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14.02.2017

Neue Definition für Grüne Gentechnik wegen CRISPR-Cas, TALEN und Co.?

Was ist eine „gentechnisch veränderte Pflanze“? Und wie sollte dieser Begriff – angesichts der Entwicklung von „Neuen Züchtungstechniken“ („New Breeding Technologies“) wie CRISPR-Cas und TALEN in Deutschland und in der Europäischen Union eventuell neu definiert und reguliert werden? Zu diesen Fragen fand am 14.02.2017 ein Symposium in Berlin statt, veranstaltet von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Deutschen Ethikrat. Im Vorfeld der Veranstaltung haben das Science Media Center Germany und die Leopoldina Wissenschaftler und andere Experten um ein Statement gebeten.Ergänzend dazu möchten wir gerne auf das Fact Sheet „CRISPR-Cas9 als revolutionäre Methode des Genome Editing“ hinweisen, welches das SMC bereits zu diesem Thema erstellt hat.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Detlef Bartsch, Leiter der Abteilung Gentechnik, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig
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  • Prof. Dr. Katja Becker, Leiterin der Arbeitsgruppe Biochemie und Molekularbiologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, sowie Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
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  • Prof. Dr. Inge Broer, Professorin für Agrobiotechnologie und Begleitforschung zur Bio- und Gentechnologie, Universität Rostock, Rostock
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  • Dr. Margret Engelhard, Leiterin des Fachgebietes Bewertung gentechnisch-veränderter Organismen/Gentechnikgesetz, Bundesamt für Naturschutz, Bonn
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  • PD Dr. Matthias Fladung, Leiter des Arbeitsbereiches Genomforschung und Stellvertretender Institutsleiter, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig
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  • Dr. Jürgen Hampel, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart, Stuttgart
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  • Dr. Frank Hartung, Wissenschaftler am Institut für die Sicherheit der biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen, JKI Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Berlin
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  • Dr. Angelika Hilbeck, Wissenschaftlerin am Institut für Integrative Biologie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich (Schweiz), und Vorsitzende des European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER)
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  • Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang, Professor für Technikphilosophie am Institut für Philosophie, Technische Universität Dresden, Dresden
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  • Jens Kahrmann, Stabsstelle Juristische Angelegenheiten der Gentechnik, Abteilung Gentechnik, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig
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  • Dr. Caspar Langenbach, Leiter der Arbeitsgruppe Agbiotech, Institut für Pflanzenphysiologie, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Aachen
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  • Prof. Dr. Urs Niggli, Direktor, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick (Schweiz)
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  • Prof. Dr. Holger Puchta, Geschäftsführender Direktor des Botanischen Instituts und Inhaber des Lehrstuhls Molekularbiologie und Biochemie der Pflanzen, KIT Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
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  • Prof. Dr. Matin Qaim, Professor für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen
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  • Prof. em. Dr. Joachim Schiemann, Ehemaliger Leiter des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen, JKI Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Berlin
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  • Dr. Sebastian Schornack, Forschungsgruppenleiter am Sainsbury Laboratory, University of Cambridge, Cambridge (UK)
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  • Dr. Jakob Schweizer, Projektmanager beim Forschungsnetzwerk MaxSynBio, Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg
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  • PhD Ricarda A. Steinbrecher, Mitgeschäftsführerin, EcoNexus, Oxford (UK)
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  • Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Stroebe, Professor der Sozialpsychologie, Universität Groningen, Groningen (Niederlande)
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  • Prof. Dr. Dr. h. c. Detlef Weigel, Direktor, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen
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Statements

Prof. Dr. Detlef Bartsch

Leiter der Abteilung Gentechnik, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig

„Man muss stets Rechtsbegriffe von Fachbegriffen unterscheiden. Nach dem biologischen Sprachgebrauch ist eine Pflanze, die durch eine natürliche Mutation entstanden ist, ganz klar genetisch verändert.“

„Im Rechtssinne liegt eine genetisch veränderte Pflanze jedoch nur dann vor, wenn ihr Erbgut so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist. Das heißt: Eine Mutation im Erbgut, die genauso auch natürlich entstehen könnte, führt nicht zu einer genetisch veränderten Pflanze im Rechtssinne – selbst wenn diese Mutation künstlich erzeugt wurde wie durch den Einsatz von Genome Editing-Verfahren. Das ist aus molekularbiologischer Sicht nur konsequent, denn eine Mutation ist eine Mutation: Wie sie verursacht wurde, spielt für den Organismus überhaupt keine Rolle.“

„Ich denke, dass Wissenschaftler und Pflanzenzüchter dieser Auslegung der geltenden Gentechnik-Definition durchaus zustimmen können. Und die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten es auch. Dafür müsste sich lediglich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Verwendung von Genome Editing zur gezielten Erzeugung von Mutationen nicht mehr ist, als eine Abkürzung im Prozess der Pflanzenzüchtung. Was mit Mutationen durch Genome Editing erzielt werden kann, könnte der Züchter meist auch mit Hilfe von Chemikalien oder radioaktiver Strahlung erreichen. Letztere Züchtung erfordert zwar einen wesentlich höheren Aufwand, bedarf aber keiner Zulassung.“

Prof. Dr. Katja Becker

Leiterin der Arbeitsgruppe Biochemie und Molekularbiologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, sowie Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina

„Die DFG begleitet die Diskussion um die Grüne Gentechnik und ihren Einsatz als Technologie in der Pflanzenzüchtung schon seit vielen Jahren. Die wissenschaftlichen Fortschritte in der Genomforschung, im Besonderen die CRISPR-Cas-Methode, eröffnen der Pflanzenzüchtung ganz neue Möglichkeiten. Genetische Unterschiede in den durch konventionelle oder gentechnische Verfahren entstandenen Produkten sind zunehmend nicht mehr nachweisbar. Es ist daher an der Zeit zu fragen, ob die vornehmlich verfahrensorientierte Betrachtung, wie sie das Gentechnikgesetz vorsieht, weiterhin sinnvoll ist.“

„Als Forschungsförderorganisation wünschen wir uns eine sachliche Diskussion darüber, ob diese Betrachtung nicht mittlerweile obsolet geworden ist und durch eine produktorientierte Sicherheitsbewertung ersetzt werden sollte. Im Vordergrund der Betrachtung sollte dabei das von einer neuartigen Pflanze ausgehende mögliche Risiko stehen – unabhängig von der Technologie, mit der sie hergestellt wurde. Diese Betrachtungsweise wäre im Sinne der Verbraucher ebenso wie im Interesse der Forschung und könnte neue Möglichkeiten für eine in die Zukunft gerichtete, nachhaltige Landwirtschaft eröffnen.“

„Die DFG erhofft sich, dass die gemeinsame Veranstaltung mit Leopoldina und Ethikrat eine sachbezogene Debatte über diese Fragen fördert und einen offenen Austausch aller Beteiligten über Fakten weiter vorantreibt.“

Prof. Dr. Inge Broer

Professorin für Agrobiotechnologie und Begleitforschung zur Bio- und Gentechnologie, Universität Rostock, Rostock

„Das Gentechnikgesetz ist neben der Förderung der Gentechnik dazu gedacht, Schaden von den Verbrauchern abzuwenden. Mögliche Schäden sind nicht abhängig von der Herstellungsmethode, sondern von dem Produkt, das heißt von der Pflanze, die so entstanden ist.“

„Seit Jahrtausenden nutzen wir Mutationen, also kleine Veränderungen im Erbgut von Pflanzen, die mehr Vielfalt erzeugen, und uns damit erlauben, Pflanzen mit höheren Erträgen oder besseren Resistenzen zu selektionieren. Nur so war es möglich, mit Pflanzenzüchtung die steigende Weltbevölkerung einigermaßen zu ernähren. Ohne solche Mutationen gäbe es heute keine Menschen und keine Pflanzen, sondern nur den ersten Einzeller, der auf der Erde entstanden ist. Die neuen Technologien können dazu genutzt werden, genau solche Mutationen nicht mehr zufällig, sondern gezielt zu erzeugen; sie sind deshalb eine großartige Chance für die Pflanzenzüchtung. Diese Pflanzen sollten genauso wenig reguliert werden wie konventionelle Züchtungen. Werden die neuen Technologien genutzt, um neuartige Eigenschaften einzufügen, sind sie mit gentechnisch veränderten Pflanzen vergleichbar.“

Dr. Margret Engelhard

Leiterin des Fachgebietes Bewertung gentechnisch-veränderter Organismen/Gentechnikgesetz, Bundesamt für Naturschutz, Bonn

„Veränderungen am Erbgut, die mit Hilfe von CRISPR-Cas erzielt werden, sind klar als Gentechnik einzuordnen – auch mit CRISPR-Cas erzeugte Punktmutationen (Veränderung einer einzelnen Nukleinbase, eines „Buchstabens“, im genetischen Code; Anm. d. Red.). Schon seit Beginn der Gentechnikgesetzgebung werden Punktmutationen, die mit klassischen gentechnischen Methoden erzeugt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen angesehen. So besteht seit jeher kein Zweifel, dass beispielsweise mit gentechnischen Methoden hergestellt Tumormäuse, die gezielte Punktmutationen tragen, unter das Gentechnik-Regime fallen. Dies geschieht aus gutem Grund. Auch kleine Eingriffe, können zu weitreichenden Eigenschaftsveränderungen eines Organismus führen und somit relevante Auswirkung auf Mensch und Natur haben.“

PD Dr. Matthias Fladung

Leiter des Arbeitsbereiches Genomforschung und Stellvertretender Institutsleiter, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig

„Unter dem Begriff des Genome Editing werden heute alle biotechnologischen Methoden zusammengefasst, mit deren Hilfe das Erbgut (Genom) zielgerichtet und effektiv verändert werden kann. Die meisten dieser Methoden arbeiten mit sogenannten molekularen Scheren, die den Träger der genetischen Information, die DNA (von engl. desoxyribonucleic acid), an einer genau definierten Stelle schneiden. Nach dem DNA-Schnitt wird der natürliche Reparaturmechanismus der Zelle in Gang gesetzt, der manchmal aber fehlerhaft arbeitet, sodass genau an dieser Stelle genetische Veränderungen (Mutationen) auftreten. Diese Mutationen sind mit molekulargenetischen Methoden nicht bzw. nur schwer nachweisbar.“

„Nach der derzeit gültigen Definition sind laut Gentechnikgesetz (GenTG) ‚Gentechnisch veränderte Organismen’ (GVO) Organismen, bei denen das genetische Material mit Hilfe molekularbiologischer Methoden in einer Weise verändert worden ist, wie es natürlicherweise durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Da nun aber die durch Genome Editing entstandenen Mutationen von spontan auftretenden oder induzierten Mutationen nicht zu unterscheiden sind, würden die mittels des Genome Editing gezüchteten Pflanzen nicht unter das bestehende Gentechnikgesetz fallen. Eine Änderung des Gentechnikgesetzes würde schlussfolgernd damit auch keinen Sinn machen: Ansonsten wären nämlich alle genetisch veränderten Pflanzen, auch die, die aus chemischer Mutagenese oder nach Strahlungsmutagenese entstanden sind, als GVO anzusehen.“

Dr. Jürgen Hampel

Wissenschaftler am Lehrstuhl für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart, Stuttgart

„Die Kennzeichnungspflicht für GVO ist ein wichtiges Instrument, das bei einer umstrittenen Technologie wie der Grünen Gentechnik Verbrauchern ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob sie genetisch veränderte Lebensmittel konsumieren oder nicht. Die Akzeptanz sogenannter cisgener Lebensmittel – das heißt Lebensmittel, bei denen nur arteigene Gene übertragen wurden – ist größer als die Akzeptanz transgener Lebensmittel (bei denen artfremde Gene übertragen wurden; Anm. d. Red.). Trotzdem ist für viele die gentechnische Methode ein mindestens genauso wichtiges Entscheidungskriterium wie die Frage, ob artfremdes Material eingeführt wird. Eine Prozess-Kennzeichnung, die sich an der Methode orientiert, wird daher den Informationsbedürfnissen der Öffentlichkeit eher gerecht als eine Produkt-Kennzeichnung.“

„Bei den bislang verwendeten Verfahren beruht die Kennzeichnung auch auf der Möglichkeit der externen Überprüfung. Bei herkömmlichen gentechnischen Anwendungen ist gewährleistet, dass durch naturwissenschaftliche Nachweisverfahren jederzeit überprüft werden kann, ob eine Kennzeichnungspflicht besteht und ob Anbieter dieser Kennzeichnungspflicht nachkommen. Durch die Einführung eines Schwellenwerts, ab dem die Kennzeichnungspflicht gilt, wurde die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel aus pragmatischen Gründen eingegrenzt.“

„Gegenüber den 1990er Jahren hat sich das Methodenspektrum der Molekularbiologie wesentlich erweitert, ohne dass der öffentliche Diskurs diese Entwicklungen in einer angemessenen Art und Weise aufgegriffen hätte. Empirisch belastbare Daten über Einstellungen der Öffentlichkeit zu den neuen Züchtungsformen sind derzeit leider nicht verfügbar.“

„Wie sieht es hier mit neuen Züchtungsverfahren aus? Von der klaren Unterscheidbarkeit zwischen gentechnischen und nicht-gentechnischen Verfahren müssen wir uns in Anbetracht aktueller Entwicklungen der Pflanzenzüchtung verabschieden. Ein Kriterium ist die Nachweismöglichkeit. Ist es möglich, mit naturwissenschaftlichen Methoden zu überprüfen, ob ein genetischer Eingriff vorliegt oder nicht? Wenn die Kennzeichnungspflicht auch auf solche Veränderungen angewendet wird, die zu nicht nachweisbaren Veränderungen führt, würde die Kennzeichnungspflicht auf einer anderen Grundlage beruhen als bisher: nämlich einem global zuverlässig funktionierenden Überwachungs- und Zertifizierungssystem. Es spricht daher einiges dafür, die Einschränkung der Kennzeichnungspflicht, die es jetzt schon mit dem Schwellenwert gibt, auf solche Ergebnisse auszudehnen, bei denen nicht unterschieden werden kann, ob die genetische Veränderung etwa auf natürlichem Weg oder einem anderen nicht-mikrobiologischen Weg, zum Beispiel Mutagenese, erreicht wurde.“

Dr. Frank Hartung

Wissenschaftler am Institut für die Sicherheit der biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen, JKI Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Berlin

„Die bisherige Definition und Regulierung der Grünen Gentechnik basieren auf dem Stand des Wissens der 1980er Jahre. In damaliger Unsicherheit über die möglicherweise vorhandenen Gefährdungen von Mensch, Tier und Umwelt durch die neue Grüne Gentechnik wurde das Vorsorgeprinzip ins Gentechnikrecht implementiert. Nach nunmehr 30 Jahren ist wissenschaftlich klar gezeigt, dass es keine der Technik inhärenten Risiken gibt und das Vorsorgeprinzip damit nicht anwendbar ist.“

„Das bestehende Gentechnikrecht enthält zwei Säulen: zum einen den Prozess der Herstellung einer Pflanze als Trigger für die Risikoanalysen und zum anderen den Vergleich mit konventionell hergestellten Pflanzen. Von diesen beiden Säulen wird jedoch gegenwärtig nur die des Prozesses genutzt, sodass es zu einer unterschiedlichen Regulierung völlig identischer Pflanzen kommen kann. Dies wird besonders deutlich anhand der neuen Züchtungstechniken: Mit Hilfe des Genome Editing zum Beispiel ist es möglich, Pflanzen im Labor zu erzeugen, die sich nicht von Pflanzen unterscheiden, die durch Kreuzungen mit Wildarten oder anderen Sorten erzeugt wurden, oder die durch nicht regulierte Mutagenese-Techniken wie Bestrahlung hergestellt wurden.“

„Daher ist es nicht zwingend notwendig, den Begriff gentechnisch veränderte Pflanze neu zu definieren. Sondern es ist zu klären, ob es sinnvoll ist, diese Pflanzen von solchen abzugrenzen, die mit anderen Methoden gezüchtet wurden. Mit welcher Technik eine neue Pflanzensorte hergestellt wird, ist aus Sicht der Wissenschaft und der Risikoanalyse unerheblich, wenn das Produkt am Ende vergleichbar oder sogar dasselbe ist.“

Dr. Angelika Hilbeck

Wissenschaftlerin am Institut für Integrative Biologie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich (Schweiz), und Vorsitzende des European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER)

„Ein Unterschied zwischen den alten und neueren Gentechniken ist die Tatsache: Die alten, aber durchaus immer noch üblichen Gentechniken können in den meisten Fällen ein artfremdes DNA-Stück in den Empfänger-Organismus einfügen – während die neueren, bislang vorwiegend noch in der Versuchsphase befindlichen Gentechniken die DNA des Organismus selber unmittelbar verändern, aber auch neue DNA-Stücke einfügen können. Damit können die neuen Gentechniken zwar die DNA direkt verändern. Die postulierte Präzision der direkten Erbgut-Manipulation ist jedoch in der Realität längst nicht in dem Maße gegeben, wie es behauptet wird, denn es kommt zu vielen Fehlern und ‚off target’-Eingriffen. Zudem übersetzt sich direkte DNA-Manipulation mitnichten automatisch in höhere Sicherheit oder gar kein Risiko.“

„Die Beherrschbarkeit und Sicherheit der neuen Gentechniken ist ähnlich gering wie die der alten Gentechniken, da diese nämlich nur zum Teil von der Genauigkeit der direkten DNA-Veränderung abhängen. Präzision ist nicht gleich Kontrolle, schon gar nicht, wenn die möglichen Funktionen des DNA-Stücks im Gesamtorganismus in unterschiedlichen Umwelten nur rudimentär verstanden wird, wenn überhaupt. Beherrschbarkeit hängt vielmehr von dem Verständnis des Zusammenhangs zwischen einer DNA-Veränderung (Funktion, Genotyp) und der Veränderung einer äußerlichen Eigenschaft (Phänotyp) des Organismus ab, der sich in Wechselwirkung mit der Umwelt durchaus unterschiedlich manifestiert, und zwar in unvorhersehbarer Art und Weise.“

„Der Erkenntnisgewinn hinsichtlich dieses nicht trivialen und nicht-linearen Zusammenhangs – und damit die Beherrschbarkeit und Kontrollierbarkeit – im nicht-medizinischen Bereich wird daher nur marginal, wenn überhaupt vergrößert durch die Anwendung dieser neuen Techniken, die zudem meist der privatwirtschaftlichen und patentierbaren Produktentwicklungen dient. Das hängt auch damit zusammen, dass diese DNA-Veränderungen – sofern es sich um Pflanzen handelt –, in isolierten Zellen stattfinden, welche anschließend zu vollständigen Pflanzen herangezogen werden müssen. Diese Pflanzen müssen dann nach wie vor immer noch im Feld gezüchtet und vermehrt werden. In beiden Phasen beschäftigt sich die Pflanze damit, die DNA-Veränderung und DNA-Information auf ihre ganz eigene Art zu verarbeiten. Dabei bringt sie immer mehrere unvorhergesehene Änderungen hervor, bei den neueren genauso wie bei den älteren Züchtungstechniken.“

„Im Sinne der Beherrschbarkeit und Sicherheit und des Erkenntnisgewinns unterscheiden sich die neueren Gentechniken damit also leider nur wenig von den alten. Selbstverständlich müssen sie reguliert und bewertet werden, sonst gibt es keinerlei Kontrolle über die Risiken und die Auswirkungen und damit auch keinerlei Übernahme von Verantwortung.“

Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang

Professor für Technikphilosophie am Institut für Philosophie, Technische Universität Dresden, Dresden

„Widernatürlich geht nicht! Überlebenskultur als Erschaffung einer künstlichen Natur.“

„Die Entgegensetzung von Ackerbau-Technik und widernatürlichen, überlistenden handwerklichen Künsten in der altgriechischen Philosophie wurde von Galileis These widerlegt, dass mechanische Technik ein Mittel der Naturerforschung im Experiment ist. Der alte Dualismus blieb erhalten im Gegensatz von naturwissenschaftlich-kausaler und sozialwissenschaftlich-ethischer Bewertung von Technologie. Es gibt nur wenige Versuche des Doppelblicks. Sie werden heute erleichtert durch Veränderungen im Selbstverständnis der ‚Evolutionsentwicklungsbiologie’ bis hin zur synthetischen Biologie. Gezielter Gentransfer ist möglich und Genfähren können eliminiert werden. Durch Erbgutgenese wird gelenkte Evolution möglich, zum Beispiel für das Design nachwachsender Rohstoffe. Die alte Definition führt zu Forschungsbehinderungen, die sich die Menschheit angesichts der Evolutionsbeschleunigung durch den Klimawandel nicht leisten kann. Es ist der ökonomische Missbrauch von Gentechnik durch Konzerne wie Monsanto, der viel stärker berücksichtigt werden müsste.“

Jens Kahrmann

Stabsstelle Juristische Angelegenheiten der Gentechnik, Abteilung Gentechnik, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig

„Die derzeitige Definition des genetisch veränderten Organismus (GVO), also des Zentralbegriffes, auf dem das gesamte europäische Gentechnikrecht fußt, ist technisch auf dem Stand von 1990. Dies sorgt für erhebliche Verunsicherung, was durchaus ein Motiv für eine gesetzgeberische Klarstellung wäre.“

„Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde jüngst sinngemäß die Frage vorgelegt, ob die Erzeugung von Mutationen an einer gezielten Stelle im Erbgut von Organismen mittels Genome Editing dem Gentechnikrecht unterfällt.“

„Falls der EuGH diese Frage verneint, wäre mit Widerspruch von Gentechnik-kritischen Verbänden zu rechnen. Dabei wäre dieses Urteil konsequent, da Mutationen jederzeit natürlich entstehen können und die ungezielte Erzeugung von Mutationen seit Jahrzehnten in der Pflanzenzucht zulassungsfrei praktiziert wird.“

„Falls der EuGH die Frage bejaht, könnte die gezielte Erzeugung von Mutationen in der EU nicht als Züchtungstechnik eingesetzt werden, da so erzeugte Organismen nach geltendem Recht aus technischen Gründen nicht zulassungsfähig wären.“

„Unabhängig davon, wie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausfällt: Der technologische Fortschritt und die langjährigen Erfahrungen fordern mittelfristig eine Anpassung des Rechts. Meine Hoffnung ist, dass dabei eine Regulierung zustande kommt, die von wissenschaftlicher Erkenntnis und nicht von Ängsten getragen ist. Diese Regulierung sollte auf die Neuartigkeit eines Organismus abstellen und angemessene Verfahrensvorschriften beinhalten.“

Dr. Caspar Langenbach

Leiter der Arbeitsgruppe Agbiotech, Institut für Pflanzenphysiologie, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Aachen

„Aus wissenschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Perspektive ist eine Änderung der Definition der Grünen Gentechnik dringend erforderlich und längst überfällig, da insbesondere das Genome Editing eine gezielte Veränderung des Erbguts ermöglicht und auf diese Weise modifizierte Pflanzen von konventionellen Kreuzungen nicht mehr zu unterscheiden sind. Es ist notwendig, das Endprodukt und nicht – wie bislang – den Herstellungsprozess als Grundlage für eine Entscheidung über die Zulassung einer neuen Sorte heranzuziehen. Ist der Prozess maßgeblich, so wird Innovation ausgebremst. Klassische Kreuzungsverfahren sind vor allem enorm zeitraubend. Will man beispielsweise ein einzelnes ‚vorteilhaftes’ Gen aus einer Wildsorte in eine Kultursorte übertragen, nimmt dies sehr viel Zeit in Anspruch, da nicht nur das gewünschte Gen, sondern auch viele weitere, für den Anbau unvorteilhafte Gene aus der Wildsorte eingekreuzt werden. Aufwendige und lange Rückkreuzungsverfahren sind notwendig, um eine marktfähige Sorte mit einer neuen Eigenschaft durch klassische Züchtungsverfahren herzustellen.“

„Mit Genome Editing hingegen ist ein gezielter Transfer eines einzelnen Gens in die Zielsorte möglich, ohne dass Fremdgene (wie zum Beispiel Antibiotikaresistenzen) mit eingebracht werden. Auch das Ausschalten eines Gens durch gezielte Mutation ist durch Genome Editing-Techniken möglich. Bislang wurden Verfahren wie etwa ‚radiation breeding’ (Zucht mit radioaktiver Strahlung; Anm. d. Red.) verwendet, um Mutationen im Genom von Nutzpflanzen zu erzeugen. Auf diese Weise generierte Pflanzen sind per aktueller Definition nicht gentechnisch verändert. Allerdings ermöglicht die Technik nur ungerichtete und vom Zufall geleitete Veränderungen. Gezielte Veränderungen sind so nicht möglich.“

„Mittels Genome Editing ist es möglich, Pflanzen in größerem Tempo gezielter an ihre Umwelt anzupassen und so Erträge zu sichern und den Verbrauch von Pestiziden in der Landwirtschaft zu minimieren, zum Beispiel durch Herstellung krankheitsresistenter Sorten. Es wäre bereits ein großer Schritt nach Vorn, wenn zumindest Pflanzen, bei denen ein innerartlicher Gentransfer mit Genome Editing durchgeführt wurde, also ein Gentransfer, der auch durch Kreuzung erreicht werden kann, bzw. bei denen Mutationen gezielt mittels Genome Editing erzeugt wurden, genauso bewertet (und zugelassen) würden wie konventionell gezüchtete Pflanzen. Dies würde es auch kleinen und mittelständischen Züchtern ermöglichen, mit diesen Methoden hergestellte innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Wenn die Definition der Grünen Gentechnik nicht verändert wird, wird es weiterhin nur großen Konzernen vorbehalten bleiben, solche Technologien zu nutzen und zu vermarkten, da die Kosten der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen für ein kleines Unternehmen nicht tragbar sind.“

Prof. Dr. Urs Niggli

Direktor, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick (Schweiz)

„Bei wichtigen Zielen des nachhaltigen Pflanzenbaus – Steigerung der Nutzungseffizienz der natürlichen Ressourcen und Reduktion von Düngern und Pflanzenschutzmitteln – können die Methoden der Pflanzenzüchtung einen entscheidenden Beitrag leisten. Besonders interessant sind die Ansätze der Ökozüchtung, insbesondere die partizipative Selektion am Zielstandort sowie die Betrachtung der Interaktionen mit Bodenmikroorganismen, Begleitflora und Fauna. Die auf die beschleunigte Mutation setzenden neuen Züchtungstechniken, wie zum Beispiel CRISPR-Cas, zeigen ebenfalls vielversprechendes Potenzial. Hier zeigt sich bereits nach fünf Jahren Forschung, dass durch Ausschalten, Ändern und Einfügen von nativen Genen die Grundlagen für Züchtungsprogramme für nachhaltige Anbausysteme geschaffen werden können. Dabei wird mit Mutationen gearbeitet, welche auch durch natürliche Brüche in der DNA entstehen. Dies könnte die Basis für eine neue Regelung der Grünen Gentechnik werden.“

„In naher Zukunft werden Unternehmen, Anbausysteme und Politikfelder grundsätzlich nach den Kriterien ‚ökologische Integrität’, ‚ökonomische Resilienz’, ‚soziales Wohlergehen’ und ‚gute Unternehmensführung’ beurteilt werden. Dadurch entsteht auch eine bessere Technologiebewertung der Risiken und Potenziale. Die Weiterentwicklung der Pflanzenzüchtung muss zwingend in diesen Systemzusammenhang gebracht werden. Auch diese Anforderung könnte prominent ins Gentechnikgesetz aufgenommen werden.“

Prof. Dr. Holger Puchta

Geschäftsführender Direktor des Botanischen Instituts und Inhaber des Lehrstuhls Molekularbiologie und Biochemie der Pflanzen, KIT Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe

„Nur wo Gentechnologie drin ist, sollte auch Gentechnologie draufstehen.“

„Von einer genetisch veränderten Pflanze kann meiner Ansicht nach nur gesprochen werden, wenn man mit naturwissenschaftlichen Methoden ein Transgen in dieser Pflanze auch nachweisen kann. Bei den neuen Züchtungstechnologien werden in Kulturpflanzen spezifisch einzelne Gene, die für bestimmte unerwünschte Eigenschaften verantwortlich sind, ausgeschaltet. Dies erreicht man, indem man einen einzigen spezifischen Schnitt setzt, also mittels der CRISPR-Cas-Technologie einen Doppelstrangbruch in der DNA des jeweiligen Gens verursacht. Der Bruch wird dann wie jeder andere Erbgut-Schaden auf natürliche Art von der Pflanze repariert. Da die Reparatur oft fehlerhaft verläuft, führt dies häufig zur Zerstörung der Genfunktion.“

„Was kaum jemand weiß: Der Ansatz, mittels Doppelstrangbrüchen neue Eigenschaften bei Pflanzen zu erzielen, ist nicht fünf Jahre, sondern bereits 70 Jahre alt. Er wurde in der Landwirtschaft so erfolgreich angewandt, dass heute mehr als 3000 so erhaltene Sorten weltweit angebaut werden. Die Brüche wurden dabei durch radioaktive Strahlung induziert und dann ebenso von der Pflanze repariert. Diese Technologie wird als klassische Mutagenese bezeichnet. Der Nachteil dieser Technologie ist, dass nicht nur spezifisch an der ‚richtigen’ Stelle, sondern gleichzeitig auch an vielen anderen Stellen im Erbgut Brüche induziert werden. Der ganze Prozess ist langwierig und zudem ist es so gut wie unmöglich, Pflanzen ohne zusätzliche Mutationen zu erhalten.“

„Die CRISPR-Cas-Technologie lässt sich hingegen gezielt auf ihren Einsatz an einer Wunschstelle im Genom programmieren. Die Präzision hält damit Einzug in die Züchtung. Da die Pflanzen am Ende der Prozedur keine Transgene tragen, sondern nur einzelne zusätzliche Mutationen aufweisen, ist es wissenschaftlich einfach nicht möglich, eine solche Pflanze von einer natürlichen Pflanze zu unterscheiden. Sollten solche Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) deklariert werden, gibt es keine Möglichkeit, dies zu überprüfen. Solche Pflanzen stellen kein höheres Risiko dar als mittels klassischer Mutagenese hergestellter Sorten – die deutlich mehr neue Mutationen tragen und trotzdem nicht unter die GVO-Regelung fallen. Es wäre also für mich im höchsten Maße irrational, solche Pflanzen als GVOs zu klassifizieren.“

Prof. Dr. Matin Qaim

Professor für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen

„Mehr als 25 Jahre Erfahrung mit der Entwicklung und Anwendung der Grünen Gentechnik in vielen Ländern der Welt haben gezeigt, dass die Technologie – richtig eingesetzt – nutzbringend für Mensch und Umwelt sein kann. Umfangreiche und unabhängige Risikostudien zeigen auch, dass gentechnisch veränderte (GV) Pflanzen nicht gefährlicher sind als konventionell gezüchtete Sorten. Dennoch gelten für GV-Pflanzen ganz andere Regeln und Zulassungsverfahren.“

„Die Abgrenzung zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung für Regulation und Zulassung widerspricht der wissenschaftlichen Erkenntnis, schürt Ängste in der Bevölkerung und bremst eine viel versprechende Technologie maßgeblich aus. Diese Abgrenzung wird auch neu entstehenden Methoden der Genom-Editierung nicht gerecht.“

„Nachhaltige Agrarentwicklung und globale Ernährungssicherung werden ohne intelligente Nutzung und Weiterentwicklung neuer pflanzengenetischer Verfahren kaum erreichbar sein. Unter den derzeitigen, ungerechtfertigten Regulierungshürden leiden arme Menschen in den Entwicklungsländern am allermeisten. Natürlich müssen die Risiken neu entwickelter Pflanzensorten sorgfältig getestet werden, aber die Risiken ergeben sich aus den Eigenschaften der neuen Sorte – unabhängig von der verwendeten Züchtungsmethode. Deswegen ist eine Abgrenzung nach Züchtungsmethoden grundsätzlich falsch.“

Prof. em. Dr. Joachim Schiemann

Ehemaliger Leiter des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen, JKI Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Berlin

„Die Antwort mag provokant klingen: Wir brauchen kurzfristig eine neue Gentechnik-Definition – wir brauchen langfristig überhaupt keine.“

„Was in der Entwicklungsphase und in der ersten Anwendungsphase der Gentechnik aus Unsicherheits- und Vorsorgegründen wissenschaftlich und gesellschaftlich begründet gewesen sein mag, hat sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre zunehmend als wissenschaftlich unbegründet erwiesen: nämlich die Abgrenzung bis hin zur Ausgrenzung einer bestimmten Technologie zur genetischen Veränderung lebender Organismen und mit Hilfe dieser Technologie hergestellter Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere.“

„Keine Technik zur genetischen Veränderung lebender Organismen birgt per se ein Risiko in sich, weder die konventionelle Züchtung einschließlich Mutationszüchtung, noch die Gentechnik, noch die neuen Methoden der Genom-Editierung, noch ökologische Züchtungsverfahren. Nutzen und Risiken manifestieren sich in den neuen Eigenschaften, in den neuen Produkten. Anstatt uns in Stellvertreter-Diskussionen über das Für und Wider der Anwendung gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft zu verlieren, sollten wir eine Vielfalt an Zuchtzielen diskutieren, die die Interessen der industrialisierten, der kleinbäuerlichen und der ökologisch orientierten Landwirtschaft widerspiegeln und die dazu beitragen, nachhaltiger zu produzieren und den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft zu verkleinern. Zur Umsetzung der Zuchtziele müssen Pflanzen- und Tierzüchter die Möglichkeit haben, den jeweils am besten geeigneten Mix an Methoden zu nutzen.“

„Angesichts der gesellschaftlichen Realität werden wir kurz- und mittelfristig über eine neue Gentechnik-Definition diskutieren müssen. Hierbei muss es darauf ankommen, eine Ausgewogenheit zwischen den Schutz- und Innovationszielen sowie eine Balance zwischen Technologie- und Produkt-bezogener wissenschaftlicher Bewertung und Regulierung zu wahren, um biotechnologische Forschung und Innovation in Deutschland nicht dramatisch zu behindern.“

Dr. Sebastian Schornack

Forschungsgruppenleiter am Sainsbury Laboratory, University of Cambridge, Cambridge (UK)

„Laut dem deutschen Gentechnikgesetz ist eine gentechnisch veränderte Pflanze gekennzeichnet durch Veränderungen am genetischen Material, die unter natürlichen Bedingungen, durch Kreuzung oder natürliche Rekombination nicht erreicht werden können. Einige neue Züchtungstechnologien ermöglichen es, mit gentechnischen Methoden das genetische Material von Pflanzen so zu verändern, dass eine Unterscheidung von natürlicher Variation nicht möglich ist.“

„Aus meiner biologischen Sicht gibt es deshalb keinen Anlass, solche Pflanzen anders zu regulieren als die durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandenen Pflanzen. Sollte Regulierungsbedarf solcher Pflanzen, die vom Menschen naturidentisch modifiziert wurden, bestehen, so könnte eine Produkt-basierte Prüfung der Folgen von natürlichen Erbgut-Veränderungen angewandt werden.“

Dr. Jakob Schweizer

Projektmanager beim Forschungsnetzwerk MaxSynBio, Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg

„Die Methoden in der Gentechnik entwickeln sich rasant. Die CRISPR-Cas-Technologie, die es erlaubt, mit einer Genschere gezielter als bisher genetische Sequenzen auszutauschen, ist nur eine davon. Daher ist es naheliegend, die aktuelle Gesetzgebung zur genetischen Veränderung von Pflanzen aber auch anderen Organismen zu hinterfragen. Dass Gesetze nicht in Stein gemeißelt sind, sondern wir uns immer wieder den Kopf neu zerbrechen müssen, ist ganz normal. Auch die aktuelle Gesetzgebung zur gentechnischen Veränderung wurde ursprünglich erst durch neue Methoden in den Lebenswissenschaften notwendig. Nun scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, die aktuelle Gesetzeslage mit den Möglichkeiten und Risiken des aktuellen Forschungsstandes abzugleichen.“

„Die CRISPR-Cas-Technologie erlaubt es, Organismen so zu verändern, dass die künstliche Veränderung von einer natürlichen Mutation nicht zu unterscheiden ist. Hieraus wird zum Teil der Schluss gezogen, dass die künstliche Mutation nicht unter das Gentechnikgesetz fallen kann, da natürliche Mutationen ja auch nicht unter das Gentechnikgesetz fallen.“

„Die Natur können wir nicht durch Gesetze bändigen – leider. Mir würden sofort einige Krankheiten einfallen lassen, die ich verbieten wollte. Doch nur, weil Gesetze für die Natur nicht gelten, kann man daraus nicht ableiten, dass Gesetze auch für menschliches Tun nicht gelten sollen – auch wenn das künstliche Ergebnis nicht von ‚natürlichem’ Ergebnis zu unterscheiden ist.“

„Die meisten Gesetze werden nicht für die Fälle erlassen, in denen das menschliche Handeln rechtschaffen ist und zum erwünschten Ergebnis kommt, sondern um Missbrauch und Unfällen vorzubeugen. Die neuen gentechnischen Verfahren sind fantastisch und bieten viele Möglichkeiten, die wir auch nutzen sollten. Diese Möglichkeiten sollten wir uns aber nicht kaputt machen lassen durch eine unzeitgemäße oder gar fehlende Regulierung. Und: Ein neues Gentechnikgesetz, wie immer es auch aussehen wird, wird nicht das letzte sein. Die Gesetzgebung hat der Forschung schon immer hinterhergehinkt, und das ist auch okay so. Nur der Abstand sollte nicht zu groß werden.”

PhD Ricarda A. Steinbrecher

Mitgeschäftsführerin, EcoNexus, Oxford (UK)

„Die Frage, ob wir eine neue Gentechnik-Definition brauchen, zeigt, dass sich die Techniken und somit die Möglichkeiten verändert haben. Herkömmliche Gentechnik konnte keine gezielten Veränderungen erwirken, da die eingefügte DNA immer an Zufallsstellen in der DNA des Organismus eingefügt wurden. Jetzt hat sich die Effizienz sehr stark erhöht – und mit Genome Editing kann die DNA an gezielten Stellen verändert werden. Oft reichen kleine Veränderungen aus, um große Wirkungen zu erzielen: um Gene auszuschalten, Merkmale zu verändern oder ganze Stoffwechselkreislaufe abzuändern.“

„Bloß weil Veränderungen in der DNA-Sequenz gezielt vorgenommen werden können und diese unter Umständen klein sind, bedeutet dies nicht, dass es keine Gentechnik ist und dass das Resultat kein gentechnisch veränderter Organismen wäre oder keine Sicherheitsprüfungen mehr durchgeführt werden sollten. Im Gegenteil: Die Möglichkeiten, Merkmale zu verändern und in das Genom und dessen Regulation einzugreifen, haben sich drastisch erhöht, besonders auch dadurch, dass man sie mehrfach oder parallel verwenden kann. Hierbei sind sie nicht nur Werkzeuge der Gentechnik, sondern auch der Synthetischen Biologie. Das gilt nicht nur für Pflanzen, sondern auch für Tiere, auch den Menschen – Definitionen der Genetik betreffen alle Organismen, nicht nur Pflanzen.“

„Nebenwirkungen und sogenannte off target effects (Nicht-Ziel-Effekte; Anm. d. Red.) treten auch bei den neuen Gentechniken auf, egal, ob dies nun direkte oder indirekte Effekte sind, und sie lassen sich weder vorhersagen noch abschätzen. Im Handumdrehen zum Beispiel eine Herbizidresistenz erzeugen zu können, hat Auswirkungen – nicht nur für den Organismus, sondern auch die Umwelt und die Biodiversität. Und das muss durchdacht werden.“

„Wir dürfen auch nicht vergessen: Selbst wenn ein Gen gezielt ausgeschaltet werden kann, kennen wir die Konsequenzen nur bedingt. Zielgenauigkeit gibt die Illusion von Präzision, denn das Verständnis des Zusammenspiels der Gene, die ein eigenes regulatorisches Ökosystem bilden, ist noch immer Neuland für wissenschaftliche Erkenntnisse. Das Ausschalten eines Gens kann Dominoeffekte erzielen, die scheinbar nichts mit der ursprünglichen Veränderung zu tun haben. Zielgenauigkeit bedeutet weder Vorhersagbarkeit noch automatisch Sicherheit. Wir sind also gut beraten, weiterhin nach dem Vorsorgeprinzip auch die neuen gentechnisch veränderten Organismen zu regulieren und zu überprüfen. Wir brauchen keine neue Definition, sondern bessere Erkenntnisse, Wissen und Verständnis. Und auch ein wenig mehr Besonnenheit.“

Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Stroebe

Professor der Sozialpsychologie, Universität Groningen, Groningen (Niederlande)

„Ich möchte auf die Notwendigkeit der Kennzeichnung hinweisen. Nach Umfrageergebnissen des Eurobarometer 2010 [1] scheint für Verbraucher der Prozess der Erzeugung ebenso wichtig (oder sogar wichtiger) zu sein als die biologische Ähnlichkeit zwischen den Ergebnissen genetischer Veränderung und traditioneller Züchtung. Deshalb sollten auch nach der empfohlenen Gesetzesänderung alle genetisch veränderten Pflanzen, unabhängig von ihren spezifischen Eigenschaften oder der Methode, die zur Veränderung genutzt wurde, als genetisch verändert gekennzeichnet werden.“

Prof. Dr. Dr. h. c. Detlef Weigel

Direktor, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen

„Pflanzen, die sich vom Ergebnis natürlicher Kreuzungen nicht ohne Weiteres unterscheiden lassen, dürfen nicht als gentechnisch verändert gelten; und dies muss im Gentechnikgesetz eindeutiger als bisher zum Ausdruck kommen. Das Gentechnikgesetz braucht deshalb eine neue, präzisere Definition von gentechnisch veränderten Organismen. Genom-editierte Pflanzen, die keine DNA von unverwandten Organismen enthalten, dürfen nicht unter das Gentechnikgesetz fallen. Dies muss durch deutlichere Formulierungen im Gesetz festgestellt werden.“

Mögliche Interessenkonflikte

Puchta: „Ich bin Staatsbeamter und besitze keine kommerziellen Interessen an Firmen der Züchtungs- oder Biotechnologiefirmen ebenso wenig wie am Biolandbau.“

Schornack: „Ich bin einer der Erfinder und Patentinhaber von programmierbaren TAL-Effektoren zur Erbgut-Modifikation.“

Schweizer: „MaxSynBio ist jeweils zur Hälfte von der Max-Planck-Gesellschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.“

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Deutscher Ethikrat: Symposium „Brauchen wir eine neue Gentechnik-Definition? Naturwissenschaftliche, ethische und rechtliche Perspektiven der Regulierung genom-editierter Pflanzen“ am 14.02.2017, Berlin.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Europäische Kommission (2010): Eurobarometer 73.1 / Special Eurobarometer 341 „Biotechnologie“. URL: bit.ly/1BmcLLc (englisch, 385 PDF-Seiten) und bit.ly/2lGlyRr (deutsch, 415 PDF-Seiten).

Weitere Recherchequellen

SMC Fact Sheet: CRISPR-Cas9 als revolutionäre Methode des Genome Editing. Stand: 26.04.2016.

Gentechnikgesetz. Stand: 18.07.2016.

Sprink T et al. (2016): Regulatory hurdles for genome editing: process- vs. product-based approaches in different regulatory contexts. Plant Cell Reports, 35(7): 1493–1506. DOI: 10.1007/s00299-016-1990-2.

FDA (2017): Genome Editing in New Plant Varieties Used for Foods; Request for Comments. A Notice by the Food and Drug Administration.

Wolt JD et al. (2015): The Regulatory Status of Genome-edited Crops. Review Article. DOI: 10.1111/pbi.12444.

Huang S et al. (2016): A proposed regulatory framework for genome-edited crops. Nature Genetics, 48: 109–111. DOI: 10.1038/ng.3484.

Hampel J & Renn O (Hg.) (1999): Gentechnik in der Öffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie.