, dem Antikörper Lecanemab, in allen zuvor genannten Parametern weit überlegen. Woher kommen nun die überraschende Potenz und die Leistungsfähigkeit dieses Medikaments? Das Target ist pyroGluAβ, das in den letzten 23 Jahren durch Forscher des deutschen Biotechunternehmens Probiodrug identifiziert und charakterisiert wurde. Es ist verantwortlich für die sogenannte Aggregations-Stimulation, es ist besonders neurotoxisch. Probiodrug, heute Vivoryon, hat selbst ein kleines Molekül, PQ912 (Varoglutamstat) in zwei klinischen Phase-IIb-Studien – in Europa und den USA, die Zwischenergebnisse werden 2023 beziehungsweise 2024 erwartet. Schon die initiale Phase-I-Studie zeigte ähnliche Kognitionsverbesserung in sehr kurzer Zeit.“
„Die Firma hat die bahnbrechenden Ergebnisse in Tierversuchen 2008 und 2012 publiziert [1] [2]. Ursache ist ein Enzym, Glutaminyl-Zyklase, dessen überraschende Fähigkeit, die Position Glu3 des Amyloidpeptids zu pGlu umzuformen, 2004 und 2009 entdeckt wurde [3] [4]. Im Unterschied zu Donanemab und Lecanemab verursacht dieses kleine Molekül keine Hirnschwellungen oder Hirnblutungen. Nichtdestotrotz sind die Lilly-Daten ein faszinierender Proof-of-Concept für diesen Therapieansatz.“
Direktor Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Uniklinik Köln, sowie Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Alzheimerforschung, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
„Es ist eine für die Betroffenen und auch für das Forschungsfeld sehr wichtige Nachricht, dass laut Pressemitteilung Donanemab als weiterer Anti-Amyloid-Antikörper nach Lecanemab Wirksamkeit in einer Phase-III-Studie gezeigt hat. Damit wird dieses Therapieprinzip überzeugend gestärkt und man kann von einem kausalen Behandlungsansatz gegen die Alzheimer-Krankheit ausgehen. Inwiefern sich die einzelnen Antikörper gegen Amyloid in Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen relevant unterscheiden, wird eine genaue Analyse der Studiendaten und hoffentlich der Einsatz in der Versorgung ab dem nächsten Jahr zeigen.“
Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung, Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), Rostock/Greifswald, und Leiter der Sektion für Gerontopsychosomatik und demenzielle Erkrankungen an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universitätsmedizin Rostock
„Die neuen Ergebnisse der TRAILBLAZER-ALZ 2-Studie sind ermutigend, da sie nahelegen, dass die Reduktion der Amyloidbeladung des Gehirns durch den Antikörper Donanemab zu einer in großen Gruppenanalysen messbaren Verlangsamung der kognitiven Verschlechterung bei der Alzheimer-Krankheit beitragen kann. Die Stärke des in der Pressemitteilung zu TRAILBLAZER-ALZ 2 berichteten Effekts ist gut vereinbar mit den Ergebnissen voriger Studien mit den Antikörpern Aducanumab und Lecanemab, aber auch mit den negativen Ergebnissen von Gantenerumab. In der Zusammenschau sprechen alle bisherigen Ergebnisse zwar für einen nachweisbaren, aber geringen Effekt der Amyloid-Antikörper auf die kognitive Leistung über 18 Monate. Für den einzelnen Patienten wird die positive Wirkung nach 18 Monaten kaum spürbar sein, die Hoffnung ist, dass die Effekte über längere Zeiträume anhalten, was bislang aber noch nicht gezeigt wurde. Auf Basis der ermutigenden Ergebnisse zu den Anti-Amyloid-Antikörpern, nun bestätigt für Donanemab, eröffnet sich auch eine Perspektive für zukünftige Kombinationstherapien. TRAILBLAZER-ALZ 2 bietet hier einen interessanten Ansatzpunkt, da erstmalig in dieser Phase-III-Studie der Antikörper nur gegeben wurde, bis Amyloid im Gehirn, gemessen mit Amyloid-PET, auf Normalwerte reduziert war und die Behandlung dann pausiert wurde. Zukünftig könnten in einer solchen Behandlungspause andere Therapieansätze, die zum Beispiel die Amyloidproduktion hemmen, zum Einsatz kommen. Zu beachten ist aber auch, dass angesichts der klinisch bisher geringen Effektstärken, die Nebenwirkungen von Donanemab ebenso wie die von Lecanemab insbesondere bezüglich Hirnschwellungen und Hirnblutungen sehr hoch zu gewichten sind, wenn im Falle einer Zulassung zukünftig im Einzelfall für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden wäre.“
Wissenschaftliche Leiterin, Alzheimer Forschung Initiative e.V., Düsseldorf
„Auch Donanemab ist leider kein Gamechanger für die Betroffenen, aber möglicherweise ein nächster Schritt in die richtige Richtung. Es kann die Alzheimer-Krankheit weder heilen noch stoppen, aber auch wie Lecanemab zumindest den kognitiven Abbau verlangsamen. Im Vergleich zu Lecanemab (27 Prozent) konnte Donanemab (36 Prozent) den kognitiven Abbau etwas stärker verlangsamen, aber dieser Effekt wurde teuer erkauft: Die Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Hirnblutungen (ARIA) waren stärker als bei Lecanemab, und es sind sogar zwei Menschen daran gestorben, möglicherweise sogar ein dritter.“
„Ich bin Berater in der Alzheimer-Forschung von Hoffmann La Roche, Basel.“
„Ich bin Mitgründer der Probiodrug AG. In meinem Institut (Fraunhofer IZI-MWT in Halle) entwickeln wir weitere spezifische Antikörper gegen besonders aggressive Amyloid-beta-Formen und kleine Inhibitoren gegen alternative Beta-Sekretasen.“
„Honorare für Beratung und Vorträge von 2021-2022: AC Immune, Biogen, Eisai, Janssen, Roche. Industrieberatung und Drittmittel von Lilly, Novartis. Roche, MSD, Nutricia.“
„Ich war Mitglied von Advisory Boards für die Firmen Roche, Biogen, Eisai und Grifols und bin Mitglied des Independent Data Safety Monitoring Boards der Studie ENVISION (Biogen).“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Eli Lilly (03.05.2023): Lilly's Donanemab Significantly Slowed Cognitive and Functional Decline in Phase 3 Study of Early Alzheimer's Disease. Pressemitteilung des Unternehmens.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Schilling S et al. (2008): Glutaminyl cyclase inhibition attenuates pyroglutamate Abeta and Alzheimer's disease-like pathology. Nature Medicine. DOI: 10.1038/nm.1872.
[2] Nussbaum JN et al. (2012): Prion-like behaviour and tau-dependent cytotoxicity of pyroglutamylated amyloid-β. Nature. DOI: 10.1038/nature11060.
[3] Schilling S et al. (2004): Glutaminyl cyclases unfold glutamyl cyclase activity under mild acid conditions. Febs Letters. DOI: 10.1016/S0014-5793(04)00300-X.
[4] Seifert F et al. (2009): Glutaminyl cyclases display significant catalytic proficiency for glutamyl substrates. Biochemistry. DOI: 10.1021/bi9018835.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] FDA (06.01.2023): FDA Grants Accelerated Approval for Alzheimer’s Disease Treatment. Pressemitteilung der Behörde.
[II] Science Media Center (2022): Lecanemab bei Alzheimer im Frühstadium. Research in Context. Stand: 30.11.2022.
Prof. Dr. Christian Haass
Standortsprecher, Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), München, und Leiter der Abteilung für neurodegenerative Erkrankungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth
Leiter der Außenstelle Halle (Saale) für Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig
Prof. Dr. Frank Jessen
Direktor Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Uniklinik Köln, sowie Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Alzheimerforschung, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Prof. Dr. Stefan Teipel
Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung, Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), Rostock/Greifswald, und Leiter der Sektion für Gerontopsychosomatik und demenzielle Erkrankungen an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universitätsmedizin Rostock
Dr. Linda Thienpont
Wissenschaftliche Leiterin, Alzheimer Forschung Initiative e.V., Düsseldorf