USA beantragen WHO-Austritt – Folgen für die globale Gesundheit
nach einer einjährigen Frist könnten die USA die Weltgesundheitsorganisation verlassen
der WHO würde damit einer der größten Geldgeber verloren gehen
Rückschritte bei zahlreichen internationalen Gesundheitsprogrammen wären Forschenden zufolge zu erwarten
Der neu vereidigte US-Präsident Donald Trump hat kurz nach seiner Inauguration ein Dekret zum Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterzeichnet [I]. Bereits kurz vor Ende seiner ersten Amtszeit hatte Trump einen WHO-Austritt beantragt, der aber aufgrund einer einjährigen Frist letztlich nicht vollzogen wurde. US-Präsident Joe Biden hatte Trumps Vorstoß zu Beginn seiner Amtszeit rückgängig gemacht.
Scientific Advisor Global Health, Zentrum für Medizin und Gesellschaft, Universitätsklinikum Freiburg
„Zur konkreten Auswirkung der Trump-Entscheidung lässt sich zurzeit noch nicht viel sagen, vor allem, welche Programme aufgegeben oder gekürzt werden müssen, beziehungsweise welche Programme gar nicht neu beginnen können. Sicherlich wird es bald einen Einstellungsstopp geben, was sich negativ auf neue, aber auch bestehende Programme auswirkt.“
„Ich selbst arbeite im Bereich Vorhersage und Management von epidemischen Ausbrüchen. Wir haben mit der WHO und mit 17 Ländern ein computergestütztes Vorhersageprogramm entwickelt, das in den Ländern in der Erprobungsphase ist. In einigen Staaten werden wir bis zum Jahreswechsel die Automatisierung der Vorhersage und Empfehlung für Bekämpfungsaktionen weitgehend abgeschlossen haben, aber der Bedarf ist groß und Anfragen von zehn weiteren Ländern liegen vor. Ob das nach dem Trump-Beschluss noch weiterzuführen ist, kann man jetzt noch nicht sagen.“
„Ein anderes Programm, an dem ich mitarbeite, ist die Eliminierung der Tropenkrankheit Viscerale Leishmaniose auf dem indischen Subkontinent. Das Eliminierungsziel ist nach zehn Jahren erreicht, aber jetzt geht es darum, die Erfolge zu stabilisieren.“
„Diese Programme werden von der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (US-AID) mitfinanziert und es ist nicht klar, ob der Trump-Beschluss sich auch auf diesen Bereich auswirkt.“
„Übrigens habe ich aufseiten der WHO nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten gegen Trumps Vorstoß gesehen. Es gibt zum Beispiel sehr wenige Chinesen als Staff Members, aber sehr viele Amerikaner in Schlüsselpositionen.“
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Natürlich muss die WHO ihre eigenen Prioritäten setzen, aber es ist schon anzunehmen, dass nun durch den Rückzug der USA wesentliche, große Public-Health-Programme etwa zu Tuberkulose, HIV und auch zu ,Pandemic-Preparedness‘-Initiativen zu Schaden kommen werden.“
Rolle der USA bei der Pandemiebekämpfung
„Wie das Wort schon sagt, sind Pandemien PAN-globale Notfälle, die uns alle betreffen. COVID-19 hat genauso Menschenleben in den USA gekostet wie bei uns und in China. Bei der Art der globalen Vernetzung in allen Bereichen unseres Lebens können wir uns nicht ,abschotten‘. Wo immer wir leben, gibt es Erreger mit Pandemie-Potenzial, von denen wir ja schon wissen, und diese machen nicht vor aufgestellten Mauern halt.“
Auswirkungen auf regulierende Gesundheitsbehörden
„Die regulatorischen Behörden wie die FDA und EMA sind nicht von der WHO abhängig, aber ihre Beschlüsse werden oft zum Beispiel bei der Einführung von Impfstoffen von der WHO und nachfolgend von Expertenkommissionen bei Entscheidungen berücksichtigt. Da sehe ich nicht ein regulatorisches Problem, sondern mehr ein Problem der Forderung dieser Expertenanalysen. Diese trägt ja die Evidenzbasis in die öffentlichen Empfehlungen hinein und diese sind besonders für die nationalen Umsetzungen von Empfehlungen für Gesundheitsmaßnahmen wie Impfstoffe, Medikamente, Diagnostika und andere Public-Health-Interventionen für ,Low- and middle-income‘-Länder ausschlaggebend.“
Neues Machtgefüge innerhalb der WHO
„Mit dem Rückzug aus der WHO verabschiedet sich die USA unter Trump von einem ausschlaggebenden Entscheidungsforum für Gesundheit. Das heißt aber nicht, dass dann keine Entscheidungen mehr getroffen werden und ein Vakuum entsteht. Die WHO ist auch durch ihre regionalen Büros ein zentraler Partner in Ländern mit niedrigen oder mittleren Einkommen. Wenn die WHO nicht mehr von den USA unterstützt wird, sehen sich diese Lander nach anderen Partnern mit entsprechenden geopolitischen Assoziationen und Auswirkungen um, die zurzeit etwas schwer vorauszusagen sind. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Europa und Deutschland hier weiterhin eine zentrale Rolle spielen.“
Auswirkungen auf die Global-Health-Forschung
„Als Wissenschaftlerin im Global-Health-Bereich macht es mir Sorgen, welche Auswirkungen diese Entscheidung der USA auf den Forschungsbereich und die Forschungsgelder haben kann. Die USA tragen maßgeblich auch durch ihre Global- und Public-Health-Forschung zur Evidenz-Grundlage für viele WHO-Empfehlungen bei, die die Gesundheitssysteme weltweit beraten und unterstützen. Dieser Mehrwert könnte sich mit dem Austritt vermindern, denn es ist abzusehen, dass Etats in dem Bereich – zum Beispiel beim National Institutes of Health – gekürzt werden. Es ist deshalb umso wichtiger, dass weiterhin Forschungsgelder aller Staaten in globale Gesundheitsforschung fließen. Nur so können wir längerfristig die globalen Probleme mit neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft angehen und gemeinsame Lösungen finden.“
Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen, und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)
Auswirkungen auf internationale Gesundheitsprojekte
„Die genauen Auswirkungen sind noch nicht absehbar, aber bei einem erwarteten finanziellen Fehlbetrag von rund 20 Prozent werden mehr oder weniger alle Arbeitsbereiche betroffen sein, sofern es keinen Ausgleich durch andere Staaten gibt. Meine Erwartung ist, dass es zu einer Priorisierung kommt und bestimmte Bereiche nicht mehr von der WHO bearbeitet werden. Inwieweit die WHO ihre Außenstruktur mit vielen Länderbüros gerade in Staaten des globalen Südens in gleicher Weise aufrechterhalten kann, ist eine wichtige Frage.“
Auswirkungen auf regulierende Gesundheitsbehörden
„Die USA sind fraglos wichtig in der Pandemiebekämpfung, einerseits wegen ihres riesigen Pools von Expert:innen, andererseits wegen der zentralen Rolle auf dem amerikanischen Kontinent und auch global. Gerade bei Pandemien geht es um grenzübergreifende, schnelle Zusammenarbeit. Die USA beklagt sich über Intransparenz und mangelnde Kooperation Chinas in der COVID-19-Pandemie und schert nun als Reaktion selbst komplett aus der internationalen Pandemievorbereitung und Pandemiebekämpfung aus. Die Abwesenheit der USA im globalen Kontext wird sicher schwerwiegend sein. Sie ist hoffentlich nur temporär.“
Zukunft von WHO-Mitarbeitenden aus den USA
„Es gibt meines Wissens nach Mitarbeitende aus den USA auf allen Ebenen und in sehr vielen Bereichen der WHO. Für mich ist derzeit noch unklar, wie es mit Einzelpersonen aus den USA weitergeht, die ja einen Vertrag mit der WHO haben. Neue Mitarbeiter:innen aus den USA wird es vermutlich nicht geben in der nächsten Zeit, zumindest ist für diese Personen keine Unterstützung der US-Administration zu erwarten.“
Auswirkungen auf regulierende Gesundheitsbehörden
„Für diese Institutionen wird noch viel wichtiger sein, wie sich die innenpolitische Lage und Steuerung entwickeln. Es gibt einen wissenschaftsskeptischen Gesundheitsminister, der womöglich neue Aufgaben – Stichwort Impfschäden – in diese Institutionen einpflanzen wird. Meine Vermutung ist, dass CDC, NIH und FDA auch stark mit derartigen Veränderungen zu tun haben werden.“
Neues Machtgefüge innerhalb der WHO
„Sicherlich wird es sich verändern. Erwartbar scheint mir eine größere Rolle für China und Indien, die EU sowie Brasilien. Die WHO ist eine Mitgliederorganisation, womöglich bilden sich jetzt auch verstärkt Blöcke, um Positionen voranzutreiben. Das Thema Klimawandel und Gesundheit – auch ein Reizthema für die Trump-Administration – hat an Bedeutung kontinuierlich zugenommen. Hier werden sich andere Länder oder Ländergruppen stark positionieren.“
Rechtlicher Aufschub eines Austritts
„Hier gäbe es aus meiner Sicht nur die Option, dass sich die Trump-Administration nochmal umorientiert. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich nach dieser Sofortentscheidung. Rechtlich kenne ich keine Handhabe, prinzipiell wäre es vermutlich noch möglich, wenn das Parlament Trump stoppt, doch auch das erscheint aktuell unwahrscheinlich.“
Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)
Auswirkungen auf internationale Gesundheitsprojekte
„Die WHO spielt international eine sehr große Rolle für den Gesundheitsschutz. Weltweit werden nicht nur in Krisensituationen koordinierende und unterstützende Aufgaben durch die WHO geleistet, viele Tätigkeiten sind langfristig und strategisch angelegt. Ein möglicher Austritt eines, gerade in diesem Bereich sehr wichtigen Mitgliedslandes wie den USA, würde die Tätigkeit der WHO stark schwächen. Hierbei geht es nicht nur um den Wegfall erheblicher finanzieller Mittel, der in großen Bereichen, angesichts großer und fordernder Aufgaben, sehr knapp und teilweise unterfinanzierten Organisation, sondern auch sehr stark um die Expertise vieler Gesundheitsexperten aus den USA.“
Rolle der USA bei der Pandemiebekämpfung
„Untersuchungen und Unterstützung beim Management von Epidemien in unterschiedlichen Teilen der Welt sind das tägliche Geschäft eines Teils der WHO. Hier arbeiten viele erfahrene Experten aus der ganzen Welt Hand in Hand. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass hierbei oft sehr erfahrene Kolleginnen und Kollegen aus den USA, oft vom amerikanischen Gesundheitsamt (CDC), eine mitentscheidende Rolle spielen. Es bleibt abzuwarten, wie die Zusammenarbeit mit den wichtigen Partnerorganisationen nach einem möglichen Austritt der USA aus der WHO gestaltet werden kann. Auf technischer Ebene, also unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, funktioniert die Zusammenarbeit meist sehr gut. Es ist zu hoffen, dass das auch weiterhin der Fall sein wird, auch angesichts der immer bestehenden Gefahr einer neuen Pandemie.“
Neues Machtgefüge innerhalb der WHO
„Sicherlich würden in einem solchen Fall auch deutliche Verschiebungen in der Organisation zu erwarten sein und es bleibt abzuwarten, welche Nationen beziehungsweise Strömungen einen größeren Einfluss auf die WHO ausüben würden.“
Rechtlicher Aufschub eines Austritts
„Es ist jetzt an der Zeit, dass die entsprechenden Vertreter der verschiedenen Länder und der WHO mit den Verantwortlichen in den USA alles besprechen, um gegebenenfalls einen Austritt noch abzuwenden oder gute Zusammenarbeit auch für die Zeit nach einem möglichen Austritt sicherzustellen. Epidemien und Pandemien orientieren sich nicht an nationalen Grenzen. Da sitzen wir alle zusammen im selben Boot.“
„Ich bin weiterhin für die WHO tätig, nachdem ich 14 Jahre Staff Member war.“
„Ich war von 2005 bis 2006 als Wissenschaftler bei der WHO in Genf und arbeite aktuell in mehreren wissenschaftlichen Projekten mit der WHO. Ich bin Senior Visiting Scientist bei der IARC, der Krebsforschungsagentur der WHO in Lyon.“
„Es liegen meines Erachtens keine Interessenskonflikte vor.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] The White House (20.01.2025): Withdrawing The United States From The World Health Organization. Pressemitteilung.
[II] Gostin OL et al. (2025): A World Without WHO—A Crossroads for US Global Health Leadership. Jama. DOI: 10.1001/jama.2024.28827.
Prof. Dr. Axel Kröger
Scientific Advisor Global Health, Zentrum für Medizin und Gesellschaft, Universitätsklinikum Freiburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin weiterhin für die WHO tätig, nachdem ich 14 Jahre Staff Member war.“
Prof. Dr. Beate Kampmann
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Hajo Zeeb
Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen, und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich war von 2005 bis 2006 als Wissenschaftler bei der WHO in Genf und arbeite aktuell in mehreren wissenschaftlichen Projekten mit der WHO. Ich bin Senior Visiting Scientist bei der IARC, der Krebsforschungsagentur der WHO in Lyon.“
Prof. Dr. Ralf Reintjes
Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es liegen meines Erachtens keine Interessenskonflikte vor.“