Gasspeicher-Report (13.06.2022)
Dieser monatliche Report des Science Media Centers (SMC) fasst die aktuelle Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und Europa zusammen. In verschiedenen Szenarien auf Basis historischer und aktueller Füllmengen zeigen wir dabei auf einen Blick, ob die Betreiber derzeit auf dem Weg sind, die gesetzlichen Vorgaben für die Füllstände am 1. Oktober (80 Prozent) und 1. November (90 Prozent) zu erreichen.
Im Gasspeicher Report finden Sie wichtige Kennzahlen zur Füllung der Gasspeicher in Deutschland und Europa sowie rasche Orientierung darüber, ob die vorgegebenen Ziele der Bundesregierung erreicht werden, sowie eine kurze Einordnung der Zahlen und ihrer Entwicklung, auch vor dem Hintergrund, dass die Gasspeicher in Deutschland im Zweifelsfall für die Gasversorgung in ganz Europa wichtig sind. So können Sie mit einem Blick möglichst schnell erfassen, welche Gas-Versorgungslage im kommenden Winter zu erwarten ist.
Deutschlands größter Gasspeicher befindet sich in Rehden. Er allein nimmt rund ein Fünftel der Gasmenge auf, die in ganz Deutschland gespeichert werden kann. Das sind rund vier Prozent der Gasspeicherkapazität ganz Europas. Inwieweit es gelingt, diesen Speicher bis zum Spätherbst so weit wie möglich zu füllen, ist entscheidend für die Gasversorgungslage im Winter.
Speicher können allerdings nicht beliebig schnell gefüllt werden. Rehden kann pro Tag maximal 0,34476 TWh Gas aufnehmen. Es war daher angesichts des sehr niedrigen Füllstandes im Mai wichtig, bis spätestens zum Ende Juni damit zu beginnen, diesen Speicher mit der Maximalrate zu füllen, damit er bis Anfang November die vorgesehenen 90 Prozent erreichen kann. Die Situation hat sich seit kurzem offenbar leicht entspannt: Seit dem 3. Juni fließen nennenswerte Mengen Erdgas in den Speicher. Die folgende Grafik zeigt nun neben dem Verlauf des Füllstands bis zum 11. Juni drei verschiedene Szenarien für die Entwicklung:
Sie können sich den Füllgrad in Prozent zu einem bestimmten Tag anzeigen lassen, wenn Sie mit der Maus über der entsprechenden Linie hovern.
Zum Vergleich die Füllstände aller drei Speicher der Gazprom-Tochter astora. Im Winter 2021 wurden alle drei Speicher tiefer als im Vorjahr geleert. Die Speicher Jemgum in Deutschland und Haidach in Österreich wurden nach Ende der Heizsaison im Winter 2020/21 wieder gefüllt, allerdings längst nicht so, wie in den Jahren zuvor. Rehden wurde bis auf einen Füllstand von unter 10 Prozent gefahren. Bis zum Frühjahr 2022 sank dieser Stand weiter auf 0,6 Prozent. Jemgum und Haidach werden seit März 2022 wieder gefüllt und haben Stände von 42 Prozent (Haidach) beziehungsweise 35,1 Prozent (Jemgum) erreicht.
Um abschätzen zu können, ob das Ziel von 90 Prozent Speicherfüllstand aller Gasspeicher zusammen am ersten November erfüllt werden kann, betrachten wir in der folgenden Grafik drei Szenarien. Sie können sich wiederum den Füllgrad in Prozent zu einem bestimmten Tag anzeigen lassen, wenn Sie mit der Maus über der entsprechenden Linie hovern.
Voraussetzung für alle Szenarien ist, dass wie bisher genügend Erdgas geliefert wird, um bei laufender Industrieproduktion auch die Speicher wie in der Vergangenheit füllen zu können.
Zum Vergleich die Speicherstände von Deutschland in den vergangenen 10 Jahren. Aktuell sind die Speicher in Deutschland zu mehr als die Hälfte gefüllt. Der Füllstand um diese Jahreszeit lag in der Vergangenheit auf sehr unterschiedlichem Niveau, abhängig davon wie tief die Speicherstände im Winter gefallen sind. Im Vergleich zu den Jahren mit tiefem Speicherstand (2013, 2015, 2017, 2018 und 2021) sind die Speicher aktuell gut gefüllt. Das ist eine gute Entwicklung, ob es so weiter geht, werden die kommenden Monate zeigen.
Sie können sich wiederum den Füllgrad in Prozent zu einem bestimmten Tag anzeigen lassen, wenn Sie mit der Maus über der entsprechenden Linie hovern. Zur besseren Übersichtlichkeit können Sie die Kurven einzelner Jahre ausblenden, wenn sie auf die farbige Linie in der Legende klicken.
Die Füllstände in Deutschland und dem übrigen Teil der EU (nach aktueller Zusammensetzung, also ohne UK) verlaufen oft ähnlich. Allerdings hat sich der Füllstand am Ende des Winters 2019 und 2020 deutlich voneinander unterschieden, die Speicher in Deutschland waren deutlich besser gefüllt als die im restlichen Europa. Im Sommer 2021 erreichte der Füllstand der Gasspeicher nicht einmal 80 Prozent, Deutschland blieb unter dem Schnitt der EU. Das lag insbesondere am leeren Gasspeicher in Rehden.
Polen und Bulgarien werden nicht mehr von Gazprom mit Gas beliefert. Die Wachstumskurven ihrer Gasspeicher wirken auf den ersten Blick jedoch unauffällig, aber das stimmt nicht ganz. Die Speicher in Polen wurden deutlich weniger tief entladen als in den vergangenen zwei Jahren: Bis zum Beginn des Ukrainekriegs werden die Speicher ähnlich entleert wie im Vorjahr. Dann allerdings stoppt die Gasentnahme bei einem Füllstand von rund 57 Prozent am 25. Februar, anschließend steigen sie wieder. Heute haben sie wieder einen Füllgrad von 96 Prozent erreicht. In den zurückliegenden Jahren war das erst Mitte August beziehungsweise Ende September der Fall. Die Entwicklung Gasspeicher in Bulgarien entwickeln sich dagegen trotz Ukrainekrieg und Gasembargo durch Russland unauffällig.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Ukraine selbst. Während die Länder EU und Vereinigtes Königreich derzeit dabei sind, ihre Erdgasspeicher so schnell wie möglich zu füllen, ist es dem Land bis jetzt noch nicht gelungen, seine Speicher, die deutlich größer sind als die von Deutschland, zu füllen. Derzeit erreicht die Speichermenge gut 18 Prozent. Allerdings ist unklar, inwiefern die ukrainischen Speicher dem eigenen Bedarf oder dem Export dienen, und wie hoch der Gasbedarf des Landes in Friedenszeiten war. Trotzdem lohnt es sich, die Speicher und die Gasversorger der Ukraine im Auge zu behalten: Sollte der Krieg bis zum Winter und noch länger dauern, wie von einigen Experten vermutet, könnte es nötig sein, die Gasversorgung des Landes von der EU aus zu stützen. Dafür wären dann auch die Speicher in Deutschland gefragt.
Die Speicherstände der Gasspeicher entstammen dem Aggregated Gas Storage Inventory. Die Daten werden zwei Tage verzögert publiziert. Der aktuellste Wert ist also der Speicherstand für Vorgestern. Nicht alle Speicher melden an allen Tagen Daten. Nicht gemeldete Daten werden vom AGSI geschätzt und bei späteren Updates auf die gemeldeten Daten korrigiert. Vereinzelt existieren Füllstände, die etwas höher liegen als die angegebene Kapazität, z.B. Portugal im November 2019.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
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