Ökonomische Kosten durch invasive Arten übersteigen bisherige Annahmen
weltweite wirtschaftliche Kosten durch gebietsfremde invasive Arten sind laut Schätzungen vergleichbar mit den globalen Kosten durch Extremwetterereignisse
invasive Arten sind entscheidender Treiber für den Verlust von Biodiversität
Forschende betonen die Relevanz der modellierten Kosten, weisen jedoch darauf hin, dass die Schätzungen aufgrund verschiedener Unsicherheiten mit Vorsicht zu interpretieren sind
Invasive Arten breiten sich zunehmend aus – die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen werden bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Diese entstehen zum Beispiel durch Beeinträchtigungen der Ökosystemleistungen und Landwirtschaft sowie durch gesundheitliche Risiken oder im Management. Eine im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlichte Studie (siehe Primärquelle) schätzt nun den globalen ökonomischen Schaden, der durch gebietsfremde invasive Arten entsteht. Die Modellierung der Forschenden zeigt, dass die entstehenden Kosten möglicherweise deutlich höher sein könnten als bisher angenommen.
Senior Scientist im Department für Botanik und Biodiversitätsforschung, Universität Wien, Österreich
Informationslage zu wirtschaftlichen Kosten
„Der IPBES-Bericht [I] zu invasiven gebietsfremden Arten illustriert eindrücklich, welche monetären Schäden durch invasive gebietsfremde Arten weltweit verursacht werden. Diese lagen im Jahr 2019 etwa bei 400 Milliarden Euro weltweit und in Europe bei schätzungsweise 117 Milliarden Euro im Zeitraum zwischen 1960 und 2020. So beeindruckend diese Zahlen auch sind, spiegeln sie aufgrund der aktuellen Informationslage derzeit nur ein lückenhaftes Bild der realen monetären Kosten wider. Hier setzt die aktuelle Studie an, indem sie versucht, basierend auf den aktuellen Informationen eine Abschätzung der nicht dokumentierten globalen Kosten vorzunehmen. Mit ihrer Arbeit schaffen die Autoren einen wichtigen Beitrag zur modellbasierten Abschätzung globaler Kosten von invasiven gebietsfremden Arten.“
Modellierung verdeutlicht derzeitige Wissenslücken
„Die Studie verbindet zwei Modellierungsansätze: In einem ersten Schritt wird die potenzielle Verbreitung von 162 invasiven gebietsfremden Arten modelliert und mit den aktuell dokumentierten Kosten in einer Region in Verhältnis gesetzt. Anschließend werden die Kosten durch makroökonomische Faktoren der jeweiligen Regionen erklärt und anhand dieser Beziehung die ‚fehlenden‘ Kosten in anderen Regionen weltweit modelliert.“
„Die neuen Schätzungen unterstützen vorherige Aussagen, dass wir derzeit lediglich ‚die Spitze des Eisbergs‘ der durch invasive gebietsfremde Arten verursachten Schäden abbilden können. Durch ihren innovativen Modellierungsansatz bildet die Studie somit ein essenzielles neues Puzzleteil für die zukünftige Erforschung dieser Schäden und trägt vor allem dazu bei, bestehende Wissenslücken hervorzuheben. Die Ergebnisse können so beispielsweise EntscheidungsträgerInnen dazu motivieren, die durch invasive gebietsfremde Arten verursachten Kosten proaktiv und standardisiert zu erheben und existierende – derzeit unzugängliche – Informationen bereitzustellen, um zukünftig bessere Abschätzungen und Vorhersagen treffen zu können.“
Methodische Limitierungen
„Aufgrund der derzeit lückenhaften Datengrundlage und der geringen Artenauswahl müssen die aktuellen Ergebnisse aber mit etwas Vorsicht interpretiert werden. Modellvorhersagen sind nur so gut wie die Datengrundlage, auf der sie entwickelt wurden. In der aktuellen Studie wird eine kleine Teilmenge an Arten – 162 der 3500 bekannten invasiven gebietsfremden Arten – verwendet und für 120 von 162 Arten sind Kosten aus lediglich einem Land bekannt. Dieser Bias in den Daten lässt somit lediglich eine begrenzte Aussage über die globalen Kosten anderer invasiver gebietsfremder Arten zu. Zusätzlich wird von existierenden Kosten in wenigen Regionen der Welt auf Kosten in anderen Regionen mit sich unterscheidenden sozio-politischen und sozio-kulturellen Kontexten geschlossen. Gerade letzteres ist natürlich eine – für solche globalen Studien allerdings notwendige – starke Annahme, da hinlänglich bekannt ist, dass Auswirkungen von invasiven gebietsfremden Arten in verschiedenen sozio-kulturellen und sozio-politischen Kontexten sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können [1]. Entsprechend sind die Vorhersagen mit erheblichen Unsicherheiten belastet.“
„Unbestreitbar bleibt jedoch die Aussage, dass invasive gebietsfremde Arten erhebliche Kosten verursachen, die wir derzeit nur unvollständig abbilden können. Die monetäre Bewertung dieser Schäden ist ein wichtiger Indikator, der einen Teil dieser Schäden quantifizieren kann, und der vor allem in der Politik und Wirtschaft Gehör findet.“
„Ich kenne einige Autoren, darunter auch den Letztautor der Publikation gut und habe auch schon mit ihnen gemeinsam publiziert. In der Vergangenheit habe ich auch an Workshops rund um die InvaCOST-Datenbank teilgenommen und an Arbeiten mit diesen Daten mitgewirkt.“
Primärquelle
Soto I et al. (2025): Using species ranges and macroeconomic data to fill the gap in costs of biological invasions. Nature Ecology & Evolution. DOI: 10.1038/s41559-025-02697-5.
Dazu auch ein gleichzeitig erschienener News&Views-Beitrag: Olson L (2025): Predicting invasion costs from sparse data. Nature Ecology & Evolution. DOI: 10.1038/s41559-025-02700-z.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Centre Spain (2025): The economic cost of some invasive species may be 1600% higher than previously estimated. Stand: 26.05.2025.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Shackleton RT et al. (2019): The role of invasive alien species in shaping local livelihoods and human well-being: A review. Journal of Environmental Management. DOI: 10.1016/j.jenvman.2018.05.007.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] IPBES (2023): IPBES Invasive Alien Species Assessment. Media Release.
Dazu auch: Science Media Center (2023): Bericht des Weltbiodiversitätsrates zu invasiven Arten. Stand: 05.09.2023.
[II] Henry M et al. (2023): Unveiling the hidden economic toll of biological invasions in the European Union. Environmental Sciences Europe. DOI: 10.1186/s12302-023-00750-3.
Dr. Bernd Lenzner
Senior Scientist im Department für Botanik und Biodiversitätsforschung, Universität Wien, Österreich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich kenne einige Autoren, darunter auch den Letztautor der Publikation gut und habe auch schon mit ihnen gemeinsam publiziert. In der Vergangenheit habe ich auch an Workshops rund um die InvaCOST-Datenbank teilgenommen und an Arbeiten mit diesen Daten mitgewirkt.“