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17.01.2018

Klimasensitivität möglichweise geringer als bisher angenommen

Die Klimasensitivität ECS der Erdatmosphäre könnte geringer sein als in den IPCC-Berichten bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen Cox et al. in ihrer Studie, die am 17.01.2018 in Nature veröffentlicht wurde.

Die Gleichgewichts-Klimasensitivität ECS gibt an, wie sehr sich die Erde als Reaktion auf eine erhöhte CO2-Konzentration langfristig erwärmen wird. Sie betrachtet dabei die Erwärmung, die bei einer Verdopplung der vorindustriellen atmosphärischen CO2-Konzentration von 280 ppm auf dann 560 ppm zu beobachten wäre. Es gibt zahlreiche Publikationen zu diesem Thema und in den letzten IPCC-Berichten wird die ECS mit 1,5 °C bis 4,5 °C angegeben. Die aktuelle Studie von Cox et al. bestimmt die Klimasensitivität auf 2,8 °C und schränkt den Unsicherheitsbereich auf 2,2 °C bis 3,4°C ein. Die Autoren schließen somit die höchsten angenommenen Temperaturerhöhungen aus, betonen aber dennoch, dass die künftigen CO2-Emissionen massiv eingeschränkt werden müssen.

 

Übersicht

  • Prof. PhD Andreas Schmittner, Professor am College of Earth, Ocean and Atmospheric Sciences, Oregon State University, Corvallis, USA
  • Dr. Joeri Rogelj, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Energie, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich
  • Prof. Dr. Gabriele Hegerl, Professorin für Climate System Science, Forschungsgruppe, Atmospheric Chemistry and Climate of the Anthropocene, School of Geosciences, University of Edinburgh, UK
  • Prof. Dr. Martin Riese, Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung (IEK-7), Bereich Stratosphäre, Forschungszentrum Jülich (FZJ)
  • Dr. Michael Ponater, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Erdsystem-Modellierung, Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Oberpfaffenhofen
  • Dr. Thorsten Mauritsen, Leiter der Arbeitsgruppe Klimadynamik, Abteilung Atmosphäre im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg
  • Dr. Hans Schipper, Institut für Meteorologie und Klimaforschung Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldhafen
  • Prof. Dr. Stefan Rahmstorf, Professor im Fach Physik der Ozeane, Leiter des Forschungsbereiches Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Statements

Prof. PhD Andreas Schmittner

Professor am College of Earth, Ocean and Atmospheric Sciences, Oregon State University, Corvallis, USA

„Cox et al. benutzen nicht langfristige Klimaänderungen, sondern kurzfristige Fluktuationen von Jahr zu Jahr, um die Klimasensibilität ECS abzuschätzen. Das ist neu und bemerkenswert. Die Autoren erweitern mit ihrer Arbeit auch das theoretische Verständnis der Klimaforschung, indem sie einen Zusammenhang zwischen kurzfristigen Klimafluktuationen und der langfristigen Klimaänderung herstellen. Ich denke, dass wir diese neue Abschätzung ernst nehmen sollten, inklusive der verringerten Unsicherheit. Die verringerte Unsicherheit erscheint plausibel. Sie stimmt prinzipiell mit unserer Arbeit [1] überein, in der wir Paläoklimadaten benutzten, um die Klimasensibilität abzuschätzen. Allerdings sollte man vorsichtig sein und nicht nur aufgrund einer einzelnen Studie die ECS-Abschätzungen des IPCC-Klimarates über Bord werfen. Die IPCC-Abschätzungen basieren auf einer großen Zahl von Veröffentlichungen. Zukünftige IPCC-Abschätzungen sollten jedoch diese neuen Ergebnisse berücksichtigen. Das könnte eine Abwärtskorrektur für die ECS und deren Unsicherheit bewirken.“

„Die aktuell diskutierten Szenarien gehen von einer Klimasensibilität ECS von etwa 3°C aus. Das bedeutet, dass die Mittelwerte der Prognosen sich nur leicht nach unten verschieben würden, falls Cox et al. Recht haben. Einen größeren Einfluss hätten die Ergebnisse von Cox et al. allerdings auf die Wahrscheinlichkeit starker Klimaänderungen, welche sich entscheidend verringern würde.“

„Die Studie lässt die ehrgeizigen Klimaziele des Paris Abkommens greifbarer erscheinen.“

Dr. Joeri Rogelj

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm Energie, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich

„Es gibt zahlreiche Studien zur Abschätzung der Klimaselektivität ECS, die die Fragestellung mit ganz unterschiedlichen Methoden angehen. Diese neue Studie kombiniert eine theoretische Verknüpfung zwischen der Variabilität der globalen Mitteltemperatur und der Klimasensitivität ECS mit Modellprojektionen und Beobachtungen historischer Temperaturen. Andere Studien verwenden ausschließlich Daten aus Beobachtungen, Modellprojektionen in die Zukunft oder Modellvariationen.“

„IPCC-Berichte stützen sich für ihre Abschätzung der Klimasensitivität ECS immer auf die Kombination der verfügbaren Literatur. Das bedeutet, dass auch die Ergebnisse und Belege der aktuellen Studie in den umfangreichen Satz von Studien zum Thema ECS aufgenommen werden. Da verschiedene Methoden unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen, würde die Verwendung einer einzigen Studie nicht die robusteste Bewertung der Klimasensitivität ECS liefern.”

„Die aktuelle Studie sieht einen engeren Temperaturbereich als die vollständige Unsicherheitsbewertung des IPCC. Das ist jedoch nicht verwunderlich. Basierend auf den gleichen Modelldaten fanden frühere Studien bereits einen mittleren ECS-Wert von 3,2°C, mit einem 90%igen Unsicherheitsbereich von ± 1,3°C [2].“

„Die größte Beschränkung der aktuellen Studie besteht darin, dass sie ihre Spanne für die Klimasensitivität ECS aus einem ‚ensemble of opportunity’ ableiten - das heißt, aus einer Reihe von Modellsimulationen, die nicht explizit so konzipiert wurden, dass sie den gesamten Bereich abdecken. Eine Analogie wäre, 50 Kinder zu bitten, ein Stück Obst mit in die Schule zu bringen. Am nächsten Tag haben Sie vielleicht einige Informationen über die Verbreitung und Vielfalt der Früchte, die die Kinder bevorzugen. Aber trotzdem wird diese Auswahl wahrscheinlich nicht alle Früchte der Welt umfassen.”

Auf die Frage, inwiefern sich eine ermittelte Klimasensitivität ECS von 2,8°C die aktuell diskutierten Szenarien für den Klimawandel ändern würde:
„Nicht großartig. Die Klimasensitivität ECS ist kein Parameter in den modernsten und komplexesten Klimamodellen. Sie ist vielmehr eine emergente Eigenschaft aufgrund des Zusammenspiels der verschiedenen Mechanismen im Erdsystem. In einfachen Klimamodellen wird ECS als Parameter verwendet. Dort werden die gebräuchlichsten Verteilungen aus den bewerteten Intervallen des IPCC abgeleitet [3]. Eine zusätzliche Studie ändert nichts an unserem Verständnis des gesamten Literaturbestandes, insbesondere nicht in Anbetracht ihrer Einschränkungen.“

„Aus dieser Studie lassen sich keine großen Veränderungen für die internationale Klimapolitik ableiten. Diese verfolgt derzeit bereits den Weg der Fünf-Jahres-Zyklen, in denen die Fortschritte bei der Begrenzung der Erwärmung auf deutlich unter 2°C und potenziell 1,5°C nach dem Stand der Wissenschaft bewertet werden. Diese Studie unterstreicht vor allem die Bedeutung dieses Prozesses. Wenn überhaupt, könnte diese Studie darauf hindeuten, dass sehr hohe ECS-Werte weniger wahrscheinlich sind und dass die Erwärmung am sehr hohen Ende der Verteilung geringer ausfallen könnte. Das ist eine gute Nachricht und diese neue Information ist als zusätzliche Evidenz für die ECS wichtig. Aber angesichts der Tatsache, dass sich der mittlere Wert kaum von den früheren Einschätzungen unterscheidet – und die internationale Klimapolitik konzentriert sich eher auf den mittleren Wert als auf die Extreme – wird diese Information nicht zu einem Erdrutsch in den internationalen Klimaverhandlungen führen.“

Prof. Dr. Gabriele Hegerl

Professorin für Climate System Science, Forschungsgruppe, Atmospheric Chemistry and Climate of the Anthropocene, School of Geosciences, University of Edinburgh, UK

„Ich möchte gern betonen, dass das Entscheidende für Klimaentscheidungen der Bereich ist, in dem die Klimasensitivität eingeschätzt wird - das wichtige Resultat ist also, dass die Autoren schätzen, dass die Sensitivität zwischen etwas über 2°C und deutlich unter 4°C liegt. Was genau als ‚best guess' herauskommt, schwankt immer sehr stark mit Details der Daten, dem Zeitraum, der verwendet wird etc. Ich würde dem Wert 2.8°C nicht zu viel Bedeutung als Zahl zuordnen."

„Sehr schön an der Studie ist, dass die alte Idee aufgegriffen wird, dass Klimavariabilität und Sensitivität physikalisch zusammenhängen. Die Autoren schauen dann, welche Modelle eine realistische Variabilität haben und wie sensitiv solche Modelle denn sind. Das wurde schon des Öfteren probiert, aber noch nicht wirklich erfolgreich.“

„In der Tat findet die Studie eine geringere Spannbreite für die Sensitivität als das IPCC. Man muss natürlich bedenken, dass die IPCC-Abschätzung sehr vorsichtig weitere Unsicherheiten mit abschätzt – auch solche, die in individuellen Studien nicht berücksichtigt werden konnten. Also kann man die beiden Resultate nicht wirklich vergleichen - die neue Studie ist eine interessante neue Abschätzung. Im Gegensatz dazu gibt das IPCC eine Expertenmeinung wieder, die auf einer großen Zahl von Studien beruht und abzuschätzen versucht, wieweit weitere Unsicherheiten das Ergebnis noch unsicherer machen könnten. In der aktuellen Studie könnte es zum Beispiel sein, dass nicht alle Mechanismen von Variabilität in Modellen realistisch sind. Manche haben sehr viel Variabilität über Land und nicht ausreichend oder zumindest eher weniger über dem Ozean. Das könnte man sich noch genauer anschauen.“

„Insgesamt aber stimme ich mit der Studie überein, dass eine sehr hohe und sehr niedrige Sensitivität weniger wahrscheinlich ist – auch aufgrund neuerer Arbeiten, zum Beispiel dieser sehr schönen Arbeit.“

„Das wichtigste Ergebnis ist, dass die wirklich hohen Sensitivitäten weniger wahrscheinlich sind. Für solch hohe Sensitivitäten wäre es fast unmöglich gewesen, die Klimaänderung unter 2°C und noch mehr unter 1.5 °C relativ zum vorindustriellen Klima zu halten.“

„Aus dieser Studie lassen sich eher keine Veränderungen für die internationale Klimapolitik ableiten. Die Studie stärkt die Notwendigkeit zu handeln, wenn man die stärkeren Klimafolgen ausschließen will. Einfach, weil die Studie die Wahrscheinlichkeit weiter verringert, dass die Klimaänderung eher klein ausfällt. Und sie zeigt, dass eine sehr große Sensitivität auch nicht so sehr wahrscheinlich ist. Das ist beruhigend, weil es bei sehr großer Sensitivität wohl sehr schwierig wäre, die Klimaänderung vernünftig zu begrenzen und auch die möglichen Klimafolgen in dem Fall (noch) katastrophaler sein könnten, wenn es nicht gelingt, die Emissionen schnell genug zu begrenzen und zu beenden. Also, die Studie stärkt der Klimapolitik den Rücken.“

Prof. Dr. Martin Riese

Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung (IEK-7), Bereich Stratosphäre, Forschungszentrum Jülich (FZJ)

„Die Klimasensitivität ist eine der wichtigsten Unbekannten in der Klimaforschung. Üblicherweise wird diese durch die Erderwärmung bei Verdopplung der Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Erdatmosphäre beschrieben. Bei ausschließlicher Betrachtung der Strahlungswirkung von CO2 ergibt sich eine Klimasensitivität von etwa 1,2 °C. Die Verstärkung durch Rückkopplungseffekte – beispielsweise von Wasserdampf und Wolken oder den Eisalbedo-Effekt – stellt eine der Hauptunsicherheiten in der Klimamodellierung dar.“

„Laut IPCC-Report liegt der wahrscheinlichste Wert der Klimasensitivität bei etwa 3 °C. Der Unsicherheitsbereich von 1,5 °C und 4,5 °C ist aber sehr groß. Dies liegt daran, dass Modelle die historischen Datenreihen der global gemittelten Oberflächentemperaturen zufriedenstellend wiedergeben, egal ob ihre Klimasensitivität am unteren oder oberen Rand dieses Bereichs liegt. Hingegen ergeben sich bei Projektionen des zukünftigen Klimas deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Klimasensitivität der jeweiligen Modelle.“

„Die Autoren der neuen Studie zeigen nun, dass sich durch einen Vergleich der zeitlichen Variabilität der Beobachtungsdaten mit den Ergebnissen entsprechender Klimasimulationen der Unsicherheitsbereich der realen Klimasensitivität deutlich einschränken lässt. Die mittlere Schätzung ihrer Studie liegt bei 2,8 °C. Dieser Wert unterscheidet sich nicht signifikant von 3 °C, dem laut IPCC wahrscheinlichsten Wert. Das unterstreicht, dass die Annahmen, auf denen die internationale Klimapolitik beruht, auf einer soliden Basis stehen. Darüber hinaus konnte der Unsicherheitsbereich mit einer 66-prozentigen Konfidenzgrenze auf 2,2 °C bis 3,4 °C eingeschränkt werden. Dies ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früher abgeschätzten Bereichen.“

Dr. Michael Ponater

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Erdsystem-Modellierung, Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Oberpfaffenhofen

„Die Gleichgewichts-Klimasensitivität ECS ist ein vereinfachtes Maß für die Sensitivität des Klimasystems gegen externe Störungen und gilt strikt nur für den speziellen Fall einer CO2-Verdopplung. Diese strikte Definition dient vor allem dazu, einen wohldefinierten Test zur Bewertung der unterschiedlichen Ergebnisse unterschiedlicher Klimamodelle zu erhalten. Es ist aber natürlich wünschenswert, auch einen Vergleichswert für die ECS des wirklichen Klimasystems zu besitzen, auch wenn dort niemals nur ein Antrieb – eben durch CO2 – wirkt. Für solche Versuche gibt es mehrere mögliche konzeptionelle Ansätze.“

„Die Schwankungsbreite der möglichen ECS-Werte ist leider über die Jahre hinweg nicht wesentlich geringer geworden. In dem vorliegenden Paper wird ein neuer Ansatz getestet, der das 66-prozentige Konfidenzintervall etwas zu vermindern scheint. Der Mittelwert oder Median der statistischen Verteilung (2,8 °C) ist aber nicht wesentlich von den bisher propagierten oder verwendeten Werten verschieden. Wohl deswegen wird in den Schlussfolgerungen des Papers vor allem darauf abgehoben, dass durch das nach der neuen Methodik bestimmte Konfidenzintervall die IPCC-Extremwerte – vor allem das Maximum von 4,5 °C – deutlich unwahrscheinlicher geworden sind. Von einer ‚sehr viel präziseren Aussage’ kann nicht gesprochen werden.“

„Jedes Klimamodell besitzt im Sinne meiner Ausführungen oben seine charakteristische ECS. Klimamodelle mit hoher ECS werden für den gleichen CO2-Anstieg einen größeren Temperaturanstieg voraussagen als Klimamodelle mit niedrigerer ECS. Das gilt nicht notwendigerweise auch für die Beiträge der nicht-CO2-Strahlungsantriebe zur gesamten anthropogenen Erwärmung. Klimamodelle, deren ECS aus dem – jetzt engeren – Konfidenzintervall für die ECS des wirklichen Klimasystems herausfallen, werden natürlich bezüglich ihrer Verwendbarkeit für Bewertungsstudien skeptisch zu betrachten sein.“

„Die Emissionsszenarien sind durch den Wert des ECS nicht tangiert. Ein geringeres mittleres – oder sonst wie angenommenes – ECS bedeutet aber, dass für das gleiche Emissionsszenario eine geringere Erwärmung auf allen Zeitskalen zu erwarten ist. Oder umgekehrt ausgedrückt: Wenn man sich ein festes Temperaturziel setzt – zum Beispiel 2 °C –, sind bei einer geringeren ECS des Klimasystems geringere Anstrengungen bei der Minderung der strahlungsrelevanten Emissionen notwendig.“

„Aus meiner Sicht lassen sich aus dieser Studie eindeutig keine großen Veränderungen für die internationale Klimapolitik ableiten. Die Abweichungen von den bisherigen Abschätzungen sind dafür zu gering. Aber selbst wenn dies anders wäre: Die Empfehlungen der Wissenschaftsgemeinde für die Klimapolitik werden kaum jemals durch eine einzige neue Studie grundlegend verändert werden können. Das neue Wissen muss erst konsolidiert werden, da neuere Ergebnisse nicht notwendigerweise richtigere Ergebnisse sein müssen. Der Konsolidierungsprozess erfolgt in den organisierten internationalen Vergleichs- und Bewertungsstudien; am wesentlichsten also durch den IPCC-Prozess und die begleitenden Aktivitäten wie CMIP (CMIP: Coupled Model Intercomparison Project; internationales Projekt zum Vergleich von Klimamodellen; Anm. d. Red.) usw.“

Dr. Thorsten Mauritsen

Leiter der Arbeitsgruppe Klimadynamik, Abteilung Atmosphäre im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg

„Diese Studie baut auf der 40 Jahre alten Idee des Deutschen Klaus Hasselmann – Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg – auf, dass die natürliche Variabilität des Klimasystems mit der langfristigen Klimasensitivität (ECS) zusammenhängt [4]: Je empfindlicher das Klima für CO2 ist, desto länger dauert es, bis die globalen Temperaturen von ungewöhnlichen Bedingungen oder natürlichen Schwankungen zurückkehren (große Autokorrelation der natürlichen Variabilität). Peter Cox und die Co-Autoren leiten eine Beziehung zwischen Autokorrelation in natürlicher Variabilität und Klimasensitivität in Klimamodellen ab und nutzen diese Beziehung, um die Klimasensitivität der Erde durch Beobachtungen einzuschränken.“

„Die angewandte Methode ist neu und die Robustheit der Ergebnisse muss nun von unabhängigen Wissenschaftlern untersucht werden. Im Moment ist es für mich schwierig, mir vorzustellen, wie die beste ECS-Schätzung von Cox et al. wesentlich verzerrt sein könnte – um mehr als 10 bis 20 Prozent – aber die Unsicherheit könnte größer sein als angegeben.“

„Bezüglich der ECS-Schätzungen in den IPCC-Berichten müssen diese Bewertungen alle Studien berücksichtigen, bekannte und auch die ‚unknown unknowns’ (Also auch zu berücksichtigen, dass man nicht alles wissen kann; Anm. d. Red.). Ich bezweifle daher, dass der nächste IPCC-Bericht eine so enge Schätzung liefern wird, wie sie von Cox et al. gefunden wurde, auch wenn die Studie wahrscheinlich geringe Auswirkungen auf die bewertete Spanne haben wird.“

„Der Einfluss eines ECS von 2,8 °C auf die Klimamodellprojektionen des zukünftigen Klimawandels wird relativ gering sein. Betrachtet man Projektions-Szenarien für das Jahr 2100, so wird als Faustregel bis dahin etwa die Hälfte der Veränderung der ECS als Veränderung der globalen Mitteltemperatur realisiert, da die Ozeane die Erwärmung vorübergehend dämpfen, indem sie den größten Teil der überschüssigen Wärme aufnehmen. Wenn Klimamodelle einen durchschnittlichen ECS-Wert von 3,4 °C haben, führt diese neue beste Schätzung von 2,8 °C zu einer Verringerung der prognostizierten globalen Erwärmung um etwa 10 Prozent bis zum Jahr 2100.“

„Auf kürzeren Zeitskalen – in den nächsten Jahrzehnten – wird es keine wesentliche Veränderung geben, da hier der größte Teil des Klimawandels durch menschliche Emissionen von Klimaschadstoffen (CO2, CH4, Aerosole etc.) und natürliche Schwankungen bestimmt wird.“

„Aus dieser Studie lassen sich keine großen Veränderungen für die internationale Klimapolitik ableiten.“

Dr. Hans Schipper

Institut für Meteorologie und Klimaforschung Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen

„Die Klimasensitivität ECS ist ein wichtiges Instrument bei der Abschätzung der Bandbreite zukünftiger Klimaänderungen. Abhängig von den verwendeten Annahmen, ist die Bandbreite größer oder kleiner. Wichtig in diesem Zusammenhang ist nicht nur die obere Grenze, die das extremste Szenario zeigt, sondern ebenso die untere Grenze. Letztere zeigt die Änderungen, die mit einer 66 prozentigen Wahrscheinlichkeit mindestens auftreten werden. Eine Anhebung dieser Grenze lässt die Erwartungen an eine Abbremsung des Klimawandels deutlich verringern. Wenn die untere Grenze, wie in der Studie erwähnt, tatsächlich bei 2,2 °C anstatt 1,5 °C liegen sollte, bedeutet dies, dass es deutlich schwieriger wird, das weltweite Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Und damit zeigt es der internationalen wie auch der nationalen Klimapolitik, dass das Fenster zum Handeln kleiner ist als bisher angenommen und eine zügige Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen eine hohe Priorität haben muss.“

Prof. Dr. Stefan Rahmstorf

Professor im Fach Physik der Ozeane, Leiter des Forschungsbereiches Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

„Die Arbeit von Cox et al. liefert eine neue Abschätzung der Klimasensitivität, die angibt, wie empfindlich die globale Temperatur auf eine CO2-Verdopplung in der Atmosphäre reagiert. Diese Klimasensitivität wurde zuerst im Jahr 1896 vom schwedischen späteren Nobelpreisträger Svante Arrhenius berechnet. Mit dem damaligen Wissen kam er auf 4 °C bis 6 °C. Heute wissen wir, dass die Klimasensitivität wahrscheinlich zwischen 2 °C und 4 °C liegt, am wahrscheinlichsten nahe an 3 °C. Dieser Wert wird durch Cox et al. erneut mit einer neuen, unabhängigen Methode bestätigt.“

„Es gibt eine Vielzahl von Studien, die mit unterschiedlichen Methoden die Klimasensitivität bestimmen. Man kann dazu zum Beispiel die Erfahrung mit natürlichen Klimaveränderungen der Erdgeschichte nutzen. Je stärker das Klima früher auf Veränderungen in der Energiebilanz unserer Erde reagiert hat – zum Beispiel in den Eiszeiten –, desto stärker wird es auch auf die neue, vom Menschen verursachte Störung reagieren. Wir haben auf dieser Basis schon 2006 die Klimasensitivität auf 1,2 °C bis 4,3 °C abgeschätzt [5]. Eine neuere Übersichtsarbeit in Nature [6], ebenfalls mit Beteiligung des PIK, kam auf Basis paläoklimatischer Daten aus verschiedenen erdgeschichtlichen Epochen auf eine Spanne von 2,2 °C bis 4,8 °C [Video: 7].“

„Verschiedene Studien haben verschiedene methodische Vor- und Nachteile, und die rein formal-statistische Abschätzung der Unsicherheit einer Methode ergibt noch nicht deren vollständige Unsicherheit. Den Optimismus von Cox et al., dass ihr neues Verfahren die Unsicherheit verringert, teile ich nicht. Kurzfristige Temperaturschwankungen von Jahr zu Jahr eignen sich grundsätzlich weniger gut, um die langfristige Gleichgewichtsreaktion des Klimas zu bestimmen, als Daten über längerfristige Temperaturveränderungen der Vergangenheit.“

„Die Berichte des Weltklimarats IPCC bieten eine zusammenfassende Gewichtung der zahlreichen verfügbaren Studien – daraus leitet der IPCC die wahrscheinliche Gesamtunsicherheit ab. Die neue Studie stärkt die Folgerungen des IPCC, indem mit einer neuen, unabhängigen Methodik ein weiteres Mal bestätigt wird, dass die Klimasensitivität am wahrscheinlichsten um die 3 °C liegt, wie es bereits seit den 1970er Jahren bekannt ist [8]. Ich gehe nicht davon aus, dass sich an der Einschätzung des IPCC durch diese neue Studie etwas ändert – ebenso wenig wie durch andere neuere Studien, die eher zu hohen Werten der Klimasensitivität tendiert haben [9]. Diese jüngeren Studien streuen – wie die älteren – um den mittleren Wert von 3 °C herum und überlappen weitgehend mit der seit Langem bekannten Spanne.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Cox P M et al. (2018) : Emergent constraint on equilibrium climate sensitivity from global temperature variability. Nature. 553, 319322. DOI: 10.1038/nature25450.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Schmittner A et al. (2011): Climate Sensitivity Estimated From Temperature Reconstructions of the Last Glacial Maximum. Science, 334, 1385-1388, doi: 10.1126/science.1203513.

[2] Flato, G et al (2013): Evaluation of Climate Models. In Stocker T F et al. (2013): Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA: Cambridge University Press, 741-866.

[3] Rogelj J et al (2012): Global warming under old and new scenarios using IPCC climate sensitivity range estimates. Nature Clim. Change, 2(4):248-253. DOI: 10.1038/nclimate1385

[4] Hasselmann K (1976): Stochastic climate models. Tellus, 6, 473-485, 1976.

[5] Schneider T et al. (2006): Climate sensitivity estimated from ensemble simulations of glacial climate. Climate Dynamics. Vol. 27, Issue 2-3 (149-163). DOI: doi.org/10.1007/s00382-006-0126-8

[6] Rohling et al. (2012): Making sense of palaeoclimate sensitivity. Nature. Vol. 491 (683-691. DOI: doi:10.1038/nature11574

[7] Ganopolski A.: Climate Sensitivity - what is it and why is it important to know?. Video auf der Webseite des PIK Potsdam.

[8] Charney J G et al. (1979): Carbon Dioxide and Climate: A Scientific Assessment. („Charney-Report“). National Research Council.

[9] Friedrich T et al. (2016): Nonlinear climate sensitivity and its implications for future greenhouse warming. Science Advances. Vol. 2, no. 11. DOI: 10.1126/sciadv.1501923

Weitere Recherchequellen

Knutti R. et al. (2017) : Beyond equilibrium climate sensitivity. Nature Geoscience 10, 727–736. DOI: 10.1038/ngeo3017.

Am 31.01.2018 erschienen in Nature vier Diskussionbeiträge, die die hier kommentierte Studie von Cox et al. thematisieren; einer ist von den Autoren als Reaktion auf die Kritik: