Intervallfasten im Langzeittest
Intervallfasten gilt seit einigen Jahren als eine effektive Methode zur dauerhaften Gewichtsreduktion mit gleichzeitiger Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes, wird aber aufgrund der fehlenden Studien zu möglichen Langzeitrisiken immer wieder kritisch betrachtet. Wissenschaftler von der Universität in Graz haben nun in einer klinischen Studie mit normalgewichtigen Erwachsenen die Auswirkungen des Intervallfastens über einen Zeitraum von vier Wochen und sechs Monat intensiv analysiert. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie im Fachjournal „Cell Metabolism“ (siehe Primärquelle).
Leiter der Arbeitsgruppe der Ernährungsepidemiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg
„Alternierendes Fasten (ADF), bei dem tageweise abwechselnd gefastet und ohne Einschränkungen gegessen wurde, führte bei 30 gesunden Erwachsenen über vier Wochen zur Kalorienreduktion. Diese Kalorienreduktion war, wie zu erwarten, mit einem Gewichtsverlust und der Verbesserung von Stoffwechselparametern verbunden. Unter den gesunden Studienteilnehmern traten keine nennenswerten Nebenwirkungen auf. Ein direkter Vergleich mit einer herkömmlichen Kalorienreduktion fehlte, sodass keine Aussagen dazu getroffen werden können, ob das ADF besser ist als herkömmliche Methoden der Kalorienreduktion.“
Auf die Frage, inwiefern das alternierende Fasten für therapeutische Zwecke eingesetzt werden könnte:
„Dazu fehlen belastbare Studien. Für übergewichtige Nicht-Diabetiker scheint ADF auf mittlere Sicht nicht durchzuhalten zu sein [1], wobei es unter diesen Personen für einen kurzfristigen Gewichtsverlust dienen könnte. Es werden allerdings dauerhaftere Strategien benötigt, um das mit ADF verlorene Gewicht zu halten. Bei AF besteht die Gefahr eines JoJo-Effekts nach sechs Monaten [1]. Als Therapiekonzept für sonstige Patienten ist ADF bis jetzt nicht zu empfehlen, da Daten zur Verträglichkeit und zum mittelfristigen Nutzen fehlen.“
„Es gibt bis jetzt keine Hinweise darauf, dass Intervallfasten Vorteile gegenüber der herkömmlichen, täglichen Kalorienreduktion hat. Eine exzellente, randomisierte und tatsächlich kontrollierte Studie aus den USA über ein Jahr zeigte, dass AF für Übergewichtige auf mittlere Sicht mehrheitlich nicht durchzuhalten ist [1]. Auch das mildere 5:2 Intervallfasten scheint unter Übergewichtigen mehrheitlich nur für einige Wochen durchzuhalten zu sein [2].“
Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften, Universität Wien, Österreich
„Die Ergebnisse der vorliegenden Publikation sind grundsätzlich interessant. Es gibt aus meiner Sicht aber eine Einschränkung hinsichtlich der erhobenen Ergebnisse: Die Autoren postulieren einen besonderen Effekt des alternierenden Fastens, der bedingt durch das Studiendesign nicht spezifisch auf das alternierende Fasten zurückgeführt werden kann. Als Kontrollgruppe wurde eine Gruppe gewählt, die ihr bisheriges Ernährungsverhalten beibehalten hat, während die Fastengruppe (ADF) ihre Energiezufuhr reduziert hat (einmal um 37,4 Prozent in der Gruppe mit Kurzzeiteffekt, vier Wochen ADF; und einmal um 28,6 Prozent in der Gruppe mit Langzeiteffekt, sechs Monate ADF). Nachdem die Kontrollgruppe aber keine andere Form des Fastens und damit der Kalorienreduktion durchgeführt hat, sind die ermittelten Effekte nicht auf die spezifische Form der Energiereduktion in Form von alternierendem Fasten zurückzuführen, sondern auf die Energiereduktion als solche. Es war zu erwarten, dass eine Energiereduktion einige positive gesundheitliche Effekte zur Folge hat. Ob diese Effekte allerdings durch alternierendes Fasten verursacht wurden, lässt sich auf Basis des Studiendesigns nicht sagen – hierzu wäre eine Kontrollgruppe erforderlich gewesen, die mit einer anderen Form des Fastens ein ähnliches Ausmaß an Energiereduktion erreicht, wie die Gruppe mit alternierendem Fasten.“
„Im Sinne des oben Gesagten kann alternierendes Fasten für therapeutische Zwecke nicht positiv oder negativ bewertet werden, lediglich eine Kalorienreduktion kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse als positiv bewertet werden, wobei diese Erkenntnisse allerdings nicht besonders überraschend sind. Es muss allerdings auch bemerkt werden, dass die Zahl der Probanden relativ klein war (wie von den Autoren auch erwähnt), aber auch, dass die Energieaufnahme einerseits insgesamt auf eher niedrigem Niveau zu liegen scheint (etwa 1700 Kilokalorien pro Tag bei beiden Studienarmen) und andererseits der Fettanteil der Körperzusammensetzung mit 30 Prozent eher hoch ist.“
„Grundsätzlich halte ich eine Ernährung, die zu einer Kalorienreduktion führt, in entsprechenden Fällen für empfehlenswert, wobei allerdings selbstverständlich die individuelle Situation zu berücksichtigen ist und dies unter ärztlicher Kontrolle erfolgen sollte. Wie eine Kalorienreduktion so zu erreichen ist, dass diese auch langfristig durchführbar ist und zu einer nachhaltigen Reduktion des Körpergewichtes beziehungsweise zu einer Verringerung des Körperfettanteiles führt, ist sehr schwer allgemein zu beantworten. Letztlich hängt das von der individuellen Situation ab, daher gibt es meiner Ansicht nach derzeit keine allgemeine Empfehlung für eine bestimmte Form des Fastens beziehungsweise der Energiereduktion.“
Studienarzt in der Abteilung Klinische Ernährung, Außenstandort Berlin, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke
„Die Arbeit von Madeo et al. kombiniert eine Beobachtungsstudie (ADF über sechs Monate bei 30 Probanden, die bereits ADF praktizieren) und eine RCT (randomisiert-kontrollierte Studie; Anm. d. Red.) (ADF oder Kontrolldiät über vier Wochen bei jeweils 30 Probanden, die vorher kein ADF praktiziert haben). Beobachtungsstudien lassen meist Fragen offen, weil Veränderungen der Messwerte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein können, die sich gegenseitig bedingen – wie Bewegung, Nahrungsmittel, Mahlzeitenfrequenz. RCT sind dem überlegen, weil sich diese Faktoren meist auf die Zufallsgruppen gleichverteilen. RCT sind aber deutlich aufwendiger und teurer. In der Arbeit von Madeo et al. wurde als RCT kein günstiger Vergleich gewählt: ADF-Probanden nahmen gezielt ab, Kontrollprobanden sollten das Gewicht halten. Unterschiede zwischen den Gruppen können daher auf den unterschiedlichen Gewichtsverlauf (‚weniger essen‘) zurückzuführen sein oder das spezielle Modell des ADF (‚nur jeden zweiten Tag nichts essen‘). Sinnvoller wäre ein Vergleich zu kontinuierlicher Kalorienreduktion gewesen (‚regelmäßig weniger essen‘), dann hätten beide Gruppen gleich viel abgenommen und nur die Mahlzeitenfolge wäre unterschiedlich. Die Arbeit belegt also nicht die Überlegenheit von ADF, sondern von Kalorienreduktion (mit ADF). Das ist seit Jahrzehnten bekanntes Wissen.“
„Die Arbeitsgruppe hat zahlreiche teure, komplexe Blutwerte gemessen (Plasma-Metabolom und Omics der PBMC-Proteine (Proteine aus einkernigen Zellen des Blutes, wie beispielsweise Zellen des Immunsystems; Anm. d. Red.), bei einem guten Studiendesign wären diese Messungen interessant gewesen. In diesem Design aber sind die mechanistischen Ableitungen nicht valide, weil zwei Faktoren parallel verglichen wurden (ADF und Kalorienreduktion versus kontinuierlichem Kalorienerhalt).“
„Angaben zur Kohortenstruktur (Altersmittel, Geschlechterverteilung, basale Stoffwechsellage) sind nur im nicht vorhandenen Supplement ersichtlich und somit nicht beurteilbar. Meist sind solche Studien frauenlastig, das schränkt die Aussagekraft ein. In dieser Studie waren alle Probanden gesund und nicht adipös, metabolische Effekte sind dann oftmals kaum zu erwarten, weil die ‚Fallhöhe‘ zu niedrig ist. Dennoch zeigt das Paper Effekte auf verschiedene Messwerte, was prinzipiell für die Wirksamkeit der Intervention spricht. Man müsste aber für die Vielzahl der getesteten Variablen statistisch korrigieren (multiples Testen), das ist unterblieben und birgt das Risiko, dass der Nutzen überschätzt wird, weil Zufallsergebnisse enthalten sind.“
„Die Datenqualität ist zudem fraglich. Beide Gruppen enthalten zum Beispiel je einen Probanden mit 30.000 bis 50.000 Kilokalorien wöchentlicher Energieaufnahme, das ist das Drei- bis Vierfache des Normalen. So jemand ist entweder Hochleistungssportler (und nicht repräsentativ) oder die Erhebung ist fehlerhaft (Abbildung 2A). Fehlerhaft ist auch Tabelle 1: Die jeweiligen Baseline- und Follow-up-Werte ergeben in beiden Gruppen nicht die angegebenen Änderungen (Delta), das sind zwar wahrscheinlich nur statistische Fehler der Darstellung (das heißt die p-Werte stimmen wahrscheinlich), aber hätte im Review-Prozess auffallen müssen. Aussagen zum Langzeitrisiko werden nur aus Surrogatwerten (Blutdruck) und Scores (FRS (Framingham Risk Score, 10-Jahres-Risiko für eine koronaren Herzkrankheit bei Personen mit unterschiedlichen Kombinationen von Risikofaktoren; Anm. d. Red.)) abgeleitet, da die Studiendauer von vier Wochen viel zu kurz für eigentliche Endpunkt-Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, Tod) ist. Dabei gibt es nicht einmal signifikante Unterschiede zwischen ADF und Kontrolle, sondern nur eine isolierte signifikante Veränderung in der ADF-Gruppe. Das ist statistisch viel weniger wert. Die einzigen Unterschiede zwischen ADF und Kontrolle liegen bei Körpergewicht, Fettmasse und Herzfrequenz und das hängt allein mit dem Ausmaß der Kalorienreduktion zusammen. Anstieg von Triiodthyronin, Ketonkörpern et cetera findet man auch bei anderen Diätformen, das ist kein Spezifikum des ADF oder Intervallfasten. Ein statistisch ähnlicher günstiger Effekt der Kontrolldiät auf die Granulocytenzahl (Entzündungszellen; Diagramm 3-O) wird im Text unterschlagen. Behauptet wird auch, die Knochendichte reduziere sich unter ADF nicht. Das stimmt bei prozentualer Betrachtung (Abbildung 3I), bei absoluter Betrachtung (Tabelle 1) gibt es aber einen signifikanten Verlust bei ADF.“
„Die kleine Gruppengröße, unvermeidliche Unschärfen von Ernährungsprotokollen, die kurze Interventionsdauer, die Beschränkung auf gesunde, mittelalte Probanden und die Limitationen der Beobachtungsgruppe sind bereits von den Autoren als Fehlerquellen benannt worden.“
„Zu Varianten des Intervallfastens (IF) gibt es bereits mehr als zehn RCT, alle relativ klein, vorwiegend weibliche Kohorten, die in der Gesamtheit keinen Vorteil für IF zeigen – weder bei der Gewichtsentwicklung noch bei metabolischen Parametern. Vergleichsgruppe ist dort immer kontinuierliche Kalorienreduktion.“
„Das Paper von Madeo et al. geht somit methodisch ungünstiger vor (Vergleich gegen Kalorienerhalt statt kontinuierlicher Reduktion) als bisherige RCT. Die Fülle der Messwerte wiegt diesen Nachteil nicht auf. Das Paper ist kein Beleg für die Überlegenheit von ADF. Es ist überraschend, dass das Paper mit diesem Ansatz und dieser Datenqualität in dieses hochrangige Journal gelangt ist.“
„Es braucht mehr Studien zum Thema, die Intervallfasten präziser definieren (ADF / 16:8 / 5:2 (6 Stunden fasten, 8 Stunden essen am Tag oder zwei von fünf Tagen in der Woche fasten; Anm. d. Red.)) und dies in ausreichend großen Kohorten gegen kontinuierliche Diät vergleichen, allerdings nicht bei gesunden, schlanken Menschen, sondern bei Personen mit metabolischem Risiko.“
„Es gibt gegenwärtig keinen überzeugenden Beleg des medizinischen Nutzens von IF oder ADF beim Menschen. Zahlreiche Tierstudien an Würmern und Mäusen zeigen dramatische Effekte auf die Lebensdauer und metabolische Prozesse; diese Befunde sind am Menschen bislang nicht reproduziert (zu wenige, zu kleine Studien). Die gegenwärtige Studie liefert keinerlei verwertbare neue Erkenntnisse dazu.“
„Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, ADF oder andere Varianten des IF zu empfehlen. Nach aktuellem Wissensstand sind sie – soweit untersucht – beim Menschen gleichwertig bis unterlegen im Vergleich zu normaler kontinuierlicher Kalorienreduktion. Die Datenlage ist sehr schwach und lässt weder IF im Ganzen noch ein bestimmtes IF-Verfahren (ADF, 16:8, 5:2) als besonders vorteilhaft erscheinen. Insbesondere für Menschen mit schweren Begleiterkrankungen (Krebs, Herzleiden, Lungenerkrankungen et cetera) sind Risiken dieser (und anderer) Diäten nicht beurteilbar. Jede Form der Ernährungsumstellung sollte nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt und unter Kontrolle erfolgen.“
„Ich habe keine Interessenskonflikte. Ich war Studienleiter einer durch die Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Studie zum 5:2 Intervallfasten [2]. Ich bin Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Dort bin ich derzeit in der Arbeitsgruppe zur Leitlinie ‚Protein‘ als Experte engagiert, habe aber keine sonstige Funktion. Meine persönlichen Einschätzungen zum Intervallfasten sind nicht notwendigerweise die der DGE. Ich bin Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Dort bin stellvertretender Sprecher der Fachgruppe Ernährung. Meine persönlichen Einschätzungen zum Intervallfasten sind nicht notwendigerweise die der DGEpi.“
Dr. Stefan Kabisch: „Meine Forschungsprojekte werden vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) aus BMBF-Geldern finanziert. Für einzelne Studien haben wir studienbezogene Unterstützung von J. Rettenmaier & Söhne, Rosenberg (Ballaststoffe), der California Walnut Commission (Walnüsse), Beneo (Isomaltulose) und vom Institut für Getreideverarbeitung Nuthetal (IGV) erhalten. Persönliche Zuwendungen (Einladungen zu Konferenzen) habe ich von Lilly Deutschland und Sanofi erhalten.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Stekovic S et al. (2019): Alternate Day Fasting improves physiological and molecular markers of aging in healthy, non-obese humans. Cell Metabolism;30: 1-15. DOI: 10.1016/j.cmet.2019.07.016.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Trepanowski JF et al. (2017): Effect of Alternate-Day Fasting on Weight Loss, Weight Maintenance, and Cardioprotection Among Metabolically Healthy Obese Adults: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med; 177 (7): 930-938. DOI: 10.1001/jamainternmed.2017.0936.
[2] Schübel R et al. (2018): Effects of intermittent and continuous calorie restriction on body weight and metabolism over 50 wk: a randomized controlled trial. Am J Clin Nutr; 108 (5): 933-945. DOI: 10.1093/ajcn/nqy196.
Dr. Tilman Kühn
Leiter der Arbeitsgruppe der Ernährungsepidemiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg
Prof. Dr. Jürgen König
Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften, Universität Wien, Österreich
Dr. Stefan Kabisch
Studienarzt in der Abteilung Klinische Ernährung, Außenstandort Berlin, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke