Paxlovid – Wirkung, Rebound und Long Covid
Das COVID-19-Medikament Paxlovid wird trotz seiner vielversprechenden Wirkung bei Risikopatientinnen und -patienten in Deutschland nur selten verschrieben. Die Bundesregierung bestellte Anfang des Jahres kurz nach der Zulassung eine Million Dosen, von denen 460.000 an den pharmazeutischen Großhandel ausgeliefert wurden. 280.000 Einheiten drohen bis Februar 2023 zu verfallen. Eine Verlängerung der Haltbarkeit soll geprüft werden [1].
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach misst dem Virostatikum im Kampf gegen COVID-19 viel Bedeutung bei und setzt sich für einen einfacheren Abgabeprozess direkt durch die Hausärzte oder in Pflegeheimen ein. Dies könnte verhindern, dass das Medikament ungenutzt bleibt, obwohl es vorrätig ist.
Ein Hauptgrund für den zurückhaltenden Einsatz von Paxlovid ist möglicherweise ein hoher Aufwand durch eine individuelle ärztliche Abklärung der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Skepsis gegenüber dem sogenannten Rebound-Effekt. Dieser beschreibt das Wiederaufkehren von COVID-19-Symptomen und einem erneut positiven Testergebnis nach einer ursprünglichen Genesung. Knapp sechs Prozent der mit Paxlovid behandelten Patientinnen und Patienten sind von einem Rebound betroffen [2], darunter war jüngst unter anderem auch US-Präsident Joe Biden. Studien haben bereits gezeigt, dass es nach der Gabe von Paxlovid zu einem Rebound-Effekt kommen kann, allerdings gibt es auch Daten, die zeigen, dass ein Rebound nicht ausschließlich von dem Medikament ausgelöst wird.
Der „Corona-ExpertInnenrat“ der Bundesregierung schreibt antiviralen Therapien in der Behandlung von COVID-19 einen hohen Stellenwert zu. Um den Einsatz von Paxlovid zu verbessern, empfehlen die Forschenden eine optimierte Kommunikation zu den Möglichkeiten und Einschränkungen von Paxlovid sowie die Planung weiterer Studien, unter anderem zur Dosierungsanpassung [3]. Zudem ist am Montag eine Aktualisierung der S3-Leitlinie zu „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ erschienen [4]. Darin enthalten sind auch Hinweise zur Handhabung von Paxlovid.
Dieses Fact Sheet dient zur Einordnung der Behandlungsmöglichkeiten von Paxlovid und beleuchtet die Ausmaße des Rebound-Effekts. Wir haben dieses Fact Sheet um eine weitere Preprint-Studie ergänzt. Die erste Version ist weiterhin hier verfügbar.
Das aktuelle Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.
Zusätzlich zu diesem Fact Sheet äußerten sich zwei Experten in einer Rapid Reaction zur Anwendung von Paxlovid.
eine Studie untersuchte die Daten von 56.340 Risikopatienten anhand der Gesundheitsdatenbank des US Department of Veterans Affairs [29]:
[1] Deutscher Bundestag (08.09.2022): Drucksache 20/3097.
[2] Wang L et al. (2022): COVID-19 rebound after Paxlovid and Molnupiravir during January-June 2022. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.06.21.22276724.
[3] Deutsche Bundesregierung (08.09.2022): Stellungnahme des ExpertInnenrats zum Einsatz antiviraler Medikamente gegen COVID-19.
[4] Kluge S et al. (2022): S3-Leitlinie - Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19. AWMF.
[5] Robert-Koch-Institut (08.09.2022): Paxlovid-Gebrauchsinformation-Patienten - Paxlovid, INN-PF-07321332 + ritonavir.
[6] Kassenärztliche Bundesvereinigung (08.09.2022): Antivirale Arzneimitteltherapie – Dosierung und Dauer der Behandlung.
[7] Owen DR et al. (2021): An oral SARS-CoV-2 Mpro inhibitor clinical candidate for the treatment of COVID-19. Science. DOI: 10.1126/science.abl4784.
[8] Hammond J et al. (2022): Oral Nirmatrelvir for High-Risk, Nonhospitalized Adults with Covid-19. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2118542.
[9] Najjar-Debbiny R et al. (2022): Effectiveness of Paxlovid in Reducing Severe Coronavirus Disease 2019 and Mortality in High-Risk Patients. Clinical Infectious Diseases. DOI: 10.1093/cid/ciac443.
[10] Wong C et al. (2022): Real-world effectiveness of early molnupiravir and nirmatrelvir-ritonavir in hospitalized patients with COVID-19 without supplemental oxygen requirement on admission during Hong Kong’s Omicron BA.2 wave: a retrospective cohort study. The Lancet Infectious Diseases. doi:10.1016/S1473-3099(22)00507-2
[11] Arbel R et al. (2022): Nirmatrelvir Use and Severe Covid-19 Outcomes during the Omicron Surge. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2204919.
[12] Wen W et al. (2022): Efficacy and safety of three new oral antiviral treatment (molnupiravir, fluvoxamine and Paxlovid) for COVID-19:a meta-analysis. Annals of Medicine. DOI: 10.1080/07853890.2022.2034936.
[13] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (08.09.2022): Paxlovid, INN-PF-07321332 + ritonavir.
[14] Robert-Koch-Institut (08.09.2022): Hinweise zu Arzneimittelwechselwirkungen von Paxlovid® (Nirmatrelvir/Ritonavir).
[15] Universität Liverpool (08.09.2022): COVID-19 Drug Interactions.
[16] Lingscheid T et al. (2022): Pharmacokinetics of nirmatrelvir and ritonavir in COVID-19 patients with end stage renal disease on intermittent haemodialysis. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.08.19.22277959.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.
[17] Coulson JM et al. (2022): COVID-19 “Rebound” associated with nirmatrelvir/ritonavir pre-hospital therapy. Journal of Infection. DOI: 10.1016/j.jinf.2022.06.011.
[18] Charness ME et al. (2022): Rebound of SARS-CoV-2 Infection after Nirmatrelvir–Ritonavir Treatment. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMc2206449.
[19] Soares H et al. (2022): Viral Load Rebound in Placebo and Nirmatrelvir-Ritonavir Treated COVID-19 Patients is not Associated with Recurrence of Severe Disease or Mutations. Research Square. DOI: 10.21203/rs.3.rs-1720472/v2.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.
[20] Deo R et al. (2022): Viral and Symptom Rebound in Untreated COVID-19 Infection. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.08.01.22278278.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.
[21] Dai EY et al. (2022): Viral Kinetics of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) Omicron Infection in mRNA-Vaccinated Individuals Treated and Not Treated with Nirmatrelvir-Ritonavir. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.08.04.22278378.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.
[22] Cao Y et al. (2021): Immune-viral dynamics modeling for SARS-CoV-2 drug development. Clinical and Translational Science. DOI: 10.1111/cts.13099.
[23] Dai W et al. (2020): A Prototype QSP Model of the Immune Response to SARS-CoV-2 for Community Development. Pharmacometrics & Systems Pharmacology. DOI: 10.1002/psp4.12574.
[24] Palmer A et al. (2018): Viral suppression and viral rebound among young adults living with HIV in Canada. Medicine. DOI: 10.1097/MD.0000000000010562
[25] Bartsch YC et al. (2021): Viral Rebound Kinetics Correlate with Distinct HIV Antibody Features. Host-Microbial Interactions. DOI: 10.1128/mBio.00170-21.
[26] Craw JA et al. (2020): Viral Rebound Among Persons With Diagnosed HIV Who Achieved Viral Suppression, United States. Journal of Acquired Immune Deficiency Syndromes. DOI: 10.1097/QAI.0000000000002321.
[27] Bundesanzeiger (08.09.2022): Bekanntmachung der Allgemeinverfügung zum Bezug und zur Anwendung monoklonaler Antikörper und zum Bezug und zur Abgabe antiviraler, oral einzunehmender Arzneimittel gegen COVID-19.
[28] Peluso MJ et al. (2022): Effect of Oral Nirmatrelvir on Long COVID Symptoms: 4 Cases and Rationale for Systematic Studies. Pathogens and Immunity. DOI: 10.20411/pai.v7i1.518.
[29] Xie Y et al. (2022): Nirmatrelvir and the Risk of Post-Acute Sequelae of COVID-19. MedRxiv. DOI: 10.1101/2022.11.03.22281783.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.