Wie finanzieren wir künftig die Energiewende?
Die Corona-Pandemie hat für kurze Zeit die Umlage für Strom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wieder ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit gerückt. Handel und Betriebe schlossen im Frühjahr 2020, Strombedarf und Großhandelspreis sackten ab. Damit sank auch der Erlös aus dem Verkauf von Wind- und Solarstrom. Deren Betreiber erhalten jedoch eine garantierten Gesamterlös für ihren Strom als Einspeisevergütung bei kleineren Anlagen oder als Summe aus Börsenmarktwert und Marktprämie. Das heißt: Je niedriger der jeweilige Marktwert am Day-Ahead-Handel der Strombörse ist, desto höher fallen Marktprämie und Differenz zur Einspeisevergütung aus, desto mehr muss über die Umlage ausgeglichen werden und desto stärker steigt diese. Berechnungen im Juni zeigten, dass die Umlage auf acht bis womöglich knapp zehn Cent hätte steigen können. Da seit Jahren die Höhe der Umlage eher ungerechtfertigt politisch und in den Medien als Kostenbarometer der Energiewende betrachtet wird, handelte die Bundesregierung schnell, brach mit den Grundsätzen der bisherigen Politik und senkte die Umlage mit Zuschüssen aus dem Staatshaushalt. Das ist ein Paradigmenwechsel, denn von jetzt an ist unstrittig, dass die Finanzierung durch das EEG durch den Wettbewerbskommissar der EU genehmigt werden muss.
Dieser Umstand kann auf die Diskussion um die Finanzierung der Energiewende einen neuen Blickwinkel eröffnen, denn von nun an ist auch eine vollständige Finanzierung der Erzeuger von erneuerbaren Energien über den Bundeshaushalt oder sogar anders als über die EEG-Umlage denkbar. Vor diesem Hintergrund zeigt dieses Fact Sheet an drei Beispielen die Spannweite möglicher Wege auf, die eingeschlagen werden können. Eine erste Gelegenheit dafür ergibt sich zum Beispiel im Herbst, wenn der erste Entwurf einer EEG-Novelle präsentiert wird.
Das Fact Sheet kann hier als PDF-Dokument heruntergeladen werden.
Seit der Strommarkt-Liberalisierung 1998 wird Strom in der EU an Börsen gehandelt. Die Idee dabei ist: über den Handel kommen die kurzfristig günstigsten Erzeuger zum Zuge. Seit 2000 wird auch der Strom aus Wind-, Photovoltaik (PV)- und Biomasseanlagen auf der Börse gehandelt. Der Zuschlag erfolgt bei allen Erzeugern zum sogenannten Grenzkostenpreis; der Preis setzt sich aus den laufenden Kosten für Brennstoffe und Wartung zusammen. Weil Photovoltaik und Wind keine Brennstoffkosten haben, betragen ihre Grenzkosten null Euro pro Kilowattstunde (kWh). In einer Gebotsrunde kommen dann die Erzeuger in der Reihenfolge ihre (steigenden) Grenzkosten zum Zuge; die Grenzkosten des letzten zum Zuge kommenden Kraftwerks bestimmt den Erlös der ganzen Runde.
Zwei Punkte sind zuvor noch wichtig:
Der erste Weg konzentriert sich auf die Differenzkosten. Sie könnten künftig nur noch zum Teil oder gar nicht mehr auf den Stromkunden umgelegt, sondern aus dem Staatshaushalt – und damit aus Steuern – finanziert werden. Das wurde bereits in der Vergangenheit vorgeschlagen [7], der jüngste Vorschlag der Deutschen Energie-Agentur DENA berücksichtigt jedoch die neue Rechtslage zur Senkung der EEG-Umlage aus Haushaltsmitteln und führt diesen Ansatz konsequent weiter [1].
Idee: Die EEG-Umlage wird statt auf 6,5 Cent/kWh auf null Euro gesenkt, die Vergütung der Differenzkosten für die Erneuerbaren werden durch Einnahmen aus dem 2021 beginnenden nationalen Emissionshandel im Wärme- und Verkehrsbereich, einer (vorübergehenden) Erhöhung der Stromsteuer und vorübergehend aus anderen Haushaltsmitteln oder Krediten bestritten.
Ein Beispiel für einen zweiten Weg – oder den nächsten Schritt – ist der Kommentar der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ [2]. Der setzt in Bezug auf die Differenzkosten auf eine Doppelstrategie: Zum einen sollen sie wie im Vorschlag der DENA vom Bundeshaushalt übernommen werden, zum anderen aber soll auch der Preis an den Strombörsen zum Beispiel durch die Einführung eines CO2-Mindestpreises sowie eines nationalen CO2-Preises angehoben werden. Dadurch würden zwar die Großhandelspreise steigen, die Differenzkosten aber sinken. Die Vorschläge sind sehr umfassend, hier beschränken wir uns auf die Teile zur Finanzierung der Erneuerbaren Energien.
Ein dritter Weg wäre schließlich, das Finanzierungsmodell vollständig zu ändern, in der Annahme, dass von der Strombörse spätestens dann kein Signal mehr für den Neubau von Kraftwerken ausgeht, wenn Erneuerbare Energien überwiegend zum Zuge kommen und damit die Erlöse an der Börse dauerhaft niedrig bleiben. Diesen Weg schlägt Uwe Leprich vor, Professor für Energiewirtschaft, Wirtschafts- und Umweltfragen in Saarbrücken. Er leitete von 2016 bis 2018 die Energieabteilung des Umweltbundesamtes. Für diese Idee liegt bis jetzt nur eine Skizze vor [3], sie könnte in den kommenden Monaten vertieft werden. Dabei würde es Differenzkosten nicht mehr geben.
[1] Deutsche Energie-Agentur DENA (2020): Vorschlag für die Senkung der EEG-Umlage auf null. Ein Impuls für die Beschleunigung der Energiewende.
[2] Löschel A. et al. (2020): Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“: Klimaschutz vorantreiben, Wohlstand stärken – Kommentierung zentraler Handlungsfelder der deutschen Energiewende im europäischen Kontext.
[3] Leprich U (2020): Für ein klimaverträgliches Strom-Wärme-System: Ein Energieleitgesetz für das neue Jahrzehnt. Neue energie 05/2020, S.18-20.
[4] Commission Decision (EU) 2015/658 on the aid measure SA.34947 (2013/C) (ex 2013/N) which the United Kingdom is planning to implement for support to the Hinkley Point C nuclear power station.
[5] Ofgem: All wholesale electricity charts and indicators, Chart: Energy prices Day ahead baseload contracts – monthly average from 26/04/2010 to 05/04/2020.
[6] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (2020): Fragen zur Entwicklung der Netzentgelte im Stromsektor. Dokumentation WD5 – 3000 – 012/20
[7] Bettzüge MO et al. (2017): Kurzstudie: Alternativen zur Finanzierung des EEG.
[8] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020): EEG in Zahlen: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2020. Stand 28. Februar 2020.