HIV-Remission nach Stammzelltransplantation, obwohl Immunzellen weiterhin Virusrezeptor tragen
im Blut eines weiteren Patienten ist das HI-Virus sechs Jahre nach Stammzelltransplantation nicht mehr nachweisbar
der Fall ist besonders, da die transplantierten Blutzellen nicht resistent gegen HIV sind und damit deutlich wird, dass weitere Faktoren zur Virusfreiheit beitragen können
Forschende erläutern den Neuigkeitswert der Ergebnisse und ordnen sie in den Fortschritt in Richtung zukünftiger HIV-Therapien ein
Nach über sechs Jahren kein HI-Virus nachweisbar: In einem weiteren, bislang siebten Fall lebt ein über 60-jähriger Patient nach einer Krebsbehandlung ohne Virus trotz vorheriger Infektion. Das berichtet ein deutsches Forschungsteam unter Charité-Führung im Fachjournal „Nature“ (siehe Primärquelle).
Der sogenannte „zweite Berliner Patient” (B2) erhielt 2015 die Diagnose akute myeloische Leukämie, Blutkrebs. Therapiert wurde dieser mit einer allogenen Stammzelltransplantation. Dazu wurden Stammzellen aus dem Blut einer Spenderin extrahiert und dem Patienten nach einer Chemotherapie zum Aufbau neuer Blutzellen transplantiert. Im Vergleich zu den vorangegangenen Fällen trugen diese Spenderzellen funktionsfähige Ko-Rezeptoren für das HI-Virus auf der Oberfläche. Frühere Patientinnen und Patienten erhielten Blutstammzellen, die eine Mutation in beiden Genkopien für jenen CCR5-Rezeptor trugen, also homozygot waren. Dadurch waren die bisher verwendeten Zellen resistent gegen HI-Viren. Die Spenderzellen des nun vorgestellten Falls wiesen diese Mutation nur in einem der beiden Allele für den Rezeptor auf, sie waren heterozygot. Das führte insgesamt zwar zu einer geringeren Ausprägung des Rezeptors, aber eben nicht zu einem vollständigen Fehlen und Resistenz gegen das Virus.
Leiter der Forschungsabteilung Zell- und Gentherapie, Interdisziplinäre Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation, Zentrum für Onkologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Besonderheit des Falls
„Das in diesem Papier berichtete Ergebnis ist als großer Erfolg zu werten und liefert wichtige Einblicke in die Mechanismen, die einer Eliminierung des HI-Virus zugrunde liegen. Dies eröffnet neue Perspektiven für zukünftige, auf Immuntherapie beruhende Behandlungsstrategien.“
„Die bisher von HIV geheilten Patienten wurden von Spendern transplantiert, die homozygot für die CCR5Δ32-Mutation waren, das heißt beide Genkopien, sowohl die mütterliche als auch die väterliche, waren betroffen. Diese Menschen sind gegen die meisten HIV-Varianten immun, können also nicht infiziert werden, weil das CCR5-Protein, welches HIV in der Regel für den Zelleintritt benötigt, gar nicht auf der Zelloberfläche der HIV-Zielzellen vorhanden ist. Entsprechend wurden bei den früheren Transplantationen, wie beispielsweise beim ersten ‚Berlin-Patienten‘, Zellen übertragen, die gegen HIV immun sind.“
„Diesmal trug der Spender die CCR5Δ32-Mutation nur in einer seiner zwei Genkopien, er war heterozygot. Heterozygote Träger der Mutation können von HIV infiziert werden, allerdings sind sowohl das Infektions- als auch das spätere Erkrankungsrisiko vermindert. Da es aber beim Spender nur einen begrenzten Schutz vor HIV gab, war bei Weitem nicht sicher, dass die Transplantation auch zu einer Unterdrückung der HIV-Infektion führt.“
Menge an CCR5
„Die Expression des CCR5-Rezeptors ist aufgrund der heterozygoten Stammzellen im Vergleich zum Wildtyp reduziert. CCR5 wird ohnehin nur auf wenigen, in der Regel aktivierten T-Zellen exprimiert. Wenn es dann nur eine funktionelle Genkopie gibt, verringert sich die Menge der CCR5-Moleküle auf der Zelloberfläche durchschnittlich um 50 Prozent, was man bei der ‚expression density‘ in Abbildung 2b ganz gut sieht.“
Einordnung des Ergebnisses
„Die Autoren sprechen von einer langanhaltenden Remission – also dem Fehlen von Krankheitszeichen –, die Vorbote einer möglichen Heilung sein kann. Tatsächlich kam es in den über sechs Jahren nach Absetzen der antiviralen Therapie nicht zu einer Rückkehr der HI-Viren – weder wurde eine Virusvermehrung im Blut beobachtet, noch konnte ein Reservoir vermehrungsfähiger Viren in Biopsien nachgewiesen werden. Auch die über die Zeit abnehmende anti-HIV-Immunreaktion spricht dafür, dass keine vermehrungsfähigen HI-Viren mehr im Körper sind.“
Auswahl der Spender
„Bei der Auswahl möglicher Spender geht es in allererster Linie darum, dass diese möglichst optimal ‚passen‘ (kompatibel sind), also eine Übereinstimmung bei den Transplantations- beziehungsweise Histokompatibilitätsantigenen aufweisen. Das Kriterium der CCR5-Negativität wird erst relevant, wenn es zum Beispiel mehrere potenziell ähnlich gut passende Spender gibt. Da ungefähr zehn Prozent der europäisch-stämmigen Menschen die CCR5Δ32-Mutation tragen, aber nur etwa ein Prozent homozygot sind, ist die Chance, einen solche heterozygoten, passenden Spender zu finden, zehn Mal größer. Natürlich ist nicht sicher, ob die heterozygote Mutation in jedem Fall für eine Remission ausreicht – die Autoren diskutieren eine Reihe weiterer patientenspezifischer Faktoren, die zu dem positiven Ergebnis in diesem Fall beigetragen haben können.“
„Es ist schon seit Langem klar, dass für den Erfolg der Transplantation die Aktivität der Spenderimmunzellen gegen HIV-infizierte Zellen des Patienten (Spender-gegen-Wirt Effekt) essenziell ist. Vor einigen Jahren gab es bereits Berichte, dass die allogene Stammzelltransplantation allein ausreicht, um das Virus zu unterdrücken. Allerdings kam es bei den beiden sogenannten ‚Boston-Patienten‘ nach initialer Remission zu einem Rebound, also einer ‚Rückkehr‘ der HI-Viren – die natürlich nie weg waren, sondern getarnt in sogenannten Reservoirzellen verharrten.“
„Sind die Spenderzellen wie beim ersten Berlin-Patienten vollständig vor HIV geschützt, kann ihnen auch eine Reaktivierung verbliebener Viren nichts anhaben – die CCR5-Negativität bleibt also ein großer Vorteil. Gelänge es tatsächlich, alle Virus-Reservoir-Zellen zu eliminieren, wäre der Schutz der Spenderzellen durch CCR5-Negativität im Idealfall gar nicht mehr erforderlich. Das geschieht vor allem durch die für die Transplantation notwendige Konditionierung – in der Regel eine hochdosierte Chemotherapie –, den Transplantat-gegen-Wirt-Effekt und die zunächst fortgesetzte antiretrovirale Therapie. Da es sich dabei aber um sehr komplexe Wirkungen handelt, die zusammen die Virusreplikation langfristig unterdrücken (sollen), könnten weitere Faktoren wie zum Beispiel das (begrenzte) Maß an zusätzlichem Schutz, welches die heterozygote CCR5Δ32-Mutation verleiht, zum Zünglein an der Waage werden.“
Zukünftige Behandlung von HIV-Patienten
„Da der allogene Effekt der Stammzelltransplantation offensichtlich essentiell für den Therapieerfolg ist, lässt sich der Ansatz nicht ohne Weiteres auf eine mögliche autologe Stammzelltherapie übertragen, bei die körpereigenen Stammzellen des Patienten verwendet werden. Zum einen wäre es dabei tatsächlich notwendig, möglichst viele Zellen vor einer HIV-Infektion zu schützen, da die aus ungeschützten Stammzellen entstehenden Immunzellen eine Virusreplikation ermöglichen würden. Zum anderen dürfte es essenziell sein, auch die T-Zellen zu schützen, damit der Patient nicht seine erworbene Immunität verliert. Am vielversprechendsten erscheint es, in gewisser Analogie zur allogenen Stammzelltransplantation Immunzellen so zu modifizieren, dass sie HIV-infizierte Zellen erkennen und zerstören, ähnlich wie wir das bei der Krebstherapie mit den CAR-T-Zellen machen.“
„Die Stammzelltransplantation ist aktuell natürlich immer noch eine sehr eingreifende und risikobehaftete Therapie, auch wenn die eigenen Zellen transplantiert werden. Daher richten sich viele gentherapeutische Ansätze zur Eliminierung von HIV aktuell auf die Nutzung beziehungsweise Stärkung des Immunsystems. Auch dabei macht man sich die Erfahrungen zunutze, die man mit Menschen, die mit HIV leben, gemacht hat, deren Immunsystem es geschafft hat, das Virus langfristig im Schach zu halten, sogenannte ‚Elite controller‘. So gibt es Menschen, die extrem effiziente Antikörper herstellen, welche das Virus effizient neutralisieren (broadly neutralizing Antibodies, bnAbs). Im DZIF wird die Möglichkeit untersucht, solche bnAbs direkt im Körper HIV-infizierter Menschen herstellen zu lassen. Auch wird im DZIF erforscht, ob sich solche bnAbs für die Herstellung besonders aktiver CAR-T-Zellen eignen [1]. Die Firma Provirex hier in Hamburg hat eine Genschere entwickelt, mit der HIV aus infizierten Zellen ausgeschnitten werden kann. Unsere Gruppe kooperiert dabei wissenschaftlich. Zugleich darf man nicht vergessen, dass die medikamentöse Behandlung der HIV-Infektion immense Fortschritte gemacht hat, zuletzt mit extrem effizienten langzeit-wirkenden Medikamenten.“
Leiter Stammzelltransplantation, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
Besonderheit des Falls
„Das Besondere an diesem Fall ist, dass die Stammzellspenderin nicht wie in den meisten anderen Fällen eine homozygote Δ32-Genmutation des CCR5 Ko-Rezeptors für HIV aufwies, sondern neben einem mutierten auch ein intaktes CCR5-Gen trug. Mithilfe des CCR5-Rezeptors kann HIV in seine Zielzellen eindringen. Menschen mit einer homozygoten CCR5-Mutation besitzen eine natürliche Resistenz gegen HIV, Menschen mit heterozygotem CCR5-Status zeigen eine erschwerte Infektion ihrer Immunzellen im Vergleich zu Menschen mit Wildtyp-CCR5. Der homozygote CCR5-Δ32-Status ist selten und besteht in Westeuropa bei etwa einem Prozent der Bevölkerung.“
„Der Spender des ersten Berliner Patienten namens Timothy Ray Brown – der erste Menschen, der im Jahre 2007 durch eine allogene Blutstammzelltransplantation von HIV geheilt wurde – besaß eine solche, homozygote CCR5-Δ32-Mutation. Ebenso wie die Spender des Londoner und des Düsseldorfer Patienten. Allgemein ging man deshalb davon aus, dass diese homozygote CCR5-Mutation in Spenderzellen ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Heilung von HIV durch eine Blutstammzelltransplantation ist.“
Einordnung des Ergebnisses
„Im Jahr 2024 berichteten Forscher aus Genf erstmals über einen Patienten, dessen Spender nur eine heterozygote Mutation im CCR5-Gen trug und trotzdem mutmaßlich von HIV durch die Transplantation geheilt wurde. Dieser Fall richtete den Blick von der natürlichen HIV-Resistenz der homozygot CCR5-mutierten Spenderzellen hin auf die immunologische Reduktion des HIV-Reservoirs im Patienten, welche nach einer Transplantation regelhaft zu beobachten ist. Dabei attackieren Immunzellen des Spenders Zellen des Patienten, die die provirale DNA des HI-Virus tragen. So kommt es zu einer massiven Reduktion des HIV-Reservoirs unmittelbar nach der Transplantation. Der aktuelle Fall zeigt, dass dieser Mechanismus möglicherweise wichtiger ist als bisher angenommen.“
„Der Genfer Patient hatte eine ausgeprägte Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD), eine Reaktion der Spenderzellen gegen Organe des Patienten, die als klinischer Surrogatparameter für eine Immunreaktion auch gegen HIV-tragende Patientenzellen gilt. Hiermit wurde die dramatische Reduktion des HIV-Reservoirs im Genfer Patienten allgemein erklärt. Der zweite Berliner Patient zeigt nun, dass eine schwere GvHD nicht die Voraussetzung für eine tiefe Reduktion des HIV-Reservoirs nach der allogenen Blutstammzelltransplantation ist. Er hatte lediglich eine milde GvH-Reaktion der Haut und musste nicht langfristig immunsuppressiv behandelt werden.“
Fazit und zukünftige Behandlung von HIV-Patienten
„Die Gruppe um Olaf Penack führt in der aktuellen Arbeit einen exzellenten wissenschaftlichen Nachweis für die Immunreaktionen gegen HIV und sein Reservoir im Patienten nach der Transplantation als Grundlage der Heilung von HIV. Sie legt wissenschaftlich fundiert dar, dass der zweite Berliner Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit trotz seines heterozygoten CCR5-Status anhaltend HIV-negativ bleiben wird und damit ebenfalls von HIV geheilt ist.“
„Zusammenfassend zeigt dieser Fall sehr eindrucksvoll, dass die Reduktion des HIV-Reservoirs durch das Immunsystem des Spenders einen erheblichen Anteil an der Heilung von HIV durch die allogene Blutstammzelltransplantation hat. Im Idealfall kommt eine natürliche HIV-Resistenz in Spenderzellen durch eine homozygote CCR5-Mutation hinzu, wie beim ersten Berliner, dem Londoner oder dem Düsseldorfer Patienten. Wenn eine effektive Reduktion des HIV-Reservoirs gelingt, scheint jedoch die vollständige genetische Resistenz gegen HIV eine geringere Rolle zu spielen.“
„Diese wichtige Erkenntnis erweitert nicht nur den Spenderpool für die allogene Transplantation HIV-positiver Patient*innen mit bösartigen Bluterkrankungen. Sie ebnet den Weg für zukünftige Therapiestrategien, die jenseits der allogenen Blutstammzelltransplantation Methoden zur Reduktion des HIV-Reservoirs, zum Beispiel mit CAR-T-Zellen, mit gentherapeutischen Ansätzen zur Editierung des CCR5-Gens kombinieren.“
Oberarzt und Leiter der Infektiologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, TUM Klinikum
Besonderheit des Falls
„Erstmals ist es nachweislich gelungen, dass ein mit HIV lebender Mensch auch nach einer heterozygoten CCR5delta32/Wildtyp-Stammzelltransplantation ohne antivirale Therapie über eine längere Zeit von bisher sechs Jahren frei von Virusvermehrung gebliebenen ist. Oder in anderen Worten: Die Kolleginnen und Kollegen nehmen an, dass es auch in Ihrem Fall zur dauerhaften Heilung im Sinne einer Remission gekommen ist. Dies ist insofern besonders, weil bislang dauerhafte Heilungen nur im Kontext von homozygoten CCR5Δ32-Spendern von Stammzelltransplantationen berichtet wurden.“
Einordnung des Ergebnisses
„HIV ist ein Retrovirus, das heißt es kann sich in das menschliche Erbgut integrieren. Hierbei wird der CCR5-Rezeptor von HI-Viren zum Eindringen in menschliche Zellen benötigt und es ist bekannt, dass Menschen mit einer homozygoten CCR5Δ32-Mutation sich nicht regelhaft mit HIV infizieren können. Die jetzt veröffentlichte Arbeit zeigt, dass eine dauerhafte Remission im Sinne einer Heilung offenbar auch bei Stammzell-Spendern mit heterozygoten CCR5Δ32/Wildtyp-Veränderung möglich ist.“
„Auch wenn der Fall sehr gut aufgearbeitet und die Analyse sehr gründlich und sorgsam durchgeführt ist, handelt es sich dennoch um einen Einzelfall. Weitere Untersuchungen müssen jetzt zeigen, ob das Vorgehen auch auf andere Fälle übertragbar ist und zum weiteren Verständnis des Mechanismus beitragen.“
„Stammzelltransplantationen sind eine sehr nebenwirkunsgreiche Prozedur und kommen vor allem bei bösartigen Bluterkrankungen in Frage. Auch die (homozygote) CCR5Δ32-Trägerschaft ist selten. Daher trägt diese Arbeit vor allem wesentlich zum besseren Verständnis der HIV-Infektion bei, ohne dass hieraus eine direkte Konsequenz für alle Menschen mit HIV abgeleitet werden kann.“
Zukünftige Behandlung von HIV-Patienten
„Jeder weitere Heilungsfall ist ein Grund zur Hoffnung, weil er das Verständnis um die Mechanismen der Voraussetzungen für weitere Heilungsfälle optimiert. Stammzelltransplantationen sind leider eine sehr nebenwirkungsbehaftete Prozedur, die vor allem bei bösartigen Bluterkrankungen als alternativlose Therapie-Option genutzt werden muss. Bisher ist es auch durch neue gentherapeutische Optionen noch nicht gelungen, HIV dauerhaft zu heilen. Ziel hierbei ist es, die Virus-Erbinformationen im menschlichen Erbgut von mit HIV lebenden Personen mit beispielsweise der Genschere wieder zu entfernen. Daran wird weltweit mit Hochdruck weiter geforscht – auch in Deutschland!“
„Erlauben Sie mir an dieser Stelle den Hinweis auf die People First Language (Language matters | International AIDS Society (IAS)) im Kontext der Entstigmatisierung hinzuweisen: Also besser ‚Menschen mit HIV‘ statt ‚HIV-Infizierte‘.“
Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie, Universitätsklinikum Freiburg
Besonderheit des Falls
„Der hier geschilderte Fall ist außergewöhnlich, da der Patient eine langjährige, therapiefreie HIV-Remission nach allogener Stammzelltransplantation erreicht hat. Und das obwohl weder er selbst noch die Spenderin homozygot CCR5-negativ (Δ32/Δ32) waren, sondern lediglich heterozygot CCR5Δ32/Wildtyp. Damit waren die transplantierten Zellen prinzipiell weiterhin durch HIV infizierbar.“
„Mit diesem Verlauf gehört der ‚zweite Berliner Patient‘ zu einer sehr kleinen Gruppe von bislang nur sieben dokumentierten Heilungs- beziehungsweise Langzeit-Remissionsfällen. Von diesen erhielten vier ein Δ32/Δ32-Transplantat, drei – einschließlich des hier beschriebenen Falls – ein heterozygotes CCR5Δ32/Wildtyp-Transplantat.“
„Die Datendichte dieser Arbeit ist bemerkenswert: Vor der Transplantation wurden im Blut des Patienten intakte provirale HIV-Genome nachgewiesen. Nach der Transplantation und auch sechs Jahre nach Absetzen der Antiretroviralen Therapie fanden sich weder replikationsfähige Viren noch intakte Provirus-Signale in umfangreichen, hochsensitiven Testreihen. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier tatsächlich eine vollständige Remission vorliegt, ist daher sehr hoch.“
Einordnung des Ergebnisses
„Bisher galten CCR5Δ32/Δ32-Spender als ‚Goldstandard‘ für potenziell kurative Transplantationen, allerdings sind sie äußerst selten. Der vorliegende Fall zeigt, dass auch ein heterozygotes CCR5Δ32/Wildtyp-Transplantat unter bestimmten Bedingungen, insbesondere in Kombination mit einer ausgeprägten allogenen Immunantwort, zu einer dauerhaften HIV-Remission führen kann.“
„Für Menschen, die ausschließlich an einer HIV-Infektion leiden, bleibt eine allogene Stammzelltransplantation jedoch nicht vertretbar, da die Risiken der Prozedur in keinem Verhältnis zum therapeutischen Nutzen stehen würden. Der Wert dieses Falls liegt daher vor allem im grundsätzlichen Erkenntnisgewinn. Er bestätigt, dass eine funktionelle HIV-Heilung möglich ist, wenn das virale Reservoir drastisch reduziert und verbliebene infizierte Zellen immunologisch eliminiert oder dauerhaft kontrolliert werden. Darüber hinaus legen die Befunde nahe, dass neben CCR5-abhängigen auch CCR5-unabhängige Mechanismen – etwa bestimmte NK-Zell-vermittelte Effekte – maßgeblich zum Behandlungserfolg beitragen können.“
Zukünftige Behandlung von HIV-Patienten
„Für gentherapeutische Ansätze, etwa das CCR5-Targeting in autologen Blutstammzellen mittels der CRISPR-Genschere, ist dieser Fall ein ermutigendes Signal. Wenn eine langfristige Remission auch ohne vollständigen CCR5-Knockout erreichbar ist, könnten künftig auch Mischpopulationen aus editierten und nicht editierten Zellen klinisch von Bedeutung sein.“
„Zukünftige kurative Strategien werden voraussichtlich multimodal sein und Elemente aus folgenden Bereichen kombinieren: Gentherapie (zum Beispiel CCR5-Editing) in hämatopoetischen Stammzellen, passive Immuntherapien mit breit neutralisierenden Antikörpern, Immuncheckpoint- und NK-zellbasierte Immunmodulation zur Verstärkung gegen das HIV-Reservoir gerichteter Effekte sowie Methoden zur gezielten Reaktivierung und Eliminierung latenter Reservoirzellen (‚shock and kill‘).“
„Meine Forschungsgruppe forscht am CCR5-Knockout. Mit der Firma Provirex kooperieren wir im Rahmen des DZIF wissenschaftlich. Zudem hat unsere Klinik das Protokoll für eine klinische Phase-1/2-Studie mit der von Provirex entwickelten Genschere aufgesetzt und wäre, sollte dieses Protokoll genehmigt werden, Studienzentrum. Ich habe aber keinerlei persönliche Anteile oder finanzielle Interessen.“
„Keine.“
„Es besteht kein Interessenkonflikt.“
„Wissenschaftliche Kooperation mit Cellectis SA, Paris, zur Herstellung und Anwendung CCR5-editierter Blutstammzellen in HIV-positiven Lymphompatient*innen.“
Primärquelle
Gaebler C et al. (2025): Sustained HIV-1 remission after heterozygous CCR5Δ32 stem cell transplantation. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-09893-0.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Rueger S et al. (2025): Early treatment and PD1 inhibition enhance HIV-specific functionality of follicular CD8+ T cells. JCI Insight. DOI: 10.1172/jci.insight.180309.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Yukselten Y et al. (2025): Targeting CCR5: A central approach to HIV treatment and cure strategies. Virology. DOI: 10.1016/j.virol.2024.110375.
[II] An der Heiden M et al. (2025): Schätzung der Anzahl der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2024 sowie der Gesamtzahl der Menschen, die Ende 2024 mit HIV in Deutschland leben. Epidemiologisches Bulletin des RKI. DOI: 10.25646/13562.
Prof. Dr. Boris Fehse
Leiter der Forschungsabteilung Zell- und Gentherapie, Interdisziplinäre Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation, Zentrum für Onkologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Meine Forschungsgruppe forscht am CCR5-Knockout. Mit der Firma Provirex kooperieren wir im Rahmen des DZIF wissenschaftlich. Zudem hat unsere Klinik das Protokoll für eine klinische Phase-1/2-Studie mit der von Provirex entwickelten Genschere aufgesetzt und wäre, sollte dieses Protokoll genehmigt werden, Studienzentrum. Ich habe aber keinerlei persönliche Anteile oder finanzielle Interessen.“
Prof. Dr. Guido Kobbe
Leiter Stammzelltransplantation, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine.“
Prof. Dr. Christoph D. Spinner
Oberarzt und Leiter der Infektiologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, TUM Klinikum
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Es besteht kein Interessenkonflikt.“
Prof. Dr. Toni Cathomen
Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie, Universitätsklinikum Freiburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Wissenschaftliche Kooperation mit Cellectis SA, Paris, zur Herstellung und Anwendung CCR5-editierter Blutstammzellen in HIV-positiven Lymphompatient*innen.“