Temperaturchecks bei Chinareisenden am Flughafen Wien
Am Flughafen Wien werden seit Donnerstag, den 06.02.2020 Einreisende, die mit einem Direktflug aus Peking landen, auf ihre Körpertemperatur gecheckt. Mit dieser Maßnahme wollen die österreichischen Gesundheitsbehörden sicherstellen, dass Reisende, die womöglich mit dem neuartigen Coronavirus 2019-nCoV infiziert sind, schnell erkannt und behandelt werden können.
Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Bonn
Auf die Frage, ab wann ein Fieber im Krankheitsverlauf von 2019-nCoV auftritt:
„Ganz genau weiß man noch nicht, wann ein Fieber auftritt. Man nimmt an, dass die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen kann, in der unter Umständen kein Fieber auftritt. Es gibt Hinweise, dass man in dieser Zeit aber bereits infektiös ist. Fiebermessen hilft also nur bedingt. Man findet jene, die akut erkrankt sind und bei denen die Infektion bereits ausgebrochen ist. Man fängt nicht diejenigen ab, die sich gerade erst infiziert haben, oder diejenigen, die bereits Überträger sind, aber noch kein Fieber haben.“
„Den CDC-Reports (Berichte des chinesischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten, Anm. d. Red.) der chinesischen Gesundheitsbehörde ist zu entnehmen, dass nicht jeder Fieber entwickelt, der mit dem neuen Coronavirus infiziert ist. Die häufigste Symptomatik ist ein trockener Reizhusten. Eine schwere tiefe Atemwegspneumonie entwickelt nur ein Teil der Patienten.“
Auf die Frage, ob es andere Symptome gebe, auf die man Einreisende untersuchen könnte:
„Es gibt keine spezifischen Symptome, die man feststellen kann. In solch einer Erkältungszeit findet man wohl eher Menschen mit anderen Infekten, die ähnliche Symptome haben, wie man sie bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus entwickelt. Fast jeder, der aus einem Übernachtflieger steigt, hat Kratzen im Hals und eine laufende Nase.“
Auf die Frage, ob die Temperaturmessung eine sinnvolle Maßnahme wäre:
„Fiebermessen macht bei einer Infektion wie zum Beispiel Ebola Sinn. Bei viralen Erkrankungen mit milden Symptomen wie bei dem Coronavirus, kann man nicht jeden Infizierten finden. Es wird einige geben, die Fieber haben. Aber dann schließt sich die Diagnostik an, mit der man nachweisen muss, unter welcher Erkrankung der Patient leidet. Das ist sehr aufwendig und kostenintensiv.“
Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)
„Bei SARS hat man solche Maßnahmen des Entry-Screenings wie der Körpertemperaturmessung bei Einreise wissenschaftlich untersucht. Wie viele Fälle hat das vermieden? Das Ergebnis war ernüchternd. Die Maßnahme verhinderte kaum Fälle, wenn überhaupt welche. Und das, obwohl ein SARS-infizierter Patient nur infektiös ist, wenn er symptomatisch ist. Bei dem neuen Coronavirus kann man schon infektiös sein, auch wenn man sehr milde Symptome hat.“
„Die Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme in Österreich einen Effekt haben wird, geht gegen Null. Es handelt sich mehr um Aktionismus. In Wirklichkeit wird das vermutlich ineffizient sein.“
„Durch die Maßnahme werden sich andere Regierungen unter Umständen unter Druck gesetzt fühlen. Man kann seine Mühen und Gelder allerdings effektiver nutzen.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center Germany (2020): Coronavirus 2019-nCoV – neueste Informationen und Entwicklungen. Fact Sheet. Stand: 28.01.2020.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[1] Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Österreich: Gesundheitsminister Anschober informiert über Maßnahmen gegen das neuartige Coronavirus (2019-nCoV).
[2] Robert Koch-Institut: 2019-nCoV: Verdachtsabklärung und Maßnahmen. Stand: 23.01.2020. DOI: 10.25646/6454.2.
[3] Gemeinsame Pressemitteilung der Charité, der München Klinik Schwabing und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr:Neuartiges Coronavirus: Nachweis infektiöser Viren im Nasen-Rachen-Raum bei Personen mit schwachen Symptomen. 04.02.2020.
Prof. Dr. Hendrik Streeck
Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Bonn
Prof. Dr. Ralf Reintjes
Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)