Vorschlag für PFAS-Beschränkungen überarbeitet
ECHA überarbeitet Vorschlag zu PFAS-Beschränkung und berücksichtigt dabei 5600 eingegangene Kommentare
es folgt Einschätzung zweier ECHA-Ausschüsse, auf deren Grundlage die EU-Kommission über den Beschränkungsvorschlag entscheiden wird
befragte Fachleute beurteilen die vorgeschlagenen Änderungen als weitgehend moderat, sehen aber Risiko, dass diese nur auf Minderung der Emissionen abzielen, ohne Verwendung einzuschränken
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat am 20.08.2025 die aktualisierte Fassung des Vorschlags zur EU-weiten Beschränkung der PFAS – oft auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet – veröffentlicht [I] [II]. Darin berücksichtigt sie die Einwände und Anmerkungen, die interessierte Stakeholder sechs Monate lang zum ursprünglichen Vorschlag einbringen konnten. Diese überarbeitete Version bildet nun die Grundlage für die Einschätzungen zweier ECHA-Ausschüsse: der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) und der Ausschuss für sozioökonomische Analyse (SEAC). Darauf basierend erstellt die Europäische Kommission dann einen Vorschlag für mögliche gesetzliche Beschränkungen von PFAS.
Zu den PFAS – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen – gehören mehrere tausend Substanzen, die wasser-, schmutz- und/oder fettabweisend sind. Das macht sie zu nützlichen Bestandteilen in unzähligen Alltagsprodukten: in wasserdichter Kleidung, beschichteten Pfannen, Kosmetik, Verpackungen für Fast Food oder Flammschutzmittel. Auch für Medikamentenverpackungen und Dichtungen in Anlagen der chemischen Industrie sind sie wichtig. In den vergangenen Jahrzehnten kamen Bedenken wegen der Nutzung PFAS-haltiger Produkte auf. Sie werden in natürlicher Umgebung kaum abgebaut, sammeln sich daher in Gewässern und Böden an [III] [IV] und werden über die Luft über zum Teil große Distanzen transportiert. Viele PFAS akkumulieren in Nahrungsnetzen und verbleiben über viele Jahre im menschlichen Körper. Für einige Verbindungen konnte nachgewiesen werden, dass sie bereits in geringen Konzentrationen gesundheitliche Folgen haben können. Bisher gibt es nur Einschränkungen für einzelne PFAS. So ist der Einsatz von Perfluroktansäure (PFOA) in der EU inzwischen verboten und die Nutzung von Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) nur für wenige Einsatzbereiche zugelassen. Für die meisten der PFAS wurden allerdings bisher die Risiken durch Herstellung und Nutzung nicht kontrolliert.
Abteilungsleiterin Funktionale Oberflächen und Materialien, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart
Gesamtbewertung
„Insgesamt bewerte ich die Überarbeitung des Dokuments positiv. Es wurde an zahlreichen Stellen erweitert, präzisiert und auf Grundlage neuer Daten aktualisiert. Dies verdeutlicht, dass das Thema von den beteiligten Akteuren aus Forschung, Industrie und Politik ernst genommen wird und in den vergangenen Monaten intensiv bearbeitet wurde.“
Blick in die Details
„Überraschend ist für mich die Herabstufung der Relevanz des Kriteriums ‚Availability of alternatives‘ (Annex F) von hoch auf niedrig. Nach wie vor gestaltet sich die Suche nach Alternativen mit vergleichbarem Eigenschaftsprofil als schwierig. Möglicherweise wurden PFAS bislang auch in Anwendungen eingesetzt, bei denen sie aus technischer Sicht nicht zwingend erforderlich waren und nun durch andere Materialien ersetzt werden. Ebenso erstaunt mich die reduzierte Einstufung der ‚Barriers to introduction of alternatives‘ von hoch auf niedrig. Die angeführte Begründung kann ich nicht nachvollziehen(Annex F. Tabelle F.2, Zeile 22: ‚In some cases, deployment of alternatives is limited by legal barriers.‘; Anm. d. Red.). Denkbar ist, dass Unternehmen zunächst Zeit benötigten, um bereits verfügbare PFAS-freie Materialien zu identifizieren, die für ihre spezifischen Anwendungen geeignet sind.“
Einfluss der Anmerkungen aus dem Konsultationsprozess
„Kritische Rückmeldungen aus der Industrie, etwa hinsichtlich zu weniger Ausnahmen oder zu kurzer Übergangsfristen, wurden in den Änderungen nicht direkt aufgegriffen.“
Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München, und Professor am Lehrstuhl für Toxikologie und Umwelthygiene, Technische Universität München
Gesamtbewertung
„Die erhebliche Verbesserung der Dokumentation von Anwendungsfeldern würde für die im Prozess folgenden Schritte ein differenziertes Vorgehen mit Blick auf Produktbereiche und Produktverantwortlichkeiten für Anwendungsbereiche ermöglichen. Je nach Anwendungsbereich kann der Verbleib der Substanzen am ‚End-of-life‘ sehr unterschiedlich sein: Für Endkonsumenten-Produkte ist viel eher davon auszugehen, dass die Stoffe in der Umwelt verbleiben, als bei technischen Anwendungen, zum Beispiel in Energie-, Klima- oder Lebensmitteltechnologie mit langen Produktstandzeiten und eventuell kontrollierten Rückbaustrategien oder bei medizinischen Anwendungen, bei denen aus anderen Gründen sorgfältige Entsorgung sowieso nötig und realisierbar ist. Diese Datenfülle wäre eine hervorragende Grundlage, um in den folgenden Prozessen der Bewertung von Risiken und sozioökonomischen Folgen differenzierte Regeln für Produktion und Einsatz von PFAS sowie Produktverantwortlichkeiten zu vereinbaren.“
Bewertung der gesundheitsrelevanten Formulierungen
„Die Erweiterung der Datenbasis zur menschlichen Expositionen und die Bewertung der Zusammenhänge zwischen PFAS-Exposition und gesundheitlichen Auswirkungen müsste man differenziert ansehen. Ohne ins Detail geschaut zu haben, fürchte ich, dass einfach die Anzahl der Studien, die Blutspiegel mit Gesundheitsparametern korrelieren, gestiegen ist, ohne, dass plausible kausale Erklärungen für die bei der Allgemeinbevölkerung beobachteten Effekte entwickelt worden sind. Damit bleibt für den gesamten Themenkomplex ‚PFAS und Gesundheit‘ die Möglichkeit, dass PFAS-Spiegel im Körper stark durch Ernährungsgewohnheiten beeinflusst werden, wie zum Beispiel durch die Menge oder Art des Fleischkonsums in Bezug auf Verarbeitungsgrad und Anteile an eher höher mit PFAS belasteten tierischen Produkten.“
„Bei den komplexen gesundheitlichen Endpunkten ist durchaus anzunehmen, dass Ernährungsgewohnheiten auch ohne die Berücksichtigung von PFAS eine Rolle für die Ausprägung dieser Endpunkte spielen. Es muss in Betracht gezogen werden, dass die bei Menschen gefundenen PFAS Indikatoren für bestimmte – möglicherweise für die Gesundheit relevante – Ernährungsgewohnheiten von Menschen sind, ohne dass die PFAS selbst bei den gefundenen Mengen irgendeine ursächliche Rolle für die Entwicklung von Krankheiten spielen.“
„Mit Blick auf die Gesundheit könnte dieser Mangel an Wissen über ursächliche Zusammenhänge dazu führen, dass man den Einsatz von PFAS mit hohem Aufwand reguliert und reduziert und trotzdem keinen Vorteil für die Gesundheit der Menschen gewinnt, weil nicht die PFAS, sondern andere Faktoren der Ernährungsgewohnheiten in ursächlichem Zusammenhang mit der Gesundheit stehen. Die PFAS wären in dieser Sichtweise nur Indikatoren für Ernährungsgewohnheiten und das Ausblenden dieser Indikatoren würde an den zu Grunde liegenden Zusammenhängen nichts ändern. Von dieser kritischen Sicht auf die Begründung des Verfahrens mit Effekten auf die menschliche Gesundheit unberührt wäre die nachvollziehbare Argumentation, dass auf Grund der Langlebigkeit in Ökosystemen und Nahrungskette der Eintrag von PFAS in die Umwelt erheblich reduziert werden soll.“
Privatdozent, Leiter der Arbeitsgruppe Bewertung der chemischen Gefahren und Risiken, Abteilung Umweltchemie, Depoartment für Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, und Professor für Umweltchemie an der Masaryk-Universität, Brünn, Tschechien
Blick in die Details
„Die wichtigste Änderung findet sich meines Erachtens im Annex E, in dem eine dritte Beschränkungsoption ‚restriction option RO3‘ eingeführt wurde – bisher gab es nur RO1 und RO2. Diese dritte Option betrifft unter anderem die Produktion von Fluorpolymeren (FP) und führt damit das Konzept ein, dass man die FP-Produktion weiterführen kann, sofern Emissionsgrenzwerte für niedermolekulare, also nicht-polymerische PFAS eingehalten werden. Die FP-Produktion hat durch die Emission von fluorierten Prozesshilfsmitteln wie PFOA, GenX, ADONA und so weiter zu erheblichen, zum Teil massiven Umweltbelastungen durch PFAS geführt – so auch im Fall von Parkersburg in den USA, der im Film ‚Dark Waters‘ behandelt wird. Die FP-Industrie arbeitet daran, solche Emissionen zu vermindern, aber es ist nicht klar, bis zu welchem Grad dies möglich ist. Die nun neu vorgeschlagenen Emissionsfaktoren für niedermolekulare PFAS wurden von der FP-Industrie vorgeschlagen (Tabelle E.6 in Annex E). Konkret finden sich diese Änderungen in den Abschnitten E 2.1.2, E 2.1.3, dort Tabelle E7 und E8, sowie dann in den ausführlichen Abschnitten E 2.1.4 (Impacts of RO1), E 2.1.5 (Impacts of RO2), E 2.1.6 (Impacts of RO3).“
„Es kommt nun darauf an, ob und wie RO3 umgesetzt werden würde. RO2 zielt auf eine Minimierung der Einsatzbereiche von PFAS ab, wo nötig mit Übergangsfristen. Wenn RO3 in Verbindung mit RO2 umgesetzt wird, ist dies vermutlich ein sinnvoller Ansatz. Sofern RO3 jedoch allein und nicht in einer geeigneten Kombination mit RO2 verwendet wird, bricht die Einführung von Beschränkungsoption RO3 meines Erachtens mit der bisherigen Logik des Beschränkungsvorschlags, weil sie nicht mehr auf die Minimierung der Verwendung von Fluorpolymeren abzielt, sondern auf die Minimierung der Emissionen aus der FP-Produktion bei (vermutlich) unbeschränkt weitergeführter FP-Produktion. Damit wird eine Möglichkeit für erhebliche PFAS-Emissionen auch in der Zukunft geschaffen, denn die Emissionsfaktoren beziehen sich auf die Menge der pro Standort produzierten PFAS – also im Wesentlichen wohl FP. Wenn diese Mengen groß sind, werden auch die Emissionen entsprechend groß. Dies scheint mir den bisherigen Intentionen des Beschränkungsvorschlags entgegenzulaufen.“
Ausblick auf das weitere Verfahren
„Dies ist der derzeitige Stand des Beschränkungsvorschlags im August 2025. Die Änderungen werden von den beiden Ausschüsse RAC und SEAC diskutiert und dann möglicherweise modifiziert. Daher lässt sich noch nichts über die endgültigen Auswirkungen der jetzt publizierten Änderungen sagen.“
Direktor im Ruhestand, Schweizer Zentrum für angewandte Humantoxikologie, und Titularprofessor für Toxikologie, Universität Basel, Schweiz
Gesamtbewertung
„Die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) hat einen revidierten Vorschlag zur Beschränkung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) veröffentlicht. Dieser wurde nach Auswertung von über 5600 Kommentaren einer öffentlichen Konsultation durch die Behörden aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden erstellt, die auch den ursprünglichen Vorschlag vom Januar 2023 verfasst hatten.“
„Der revidierte Vorschlag ist im Vergleich deutlich umfangreicher als die ursprüngliche Version. Wesentliche Gründe hierfür sind die Neuaufnahme von acht zusätzlichen Anwendungsgebieten für PFAS sowie die Berücksichtigung von alternativen Szenarien zur Beschränkung in verschiedenen Anwendungsbereichen.“
Bewertung der gesundheitsrelevanten Formulierungen
„Für die Risikobewertung im Bereich der menschlichen Gesundheit haben sich durch die Revision keine substanziellen Änderungen ergeben. Die Literatur zu experimentellen und epidemiologischen Studien der vergangenen zwei Jahre hat keine grundlegend neuen Erkenntnisse erbracht. Im Bereich der Exposition zeigen verschiedenste Monitoring-Studien, dass die PFAS-Belastung bereits jetzt in vielen Fällen oberhalb der als sicher erachteten Grenzwerte liegt, zum Beispiel der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in 2020 etablierten tolerablen wöchentlichen Aufnahmemenge (TWI).“
„Daher bleibt die Schlussfolgerung der ECHA unverändert bestehen, dass es begründete Sorgen über langfristige Gesundheitsrisiken für den Menschen gibt, insbesondere angesichts der kontinuierlich zunehmenden, kumulativen Exposition. Das gemeinsame Vorkommen von verschiedensten PFAS und die sich daraus ergebende Möglichkeit von gemeinsamer Exposition und Mischungstoxizität erhöht diese Sorge. Oberstes Gebot bleibt deshalb nach wie vor die Minimierung der Exposition.“
Leiter des Departments Analytik, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
Gesamtbewertung
„Das mithilfe der Einwände und Anmerkungen verschiedenster Stakeholder aktualisierte Dossier liefert zunächst einen Schub weiterer Informationen, die die Unsicherheiten in der (Umwelt-) Bewertung der Stoffgruppe der PFAS weiter verringern.“
„Im Ergebnis bestätigt sich, dass der Beschränkungsvorschlag wissenschaftlich gut begründet ist.“
Ausblick auf das weitere Verfahren
„Im politischen Raum wird es wichtig sein, den wissenschaftlichen Impuls aufzunehmen und nicht zu viele Ausnahmen zuzulassen und Schlupflöcher zu schaffen. Ohne klaren regulatorischen Druck wird die dringend notwendige Substitution von PFAS in der Breite nicht erfolgen und auch keine nennenswerte Verringerung der Belastung der Umwelt und der Bevölkerung mit PFAS erreicht werden.“
„Keine.“
„Keine Interessenkonflikte.“
„Keine.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Europäische Chemikalienagentur (20.08.2025): ECHA publishes updated PFAS restriction proposal. Pressemitteilung der ECHA.
[II] Europäische Chemikalienagentur: Per- and polyfluoroalkyl substances (PFAS). Webseite der ECHA. abgerufen am 22.08.205.
[III] Evich MG et al. (2022): Per- and polyfluoroalkyl substances in the environment. Science. DOI: 10.1126/science.abg9065.
[IV] Zhang Z et al. (2022): Biodegradation of per- and polyfluoroalkyl substances (PFAS): A review. Bioresource Technology. DOI: 10.1016/j.biortech.2021.126223.
[V] Europäische Chemikalienagentur: Registry of restriction intentions until outcome. Webseite der ECHA. abgerufen am 22.08.205.
[VI] Science Media Center (2023): Mögliches Verbot der PFAS. Statements. Stand: 07.02.2023.
[VII] Nationale Auskunftsstelle des Bundes für REACH, CLP und Biozide (26.06.2023): Konsultation zur PFAS-Beschränkung beendet. Webseite. abgerufen am 22.08.2025
Dr. Michaela Müller
Abteilungsleiterin Funktionale Oberflächen und Materialien, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Martin Göttlicher
Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München, und Professor am Lehrstuhl für Toxikologie und Umwelthygiene, Technische Universität München
Prof. Dr. Martin Scheringer
Privatdozent, Leiter der Arbeitsgruppe Bewertung der chemischen Gefahren und Risiken, Abteilung Umweltchemie, Depoartment für Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, und Professor für Umweltchemie an der Masaryk-Universität, Brünn, Tschechien
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Martin Wilks
Direktor im Ruhestand, Schweizer Zentrum für angewandte Humantoxikologie, und Titularprofessor für Toxikologie, Universität Basel, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Thorsten Reemtsma
Leiter des Departments Analytik, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig