Zum Hauptinhalt springen
25.10.2021

Vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow: Was wird wichtig auf der COP26?

Am 31.10.2021 beginnt im schottischen Glasgow die 26. UN-Klimakonferenz COP26 – wegen der COVID-19-Pandemie mit einem Jahr Verspätung. Möglicherweise ist der internationalen Klimapolitik durch diese Verschiebung wichtige Zeit für den globalen Kampf gegen den Klimawandel verloren gegangen. Umso dringlicher werden die politischen Weichenstellungen, die in den zwei Wochen des Gipfels bis zum 12. November verhandelt werden. Es gibt Stimmen, die in diesem Klimagipfel die letzte Chance sehen, das Tempo für die Transformation in eine post-fossile Ära entscheidend zu beschleunigen, bevor die Ziele des Pariser Klimavertrages unerreichbar sein werden.

In den meisten Ländern der Erde erholt sich die Wirtschaft langsam wieder von den Auswirkungen der Pandemie. Erneut steigen weltweit die Treibhausgasemissionen, teilweise auf Rekordniveau. Der erste Teil des sechsten Sachstandsberichtes des Weltklimarates IPCC [I] unterstreicht noch einmal die Dringlichkeit, mit der sich die Entscheidungsträger der Welt dem Klimaschutz widmen müssen. Es bedarf also klarer Verabredungen, wie der Weg zu Netto-Null-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts aussehen und wie dieser beschritten werden soll. Auch Fragen zur weltweiten Bepreisung von CO2-Emissionen werden sehr wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen. Zudem gilt es zu klären, woher das Geld für die Maßnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels kommen soll und wer in welchem Umfang Finanzmittel für den Klimaschutz zur Verfügung stellt, auch um die Entwicklungsländer zu unterstützen.

Wann wäre sie ein Erfolg, wann ein Misserfolg? Welche Verhandlungspunkte müssen geklärt werden, welche könnten besonders umstritten sein und worauf sollten Journalistinnen und  Journalisten besonders achten, wenn sie über den Gipfel berichten? Was sind die kritischen Kulminationspunkte und woran könnte ein konstruktives Endergebnis scheitern? Wie lässt sich verhindern, dass die Verantwortung vor allem bei allen anderen gesucht wird? Was ist durch die Verschiebung um ein Jahr klimapolitisch auf der Strecke geblieben und welche Themen haben sich inzwischen so sehr weiter entwickelt, dass sie eine komplett andere Betrachtung brauchen als noch vor zwölf Monaten? Welche Dynamik kann der „Global Methane Pledge“ entwickeln, einem Vorstoß der USA und der EU zur Verringerung der Methan-Emissionen, dem sich inzwischen über 30 weitere Länder angeschlossen haben? Wie geht es weiter mit der Zusage der Industrieländer aus 2009, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern aus öffentlichen und privaten Mitteln bereitzustellen, die aber nie zusammengekommen sind? Welche Rolle werden die Öl-fördernden Staaten spielen, welche die Entwicklungsländer und inwiefern wird deren Stimme überhaupt angemessen Gehör finden, wenn doch für deren Vertreter der Zugang zur Konferenz wegen unzureichendem Zugang zu Impfprogrammen nicht gesichert ist?

Diese und weitere Fragen beantworteten die Experten in einem 50-minütigen virtuellen Press Briefing.

Experten im virtuellen Press Briefing

     

  • Prof. Dr. Niklas Höhne
    Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande
  •  

  • Dr. Carl-Friedrich Schleussner
    Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin
  •  

  • Prof. Dr. Reimund Schwarze
    Leiter AG Klimawandel und Extremereignisse, Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
  •  

Abschluss-Statements aus dem Press Briefing

Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings gefragt, bei welchen Resultaten sie von einer erfolgreichen Klimakonferenz sprechen würden oder wann sie es als eine vertane Chance betrachten würden:

Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln und Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität, Niederlande

„Erst mal würde ich festhalten: Das Pariser Klimaschutzabkommen wirkt. Es hat dazu geführt, dass die Idee, Treibhausgasemissionen auf Null zu reduzieren, komplett aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, dass diese Idee tatsächlich in der politischen Diskussion angekommen ist. Fast alle Länder dieser Welt wollen hin zu Null-Emissionen und das Pariser Klimaschutzabkommen hat diesen Druck ausgeübt, dass die Länder das auch tun. Das ist sehr positiv. Trotzdem sehen wir immer noch diese gigantische Lücke kurzfristig zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zwischen den kurzfristigen Maßnahmen, die Länder umsetzen und die sie eigentlich umsetzen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten. Deshalb sind für mich drei Dinge wichtig oder vier sogar, damit die COP ein Erfolg wird. Erstens: Eine Einigung zu den Regeln des Pariser Klimaschutzabkommens, allein um zu zeigen, dass dieser Prozess Entscheidungen fällen kann und nicht immer alles nach hinten vertagt. Das ist das Allerwichtigste. Das zweite ist, dass neue Ziele vorgelegt werden. Und da habe ich die Hoffnung, dass auch am Montag und Dienstag Länder noch neue Vorschläge machen. Aber vieles ist da schon geschehen. Dritter Punkt wäre, monothematischen Initiativen zu unterstützen, dass sich da mehrere Länder zum Kohleaussteig bekennen oder zum Ende des Verbrennungsmotors. Da ist auch das Methan-Abkommen ein Thema, wenn auch nicht das Wichtigste, dann doch Teil des Prozesses. Und mein vierter Punkt wäre, dass die Klimafinanzierung signifikant hochgeht, dass Länder zur Konferenz kommen und sagen, dass sie hier mehr Geld bereitstellen. Wenn all diese vier Dinge passieren, dann wäre das sicherlich ein großer Erfolg.“

Carl-Friedrich Schleussner

Leiter der Forschungsgruppe Zeitliche Entwicklung von Anpassungshindernissen und ihre Bedeutung für klimabedingte Verluste und Schäden, Integratives Forschungsinstitut zum Wandel von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys), Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter des Bereiches Klimawissenschaft und Auswirkungen, Climate Analytics, Berlin

„Ich würde Herrn Höhne in allen Punkten beipflichten. Was ich noch anfügen würde aus meiner Warte: Wenn die COP es nicht schafft, eine Perspektive aufzuzeigen, wie in der nächsten Dekade die Ambition erhöht wird, sowohl beim Klimaschutz als auch zum Beispiel bei der Bereitstellung von Finanzen und Finanzierungsmitteln, dann wird es eine vertane Chance sein, denn wir werden auch über diese Klimakonferenz hinaus mehr Klimaschutz brauchen. Wir werden am Ende der COP immer noch eine Lücke haben, davon würde ich sehr stark ausgehen, auch wenn wir die optimistischen Annahmen treffen, welche Länder sich möglicherweise noch Ziele setzen. Dort muss weiter drangeblieben, dort muss weiter nachgeschärft werden und die COP muss ein Signal setzen, dass es eher ein Startschuss für einen Sprint in der nächsten Dekade ist als ein Abschluss von einem Prozess fünf Jahre nach Paris. Und dann warten wir fünf Jahre, bis wir uns das nächste Mal darüber unterhalten. Dazu muss ein auf hohem Level gesendetes politisches Signal her, um diese Dynamik zu erzeugen und für mich wäre das ein ganz wesentlicher Punkt, den ich als Erfolgskriterium für diese COP mit ansetzen würde, ob solche Signale auch wirklich gesendet werden.“

Reimund Schwarze

Leiter AG Klimawandel und Extremereignisse, Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig

„Die entscheidende Frage ist: Funktioniert der UN-Prozess. Das ist eine Frage, die an diese Veranstaltung gestellt wird. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist, dass sich so was wie ein Walkout von den zivilgesellschaftlichen Organisationen wiederholt wie bei der COP in Madrid 2019. Das war einfach unerträglich. Und insofern muss wieder der UN- Prozess revitalisiert werden nach einer schweren Störung. Ich sehe es nach wie vor als schwer gestört durch die Pandemie, aber eben auch durch vielfaches Versagen. Daran entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg der UN. Was jetzt die ganz konkreten Fragen angeht, stimme ich natürlich den beiden anderen zu. Essenziell wird jetzt sein, das Regelwerk zu schließen. Das ist eine kleine, sehr konkret definierte Maßnahme, die erreicht werden muss. Ich finde es wichtig, dass Missbrauch verhindert wird, also auch, dass Länder wie Mexiko oder Brasilien schönrechnen in der Baseline, das muss gestoppt werden. Wenn es Signale gibt, einzelne korrumpieren den Prozess und das geht jetzt durch, dann wird es schwierig. Wann wird es ein Erfolg? Hauptsächlich glaube ich, wenn die Mittel jetzt langfristig erkennbar werden, also nicht nur einmal eine Leistung erbracht wird, sondern erkennbar den Bedürfnissen der Entwicklungsländer gefolgt wird, die Struktur und Aufbringung der Mittel über eine längere Frist erreicht wird. Das wäre ein echter Erfolg aus diesen Verhandlungen.“

Video-Mitschnitt & Transkript

 

Ein Transkript finden Sie hier.

Quellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.

Weitere Recherchequellen

[I] Science Media Center (2021): Stimmen zum WG-I-Report des IPCC. Research in Context. Stand: 09.08.2021.

[II] Science Media Center (2021): Report der Arbeitsgruppe I zum 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC veröffentlicht. Press Briefing. Stand: 08.08.2021.