Warum Desertifikation und Bodendegradation nicht nur den Globalen Süden betreffen
unter dem Motto: „Unser Land. Unsere Zukunft“ startete am 02. Dezember die 16. Vertragsstaatenkonferenz zur Bekämpfung von Desertifikation (UNCCD COP16)
25 Prozent der eisfreien Landfläche gilt bereits als degradiert; jeder sechste Mensch auf der Welt lebt in degradierten Gebieten
Expertinnen betonen, dass ausreichend Ansätze zur Renaturierung degradierten Landes existieren, um die Lebensfähigkeit der Böden wiederherzustellen
Im Gegensatz zu Themen wie dem Klimawandel oder dem weltweiten Verlust von Biodiversität stehen Bodendegradation und Desertifikation in den hiesigen Medien seltener im Fokus. Dabei betreffen diese Probleme längst auch Europa: Laut einer aktuellen Erhebung der Europäischen Umweltagentur sind bereits 61 Prozent der europäischen Böden durch physikalische, chemische oder biologische Prozesse degradiert, was die Bodenqualität erheblich verschlechtert [I]. Anhaltende Hitzewellen und Dürren erhöhen insbesondere in weiten Teilen des Mittelmeerraums das Risiko von Desertifikation – der Verödung von Böden in Trockengebieten durch Prozesse wie zum Beispiel der Versalzung [II] [III]. Fruchtbares Land wird dadurch karg und wirtschaftlich unproduktiv.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle/Saale
Globale Einordnung
„Desertifikation und Bodendegradation betreffen weltweit zahlreiche Regionen, allerdings unterscheidet sich die Problematik je nach geografischen, klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen. Besonders anfällig sind trockene Gebiete, aber auch fruchtbare Regionen sind durch intensive Nutzung betroffen. Ein Viertel der eisfreien Landfläche der Erde gilt bereits als degradiert, dies betrifft etwa jeden sechsten Menschen weltweit.“
„In Afrika ist vor allem die Sahelzone rund um die Sahara von Übernutzung, Klimaschwankungen und Bevölkerungswachstum betroffen, was durch Bodendegradation zu Hunger, Konflikten und dem Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen führt. In Zentralasien, insbesondere rund um den Aralsee, hat die intensive Landwirtschaft, insbesondere durch übermäßige Bewässerung, zu einer starken Versalzung der Böden und einer erheblichen Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktivität geführt. In Südamerika führen Entwaldung im Gran Chaco (Region mit Trockenwäldern und Dornbuschsavannen, die Teile von Paraguay, Bolivien, Argentinien und Brasilien umfasst; Anm. d. Red.) und Teilen Brasiliens, verstärkt durch Sojaanbau und Viehzucht, zu Bodenerosion, Nährstoffverlusten und einer erhöhten Anfälligkeit der Gebiete. In Nordamerika, insbesondere im Westen der USA, schwächen Dürreperioden und intensive Landwirtschaft mit Monokulturen wie Mais und Weizen die Böden und machen sie anfälliger für Erosion.“
„Aber auch in Europa ist Bodendegradation zu einem immer größeren Problem. In Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland zeigen sich bereits Anzeichen von Desertifikation. Gründe dafür sind zunehmende Trockenheit, intensive landwirtschaftliche Nutzung und der steigende Wasserbedarf durch Tourismus und Verstädterung.“
Hauptursachen für Bodendegradation und Desertifikation
„Die Hauptursachen für Desertifikation lassen sich in natürliche und menschliche Einflüsse unterteilen, die oft miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig verstärken. Natürliche Faktoren – wie klimatische Veränderungen – spielen eine zentrale Rolle: Dürren, steigende Temperaturen und unregelmäßige Niederschläge, wie zum Beispiel Starkregen, der zur Erosion und zum Verlust fruchtbarer Bodenschichten beiträgt.“
„Auf der anderen Seite gibt es die menschlichen Faktoren, die häufig als treibende Kräfte hinter der Desertifikation wirken. Dazu gehören Überweidung, die Vegetation zerstört und den Boden ungeschützt lässt, sowie Abholzung, die die natürliche Stabilität der Böden beeinträchtigt. Unsachgemäße landwirtschaftliche Praktiken wie Monokulturen und der übermäßige Einsatz von Bewässerung tragen ebenfalls zur Degradation bei.“
„Das bekannteste Beispiel hierfür ist vermutlich der Aralsee; ein ähnliches Schicksal ereilt den Tschadsee in Zentralafrika und das Tarimbecken in China. Aber auch die Verstädterung und der Ausbau von Infrastruktur auf fruchtbarem Land sind bedeutende menschliche Faktoren, die zur Bodendegradation beitragen. Die Wechselwirkung zwischen natürlichen und menschlichen Einflüssen ist entscheidend. Während klimatische Faktoren die Grundlagen für Desertifikation schaffen, sind es oft menschliche Aktivitäten, die diese Prozesse beschleunigen und verschärfen.“
Desertifikation in Europa
„Desertifikation ist nicht nur ein Problem in weit entfernten Regionen wie der Sahara, sondern betrifft auch Teile Europas, insbesondere den Mittelmeerraum. Länder wie Spanien, Portugal, Italien, Zypern, Malta, Bulgarien und Griechenland sind besonders gefährdet. Die Gründe liegen in den klimatischen Bedingungen, die von langen Trockenperioden und intensiven Regenfällen geprägt sind, sowie in menschlichen Faktoren wie intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, etwa dem Anbau von Monokulturen mit hohem Wasserbedarf. In Spanien sind rund drei Viertel des Landes von Desertifikationsrisiken betroffen, während in Portugal über die Hälfte des Landes gefährdet ist und in Italien fast 60 Prozent der Fläche eine mittlere bis hohe Anfälligkeit aufweisen.“
Desertifikation und Klimawandel
„Der Klimawandel verstärkt die Desertifikation, indem er die Wasserverfügbarkeit verringert und Böden durch höhere Temperaturen austrocknen lässt. In Kombination mit der geringeren Bodenfeuchtigkeit und dem Verlust von Vegetation werden Böden in bereits trockenen Regionen besonders anfällig für Wüstenbildung. Zusätzlich führen häufigere und intensivere Starkniederschläge zu stärkerer Bodenerosion. Gleichzeitig trägt Desertifikation selbst zum Klimawandel bei, indem Kohlendioxid aus degradierten Böden freigesetzt wird, was eine gefährliche, sich selbst verstärkende Spirale erzeugt.“
„Die Vorhersage von Desertifikation unter Berücksichtigung des Klimawandels ist eine große Herausforderung. Modelle, die diese Prozesse abbilden, müssen nicht nur Temperatur- und Niederschlagsveränderungen berücksichtigen, sondern auch die Wechselwirkungen mit menschlichen Aktivitäten wie Landnutzung und Wassermanagement. Ein zentrales Problem liegt in der Unsicherheit über die spezifischen Auswirkungen des Klimawandels auf regionale Niederschlagsmuster und die Wechselwirkungen mit Landnutzung. Die Modelle berücksichtigen zwar die langfristigen Effekte von Temperatur- und Niederschlagsveränderungen, jedoch fehlen oft präzise regionale Daten, um konkrete Prognosen für die Desertifikation in verschiedenen trockenen und halbtrockenen Regionen zu erstellen. Zudem ist die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Klimafaktoren, menschlicher Landnutzung und anderen Umweltfaktoren ein bedeutendes Hindernis für die Modellierung. Auch die Unsicherheit über zukünftige sozioökonomische Entwicklungen, wie zum Beispiel das Bevölkerungswachstum und die Landwirtschaftspraktiken, trägt zur Unsicherheit der Vorhersagen bei.“
Maßnahmen gegen Bodendegradation und Desertifikation
„Um Desertifikation zu bekämpfen, sind verschiedene Ansätze notwendig, die sowohl auf praktischen als auch politischen und technologischen Lösungen basieren. Auf der landwirtschaftlichen Seite können nachhaltige Anbaumethoden, wie Agroforstwirtschaft, die Bäume mit Pflanzen kombiniert und so den Boden schützt, und der Fruchtwechsel, bei dem regelmäßig die angebauten Kulturen wechseln, helfen, die Bodengesundheit zu erhalten. Zusätzlich können bodenschonende Techniken wie minimaler Pflug oder Mulchen den Boden stabil halten und Erosion verhindern.“
„Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Ressourcenmanagement, insbesondere der Umgang mit Wasser. Methoden wie Tröpfchenbewässerung sind nicht nur effizienter, sondern sorgen auch dafür, dass das Wasser gezielt und nachhaltig genutzt wird. Zudem können Aufforstung und die Renaturierung von degradiertem Land die Lebensfähigkeit der Böden wiederherstellen und die Ökosysteme stabilisieren.“
„All diese Maßnahmen müssen von passenden politischen Instrumenten begleitet werden, wie derUN-Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD), die globale Zusammenarbeit fördert und nachhaltige Landbewirtschaftung stärkt. Diese internationalen Initiativen müssen sich bis auf die kommunale Ebene fortsetzen, wo lokale Programme helfen können, nachhaltige Praktiken umzusetzen und langfristig Lebensgrundlagen zu sichern.“
Projektleiterin im Sektorvorhaben Internationaler Bodenschutz, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Bonn, nimmt an der UNCCD-COP16 teil
Globale Einordnung
„Landdegradierung und Desertifikation sind ein weltweites Problem – überall dort, wo Menschen Böden und Äcker falsch bewirtschaften. 40 Prozent der weltweiten Landfläche ist geschädigt, das zeigen Zahlen des UN-Sekretariats zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD). Die Länder des globalen Südens, vor allem in Afrika und Asien, leiden besonders unter Desertifikation. Allein in Afrika sind zwei Drittel aller Ackerböden bedroht und damit die Lebensgrundlage von Millionen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.“
„Gesunde Böden sind eine wichtige Entwicklungsgrundlage. Über die Hälfte der Weltwirtschaft ist von natürlichen Ressourcen wie Böden abhängig. Deshalb unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) den Bodenschutz, der Fokus liegt auf Afrika. Nur auf gesunden Böden kann sich eine funktionierende Wirtschaft entfalten – und damit Perspektiven für Ernährungssicherheit, Jobs, Klimaschutz und Biodiversität.“
Hauptursachen für Bodendegradation und Desertifikation
„Mit Desertifikation oder Wüstenbildung ist die Schädigung von Boden in Trockengebieten der Erde gemeint. Dass gesunde Böden schlechter werden, liegt vor allem an uns Menschen. Die wachsende Weltbevölkerung breitet sich aus, und mit ihr Acker- und Weideflächen, Straßen und Städte. Wenn Wälder gerodet, Böden versiegelt, Äcker falsch bewässert oder Pestizide übermäßig versprüht werden, senkt das die Bodenqualität. Böden werden so abgetragen, sie laugen aus, versalzen und versanden. Ihre wertvolle organische Masse – der Humus – nimmt ab. Der Boden kann dann seinen Job nicht richtig machen. Degradierte Böden können keine Nährstoffe für das Pflanzenwachstum mehr bereitstellen, keinen Kohlenstoff speichern, kein Wasser filtern.“
Desertifikation in Europa
„Wüsten sind auf dem Vormarsch – auch in Europa. In Portugal, Spanien und Süditalien machen geringere Niederschläge das Land viel anfälliger. Auch Griechenland, Malta und Länder am Schwarzen Meer wie Bulgarien und Rumänien erleben, dass ihre Böden unfruchtbarer werden. In Deutschland ist die Hauptursache für Bodendegradierung die Versiegelung: Etwa alle halbe Stunde wird laut Umweltbundesamt ein Hektar Boden in Siedlung und Verkehrsfläche umgewandelt. Dadurch können die Böden Wasser schlechter speichern.“
Desertifikation und Klimawandel
„Der Klimawandel verschärft die Landdegradierung. Höhere Temperaturen und mehr Wetterextreme führen zu Dürren und Starkregen. Das beschleunigt den Verlust fruchtbarer Böden – vor allem, wenn sie bereits ausgelaugt oder entwaldet sind. Zugleich liegt im Boden auch eine Lösung: Gesunde Böden und waldreiche Landschaften speichern Kohlenstoff und schützen das Klima. Deshalb ist es so wichtig, Böden zu schützen. Genau daran arbeiten wir als GIZ in und mit verschiedensten Ländern.“
Maßnahmen gegen Bodendegradation und Desertifikation
„Es braucht Lösungen, die an die Menschen, den Naturraum und die Bedingungen vor Ort angepasst sind. In Burkina Faso arbeitet die GIZ im Auftrag des BMZ beispielsweise mit dem lokalen Landwirtschaftsministerium und den Gemeinden daran, den Boden vor Erosion zu schützen. Wir unterstützen Bäuerinnen und Bauern dabei, Steinreihen anzulegen, sodass Regenwasser besser in den Boden versickert. Außerdem schult sie die GIZ darin, mehr Kompost und Ernterückstände in den Boden einzubringen, um mehr Humus in die Böden zu bekommen und die Widerstandskraft der Pflanzen gegen Trockenstress zu erhöhen. Seit 2014 hat die GIZ in Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Indien, Kenia, Madagaskar und Tunesien bereits mehr als 800.000 Hektar Boden geschützt oder saniert – eine Fläche doppelt so groß wie Mallorca. Damit konnten die Bäuerinnen und Bauern ihren Ertrag durchschnittlich um ein Drittel steigern. Das bedeutet mehr Ernährungssicherheit für über zwei Millionen Menschen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Arias-Navarro C et al. (2024): The state of soils in Europe. Europäische Umweltagentur. DOI: 10.2760/7007291.
[II] Cherlet M et al (2018): World atlas of desertification. Europäische Kommission. DOI: 10.2760/06292.
[III] Science Media Center (2023): Hitze & Dürren im Klimawandel – aktueller Stand der Attributionsforschung. Science Response. Stand: 27.06.2023.
[IV] Batterbury S et al. (2001): The African Sahel 25 years after the great drought: assessing progress and moving towards new agendas and approaches. Global Environmental Change. DOI: 10.1016/S0959-3780(00)00040-6.
Dr. Kathleen Hermans
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle/Saale
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Juliane Wiesenhütter
Projektleiterin im Sektorvorhaben Internationaler Bodenschutz, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Bonn, nimmt an der UNCCD-COP16 teil
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“