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16.11.2020

Weiterer COVID-19-Impfstoff mit offenbar hoher Wirksamkeit

Erneut meldet ein Pharmahersteller vorläufige Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit eines COVID-19-Impfstoffes. Die US-amerikanische Firma Moderna stellte am 16. November in einer Pressemitteilung Daten einer Zwischenanalyse vor: Ihr RNA-Impfstoff mRNA-1273 soll eine Impf-Effektivität von 94,5 Prozent erreicht haben (siehe Primärquelle).

Nachdem die Firmen Biontech und Pfizer eine Wirksamkeit von über 90 Prozent für ihren sehr ähnlichen RNA-Impfstoff BNT162b2 aus Zwischenanalysen bekannt gaben [I], folgt nun eine weitere hoffnungsvolle Meldung hoher Impfstoff-Effektivität gegen COVID-19. Allerdings liegen damit auch im Falle von Moderna lediglich Ergebnisse einer vorläufigen Analyse seitens des unabhängigen Expertengremiums vor und noch keine wissenschaftliche Publikation.

In die klinische Phase-III-Studie von Moderna namens COVE-Study sollen die Daten von 30.000 Probanden aus den USA einfließen, worunter sich als Besonderheit auch viele ältere Probanden und weitere Zugehörige von Risikogruppen befinden [II]. Zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse hatten sich 95 Probanden symptomatisch mit COVID-19 infiziert; 90 davon stammten aus der Placebo-Gruppe. Insgesamt gab es elf schwere Verläufe der Lungenerkrankung, die laut Hersteller alle in der Placebo-Gruppe auftraten. Die Pressemitteilung berichtet außerdem von hauptsächlich leichten bis moderaten Nebenwirkungen der Impfung, wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schmerzen an der Einstichstelle. Auf Basis dieser Daten wird auch Moderna nach eigenen Angaben einen Antrag zur Zulassung bei der US-amerikanischen Behörde FDA einreichen; die europäische Behörde EMA prüft die Daten zu diesem Impfstoff derzeit noch nicht.

Das SMC hat deutschsprachige Expertinnen und Experten um erste Einschätzungen dieser noch vorläufigen Daten gebeten.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Florian Krammer, Professor of Vaccinology at the Department of Microbiology, Icahn School of Medicine at Mount Sinai
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  • Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln
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  • Prof. Dr. Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg
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  • Prof. Dr. Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin
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  • Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing
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Statements

Prof. Dr. Florian Krammer

Professor of Vaccinology at the Department of Microbiology, Icahn School of Medicine at Mount Sinai

„Die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer sind sehr, sehr ähnlich und daher vergleichbar. Ich habe erwartet, dass Moderna eine ähnliche Effizienz wie Pfizer erreicht und das ist eingetroffen. Man könnte sagen: Das Experiment wurde wiederholt und hat das gleiche Ergebnis erzielt.“

„Die Ergebnisse liefern noch keine weiteren Anhaltspunkte zur Wirksamkeit in Risikogruppen; da muss man noch warten, dazu ist die Datenlage noch nicht ausreichend.“

„Ich schätze das Risikoprofil als gut ein. Es gibt transiente, also vorübergehende Nebenwirkungen wie erhöhte Temperatur, Müdigkeit, Kopfweh und Schmerzen an der Einstichstelle, die unangenehm, aber transient und ungefährlich sind. Ernstzunehmende Nebenwirkungen traten bisher weder in der Pfizer- noch in der Moderna-Studie auf.“

Auf die Frage, was die Ergebnisse für die generelle Entwicklung von RNA-Impfstoffen bedeuten:
„Ich würde die Frage anders stellen: Was bedeutet das für COVID-19-Impfstoffe im Generellen? Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sehr viele der Impfstoffe, die sich in Phase-III-Studien befinden, auch gut funktionieren werden. Was die Ergebnisse für RNA-Impfstoffe im Generellen bedeutet, ist noch nicht klar.“

Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer

Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln

„Die heute veröffentlichten ersten Daten zum mRNA-Impfstoff der Firma Moderna zeigen sehr ähnliche Ergebnisse wie die Vakzine von Biontech. Während bei Biontech die Wirksamkeit mit über 90 Prozent angegeben wurde, liegt sie beim Moderna-Impfstoff bei 94,5 Prozent. Das sind fast identische Ergebnisse, die sich bei Biontech auf 94 und bei Moderna auf 95 beobachtete COVID-19-Infektionen beziehen. Diese beinahe gleichlautenden Zahlen sind ein sehr starkes Indiz dafür, dass das Prinzip der RNA-Impfstoffe zur Verhinderung der SARS-CoV-2-Infektion tatsächlich funktioniert. Wenn man nach den Ergebnissen von Biontech große Hoffnung in die Wirksamkeit der Impfstoffe setzen konnte, so ist diese Hoffnung jetzt noch ein deutliches Stück größer geworden. Angesichts des riesigen weltweiten Bedarfs ist es natürlich sehr positiv, dass damit ein weiterer Hersteller auf den Plan tritt.“

„Auch von Moderna sind nur allererste Daten veröffentlicht worden. Dennoch gibt es hier ein paar Details, die weitere Informationen liefern. Sehr erfreulich ist die Beobachtung, dass alle der insgesamt elf schweren COVID-19-Fälle in der Placebo-Gruppe auftraten. Dies ist – bei aller Vorsicht angesichts der kleinen Zahl – ein erster möglicher Hinweis darauf, dass der Impfstoff zum einen vor der Infektion selbst, zum anderen aber auch vor schweren Verläufen schützen könnte. Hier müssen allerdings weitere Ergebnisse abgewartet werden, bevor man eine genauere Beurteilung abgeben kann. Und noch etwas ist äußerst beruhigend: Die bisher in der Studie aufgetretenen Nebenwirkungen sind mild und entsprechen denen bei Impfungen allgemein beobachteten. Schwere Nebenwirkungen wurden dagegen bisher nicht beobachtet.“

„Alles in allem ist dies eine erneut höchst positive Nachricht innerhalb kurzer Zeit, die Hoffnung darauf macht, dass wir die Pandemie im nächsten Jahr in den Griff bekommen.“

Prof. Dr. Bernd Salzberger

Bereichsleiter Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg

„Diese Ergebnisse sind eine Bestätigung, dass symptomatische COVID-19-Infektionen durch eine Impfung verhindert werden können. Die Daten sind nahezu identisch zur Wirksamkeit der Biontech/Pfizer-Vakzine. Auch hier ist die vollständige Auswertung noch abzuwarten – sowohl für die endgültige Bewertung der Wirksamkeit wie auch für besondere Patientengruppen, also ältere und Personen mit chronischen Erkrankungen, und selbstverständlich die Sicherheitsdaten.“

Prof. Dr. Leif-Erik Sander

Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin

„Dies ist erneut eine sehr ermutigende Nachricht. Die bekanntgegebenen Zwischenergebnisse der laufenden Phase-III-Studie zum mRNA-Impfstoff von Moderna/National Institutes of Health (NIH) sind außerordentlich positiv. Ebenso wie in der Biontech/Pfizer-Studie wird eine hervorragende Wirksamkeit von über 90 Prozent berichtet. Beide Studien sind vom Aufbau her vergleichbar und verwenden einen sehr ähnlichen Impfstoff auf mRNA-Basis. Allerdings wurde in der Moderna/NIH-Studie 14 Tage nach der zweiten Immunisierung beobachtet, anstatt der siebentägigen Beobachtung in der Biontech/Pfizer-Studie.“

„Die aktuelle Studie hat Proband*innen mit unterschiedlichem Hintergrund und Altersprofil eingeschlossen. So waren unter den circa 30.000 Studienteilnehmer*innen auch 7.000 Personen über 65 Jahre alt. Von daher lassen diese Ergebnisse schon gewisse Rückschlüsse auf eine Wirksamkeit in Risikogruppen, wie zum Beispiel älteren Personen, zu. “

„Es scheint sich zu bestätigen, dass mRNA-Impfstoffe relativ sicher sind. Es kam zu keinen sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen, es wurden lediglich bei relativ vielen Impflingen milde Nebenwirkungen registriert.“

Auf die Frage, was die Ergebnisse für die generelle Entwicklung von RNA-Impfstoffen bedeuten:
„Das bedeutet einen weiteren enormen Schub für diese Technologie. Wenn sich nun in den mRNA-Impfstudien durchgehend eine sehr hohe Wirksamkeit bei einem guten Sicherheitsprofil bestätigt, dann wird das sicherlich erhebliche Auswirkungen haben und die Entwicklung weiterer mRNA-basierter Impfstoffe und Therapeutika befördern. Das ist möglicherweise ein entscheidender Moment für die gesamte Impfstoffentwicklung.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner

Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing

„Heureka – ein guter Tag für die Wissenschaft und für den klinischen Kampf gegen COVID-19! Auch wenn es sich noch um Zwischenergebnisse handelt, ist bereits jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit klar, dass auch der zweite mRNA-Impfstoff-Kandidat mRNA-1273 der Firma Moderna gegen eine symptomatische COVID-19-Infektion schützt. Ein unabhängiges Überwachungsgremium hat festgestellt, dass die im Studienprotokoll vordefinierte Effizienz des Impfstoffs bereits vorzeitig erreicht wurde und daher jetzt darüber berichtet werden kann. Durch mRNA-1273 werden circa 94,5 Prozent der Geimpften geschützt oder anders ausgedrückt: nur einer von 18 Geimpften infiziert sich mit SARS-CoV-2. Dies ist vergleichbar mit der Effizienz des Biontech-Impfstoffes BNT162b2, der kürzlich als erster mRNA-basierter Impfstoff diese hohe Effizienz auf der Basis einer Zwischenanalyse gezeigt hatte. Es scheint sich jetzt zu verdichten: mRNA-Impfstoffe wirken als Substanzklasse und könnten die Trendwende in der Pandemie bringen.“

„Auf der Basis der verfügbaren Daten lassen sich noch andere wichtige Punkte, sogenannte sekundäre Endpunkte, für den Moderna-Impfstoff mRNA-1273 festhalten: Er ist in der Lage, schwere COVID-19-Verläufe zu verhindern, denn nur in der Placebo-Gruppe kam es in elf Fällen zu entsprechenden schweren Krankheitsausbrüchen. Der Impfstoff scheint darüber hinaus seine Wirkung unabhängig vom Alter der Geimpften zu entfalten, die Schutzwirkung konnte auch für Probanden jenseits des 65. Lebensjahres aufgezeigt werden. Auch Personen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Fettsucht oder kardiologische Vorerkrankungen wurden ausreichend geschützt. Die Studie mit circa 30.000 Probanden schloss demnach circa 42 Prozent Risikopatienten ein und spiegelt daher ein ‚real-world scenario‘ wider, ist also auf der Basis dieser Ergebnisse alltagstauglich, da auch vulnerable Gruppen, die den Impfstoff ganz besonders benötigen, geschützt werden. Dies wird auch durch den Einschluss von über 11.000 people of color (POCs), die ebenfalls von der protektiven Wirkung des Impfstoffs profitieren, weiter belegt.“

„Die Nebenwirkungen sind insgesamt gering und überschaubar: In einem geringen Prozentsatz kam es zu Schmerzen in der Einstichstelle, auch wurden kurz anhaltende Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Müdigkeit beschrieben – nicht unerwartet und auch bei fast jeder anderen Impfung beobachtet. In jedem Fall eine Petitesse im Vergleich zum erwarteten Schutz hinsichtlich einer potenziell tödlichen Erkrankung wie COVID-19.“

„Ein wichtiger praktischer Vorteil des mRNA-Impfstoffes mRNA-1273 im Vergleich zu dem Konkurrenzprodukt der Firma Biontech (BNT162b2) drängt sich auf: mRNA-1273 ist bei zwei bis acht Grad Celsius, also in einem handelsüblichen Kühlschrank, für circa 30 Tage stabil, auch ist der Transport zum Impfzentrum und eine langfristige Lagerung über sechs Monate bei einer Temperatur von minus 20 Grad Celsius möglich. Dies ist einer besonderen ‚Verpackung‘ des Impfstoffes in sogenannten Lipid-Nanopartikeln (LNP) zu verdanken. Auch wenn der Impfstoff BNT162b2 eine ähnlich hohe Effizienz und Verträglichkeit aufweist, macht eine Lagerung bei minus 70 Grad Celsius eine flächendeckende Impfung der Bevölkerung zwar logistisch betrachtet nicht unmöglich, aber stellt ohne Zweifel eine zusätzliche Herausforderung dar, die eine Impfung in spezialisierten Impfzentren mit entsprechenden Kühlketten erforderlich macht. Auch ist mRNA-1273 nach Auftauen ready-to-use, und somit ist eine zusätzliche Verdünnung des Impfstoffs vor Ort beim Anwender nicht erforderlich.“

„Offen bleibt die Frage, inwieweit eine Impfung mit mRNA-1273 auch eine Verbreitung von SARS-CoV-2 insgesamt unterbinden kann. Wie auch bis dato durch andere Vakzine-Studien gezeigt, kann dieser Impfstoff hocheffizient das Individuum vor einer symptomatischen COVID-19-Infektion schützen, aber es bleibt zu klären, inwieweit damit auch ein ‚spreading‘ des Virus, also eine Verbreitung in der Population, wirksam bekämpft werden kann. Dies ist neben dem Individualschutz ein weiterer Lackmustest für eine erfolgreiche Vakzine aus infektionsepidemiologischer Sicht. Denn nur durch eine Unterdrückung des ‚spreadings‘ durch geimpfte Personen kann eine Herdenimmunität in der Bevölkerung schrittweise aufgebaut werden. Dieses Argument spricht nicht gegen eine flächendeckende Anwendung des Impfstoffes, wie sie in Kürze auch für mRNA-1273 nach geplanter Notfallzulassung vorgesehen ist – denn jedes geschützte Leben ist es wert. Vielmehr muss nach Markteinführung der Effekt dieser und anderer Impfstoffe auf den Verlauf der Pandemie aufmerksam über die nächsten Monate, wenn nicht sogar Jahre, weiter beobachtet werden, bevor man die Pandemie hoffentlich bald für beendet erklären kann.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Moderna (16.11.2020): Moderna’s COVID-19 Vaccine Candidate Meets its Primary Efficacy Endpoint in the First Interim Analysis of the Phase 3 COVE Study. Pressemitteilung des Unternehmens.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2020): Impfstoff verhindert mit über 90% Effektivität symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen. Rapid Reaction. Stand: 09.11.2020.

[II] Moderna (20.08.2020): Clinical Study Protocol – A Phase 3, Randomized, Stratified, Observer-Blind, Placebo-Controlled Study to Evaluate the Efficacy, Safety, and Immunogenicity of mRNA-1273 SARS-CoV-2 Vaccine in Adults Aged 18 Years and Older.