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24.11.2020

Impfstrategie anhand von Wirksamkeitsdaten

Das Warten auf einen oder mehrere Corona-Impfstoffe scheint ein Ende zu nehmen. Gleich mehrere Pharmahersteller veröffentlichten in den vergangenen drei Wochen zuversichtlich stimmende Zwischenergebnisse. Wie sich diese Ergebnisse auf die Pläne auswirken, wie Impfstoffe gegen COVID-19 verteilt werden sollen, erörtern Expertinnen und Experten.

Nachdem vergangene Woche nun schon der US-amerikanische Pharmahersteller Moderna und die deutsch-US-amerikanische Kooperation der Firmen Biontech und Pfizer ihre positiven Zwischenergebnisse zu ihren mRNA-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 verkündet haben [I][II], veröffentlichten nun auch die Universität Oxford in Kooperation mit dem Hersteller AstraZeneca erste Daten der klinischen Phase-III-Studie seines Vektor-Impfstoffes AZD1222 [III]. Dieser erreiche insgesamt eine Wirksamkeit von 70 Prozent und übertrifft damit die von der Weltgesundheitsorganisation geforderte Mindesteffektivität von 50 Prozent. Die Gesamteffektivität der mRNA-Impfstoffe betragen 94,5 Prozent für das Vakzin von Moderna und 95 Prozent für den Impfstoff von Biontech. Beide mRNA-Impfstoffe sollen darüber hinaus auch mit einer hohen Effektivität bei Probanden älter als 65 Jahre wirken.

Die Wirksamkeit eines Impfstoffes beeinflusst auch, welche Menschen ihn prioritär verabreicht bekommen sollten, wenn die Ressourcen anfangs knapp sind. Unterschiedliche Ansätze könnten beispielsweise entweder auf Risikogruppen als stark betroffene Gruppe oder auf Menschen mit vielen Kontakten und damit Verbreitern des Virus abzielen. In ihrem grundlegenden Positionspapier empfehlen die Ständige Impfkommission (STIKO), die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Deutsche Ethikrat unabhängig von der Impfeffektivität, dass bei einer Impfstoffknappheit anfänglich die Immunisierung von Risikopatienten und Personen mit besonders hohem arbeitsbedingtem Expositionsrisiko priorisiert werden sollten [IV]. Inwiefern sich die bekanntgegebenen Wirksamkeitsdaten auf diese Empfehlung und auf die Impfstoffverteilung auswirken könnte, war unter anderem eine Frage an Expertinnen und Experten.

Im Hinblick auf den Impfstoff von Biontech und Pfizer muss von einer anfänglichen Ressourcenknappheit ausgegangen werden, da der Pharmakonzern für 2020 voraussichtlich nicht mehr als 50 Millionen Dosen weltweit bereitstellen kann, in 2021 dann insgesamt 1,3 Milliarden Dosen. AstraZeneca gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Produktion liefe und man in 2021 drei Milliarden Impfstoffdosen herstellen könne. Wie viel Impfstoff kurzzeitig bereit steht, ist noch unklar.

Im Auftrag ihrer Mitgliedsstaaten schließt die Europäische Kommission derzeit Verträge mit den Impfstoffherstellern, die eine anteilige Verteilung der Impfstoffe sichern. Einen Vertrag mit AstraZeneca und Biontech/Pfizer hat die EU bereits geschlossen, mit Moderna laufen die Verhandlungen [V]. In Deutschland leben 18,6 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner der EU.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
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  • Prof. Dr. Alena Buyx, Professorin für Medizinethik und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Technische Universität München (TUM), München
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  • Prof. Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
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  • Dr. Barbara Rath, Vorstandsvorsitzende und Gründerin, Vienna Vaccine Safety Initiative (ViVI), Österreich
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Statements

Prof. Dr. Gérard Krause

Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

„Die hohen Wirksamkeiten der Impfstoffe sind erst einmal gute Nachrichten, insbesondere wenn sie sich bei Älteren statistisch belastbar bestätigen sollte. Aber es sind noch sehr frühe Daten, und die Einschätzung kann sich im weiteren Verlauf aus mindestens zwei Gründen noch ändern. Erstens: Wenn man die Schutzwirkung sehr früh nach einer Impfung prüft, kann man im Einzelfall nicht sagen, ob dieser Effekt aufgrund der spezifischen Immunisierung erfolgte – die dann in der Regel einen längeren Schutz zur Folge hat – oder aufgrund einer unspezifischen Immunstimulation, deren Wirkung dann meist bald abnimmt. Der zweite Grund ist, dass bis jetzt nur die unerwünschten Wirkungen erfasst werden konnten, die kurz nach Impfung auftraten. Beiden Einschränkungen kann man nur durch längerfristige Beobachtungen entgegenwirken. Dazu ist es eben noch zu früh.“

„Auf jeden Fall stellen die derzeit bekannten Daten die Priorisierung von älteren Impflingen nicht in Frage. Im Gegenteil: Sollte sich bestätigen, dass die Impfstoffe in hohen Altersgruppen gut wirksam sind, untermauert es sogar die Argumentation, die ältesten Altersgruppen bevorzugt zu impfen.“

„Ich sehe theoretische Modell-Ansätze zur Impfstoffverteilung mit unterschiedlichen Ansätzen sehr kritisch. Primäres Ziel muss sein, Erkrankungen bei denjenigen zu verhindern, die das höchste Risiko für schwere Erkrankungen haben. Jüngere Altersgruppen gehören definitiv nicht dazu. Es geht nicht darum Fallzahlen insgesamt zu senken, sondern die Zahl schwerer Erkrankungen! Die Vorstellung, indirekt die Alten besser schützen zu können, indem man die Jungen impft, unterliegt allerlei Annahmen, von denen niemand weiß, ob sie zutreffen – und erst recht nicht, ob sie zutreffen werden. Zudem ist es meiner Ansicht nach ethisch sehr gewagt, die jüngere Generation zu animieren, sich impfen zu lassen und die damit einhergehenden – wenn auch hoffentlich niedrigen – Risiken unerwünschter Impfwirkungen einzugehen. Dabei soll es die primäre Motivation sein indirekt eine ältere Generation zu schützen, die ebenso direkt geimpft werden könnte. Das halte ich für problematisch.“

„Diese Problematik würde zudem dadurch verschärft werden, wenn sich bestätigen sollte, dass unerwünschte Wirkungen bei jüngeren Impflingen häufiger oder schwerwiegender sind als bei älteren. Des Weiteren kommt hinzu: Auch bei sehr seltenen, langdauernden impfbedingten Gesundheitsschäden würden diese über die längere Lebenserwartung eines jungen Impflings eine größere Impfschadenslast entfalten als bei älteren Impflingen.“

„Wir kennen das Prinzip des Fremdschutzes durch Impfung aus dem Bereich der Influenzaimpfung bei medizinischem Personal. In diesem Fall wird zum Beispiel von intensivmedizinischem Personal erwartet, sich gegen Influenza impfen zu lassen, um die von ihm betreuten hochvulnerablen Patienten nicht anzustecken. Diese Situation ist aber zu der oben genannten Modellierungs-Theorie aus zwei Gründen nicht vergleichbar. Erstens ist das unmittelbare Risikoverhältnis zwischen medizinischem Personal und Intensivpatient in keiner Weise vergleichbar mit dem Risikovergleich zwischen ganzen Generationen. Und zweitens ist noch überhaupt nicht klar, ob eine COVID-19-Impfung überhaupt davor schützt, Träger und Ausscheider von SARS-CoV-2 zu sein.“

Prof. Dr. Alena Buyx

Professorin für Medizinethik und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Technische Universität München (TUM), München

„Die Ständige Impfkommission, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben den grundsätzlichen rechtsethischen Rahmen für die Priorisierung anfänglich knapper Impfdosen vorgelegt. Dieser umfasst die ethischen Grundsätze Selbstbestimmung, Nichtschädigung, Wohltun, Gerechtigkeit, Solidarität und Dringlichkeit. Auf dieser Grundlage wird nun die detailliertere Priorisierung entwickelt und dabei werden selbstverständlich laufend neue empirische Erkenntnisse aufgenommen. Die Zwischenergebnisse von Moderna und Biontech zeigen hohe Schutzwirkung von geimpften Menschen, daher passen die bisherigen Empfehlungen hinsichtlich der Gruppen, die bevorzugt priorisiert werden sollen, sehr gut.“

„Es gibt Gruppen mit hundertfach und noch stärker erhöhtem Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, die zuerst geimpft werden sollten. Da diese Gruppen aber teils wenig mobil und schwerer zu erreichen sind, sollte parallel auch mit der Impfung der anderen priorisierten Gruppen begonnen werden. Dazu gehören Menschen, die sich selbst besonders hohen Infektionsrisiken aussetzen beziehungsweise wiederum andere gefährden können, etwa im Gesundheitswesen – aber nicht nur dort.“

„Jüngere Menschen mit vielen Kontakten zuerst zu impfen wäre dann sinnvoll, wenn ein Impfstoff sicher die Übertragung verhindert. Wir wissen noch nicht, ob das der Fall sein wird, denn bisher liegen die ersten positiven Ergebnisse zur Schutzwirkung vor Infektion vor. Daher sollten Menschen zuerst geimpft werden, die besonders gefährdet sind, sowie jene, die sich beruflich selbst gefährden und wiederum andere gefährden können.“

Prof. Dr. Georg Marckmann

Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Auch bei einer ausreichenden Verfügbarkeit von Impfdosen wird man aus logistischen Gründen die Bevölkerung in verschiedenen Phasen impfen müssen. Damit bleibt die Frage relevant, welche Bevölkerungsgruppen zuerst geimpft werden sollen. Vieles spricht dafür, die verschiedenen Gruppen in der gleichen Reihenfolge zu impfen, wie bisher in den Priorisierungsmodellen vorgesehen. Dies würde zum Beispiel bedeuten, dass in einer ersten Phase das Gesundheitspersonal mit einer hohen COVID-19-Exposition und Bevölkerungsgruppen mit einem hohen Risiko für schwerwiegende COVID-19-Verläufe und Todesfälle geimpft werden. Die Phasen können aber bei einer effizient organisierten Impfstrategie schneller durchgeführt werden, wenn mehr Impfdosen zur Verfügung stehen.“

„Grundsätzlich sollte der Impfstoff so eingesetzt werden, dass insgesamt der meiste Schaden durch die COVID-19-Pandemie vermieden und damit der Nutzen der Impfung maximiert wird. Dabei sind neben gesundheitlichen Schäden auch Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben zu berücksichtigen, die sich wiederum negativ auf die Gesundheit der Menschen auswirken können. Dieses übergeordnete Ziel einer Impfstrategie, Schaden durch COVID-19 bestmöglich zu verhindern, lässt sich am besten umsetzen, wenn in einer ersten Phase das besonders exponierte Gesundheitspersonal und Hochrisikogruppen für schwerwiegende COVID-19-Verläufe, die in beengten Wohnverhältnissen leben, geimpft werden.“

„Für eine effektive Vermeidung von Schaden durch COVID-19 muss man zum einen Menschen vor einer Infektion und schweren Verläufen schützen, zum anderen muss die Ausbreitung der Infektion effektiv unterbunden werden. Letzteres Ziel erfordert es, Menschen zu vorrangig zu impfen, die zwar selbst kein hohes Risiko für eine schwerwiegende COVID-19-Erkrankung haben, die aber durch viele Kontakte wesentlich zur Ausbreitung der Infektionskrankheit beitragen können. Sofern man beide Ziele – Schutz von Risikopersonen und Eindämmung der Ausbreitung – aufgrund begrenzt verfügbarer Impfstoffe nicht gleichermaßen verfolgen kann, sollte der Schutz von Risikopersonen Vorrang haben, da damit unmittelbarer gesundheitlicher Schaden verhindert werden kann. Zugleich sollte man versuchen, die Ausbreitung der Infektion in den anderen Bevölkerungsgruppen durch entsprechende Hygienevorgaben bestmöglich zu reduzieren. In einer nächsten Phase können dann die Personengruppen geimpft werden, die für die Übertragung der Infektion eine große Rolle spielen.“

Dr. Barbara Rath

Vorstandsvorsitzende und Gründerin, Vienna Vaccine Safety Initiative (ViVI), Österreich

„Die hohe Schutzwirkung der beiden mRNA-Impfstoffe ist eine sehr gute Nachricht für alle Lebensbereiche. Eine hohe Schutzwirkung bedeutet, dass wir auch in Settings mit hohen Übertragungsraten eine wesentlich bessere Unterbrechung von Infektionsketten erhoffen können als ursprünglich angenommen. Das betrifft sowohl Krankenhäuser, Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen, als auch Schulen und Arbeitsstätten. Auch Reisen, insbesondere Flugreisen, und der Besuch von Veranstaltungen oder gastronomischen Einrichtungen werden deutlich einfacher.“

„An dieser Stelle sollten wir uns dazu Gedanken machen, wie ein vorhandener Impfschutz dokumentiert wird, und ob, und in welchem Zusammenhang dieser nachgefragt werden darf ohne Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre zu weit zu beeinträchtigen. Ich gehe davon aus, dass dies – genauso wie die Impfung selbst – auf freiwilliger Basis geschehen wird.”

„Der Fortschritt in der Impfstoffentwicklung lässt hoffen, dass in absehbarer Zeit auch die gravierenden wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie besser unter Kontrolle zu bringen sein werden. Dieser Erfolg macht die enorme wirtschaftliche Bedeutung von Investitionen in Grundlagen- und klinische Forschung deutlich, und zwar für nahezu alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft.”

„Nun kommen enorme Herausforderungen auf die Aufsichtsbehörden wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die European Medicines Agency (EMA) zu, die nun enorme Daten und Dokumentenmengen analysieren müssen, sowie die Pharmakovigilanz vorbereiten müssen – das heißt, die fortdauernde Überwachung der Sicherheit dieser COVID-19-Impfstoffe. Hierfür benötigen wir Expertise und Innovationskraft in Produktdesign, Logistik/Transport und Kühlketten, die uns helfen, den Impfstoff gerecht und sicher zu verteilen. Wir haben wenig Zeit, und all diese Planungsprozesse müssen nun parallel ablaufen.”

„Eine Infektion, die entweder gar nicht erst stattfindet oder nicht krank macht, schützt natürlich auch diejenigen, die ein erhöhtes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes haben.”

„Bevor wir Schwerpunkte und gegebenenfalls eine Reihenfolge der Impfung endgültig festlegen können, sollten wir die Sicherheits- und Effizienzdaten bei älteren Menschen, bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, sowie bei Kindern und Kleinkindern genauer unter die Lupe nehmen. Eine Zulassung für diese Gruppen bedarf vorheriger Studien, und je nach Datenlage ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Zulassung für Risikogruppen, einschließlich Senioren und Kindern etwas länger auf sich warten lässt als die Zulassung für gesunde Erwachsene mittleren Alters.”

„Zulassungstechnisch macht es daher Sinn, medizinisches Fachpersonal zuerst zu impfen, um somit die Versorgung von Risikopatienten zu gewährleisten. Das wäre auch im Einklang mit dem Konzept, den Helfern zuerst zu helfen.”

„Entscheidungen in diesem wichtigen Aspekt sollten jedoch zur epidemiologischen Gesamtsituation passen. Wenn zum Beispiel reichlich Schutzkleidung für medizinisches Personal zur Verfügung steht, wenn Ressourcen – einschließlich Diagnostika und Krankenhaus-Infrastruktur – nicht übermäßig belastet sind und Infektionsraten anderweitig gut unter Kontrolle sind, dann kann man argumentieren, mit Hochrisiko-Patienten zu beginnen, sofern die EUA (Emergency Use Authorization; Genehmigung in Notfällen der amerikanischen Behörde FDA; Anm. d. Red.) diese Gruppe einschließt. Ein weiterer Punkt, der die Prioritäten beeinflussen kann, ist die Frage ob und wann antivirale Medikamente zur Verfügung stehen, um diejenigen, die trotzdem erkrankt oder exponiert sind, effektiv zu behandeln (einschließlich Expositionsprophylaxe).”

„Eine Impfung dient immer sowohl dem Individualwohl als auch dem Gemeinwohl. Ein Impfstoff mit hoher Schutzwirkung hilft sowohl der geimpften Person selbst als auch dem Umfeld. Diese Überlegung ist auch im familiären Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Das bedeutet, dass eine erfolgreiche Impfung von jüngeren Familienangehörigen auch die Älteren oder diejenigen mit einer schwächeren Immunantwort indirekt schützt (sogenannte ‚Cokooning Strategie‘).“

„Die Frage, ob und wann Kinder gegen COVID-19 geimpft werden, wird erst dann relevant, wenn es einen zugelassenen Kinderimpfstoff gibt. Das ist hinsichtlich COVID-19 derzeit noch nicht der Fall. Mittelfristig sind Kinderimpfungen jedoch enorm wichtig, um einen normalen Schulalltag zu gewährleisten und damit auch die Eltern und Familienangehörigen zu entlasten. Dies gilt meines Erachtens übrigens auch für die Grippeimpfung, die seitens der Weltgesundheitsorganisation sowie in den USA, dem Vereinigten Königreich und einigen EU-Mitgliedstaaten bereits auch für Kinder empfohlen wird.”

Auf die Frage, inwiefern es eine Option sein könnte, bei Impfstoffknappheit vorerst nur eine Dosis pro Person zu impfen:
„Bisher haben wir nur die Presseberichte der Hersteller vorliegen. Die zugrundeliegenden Publikationen sind noch nicht veröffentlicht. Theoretisch ist es denkbar, Impfungen etwas weiter auseinanderzulegen, jedoch werden sich die Zulassung eines COVID-19-Impfstoffes und die Entscheidungen der STIKO zum Impfplan an den vorhandenen Daten aus den Zulassungsstudien orientieren. Wenn diese Studiendaten tatsächlich nahelegen sollten, dass eine zweite Impfung in der überwiegenden Zahl der Fälle überflüssig ist, dann kann ich mir vorstellen, dass diese Überlegung durchaus in Betracht gezogen wird. Es ist auch möglich das bestimmte Risikogruppen zwei Impfdosen benötigen, wohingegen gesunde Erwachsene mit einer Dosis klarkommen.”

„Bei Impfstoffen, die definitiv zwei Dosen benötigen, ist durch Studien zu prüfen, welcher maximale Abstand immunologisch Sinn macht. Sollte ein relativ weiter Abstand möglich sein, kann die zweite Impfung gegebenenfalls nach hinten geschoben werden. Dadurch erhöht sich jedoch das Risiko, dass zwischen der ersten und zweiten Impfung doch noch eine Infektion stattfindet.”

„Langzeitstudien werden ermitteln wie lange die Schutzwirkung der Impfungen überhaupt anhält. Daraus ergibt sich, ob eine regelmäßige, zum Beispiel saisonale, oder einmalige Impfstrategie/-serie angestrebt wird. Letztendlich werden voraussichtlich verschiedene COVID-19-Impfstoffe für verschiedene Szenarien existieren; einschließlich Impfstoffen, die für bestimmte Gruppen besonders gut geeignet sind, sowie solche, die nur eine Dosis benötigen. Epidemiologische und Surveillance Daten werden uns außerdem darüber informieren, ob das Virus beginnt sich in den für die Impfung relevanten ‚Erkennungsregionen‘, zum Beispiel dem Spike-Protein, zu verändern, was bedeuten würde, dass der Impfstoff, ähnlich dem Grippeimpfstoff, periodisch angepasst werden müsste.”

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Gérard Krause: „Von 2000 bis 2013 war ich Fachgebiets- beziehungsweise Abteilungsleiter im Robert Koch-Institut und in dieser Funktion maßgeblich an der Bewältigung epidemischer Lagen von nationaler Tragweite beteiligt (zum Beispiel SARS 2003, H5N1 Influenza 2009, EHEC 2011). Meine Abteilung am HZI ist Empfänger von Drittmitteln zu COVID-19-Forschung unter anderem von folgenden Ministerien: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Seit 2015 bin ich wissenschaftlicher Leiter des digitalen ‚Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System‘ (SORMAS), welches in Gesundheitsämtern in Deutschland und im Ausland für das Kontaktpersonenmanagement zum Einsatz kommt. SORMAS ist open source und steht ohne Lizenzgebühren frei zur Verfügung.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Moderna (16.11.2020): Moderna’s COVID-19 Vaccine Candidate Meets its Primary Efficacy Endpoint in the First Interim Analysis of the Phase 3 COVE Study. Pressemitteilung des Unternehmens.

Dazu Science Media Center (2020): Weiterer COVID-19-Impfstoff mit offenbar hoher Wirksamkeit. Rapid Reaction. Stand: 16.11.2020.

[II] Pfizer (18.11.2020): Pfizer and BioNTech Conclude Phase 3 Study of COVID-19 Vaccine Candidate, Meeting All Primary Efficacy Endpoints. Pressemitteilung des Unternehmens.

Dazu Science Media Center (2020): Impfstoff verhindert mit über 90% Effektivität symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen. Rapid Reaction. Stand: 09.11.2020.

[III] AstraZeneca (23.11.2020): AZD1222 vaccine met primary efficacy endpoint in preventing COVID-19. Pressemitteilung des Unternehmens.

Dazu Science Media Center (2020): 70 Prozent Effektivität des Vektor-Impfstoffs von AstraZeneca und der Universität Oxford. Stand: 23.11.2020.

[IV] STIKO, Deutscher Ethikrat, Leopoldina (09.11.2020): Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden? Positionspapier der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Ständigen Impfkommission, des deutschen Ethikrates und der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

[V] Europäische Kommission (11.11.2020): Coronavirus: Commission approves contract with BioNTech-Pfizer alliance to ensure access to a potential vaccine. Pressemitteilung.