Mausstudie: Wie Mikroplastik das Gehirn schädigen könnte
Fresszellen, die Mikroplastik aufnehmen, verstopfen kleine Blutgefäßen in Mausgehirnen
Studie untersucht bisher unklaren Mechanismus, wie Mikroplastik neurologische Defizite verursacht
Forschende stellen Plausibilität des Mechanismus und Relevanz für Menschen in Frage
Die Injektion von Mikroplastik führt bei Mäusen dazu, dass Immunzellen Blutgefäße im Gehirn verstopfen, was wiederum zu neurologischen Einschränkungen führen kann. Diesen Zusammenhang stellen Forschende in einer Studie vor, die im Fachjournal „Science Advances“ erschienen ist (siehe Primärquelle).
Abteilungsleiterin Entwicklungsbiologie des Immunsystems, Wissenschaftliche Leitung FCCF-CP, Life & Medical Sciences-Institut (LIMES), Universität Bonn
Plausibilität und Mechanismus
„Die Studie untersucht einen Mechanismus, bei dem Mikroplastik über die Aufnahme durch Makrophagen und Neutrophile (Arten von Immunzellen; Anm. d. Red.) in den Blutgefäßen des Gehirns zu Verstopfungen kleiner Gefäße und damit zu kurzfristigen Folgeschäden führen soll. Dieser Mechanismus erscheint jedoch wenig plausibel, da Makrophagen gewebsständig sind und nicht in den Blutgefäßen zirkulieren. Zudem scheinen die in der Studie genutzten Oberflächenmarker Neutrophile (Fresszellen; Anm. d. Red.) nicht korrekt zu identifizieren. Im Blut finden sich jedoch phagozytische Zellen wie Monozyten, die Mikroplastikpartikel aufnehmen und möglicherweise ins Gehirn transportieren könnten.“
Einordnung in den Forschungsstand
„Es ist bekannt, dass die Gabe von Mikroplastik in experimentellen Modellen Schlaganfälle verursachen kann. Diese Methode wird bereits seit Längerem als Schlaganfall-Modell im Forschungsfeld genutzt [1]. Auch in solchen Studien werden die Partikel vermutlich von phagozytischen Zellen aufgenommen, jedoch resultiert die Blutgefäßverstopfung vermutlich direkt aus den physikalischen Eigenschaften der Plastikpartikel selbst. Die in der aktuellen Studie beschriebenen Thrombose-Phänotypen (hier: bei Mäusen beobachtete Symptome; Anm. d. Red.) sind daher wenig überraschend und liefern keine neuen Erkenntnisse.“
Mikroplastik im Körper
„Die in der Studie angegebene Konzentration von Mikroplastik basiert auf einer früheren Veröffentlichung, die bereits kritisch hinterfragt wurde und deren Daten als unrealistisch gelten [IV]. Darüber hinaus ist die physiologische Relevanz der experimentellen Vorgehensweise fragwürdig, da Mikroplastik beim Menschen vor allem über Nahrung und Getränke aufgenommen wird und nicht direkt in den Blutkreislauf injiziert wird. Hinzu kommt, dass die verwendeten fluoreszierenden Plastikpartikel häufig mit Verunreinigungen wie Lipopolysacchariden – Bausteinen der äußeren Hülle bestimmter Bakterien – behaftet sind, die ihrerseits immunologische Reaktionen auslösen können und die Ergebnisse somit zusätzlich verfälschen könnten.“
„Tatsächlich kann Mikroplastik, das über den Darm aufgenommen wird, über die Blutgefäße im Körper verteilt werden. Studien haben gezeigt, dass Plastikpartikel in Makrophagen innerhalb atherosklerotischer Plaques (Ablagerungen an der Wand arterieller Blutgefäße; Anm. d. Red.) nachweisbar sind [2]. Bei gesunden Menschen und Tieren übernehmen jedoch primär Makrophagen im Darm, in der Leber und in der Milz die Aufnahme von Mikroplastik. Es bedarf deshalb einer chronischen und hohen Exposition, um Immunzellen so stark in ihrer Funktion zu beeinflussen, dass Folgeschäden auftreten könnten. Unsere eigenen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Plastik allein eher keine Immunaktivierung hervorruft. Denkbar ist, dass die sogenannte ‚Corona‘ – die auf Mikroplastik aufgelagerten Moleküle – eine Gefährdung darstellen könnte, doch hierzu fehlen bisher belastbare Ergebnisse.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen stark eingeschränkt ist. Sowohl die unrealistischen Konzentrationen als auch die physiologisch irrelevante Injektionsmethode und mögliche Verunreinigungen der Plastikpartikel schränken die Aussagekraft der Studie erheblich ein. Insgesamt liefert die Studie daher kaum neue Erkenntnisse über die tatsächlichen Risiken von Mikroplastik für den Menschen.“
Leiter der Arbeitsgruppe Schlaganfall-Immunologie, Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Einordnung in den Forschungsstand
„Die vorliegende Studie beleuchtet eine klinisch potenziell relevante, aber bislang untererforschte Ursache neurovaskulärer (Gefäße im Hirn betreffend; Anm. d. Red.) Störungen. Jüngste klinische Untersuchungen legen einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Mikroplastik und einem erhöhten Risiko vaskulärer Ereignisse nahe [2]. In dieser Studie wurde gezeigt, dass Mikroplastik von Immunzellen aufgenommen wird, was mit einer verminderten Gehirn-Durchblutung und einer Verschlechterung des Verhaltens einherging. Dies könnte ein interessanter und potenziell therapeutisch nutzbarer Ansatz sein. Unklar bleibt jedoch, ob die beschriebenen Mechanismen tatsächlich ursächlich für akute ischämische Ereignisse (Unterversorgung des Gewebes mit Blut; Anm. d. Red.) sind und wie mikroplastikbeladene Immunzellen potenziell zu Gefäß-Thrombosen führen.“
Plausibilität und Mechanismus
„Der Ansatz, lebende Mäuse mit hochauflösender Mikroskopie zu analysieren, ist beeindruckend und erlaubt eine präzise Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Mikroplastik und vaskulären Prozessen. Dennoch bleiben wichtige Fragen zur langfristigen Relevanz und Übertragbarkeit dieses Mechanismus offen.“
„Zudem sind die genauen Mechanismen, wie die Aufnahme von Mikroplastik durch Immunzellen zur Thrombose und Verstopfung der Hirngefäße beiträgt, noch nicht vollständig geklärt. Insbesondere fehlen detaillierte Einblicke in die zugrunde liegenden molekularen Prozesse und die Wechselwirkungen zwischen mikroplastikbeladenen Zellen und der Gefäßwand.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen ist unklar, da sich Maus und Mensch in wesentlichen physiologischen Parametern der Gefäßfunktion unterscheiden – insbesondere in Bezug auf Gefäßgröße, Flussdynamik und Immunantwort. Dies stellt die Relevanz des Mechanismus für den Menschen infrage.“
Professor für Biologische Physik am Physikalischen Institut, Fakultät für Mathematik, Physik und Informatik, Universität Bayreuth
Plausibilität und Mechanismus
„Die AutorInnen der Studie konnten nicht direkt nachweisen, dass die Mikroplastikpartikel von Immunzellen wie Makrophagen und Neutrophilen aufgenommen wurden. Sie konnten jedoch messen, dass die Mikroplastikpartikel mit diesen Zellen assoziiert sind. Das heißt, dass die Partikel entweder an den Zellen außen ‚kleben‘ oder in die Zellen aufgenommen wurden. Es ist jedoch sehr plausibel, dass die Partikel tatsächlich von den Zellen aufgenommen, also ‚gefressen‘ wurden. In meinem Labor an der Universität Bayreuth konnten wir nachweisen, dass ein großer Teil der Mikroplastikpartikel, die mit Makrophagen assoziiert sind, tatsächlich auch aufgenommen wird.“
Methodik
„Die Studie ist methodisch sehr anspruchsvoll und aufwändig, da die Bewegung und das Verhalten von Mikroplastikpartikeln in Blutgefäßen des Gehirns lebender Mäuse untersucht wurden. Das ist nicht leicht. Die AutorInnen konnte deutliche Hinweise darauf finden, dass Mikroplastikpartikel von Immunzellen aufgenommen werden und zu einem verringerten Blutfluss führen.“
Mikroplastik im Körper
„Die in der Studie verwendeten Konzentrationen der Mikroplastikpartikel in den Blutgefäßen liegen in einem Bereich, in dem auch bereits Konzentrationen in Menschen belegt sind. Grundsätzlich ist es meines Erachtens sogar sinnvoll, zusätzlich mit noch höheren Konzentrationen zu arbeiten, als zurzeit in der Umwelt vorkommen. Mikroplastik wird in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut. Aufgrund der noch immer steigenden Menge an Plastikmüll wird auch die Konzentration von Mikroplastik in der Umwelt noch lange Zeit ansteigen. Darüber hinaus gibt es derzeit keinen bekannten Mechanismus, mit dem Mikroplastik im menschlichen Körper zersetzt werden kann. Es ist daher durchaus möglich, dass sich Mikroplastik im menschlichen Körper über längere Zeit ansammelt.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Es ist grundsätzlich schwierig, die Ergebnisse von Studien an Tieren direkt auf den Menschen zu übertragen. Da aber auch menschliche Immunzellen Mikroplastikpartikel aufnehmen, sind ähnliche Prozesse im Menschen durchaus vorstellbar.“
„Um die möglichen gesundheitlichen Folgeschäden von Mikroplastik zu beurteilen, ist noch sehr viel mehr Forschung nötig. Besonders schwierig zu erforschen sind mögliche Langzeitschäden von Mikroplastikpartikeln im Körper. Nach allem, was wir derzeit wissen, wird Mikroplastik von Immunzellen als Fremdkörper erkannt und die Partikel werden von den Zellen ‚gefressen‘. Allerdings gibt es keine bekannten Mechanismen, mit denen Immunzellen Mikroplastik in der Zelle zersetzen können. Für andere Eindringlinge – wie zum Beispiel Bakterien – gibt es solche Mechanismen. Plastik wird aber erst seit gut 100 Jahren produziert. Daher hatte die Evolution bei Säugetieren noch nicht genug Zeit, um Enzyme für den Plastikabbau hervorzubringen.“
PostDoc in der Arbeitsgruppe für experimentelle Pathologie, Klinisches Institut für Pathologie, Medizinische Universität Wien, Österreich
Plausibilität und Mechanismus
„Der Mechanismus ist eigentlich recht einleuchtend. Per se wurde schon publiziert, dass Mikronanoplastik hauptsächlich von phagozytierenden Immunzellen aufgenommen werden [3], wobei es nicht nur – wie im Artikel beschrieben – Makrophagen und Neutrophile sind, die Mikroplastikpartikel aufnehmen. Die Blutgefäße im Gehirn können teils auch recht klein sein, bei einer Maus zwischen fünf und zehn Mikrometer Durchmesser. Makrophagen (10 bis 20 Mikrometer) und Neutrophile (10 bis 12 Mikrometer) können sich aber aufgrund ihrer hohen Plastizität verformen und ,durchquetschen‘. In dem Paper wird sehr schön gezeigt, dass die Zellen durch die Aufnahme der Partikel – vor allem von den großen Fünf-Mikrometer-Partikeln – größer werden und dadurch vermutlich auch an Plastizität verlieren. Die aufgenommenen Plastikpartikel sind starr und verformen sich nicht, was zu einem ,Steckenbleiben‘ der Zellen führt, das nur langsam aufgelöst werden kann. Daher kommt es zu einer kurzzeitigen Unterversorgung im Gehirn und zu den beschriebenen neurologischen Effekten. Die Studie zeigt aber auch, dass der ,Verstopfungseffekt‘ abhängig von der Größe der Partikel ist, wobei er deutlich geringer bei kleineren Partikeln ist. Bei physiologisch relevanten Dosen von fünf Mikrogramm pro Milliliter ist er auch wesentlich geringer.“
Methodik
„Die direkte Injektion dieser großen Partikel in dieser hohen Konzentration ins Blut halte ich für ein unrealistisches Szenario, da die orale Exposition von Partikeln über die Nahrung, die Aufnahme über die Darmschleimhaut ins Blut invers korreliert mit der Partikelgröße. Je kleiner die Partikel, desto mehr werden aufgenommen. Größere Partikel werden nicht, beziehungsweise nur in sehr geringen Mengen aufgenommen. Dies sieht man auch im ersten Versuch: Bei oraler Applikation einer sehr hohen Dosis von fünf Mikrogramm Partikeln wurden nur maximal zehn Partikel überhaupt detektiert.“
Mikroplastik im Körper
„Zur Menge des Mikroplastiks über die Schlucksondenaufnahme bei Mäusen (0,2 Mikrogramm): Die Menge ist hoch aber physiologisch möglich. Basierend auf einer viel zitierten Studie [4] liegt die obere berechnete Grenze der Mikroplastikaufnahme bei ungefähr fünf Gramm pro Woche für einen Menschen. Das wären extrapoliert für eine Maus circa eine tägliche Dosis von 0,2 Milligramm. Jedoch gibt es mittlerweile schon viele andere Studien, die von einer wesentlich niedrigeren Exposition ausgehen, zum Beispiel 0,01 bis 0,1 Milligramm Mikro- oder Nanoplastik pro Woche [5].“
„Zur Konzentration von Mikroplastik bei direkter Injektion ins Blut (50/25/5 Mikrogramm pro Milliliter Blut): 50 und 25 Mikrogramm pro Milliliter sind hohe Konzentrationen und physiologisch fraglich, fünf Mikrogramm pro Milliliter ist hoch, aber physiologisch möglich. Die Autoren schreiben in der Methode, dass in Menschen zwölf Mikrogramm pro Milliliter Blut nachgewiesen wurden, jedoch bezieht sich diese Angabe vermutlich auf [4], wo es um eine spezielle medizinische Intervention, die Herzkatheteruntersuchung, geht. Physiologisch relevante Konzentrationen sind zum Beispiel in den Publikationen von [I] und [6] zu finden und sind deutlich niedriger bei ungefähr 1,6 beziehungsweise 1,84 bis 4,65 Mikrogramm pro Milliliter.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Akut würde ich für einen Menschen aufgrund dieser Studie keine ,Bedrohung‘ sehen, da die applizierten Dosen sehr hoch sind und direkt ins Blut appliziert wurden. Wie bereits erwähnt, ist die Durchlässigkeit der gesunden Darmbarriere invers. Das heißt, es werden mehr kleine Partikel aufgenommen, weniger große. Der beschriebene Effekt besteht aber hauptsächlich bei großen Partikeln und hohen Dosen. Jedoch sind die gezeigten Effekte durchaus von Relevanz, bedenkt man, dass diverse Erkrankungen – zum Beispiel entzündliche Darmkrankheiten, Polypen, Tumore und Stress – die Durchlässigkeit der Darmbarriere auch für größere Partikel begünstigen, was wiederum zu höheren Blutleveln führt. Auch kann es durch medizinische Interventionen – wie Operationen, intravenöse Medikamentenapplikation und Infusionen – zur Applikation von Plastikpartikeln in das Blut kommen. Das und vor allem die noch unbekannten Langzeitfolgen einer chronischen Plastikexposition sollten daher trotzdem kritisch hinterfragt und erforscht werden.“
Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Marburg
Plausibilität und Mechanismus
„Das Mikroplastik durch Makrophagen und vor allem Neutrophile aufgenommen wird, ist bereits bekannt gewesen. Die Studie jetzt zeigt einen plausiblen Zusammenhang zwischen der Gabe von Mikroplastik, deren Aufnahme durch Immunzellen und einer verschlechterten Hirndurchblutung. Signifikante Gefäßverschlüsse lassen sich meiner Ansicht nach auf den Bildern nicht erkennen, wohl aber eine Verminderung des Gehirn-Blutflusses. Die Autoren beobachten ein verändertes Verhalten der Mäuse nach Mikroplastik-Gabe, was vermutlich durch die Minderdurchblutung des Hirns bedingt ist und plausibel erscheint.“
Methodik
„Die verwendete Methodik ist solide und lässt die gemachten Schlussfolgerungen zu. Das bildgebende Verfahren ist sogar eher besser als eine klinische Diagnostik bei Patienten (Röntgen, MRT). Es wurden fluoreszenzmarkierte Partikel verwendet, was die Kontrolle in diesen Versuchen etwas schwierig macht. Als Kontrolle wurde eine Gabe von biologischer Pufferlösung (PBS) verwendet, in dem das Mikroplastik gelöst war. Die Effekte könnten also auch nur durch die Fluoreszenzzugabe kommen, was eher unwahrscheinlich ist, sich aber nicht völlig ausschließen lässt.“
Mikroplastik in der realen Umwelt
„Zu Grunde lagen Daten zur Mikroplastik-Konzentration, wie man sie im Blut von Menschen gefunden hat und entsprechend des Blutvolumens der Maus rechnerisch angepasst hat. Was natürlich – wie bei vielen Studien dieser Art – artifiziell ist, ist die einmalige Gabe von großen Mengen Mikroplastik durch eine Bolusinjektion. Damit wurden akute Konzentrationen im Tierexperiment erreicht, die so im Menschen nie erreicht werden. Außerdem wurde nur eine Polymerart (Polystyrol) in nur einer Größe (fünf Mikrometer) getestet. Da ist die tatsächlich vorkommende Mikroplastik-Belastung hinsichtlich Material- und Größenverteilung natürlich sehr viel heterogener. Aber Polystyrol ist eine der häufigster Kunststoffpolymere, die man zum Beispiel in Boden- oder Wasserproben und auch in humanen Proben findet und somit relevant. Allgemein werden bei solchen Experimenten meist kommerziell produzierte Mikroplastik-Partikel verwendet, die weitestgehend ‚sauber‘ sind. Die Mikroplastik-Partikel, die wir aus unserer Umwelt aufnehmen – über Inhalation, Nahrung und Haut –, enthalten unzählige Anhaftungen auf ihrer Oberfläche – die sogenannte Mikrocorona umfasst Allergene, Toxine und so weiter – und macht sie somit potenziell eher noch gefährlicher.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Die Immunantwort ist in der Maus und dem Menschen vergleichbar, auch die Größe der Immunzellen. Bei den Gefäßen ist es etwas anders. Die Kapillaren sind gleich groß, aber die größeren Gefäße, in denen die Hirndurchblutung gemessen wurde, sind bei Mäusen deutlich kleiner als beim Menschen. Die räumlichen Dimensionen in den Gefäßen sind also etwas anders. Ob es daher beim Menschen zu vergleichbaren Effekten hinsichtlich der Hirndurchblutung und des Verhaltens kommt, lässt sich nur schwer abschätzen – eine Einschränkung ist aber zu erwarten.“
„Langzeitschäden, wie Schlaganfälle, werden in der Studie tierexperimentell nicht untersucht und anhand der Ergebnisse von den Autoren auch nicht diskutiert. Der Zusammenhang liegt aber auf der Hand und ist auch beim Menschen nicht unrealistisch. Die Interpretation solcher Ergebnisse – das kenne ich aus eigener Erfahrung – ist nicht so leicht. Mikroplastik tritt nicht alleine auf, sondern immer im Kontext mit anderen Substanzen, zum Beispiel Weichmachern oder – in der Umwelt – mit zahlreichen Anhaftungen. Mikroplastik ist zudem Teil des Feinstaubs und dazu gibt es bereits seit langem Studien, die einen negativen Einfluss auf beispielsweise Herz--Kreislauferkrankungen, metabolische Erkrankungen und Tumorerkrankungen festgestellt haben. Neu an Studien dieser Art ist, dass speziell der Effekt von Mikroplastik untersucht wird und dessen alleiniges Gefährdungspotenzial aufgezeigt wird.“
Professor für In-vitro-Toxikologie und Biomedizin, Fachbereich Biologie, Universität Konstanz
Allgemeine Einschätzung
„Es ist keine Frage, dass die beschriebenen, beziehungsweise postulierten Mechanismen prinzipiell möglich, realistisch und plausibel sind.“
„Das Ganze würde nicht nur auf das Gehirn, sondern auf viele Gewebe zutreffen – zum Beispiel auf Lunge und Darm – wo es viele kleine Kapillaren gibt, die auch beim Menschen so eng sind, dass sich rote Blutzellen dort durchzwängen müssen. Der Durchmesser beträgt dort deutlich unter zehn Mikrometer. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn eine Zelle, die einen runden harten Partikel von fünf Mikrometer Durchmesser aufgenommen hat, dort mehr Probleme hat sich durchzudrängen.“
„Diese Problematik ist aus rein theoretischen Überlegungen bekannt. Ob sie jedoch relevant ist, hängt von vielen quantitativen Parametern ab, die sehr genau und robust – mit belastbaren Daten – erfasst werden müssen. Dies wurde in dem Artikel nicht gemacht. Es gibt nur wenige Beobachtungen aus einem künstlichen Mausmodell – künstlich wie die Einführung der Plastikpartikel per Magensonde. Es ist nicht klar, inwieweit solche Beobachtungen übertragbar sind. Es bleibt vollkommen offen, wie diese recht großen Partikel aufgenommen werden – und nur die großen Partikel zeigten Effekte –, welcher Menge das genau entspricht und wie sich das im Menschen verhalten würde.“
„Allerdings muss auch bedacht werden, dass beim Menschen viel längere Expositionszeiten vorliegen können, bei denen auch kleine Mengen akkumulieren könnten. Es ist bisher nicht geklärt, auf welchem Wege aufgenommenes Mikroplastik wieder aus dem Körper eliminiert wird. Solche Fragen werden durch die Studie aufgeworfen und es wird mit Recht nahegelegt, dass dies geklärt werden sollte.“
Leiterin der Abteilung Core Facility Imaging, Medizinische Universität Graz, Österreich
Plausibilität und Mechanismus
„Die Autoren konnten zeigen, dass sich mikroplastik-enthaltende Zellen in den Hirnkapillaren befanden, und dass sich diese langsamer bewegten. Die Folgerung, dass die Zellen die Kapillaren mechanisch verlegen, ist nicht bewiesen. Es ist eher wahrscheinlich, dass sich die Mikroplastik-aufnehmenden Zellen, nachdem sie durch die Phagozytose von Partikeln aktiviert wurden, an die Gefäßwände anlagerten. Dafür spricht auch die Formveränderung, die von den Autoren berichtet wurde. Eine Aktivierung von Monozyten (Fresszellen-Art; Anm. d. Red.) könnte zur Veränderung der Blutgerinnung führen, aber diese Aspekte wurden nicht untersucht. Die Aktivierung von Phagozyten im Blut durch Mikroplastikaufnahme mit resultierender verlangsamter Durchblutung von Kapillaren und Gefahr der Thrombusbildung ist aufgrund der Versuche denkbar. Man muss einschränkend sagen, dass das Modell einen deutlichen Eingriff darstellt und dass die angenommenen Konzentrationen an Mikroplastik zu hoch erscheinen.“
Methodik
„Die Verhaltenstests sind akzeptierte Methoden zur Überprüfung der Funktion bestimmter Hirnregionen bei Mäusen. Die Übertagbarkeit auf Ausfälle im menschlichen Gehirn ist unklar. Zur Visualisierung der Hirngefäße wurde die Schädelkalotte (Schädelknochen; Anm. d. Red.) verdünnt. Dies ist ein unnormaler Zustand und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es dadurch zu einer Veränderung von Verlauf oder Durchmesser der Gefäße kommt. Das ist eine modell-bedingte Einschränkung der Aussagen. Eine weitere Einschränkung ist die Verwendung hoher Partikelkonzentrationen.“
„Die Aussage, dass es sich bei den mikroplastik-enthaltenden Zellen um Makrophagen handelt, lassen die Ergebnisse der Antikörper-Markierungen nicht zu. Der F4/80-Antikörper markiert Monozyten und Makrophagen und der Ly6G/Ly6C Antikörper (BD 561103) Granulozyten (zu denen auch Neutrophile zählen; Anm. d. Red.) und Monozyten, der Antikörper gegen CD45 richtet sich gegen alle Leukozyten (alle Immunzellen; Anm. d. Red.). Außerdem befinden sich im zirkulierenden Blut normalerweise keine Makrophagen; sie entwickeln sich aus Monozyten, wenn diese den Blutstrom verlassen haben. Monozyten haben die Fähigkeit, Mikroplastik aufzunehmen, ebenso wie die im Blut befindlichen Granulozyten. Obwohl beide Zelltypen mit Durchmessern unter 20 Mikrometern angegeben werden, könnten sie infolge der Aufnahme der fünf Mikrometer großen Polystyrolpartikel, die in der Arbeit bestimmte Zellgröße von 21 Mikrometer erreichen. Die in der Arbeit geäußerte Hypothese, dass Mikroplastik im Körper zu Nanoplastik wird, ist sehr unwahrscheinlich, da in der Natur der Zerfall von Mikroplastik zu Nanoplastik Jahre bis Jahrzehnte braucht.“
Mikroplastik im Körper
„Die Bestimmung von Mikroplastik im menschlichen Körper ist kompliziert, denn Plastikgefäße und Geräte werden im Labor routinemäßig verwendet. So ist es schwer, eine Kontamination der Proben mit Mikroplastik auszuschließen. Dazu kommt, dass immer nur ein kleiner Teil des Blutes oder des Gewebes untersucht werden kann. Die Autoren gehen in ihren Versuchen von einer Konzentration im menschlichen Blut von zwölf Mikrogramm pro Milliliter Blut aus. Diese Konzentration war der Maximalwert, der im Blut einer Person gefunden wurde [I]. Der Wert ist jedoch zweifelhaft, da immer Doppelbestimmungen durchgeführt wurden und in dem anderen Teil der Zwölf-Mikrogramm-pro-Milliliter-Probe, nur ein Mikrogramm pro Milliliter nachgewiesen wurde. Dieser Wert liegt in dem Bereich, in dem auch die Messwerte der meisten Proben der anderen Testpersonen dieser Arbeit lagen. In einer anderen Veröffentlichung wird von einem Gehalt von 1.84 bis 4.65 Mikrogramm pro Milliliter ausgegangen. Man kann also davon ausgehen, dass der in dem Artikel angenommene Wert von zwölf Mikrogramm pro Milliliter deutlich zu hoch ist.“
Übertragbarkeit auf den Menschen
„Monozyten, Granulozyten und Makrophagen gehören zum unspezifischen Immunsystem, was bedeutet, dass die Reaktion in vergleichbarer Form in Menschen und Mäusen stattfindet. Die weißen Blutkörperchen der Maus sind etwas kleiner als die menschlichen Zellen. Ebenso sind die Durchmesser von Hirnkapillaren bei Mäusen mit drei bis sieben Mikrometer kleiner als bei Menschen mit etwa fünf bis zehn Mikrometer. Insgesamt könnte man sich vorstellen, dass der Verstopfungseffekt bei Menschen etwas geringer ist.“
Risiken von Mikroplastik für den Menschen
„Sollten sich tatsächlich größere Mengen an Mikroplastik im Blut befinden, erscheint der Mechanismus einer Veränderung des Blutflusses in Kapillaren aufgrund der Aktivierung von Monozyten möglich. Die Frage ist, wieviel Mikroplastik im menschlichen Blut vorhanden ist. Damit kommt man zum großen Problem der Bestimmung. Bei der Probensammlung und Analyse muss mikroplastikfrei gearbeitet werden, was sehr schwierig ist. Da die Mengen an Mikroplastik in den Proben insgesamt sehr klein sind, können Verunreinigungen eine große Rolle spielen. Das zweite Problem ist die Repräsentativität des analysierten Teils für das Ganze. Es kann immer nur eine kleine Menge analysiert werden und man kann nicht davon ausgehen, dass die Partikel in der Probe gleichmäßig verteilt sind.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
„Im Hinblick auf die Studie habe ich keinerlei Interessenkonflikte. Ich war an dieser Arbeit nicht beteiligt und kooperiere nicht mit den AutorInnen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Studie.”
„Ich habe hier keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Huang H et al. (2025): Microplastics in the bloodstream can induce cerebral thrombosis by causing cell obstruction and lead to neurobehavioral abnormalities. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.adr8243.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center (2023): Problemfelder Plastik. Living Fact Sheet. Stand 20.09.2024.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Silasi G et al. (2015): A Mouse Model of Small-Vessel Disease that Produces Brain-Wide-Identified Microocclusions and Regionally Selective Neuronal Injury. Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism. DOI: 10.1038/jcbfm.2015.8.
[2] Marfella R et al. (2024): Microplastics and Nanoplastics in Atheromas and Cardiovascular Events. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2309822.
[3] Fusco L et al. (2024): Nanoplastics: Immune Impact, Detection, and Internalization after Human Blood Exposure by Single-Cell Mass Cytometry. Advanced Materials. DOI: 10.1002/adma.202413413.
[4] Senathirajah K et al. (2021): Estimation of the mass of microplastics ingested – A pivotal first step towards human health risk assessment. Journal of Hazardous Materials. DOI: 10.1016/j.jhazmat.2020.124004.
[5] Mohamed Nor NH et al. (2021): Lifetime Accumulation of Microplastic in Children and Adults. Environmental Science & Technology. DOI: 10.1021/acs.est.0c07384.
[6] Leonard SVL et al. (2024): Microplastics in human blood: Polymer types, concentrations and characterisation using μFTIR. Environmental International. DOI: 10.1016/j.envint.2024.108751.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Leslie H et al. (2022): Discovery and quantification of plastic particle pollution in human blood. Environment International. DOI: 10.1016/j.envint.2022.107199.
[II] Kopatz V et al. (2023): Micro- and Nanoplastics Breach the Blood–Brain Barrier (BBB): Biomolecular Corona’s Role Revealed. Nanomaterials. DOI: 10.3390/nano13081404.
[III] Kuhlman RL (2022): Letter to the editor, discovery and quantification of plastic particle pollution in human blood. Environment International. DOI: 10.1016/j.envint.2022.107400.
Prof. Dr. Elvira Mass
Abteilungsleiterin Entwicklungsbiologie des Immunsystems, Wissenschaftliche Leitung FCCF-CP, Life & Medical Sciences-Institut (LIMES), Universität Bonn
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Arthur Liesz
Leiter der Arbeitsgruppe Schlaganfall-Immunologie, Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
Prof. Dr. Holger Kress
Professor für Biologische Physik am Physikalischen Institut, Fakultät für Mathematik, Physik und Informatik, Universität Bayreuth
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Im Hinblick auf die Studie habe ich keinerlei Interessenkonflikte. Ich war an dieser Arbeit nicht beteiligt und kooperiere nicht mit den AutorInnen.“
Dr. Verena Kopatz
PostDoc in der Arbeitsgruppe für experimentelle Pathologie, Klinisches Institut für Pathologie, Medizinische Universität Wien, Österreich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
PD Dr. Karsten Grote
Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Marburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Studie.”
Prof. Dr. Marcel Leist
Professor für In-vitro-Toxikologie und Biomedizin, Fachbereich Biologie, Universität Konstanz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe hier keine Interessenkonflikte.“
PD Dr. Eleonore Fröhlich
Leiterin der Abteilung Core Facility Imaging, Medizinische Universität Graz, Österreich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“