Wie sollten die Gaspreise an die Haushalte weitergegeben werden?
Mit einer Umlage von 1,5 bis 5 Cent [I] pro Kilowattstunde plant die Bundesregierung ab Oktober die gestiegenen Gaspreise teilweise an Haushalte und Unternehmen weiterzugeben [II]. Gleichzeitig sollen mit verschiedenen Maßnahmen wie einem höheren Wohngeld und einem ausgeweiteten Miet-Kündigungsschutz Belastungen für Gasverbraucher abgefedert werden [III]. Die genaue Höhe der Umlage soll im August festgelegt werden und die gestiegenen Gaskosten der Gasimporteure decken. Bisher waren die meisten Verbraucher und Verbraucherinnen wegen ihrer langfristigen Gasverträge vor den aktuellen Preissteigerungen geschützt. Gasimporteure wie Uniper, das durch eine staatliche Finanzspritze gerettet werden muss, blieben zunächst auf den Kosten sitzen.
Abteilungsleiterin in der Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
„Die Umlage geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Wir benötigen die Preissignale, um Gas einzusparen. So schnell wie möglich. Das Gassparen ist das Gebot der Stunde. Wichtig wäre, dass die Preissignale so schnell wie möglich bei den Kunden ankommen. Neben Preissignalen sind aber ebenso Maßnahmen zur Förderung des Gassparens wichtig, beispielsweise Prämien für Haushalte, wenn sie Gas einsparen. Richtig sind auch die geplanten Auktionen, bei denen Unternehmen sich bewerben, um Gas einzusparen, und dann entschädigt zu werden. Das ist genau der richtige Schritt. Diese Auktionen sollten möglichst sofort kommen.“
„Das Sparen ist das Gebot der Stunde, deswegen sind Preissignale durchaus sinnvoll. Einkommensschwachen Haushalten sollte man zielgerichtet helfen, damit sie ihre Gasheizungs-Rechnung bezahlen können. So oder so ist es bitter, wir zahlen den Preis der verschleppten Energiewende. Wir hätten uns nicht zu sehr auf fossiles Erdgas verlassen dürfen, schon gar nicht auf die Lieferungen aus Russland. Es ist unglaublich bitter, dass wir diese hohen Preise nun bezahlen müssen. Es ist der Preis der verschleppten Energiewende und der Preis des russischen Kriegs.“
„Ich halte einen Gaspreis-Deckel für falsch, da wir Marktsignale benötigen, um Gas einzusparen. Wir sollten Kosten deckeln, nicht Preise. Die Kosten können nur gesenkt werden, wenn der Verbrauch sinkt, zudem muss man auf der Einkommensseite helfen. Dies bedeutet: zielgerichtet den Menschen bei der Begleichung der Rechnung zu helfen. Die bestehenden Gaspreise sind ein Marktsignal, um Gas einzusparen. Deswegen ist es wichtig, dass man diese auch an die Kunden weitergibt. Ein Gaspreis-Deckel kann auch zu Versorgungsengpässen führen, weil dann zu viel Gas nachgefragt wird, wir aber eigentlich Gas sparen müssten. Es droht so eine Angebotsunterdeckung und eine ernste Gaskrise.“
Professor of Governance of Digitalisation and Energy Policy, Hertie School, Berlin und Research Fellow am Mercator Institute on Global Commons and Climate Change, Berlin und Geschäftsführer der Beratungsfirma Neon, Berlin
„Bei der Umlage stellen sich zwei Fragen: Zum einen: Welche gesellschaftliche Gruppe soll die Rettung von Uniper bezahlen? Wenn dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist – weil Uniper systemrelevant ist – sollte auch die ganze Gesellschaft diese finanzieren und nicht nur die Gasverbraucher. Dann wäre eine Steuerfinanzierung angemessen. Andererseits haben die Gasverbraucher die letzten Jahre und Jahrzehnte von günstigem russischem Gas profitiert, so dass einiges dafür spricht, dass nun Gasverbraucher die Scherben aufkehren sollten, die der russische Gaslieferstopp verursacht. Das spricht für eine Umlage auf den Gasverbrauch, so wie beschlossen.“
„Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Wenn die Gasumlage das Gas so weit verteuert, dass es teurer wird als Strom, dann werden Menschen anfangen, mit Strom zu heizen, um Geld zu sparen – mit Elektroradiatoren, zur Not aber auch mit dem Backofen. Dann würde das Stromnetz sehr schnell vor Überlastung zusammenbrechen. Aus der Gaskrise würde dann schnell eine waschechte Stromkrise. Das müssen wir unter allen Umständen verhindern. Deswegen müssen wir neben dem Gaspreis auch immer den Strompreis im Auge behalten.“
„Wir müssen die Menschen in der Energiekrise entlasten. Und zwar vor allem diejenigen, die mit Gas heizen. Eine Subvention von Benzin oder eine Erhöhung der Pendlerpauschale hilft den wirklich Betroffenen nicht und geht zudem in die falsche Richtung, weil der Energieverbrauch angeheizt wird. Auch die Entlastung der Gasverbraucher darf nicht dazu führen, dass die Menschen mehr Gas verbrennen. Deswegen ist eine Direktzahlung sehr viel sinnvoller als eine Senkung des Gaspreises. Ein höheres Wohngeld ist aus meiner Sicht nicht ausreichend, weil es ja nur Wohngeldempfänger bekommen.“
„Grundsätzlich soll die Gasumlage nicht zum Energiesparen anregen, sondern ist dazu da, die Uniper-Rettung zu finanzieren. Reichen die Einnahmen dafür, ist die Umlage nicht zu gering.“
Keine Angaben erhalten.
Ich berate das Bundeswirtschaftsministerium in verschiedenen Vorhaben, darunter zum EU-Strommarktdesign. Eine Liste anderer Auftraggeber finden Sie hier.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Tagesschau (28.07.2022): „Gasumlage wohl ab Oktober bis 2024“.
[II] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (28.07.2022): „Gas-Umlage: Ressortabstimmung zur Konkretisierung der § 26 EnSiG-Umlage eingeleitet“.
[III] Bundesfinanzministerium (22.07.2022): „Bundesregierung verständigt sich auf finanzielle Unterstützung für Uniper und kündigt weitere Entlastungen an“. Pressemitteilung.
[IV] Bauer et al. (29.07.2022): „Die wichtigsten Daten zur Energieversorgung – täglich aktualisiert“. Zeit Online.
Prof. Dr. Claudia Kemfert
Abteilungsleiterin in der Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Prof. Dr. Lion Hirth
Professor of Governance of Digitalisation and Energy Policy, Hertie School, Berlin und Research Fellow am Mercator Institute on Global Commons and Climate Change, Berlin und Geschäftsführer der Beratungsfirma Neon, Berlin