Back-up-Kapazitäten: Wann ist ein Erdgaskraftwerk H2-ready?
Bundesregierung und EU-Kommission verhandeln über Kraftwerk-Subventionen
unklar ist, welche Vorgaben für einen Umstieg auf Wasserstoff gelten werden
Forschende: Verbrennung von Wasserstoff in Kraftwerken erfordert andere technische Bauweisen, frühzeitiges Mitdenken von Umstieg kann also Kosten sparen, kleinere Motoren oder grünes Methan könnten weitere Alternativen für Back-up-Kapazitäten sein
Back-up-Kraftwerke sollen zukünftig immer dann einspringen, wenn die Erneuerbaren über längere Zeiträume hinweg nicht genug Energie liefern – zum Beispiel während zweiwöchiger Dunkelflauten. Da die Marktanreize zum Bau solcher Kraftwerke nicht ausreichen, sollen sie staatlich subventioniert werden. Die EU muss die Förderung genehmigen – Verhandlungen zwischen EU-Kommission und Bundesregierung laufen derzeit.
Die Verbrennung von grünem Wasserstoff ist eine Option, um die Back-up-Kraftwerke langfristig klimaneutral zu betreiben. Deshalb steht zur Diskussion, ob die künftig geförderten Gaskraftwerke bereits ‚H2-ready‘ sein müssen. Sie würden dann zunächst Methan – also Erdgas - verbrennen, könnten aber später unkomplizierter auf Wasserstoff umgestellt werden. Bislang gibt es allerdings keine einheitliche Definition von H2-ready.
Stellvertretender Leiter des Instituts für Energie- und Verfahrenstechnik, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
Unterschied von Wasserstoff und Methan bei Verbrennung
„Wasserstoff und Erdgas verbrennen auf sehr unterschiedliche Weise. Wasserstoff hat beispielsweise eine höhere Reaktivität und verbrennt sehr viel schneller. Es ist nicht einfach, eine Turbine zu designen, die sowohl reines Erdgas als auch reinen Wasserstoff verbrennen kann. Ein Beispiel: Es ist essenziell, dass die Position der Flamme in der Verbrennungskammer unter Kontrolle bleibt und es muss sichergestellt werden, dass die Flamme jederzeit weit genug vom Brennstoff-Injektor entfernt ist.“
Marktreife von Wasserstoffkraftwerken
„In Kraftwerken können bereits Gasgemische aus Erdgas und Wasserstoff verbrannt werden. Es gibt bislang aber keine marktreifen großen Kraftwerke – also mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt – die ein Gemisch mit einem Anteil von bis zu 100 Prozent Wasserstoff verbrennen können. Neuste Modelle – beispielsweise von Siemens, Ansaldo Energia, GE Vernova oder Mitsubishi Power – schaffen Wasserstoff-Anteile zwischen 30 und 70 Prozent je nach Hersteller [1] [2].“
„Ein Volumenanteil von 70 Prozent Wasserstoff entspricht jedoch nur etwa einer Verminderung der CO2-Emissionen um 40 Prozent. Um die CO2-Emissionen von Gaskraftwerken um 70 Prozent oder mehr zu verringern, wäre ein Volumenanteil von mehr als 90 Prozent Wasserstoff nötig. Die aktuelle technische Herausforderung besteht darin, den Anteil des Wasserstoffs bei der Verbrennung von 70 auf 100 Prozent zu erhöhen. In dem Bereich findet momentan viel Forschung statt. Es wird noch einige Jahre Technologieentwicklung brauchen, bis große Gaskraftwerke, die 100 Prozent Wasserstoff verbrennen können, auf dem Markt verfügbar sind.“
Definition von h2-ready-Kraftwerken
„Es gibt keine einheitliche Definition für ‚h2-ready‘. Investitionen in Gaskraftwerke müssen sich über viele Jahrzehnte refinanzieren. Deshalb ist es sinnvoll, schon jetzt Gaskraftwerke zu bauen, für die ein späterer Umstieg auf Wasserstoff weniger aufwendig ist. Das ist voraussichtlich bei denjenigen Kraftwerken der Fall, die ein Gasgemisch mit einem hohen Anteil an Wasserstoff verbrennen können. Wenn man den Umstieg auf Wasserstoff nicht von Anfang an mitdenkt, hat man am Ende mehr Schwierigkeiten.“
Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
Unterschied von Wasserstoff und Methan bei Verbrennung
„In der Verbrennung hat Wasserstoff eine zehnfach so hohe Verbrennungsgeschwindigkeit bei höheren Temperaturen. In der Folge haben wir deutlich mehr unerwünschte Stickoxid(NOx)-Emissionen in der Verbrennungsluft. Die Brenner sind also in jedem Fall anzupassen in einem H2-ready-Kraftwerk. Zudem hat Wasserstoff eine zehnfach geringere Zündenergie mit entsprechenden hohen Anforderungen an den Explosionsschutz und die damit verbundenen Sicherheitstechnologien und Arbeitsunterweisungen. Die Kosten dafür sind entsprechend hoch, das Betriebsrisiko auch.“
Künstliches Methan als Alternative zu Wasserstoff
„Das alles ist aber im Grunde nicht erforderlich, wenn wir den Wasserstoff über Biogasanlagen oder andere CO2-Quellen in erneuerbares Gas – Methan – umwandeln. Wasserstoff hat nur ein Drittel der Energiedichte von Methan bei Normaldruck. Bei 200 bar – dem üblichen Speicherdruck untertage – sogar nur ein Viertel. Das heißt: Wir hätten den Winter 2022/23 nicht überstanden, wenn überall Wasserstoff eingespeichert gewesen wäre. Daher plädiere ich unter anderem im Nationalen Wasserstoffrat dafür, technologieoffen auch Power-to-Gas zu nutzen zur Gewinnung von erneuerbarem Methan. Dieses kann in den bestehenden Gaskraftwerken, Speichern, Leitungen und allen anderen Anwendungen eins zu eins genutzt werden – ohne milliardenschwere Umstellungen.“
Marktreife von Wasserstoffkraftwerken
„Es gibt wenige Hersteller, welche H2-ready-Gasturbinen anbieten. Der Proof-of-Concept eines Großkraftwerks auf Wasserstoffbasis steht allerdings noch aus. Neben dieser fehlenden technischen Reife ist die Marktreife noch in weiter Ferne. Nicht mal die Erprobung eines H2-Gaskraftwerks in relevanter Größe läuft über mehrere Wochen oder Monate mit Wasserstoff, weil dieser schlichtweg zu teuer ist. Erst wenn ausreichend grüner Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist, können wir von Marktreife sprechen. Den Weg dahin kann man nur mit Subventionen überbrücken.“
Definition von H2-ready-Kraftwerken
„H2-ready-Kraftwerke sind von vornherein so ausgelegt, dass sie später mit reinem Wasserstoff oder einem Wasserstoff-Methangas-Gemisch befeuert werden können. An der Wandlung der mechanischen Energie in elektrische Energie durch Turbine und Generator ändert sich nichts im Vergleich zum reinen Gaskraftwerk. Aber vor allen in der Brennstoffzufuhr und Verfeuerung, also bei Brennern, Rohrleitungen, Materialien und Sicherheitstechnik, sind bereits im Bau die wesentlich höheren technischen Anforderungen an Wasserstoff zu berücksichtigen.“
„Wasserstoff ist nur wirklich CO2-neutral und nachhaltig, wenn er aus nachhaltigen Quellen kommt – wie zum Beispiel grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Blauer Wasserstoff ist zwar kohlenstoffarm, aber weder nachhaltig noch CO2-neutral. Denn in seiner Herstellung wird fossiles Erdgas benötigt. Dessen CO2 muss abgetrennt und gespeichert werden und belegt damit wertvollen CO2-Speicherplatz – ein knappes volkswirtschaftliche Gut. Diese Knappheit wurde jüngst in einem Nature Paper global berechnet und belegt [3]. Damit wäre Speicherplatz für nicht-vermeidbare Emissionen wie aus Zementwerken vergeben. Ohne Not, weil auch Alternativen wie grüner Wasserstoff erschlossen werden können, zu ähnlichen Preisen in der Vollkostenrechnung inklusive der Folgekosten für Klima und Lagerung des CO2.“
Auf die Frage, wie relevant es ist, ob die Back-up-Kraftwerke als Erdgas- oder als H2-ready-Kraftwerke ausgeschrieben werden:
„Das ist sehr relevant, weil die Ausschreibung sonst den europäischen und nationalen Klimaschutzzielen entgegensteht und nur einseitig die Versorgungssicherheit adressiert. Generell ist es wichtig, dass solche Ausschreibungen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit im Stromsektor technologieoffen erfolgen. Eine technologische Verschlossenheit und Einengung nur auf ‚Gaskraft‘ ist kontraproduktiv und unnötig. Es gibt bereits heute 500 Gigawatt an Netzanschlussanfragen von Großbatteriespeichern, die – wenn auch nur ein realistisches Zehntel davon angeschlossen wird – einen Großteil der Versorgungssicherheit im Bereich der Tagesspeicherung übernehmen können, neben alten und neuen Pumpspeichern. Diese Großbatteriespeicher werden ohne Subventionen errichtet – ein Segen für die Energiewende in Zeiten klammer öffentlicher Kassen. Umso verstörender wäre eine technologieverschlossene Ausschreibung reiner Gaskraftwerke oder H2-ready-Gaskraftwerke, die dazu noch für ihren Betrieb einen hoch-subventionierten Kapazitätsmechanismus – von Markt ist nicht zu sprechen – erfordert. Es ist klar: gesicherte Leistung kann auch über Wasserkraft, Biomasse wie Biogasanlagen, Batteriespeicher, Pumpspeicher et cetera erbracht werden. Im Bereich der Langzeitspeicherung ist die Gaskraft derzeit konkurrenzlos, vorausgesetzt die Gasspeicher sind mit erneuerbarem Methan so gut gefüllt, wie sie es mit fossilem Erdgas im Winter 2022/23 waren. Für reine Wasserstoffkraftwerke wären die derzeitigen Wasserstoffspeicherkapazitäten bei weitem nicht ausreichend.“
Leiter des Instituts für Technische Verbrennung, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Unterschied von Wasserstoff und Methan bei Verbrennung
„Die Erdgasverbrennung ist langjährig erprobt und aus technischer Sicht sehr sicher. Die Wasserstoffverbrennung ist intensiver, es wird heißer. Die Flammenstabilisierung muss hier anders gelöst werden. Die Schadstoffbildung ist hier einerseits vorteilhaft – es werden keinerlei CO2, Rußpartikel oder unverbrannte Kohlenwasserstoffe freigesetzt. Andererseits ergibt die heißere Verbrennung mehr Stickoxidproduktion innerhalb der Gasturbine. Dagegen kann durch geänderte Konstruktion und Verbrennungstechnik angegangen werden. Der Brenner muss also etwas anders aussehen. Dies war Forschungs- und Entwicklungsgegenstand der letzten 10 Jahre und ist auch weiterhin noch ein Forschungsthema.“
Marktreife von Wasserstoff-Kraftwerken
„Meines Wissens waren Wasserstoff-Kraftwerke vor zwei Jahren noch nicht marktreif, sind es jetzt aber in ziemlich hohem Maße – zumindest was Versuche an großen modernen Gasturbinen-Anlagen angeht.“
„Man muss aber wissen, dass schon ein Versuch über ein paar Stunden auf einer großen Anlage die ganze bisherige Produktionskapazität an Wasserstoff eines Landes benötigt. Die Versuche sind somit bisher nur sehr eingeschränkt möglich und teuer. Daraus folgt, dass es noch keine langjährige Erfahrung im Betrieb gibt. Das bedeutet auch, dass die Risiken für einen sicheren langjährigen Betrieb noch nicht ganz genau bekannt sind.“
Definition von H2-ready-Kraftwerken
„H2-ready-Kraftwerke benötigen andere Brenner im Detaildesign, geänderte Gasturbinen-Steuerungseinrichtungen und eine etwas aufwändigere Abgasreinigungsanlage, weil die Stickoxidemission nicht ganz so gering ist, wie bei Erdgas-Gasturbinen. Zusätzlich benötigen sie eigentlich auch langjährige Betriebserfahrung, die aber noch nicht gegeben ist, weil bisher keine entsprechend riesigen Mengen an Wasserstoff verfügbar sind.“
Kosten von Wasserstoff- und H2-ready-Kraftwerken
„Detaillierte Angaben können nur die Hersteller und Betreiber geben. Insbesondere die Rahmeninfrastruktur – also die Wasserstoff-Versorgung, Druckerzeuger, Speicher und Sicherheitseinrichtungen – sind anders auszulegen, wenn ein Kraftwerk in der Lage sein soll, Wasserstoff zu verbrennen. Zunächst muss die Sicherheit zudem sehr konservativ – also teurer – ausgelegt werden, weil es noch keine langjährige Erfahrung gibt.“
Auf die Frage, wie relevant es ist, ob die Back-up-Kraftwerke als Erdgas- oder als H2-ready-Kraftwerke ausgeschrieben werden:
„Dies wird mittelfristig eine Frage des Preises sein. Die Kosten betreffen einerseits Investivkosten (siehe oben), andererseits die Verbrauchskosten für den Wasserstoff. Ich fürchte, dass insbesondere die Verbrauchskosten für grünen Wasserstoff – derzeit nach meinem Wissensstand etwa neunmal so teuer wie Erdgas – noch sehr lange deutlich über den Kosten von Erdgas inklusive CO2-Abgaben liegen werden. Ich vermute, dass die Bundesregierung hier in der mittleren Zukunft weniger Akzeptanz für so große Aufpreise von den Nutzern bekommen wird. Insofern werden hier Kompromisse nötig sein.“
Notwendigkeit von Gaskraftwerken für die Energieversorgung
„Gaskraftwerke werden in hohem Umfang als Reservekraftwerke nötig sein, damit die Anzahl der Kohlekraftwerke reduziert werden kann. Denn Wind- und Solarstrom sind volatil und stehen nicht immer genügend zur Verfügung. Batteriekraftwerke können zwar einen Beitrag leisten, indem sie kurze Knappheiten abfedern. So riesige Batterieanlagen, wie sie für längere Phasen mit wenig Wind und Sonne nötig wäre, habe ich aber noch nirgends gesehen. Denn in einer Batterie kann nur eine vergleichsweise geringe Energiemenge gespeichert werden.“
Gasmotoren-Kraftwerke als Alternative zu Gasturbinen-Anlagen
„In der Zeitung werden Reservegaskraftwerke auf Basis von Gasturbinen-Anlagen diskutiert. Diese haben eine Baugröße für Leistungen von 400 Megawatt und sind zunächst eine naheliegende Lösung, um den Bedarf flexibler Kraftwerksleistung im Bereich vieler 1000 Megawatt – also vieler Gigawatt – zu decken.“
„Jüngere Studien – eine läuft gerade bei uns – zeigen aber, dass stattdessen Gasmotorkraftwerke als Reservekraftwerke volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich sinnvoller, also billiger sein werden – obwohl jedes davon nur zehn bis 20 Megawatt Leistung liefern kann. Sie können verteilt über das Land oder als kombinierte Gasmotoren-Kraftwerke aufgebaut werden. Die großen Vorteile: Wenn hier viele hundert solcher Gasmotoren gebaut werden, werden die Preise aufgrund der hohen Stückzahlen deutlich geringer sein. Es ist fast kein Fachpersonal zum Betrieb nötig. Wartung ist sehr viel flexibler und leichter möglich, weil in der Regel nur einige der Reservekraftwerke gerade am Laufen sind. Der Wirkungsgrad ist besser, weil kein Teillastbetrieb nötig ist. Denn bei den Strombedarfsschwankungen können immer passend ein paar Gasmotoren mehr oder weniger zu- oder abgeschaltet werden. Alle, die gerade laufen, sind in Volllast mit gutem Wirkungsgrad. Weiterhin kann so ein Gasmotor innerhalb von 5 Minuten an- oder abgeschaltet werden, bei einem Gasturbinenkraftwerk dauert dies etwa eine halbe Stunde bis mehrere Stunden.“
„Dies gilt zunächst für Erdgas. Bezüglich eines Wasserstoffbetriebes ist bei Großgasmotoren die Situation ähnlich wie bei Gasturbinen: Es geht im Prinzip, also eine Vorstufe von ‚H2-ready‘ ist gegeben, aber wichtige Fragen wie Dauerhaltbarkeit der Komponenten und Sicherheit sind noch nicht im Langzeitbetrieb erprobt.“
„Ich halte eine Mischung aus großen Gasturbinen-Kraftwerken mit Betrieb im Mittellastbereich und viele kleine Gasmotor-Kraftwerke für den sehr flexiblen Spitzenlastbereich für die beste volkswirtschaftliche Lösung.“
„Dazu sollten dann noch mehrere 1000 der schon existierenden Biogasmotoren so umgerüstet werden, dass sie ebenfalls als Reservestrom-Lieferanten genutzt werden.“
Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik in der Abteilung Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Unterschied von Wasserstoff und Methan bei Verbrennung
„Wasserstoff ist ein Gas aus sehr kleinen Molekülen. Für Wasserstoffkraftwerke verwendete Komponenten – wie Leitungen, Armaturen und Dichtungen – müssen aus ‚diffusionsarmen‘ Materialien bestehen, die für Wasserstoff undurchlässig sind. Wasserstoff verbrennt außerdem bei höheren Temperaturen und mit höheren Flammgeschwindigkeiten als Erdgas. Unter anderem Brenner und Brennkammern müssen dafür konstruiert sein.“
„Der auf das Gasvolumen bezogene Energieinhalt von Wasserstoff ist um den Faktor drei kleiner als der von Erdgas. Vor allem die Rohrleitungssysteme müssen deswegen größer ausgelegt werden.“
„Zudem gehört Wasserstoff zu einer höheren Explosionsgruppe als Erdgas (Gruppe IIC statt IIA). Damit müssen höhere Sicherheitsstandards eingehalten werden, dies betrifft die Sicherheits-, Steuer- und Regelungstechnik.“
„Eine wichtige Zusatzinformation: Für (Bei-)Mischungsfragen wird das Wasserstoff-Erdas-Verhältnis meist auf Volumenbasis angegeben. Dies entspricht aber nicht dem Verhältnis von Energieinhalt und Emissionen. Eine Wasserstoffbeimischung von 20 Volumenprozent entspricht einem energetischen Anteil von etwa 6 Prozent, eine Beimischung von 30 Prozent einem energetischen Anteil von etwa 10 Prozent sowie eine Beimischung von 80 Prozent einem Energieanteil von etwa 50 Prozent.“
Kosten von Wasserstoff- und H2-ready-Kraftwerken
„Die unterschiedlichen Eigenschaften von Wasserstoff führen zu höheren Investitionskosten. Die Angaben streuen hier von plus zehn bis plus 30 Prozent – für Gas- und Dampf-Kraftwerke eher im unteren, für offene Gasturbinen eher im oberen Bereich.“
„Die Vorbereitung von Erdgaskraftwerken für den (teilweisen) Wasserstoffbetrieb kann teure Nachrüstmaßnahmen – beispielsweise Rohrleitungssysteme, Armaturen oder Sicherheitsmaßnahmen – vermeiden. Ein Teil der Umrüstungsmaßnahmen – vor allem der Gasbrenner – ist als Baustein auch nach der Initialinvestition kostengünstig möglich. Ein komplett für den Wasserstoffeinsatz ausgelegtes Gaskraftwerk ist für den reinen Erdgasbetrieb nicht sinnvoll. Die Nachrüstungskosten bei entsprechend vorausgelegten Gaskraftwerken werden mit zehn Prozent veranschlagt.“
„Wasserstoffkraftwerke haben wegen höherer Kühlungs- und Überwachungsanforderungen sowie geringerer Wirkungsgrade um zehn bis 20 Prozent höhere Betriebskosten – zunächst ungeachtet der höheren Kosten für Wasserstoff.“
„Die oben genannten Informationen beziehen sich zunächst auf Gasturbinen. Für Gasmotoren müssen deutlich andere Veränderungen vorgenommen werden – zum Beispiel an den Brennkammern, Einspritzsystemen und Zündsystemen. Die Mehrkosten gegenüber reinen Erdgasmotoren beziehungsweise die Kosten für die Umrüstung von Erdgasmotoren liegen um bis zu 20 Prozentpunkte über den oben genannten Werten für Gasturbinenkraftwerke.“
Kosten des Wasserstoffs
„Der eigentlich signifikante Kostennachteil von Wasserstoffkraftwerken liegt jedoch nicht in den Anlagen- sondern in den hohen Wasserstoffkosten. Derzeit wird grüner Wasserstoff in Nordwesteuropa für 225 bis 300 Euro pro Megawattstunde Heizwert angeboten, der Erdgaspreis liegt derzeit bei 35 Euro pro Megawattstunde Heizwert. Auf der iberischen Halbinsel und im Nahen Osten – also Regionen mit preiswerten Wasserstoff-Transportmöglichkeiten – kann Wasserstoff heute für 120 bis 180 Euro pro Megawattstunde produziert werden. Langfristig könnte grüner Wasserstoff in Zentraleuropa – überwiegend aus Importen – zu Preisen von 75 bis 90 Euro pro Megawattstunde angeboten werden, dies würde dann etwas unter den heutigen und nur wenig senkbaren Kosten für blauen Wasserstoff mit 120 bis 150 Euro pro Megawattstunde liegen.“
Kostenoptimierungen
„Die Betriebs-, Auslegungs- und Herstellungserfahrungen mit im reinen Wasserstoffbetrieb produzierenden Gaskraftwerken sind jedoch bisher vergleichsweise gering. Letztlich hat jeder Hersteller kaum mehr als ein für den Komplettbetrieb mit Wasserstoff geeignetes Modell im mittleren Leistungsbereich im Angebot, sodass im Zeitverlauf Kostenoptimierungen greifen können und werden. Neben der Gewinnung von Betriebserfahrungen für die Ermöglichung von Garantiezusagen für den vollständigen Wasserstoffbetrieb ist dies ein gewichtiges Argument für die frühzeitige und entsprechend geförderte Einführung eines (kleineren) Wasserstoffsegments im Stromsektor, obwohl die Kosten für Wasserstoff kurz- und mittelfristig noch sehr hoch sein werden. Die im niedrigen bis mittleren Leistungsbereich angesiedelten Gasmotoren haben – auch angesichts der parallel verlaufenden Umstellungsprojekte auf Wasserstoff-(Verbrennungs-)Motoren im Bereich der LKW-Fahrzeugindustrie – mit Blick auf die breite Verfügbarkeit von Wasserstoffkraftwerken einen zeitlichen Vorlaufvorteil.“
Technische Ausgestaltung der Back-up-Kraftwerke
„Angesichts der Tatsache, dass Kraftwerke für die komplette Befeuerung mit Wasserstoff nur in kleinen Segmenten des einschlägigen Anlagenangebots verfügbar sind und dass Wasserstoff noch sehr teuer ist, wird der Betrieb von Gaskraftwerken in Phasen erfolgen müssen. Die zunächst mit Erdgas betriebenen Kraftwerke werden – gegebenenfalls nach einer Phase mit kleineren Wasserstoffbeimischungen – erst später auf den vollständigen oder überwiegenden Wasserstoffeinsatz umgestellt werden.“
„Vor diesem Hintergrund stellt sich einerseits die Frage, welche Wasserstoffanteile bei der Stromerzeugung in einem Gaskraftwerk angestrebt werden und welche Zusatzkosten bereits zum Anfang und welche erst bei der Umstellung auf Wasserstoff getragen werden sollen. Dies ist im Kern ein betriebswirtschaftliches Optimierungsproblem, das von einer Vielzahl von Einflussgrößen abhängt und im Regelfall nur im Einzelfall adressier- beziehungsweise entscheidbar ist.“
Definition von H2-ready-Kraftwerken
„‚EUTurbines‘ hat vor diesem Hintergrund ein pragmatisches Klassifizierungskonzept für Wasserstofffähigkeit vorgelegt. Dieses nimmt eine Einstufung in zwei Dimensionen vor. Erstens mit drei Stufen für Wasserstoffnutzungsanteile von
A) 100 Volumenprozent, B) 25 Volumenprozent und C) 10 Volumenprozent. Und zweitens mit drei Stufen für den Umrüstungsaufwand in: 1) ‚Umrüstung ohne substantielle Modifikationen‘ mit einem Kostenaufwand von bis zu 5 Prozent der gesamten Anlagenkosten, 2) ‚Umrüstung mit kleineren Modifikationen‘ mit Kosten von bis zu 10 Prozent und 3) ‚Umrüstung möglich‘ mit Kosten von bis zu 20 Prozent.
„Von einem hohen Grad von Wasserstofffähigkeit im Kraftwerkssektor ist damit vor allem bei den Klassen A1 und A2 auszugehen.“
„Im Rahmen von Forschungskooperationen arbeite ich in meinem Labor an Projekten zusammen mit einigen der im Statement genannten Unternehmen. Ich halte keine Anteile an den genannten Firmen.“
„Ich habe keinen Conflict of Interest, bin Mitglied im nationalen Wasserstoffrat.“
„Ich habe keine Interessenskonflikte.“
„Ich bin amtierender Vorsitzender des Nationalen Wasserstoffrats und derzeit als Berater für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in den Themenbereichen Kraftwerksstrategie/Kapazitätsmarkt und Klimaschutzverträge sowie für das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Umwelt und nukleare Sicherheit im Bereich der klimapolitischen Beratung unter Vertrag.“
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2025): Globale Analyse zum geologischen Speicherpotenzial von CO₂. Statements. Stand: 03.09.2025.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Ansaldo Energia: GT36 Gas Turbine. Website. Stand: 23.10.2025
[2] GE Vernova: 9HA Gas Turbine. Website. Stand: 23.10.2025
[3] Gidden MJ et al. (2025): A prudent planetary limit for geologic carbon storage. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-09423-y.
Prof. Dr. Nicolas Noiray
Stellvertretender Leiter des Instituts für Energie- und Verfahrenstechnik, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
Information on possible conflicts of interest
„Im Rahmen von Forschungskooperationen arbeite ich in meinem Labor an Projekten zusammen mit einigen der im Statement genannten Unternehmen. Ich halte keine Anteile an den genannten Firmen.“
Prof. Dr. Michael Sterner
Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
Information on possible conflicts of interest
„Ich habe keinen Conflict of Interest, bin Mitglied im nationalen Wasserstoffrat.“
Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker
Leiter des Instituts für Technische Verbrennung, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Information on possible conflicts of interest
„Ich habe keine Interessenskonflikte.“
Dr. Felix Christian Matthes
Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik in der Abteilung Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Information on possible conflicts of interest
„Ich bin amtierender Vorsitzender des Nationalen Wasserstoffrats und derzeit als Berater für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in den Themenbereichen Kraftwerksstrategie/Kapazitätsmarkt und Klimaschutzverträge sowie für das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Umwelt und nukleare Sicherheit im Bereich der klimapolitischen Beratung unter Vertrag.“