Gasspeicher-Report (09.01.2023)
Dieser monatliche Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und Europa zusammen.
Die deutschen Gasspeicher wurden um mehr als drei Prozentpunkte nachgefüllt. Grund waren die milden Tage zwischen den Jahren und der im dieser Zeit übliche geringere Verbrauch. Auch in einigen anderen europäischen Ländern wurden die Speicher wieder gefüllt, jedoch nicht in allen: In Ungarn zum Beispiel fand zwischen den Jahren kein Auffüllen der Gasspeicher statt. Insgesamt sind die deutschen und europäischen Gasspeicher so gut gefüllt, dass eine Gasmangellage in diesem Winter unplausibel ist. Der gesetzlich geforderte Füllstand von 40 Prozent Anfang Februar kann praktisch nicht mehr verfehlt werden.
Wir haben die aktuelle Situation dafür genutzt, die Parameter der in diesem Report betrachteten Szenarien an die Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate anzupassen und erstmals einen Blick auf Sommer und Herbst 2023 zu werfen. Das Ergebnis: Bei einem durchschnittlichen Winter 2022/23 führen die Szenarien selbst ohne Einsparungen zu gefüllten Speichern im Herbst, wenn die Netto-Einspeisung auf dem Niveau von Herbst und Winter 2022 bleibt. Mit Einsparungen können auch in Szenarien mit einem kalten Februar und März die Speicher wieder gefüllt werden.
Sie finden weiter wie gewohnt wichtige Kennzahlen zur Füllung der Gasspeicher in Deutschland und Europa. Außerdem bietet der Report eine kurze Einordnung der Zahlen und ihrer Entwicklung – auch vor dem Hintergrund, dass die Gasspeicher in Deutschland im Zweifelsfall für die Gasversorgung in ganz Europa wichtig sind. So können Sie mit einem Blick möglichst schnell erfassen, welche Gas-Versorgungslage bis zum Ende des Winters zu erwarten ist.
Einen tagesaktuellen Blick auf die Entwicklung der Gasversorgung können Sie online werfen auf unserem Gasspeicher-Dashboard. Wie die Gasversorgung bis zum Ende des Winters verlaufen könnte, können Sie anhand unserer aktualisierten Szenarien im Gasszenarien-Dashboard erkennen.
Seit dem 29.09. liefert die Bundesnetzagentur (BNetzA) wöchentliche Verbrauchsdaten für Großverbraucher (vor allem Industrie und Stromerzeugung) und Kleinverbraucher (Haushalt, Gewerbe, Industrie mit geringem Gasverbrauch). Bislang lagen aktuelle Messdaten zum Verbrauch nur für die Großverbraucher vor.
Seitens der Gasversorger wird der Verbrauch für die Kleinverbraucher geschätzt und über sogenannte Standard-Lastprofile bilanziert. Diese basieren auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Für die Einschätzung des tatsächlichen Verbrauchs im aktuellen Winter, der mit Blick auf die Gasversorgung ungewöhnlich ist, reichen diese Schätzungen jedoch nicht. Die BNetzA hat daher begonnen, den Verbrauch für die Kleinverbraucher aus den Messdaten am Eingang der Verteilnetze sowie weiteren Daten mit einem selbst entwickelten Verfahren zu berechnen.
Schon vor Weihnachten ist der Gasverbrauch wieder gesunken, zwischen den Jahren ist er weiter stark zurückgegangen. Hier wird das milde Wetter eine große Rolle gespielt haben.
Anfang des Jahres bleibt auch die Verstromung von Gas auf niedrigem Niveau, entsprechend fiel auch der Verbrauch des Industriesektors, in dem auch die Gaskraftwerke erfasst werden, weiter.
Im Gesamtzeitraum seit der 25. Kalenderwoche haben die Einsparungen bei Haushalten und Gewerbe die angestrebte 20 Prozent-Marke weiterhin verfehlt. Die aktuellen Szenarien zeigen aber, dass dies die Versorgungslage nicht gefährdet.
Neben dem Verbrauch ist für die Beobachtung der Gasversorgungslage im Winter wichtig, wie viel Erdgas Deutschland importieren und wie viel es selbst fördern kann, außerdem wie viel es weiterleitet.
Die Netto-Einspeisung ergibt sich aus dem Gesamt-Import Deutschlands und der Produktion beziehungsweise Förderung in Deutschland minus dem Export. Deutschland leitet Gas an andere Länder weiter.
Nach neuen Höchstwerten Ende Dezember ist die Netto-Einspeisung wieder etwas gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau. Das neue FSRU in Wilhelmshaven befindet sich noch im Testbetrieb und trägt aktuell wenig zum Gas-Import bei. Es hat im Januar nie deutlich mehr als 0,1 TWh pro Tag eingespeist, an den meisten Tagen deutlich weniger.
Betrachtet man die tägliche Durchschnittseinspeisung, sieht man, dass seit August in keinem Monat weniger als 2,3 TWh/d zur Verfügung standen. Im Dezember stieg dieser Wert sogar auf 2,8 TWh/d. Der Wert für Januar 2023 berücksichtigt nur die ersten Januar-Tage und kann sich bis Ende des Monats noch ändern.
Die Grafik zeigt die Fortschreibung des aktuellen Trends der Speicherstände. Dafür wird der Verlauf der letzten sieben verfügbaren Tage genutzt. Von Mitte November bis kurz vor Weihnachten wurde Gas aus den Speichern entnommen, seitdem wieder eingespeichert.
Die langfristige Entwicklung der Speicherstände hängt von Parametern ab, die aktuell noch nicht für den gesamten Winter vorhersehbar sind. Insbesondere das Wetter, die Sparsamkeit der Verbraucher und die Importmengen sind unsicher. An dieser Stelle veröffentlichen wir eine Auswahl an Szenarien, um diese Unsicherheit abzubilden. Außerdem vergleichen wir den aktuellen Verlauf mit Szenarien, die wir in früheren Reporten veröffentlicht haben.
Wir versuchen mit unseren Annahmen, eine Abdeckung über einen breiten Teil der möglichen Entwicklungen zu erzielen. Zu berücksichtigen ist aber: Die Realität kann deutlich besser oder schlechter ausfallen, als in unseren Szenarien beschrieben – falls sich die hier getroffenen Annahmen als falsch herausstellen.
Der Verlauf der Speicherfüllstände hängt von zwei Faktoren ab: dem Gasverbrauch und der Gasbeschaffung. Wir haben dabei insgesamt vier Parameter als jene mit dem größten Einfluss identifiziert:
Beim Temperaturverlauf, der maßgeblich den Gasverbrauch beeinflusst, betrachten wir zwei Szenarien: Einen durchschnittlichen und einen kalten Winter. Der Mehrverbrauch in einem kalten Winter im Vergleich zu einem durchschnittlichen beträgt hier 50 TWh. Ein sehr kalter Winter kann aber auch noch zu einem stärkerem Mehrverbrauch führen. Die unterdurchschnittlich kalten Tage im Dezember und Januar liegen für die aktuellen Szenarien schon in der Vergangenheit. Der hier angenommene Mehrverbrauch würde sich also auf weitere besonders kalte Zeitperioden beziehen.
Die Annahmen zur Netto-Einspeisung von Gas in das deutsche Netz haben sich in der Vergangenheit als zu niedrig herausgestellt. An dieser Stelle wurden bisher Szenarien mit einer täglichen Netto-Einspeisung von 1,7 bis 2,2 TWh betrachtet. Eine durchschnittliche Einspeisung von unter 2,3 TWh pro Tag gab es im vergangenen Jahr aber nur im Juli, der durch die Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 eine besondere Situation darstellt. Auch nach der Schließung dieser Pipeline wurden so niedrige Werte nicht mehr erreicht. Dadurch, dass die Speicherstände am Ende des Monats immer höher waren als in den Szenarien angenommen, verbesserten sich die neu berechneten Szenarien von Monat zu Monat. Die folgende Grafik zeigt dies beispielhaft für eine Situation ohne Einsparungen, einem kalten Winter und 2 TWh/d Netto-Einspeisung. Innerhalb von drei Monaten verbesserte sich die Aussicht dieses Szenariod für Anfang Mai um über 100 TWh.
In den folgenden Grafiken betrachten wir die neuen Szenarien, die sich von den alten Szenarien in folgenden Punkten unterscheiden:
Szenarien sind dazu da zu ergründen, was passieren würde, wenn bestimmte Annahmen eintreffen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zum Beispiel die Netto-Einspeisung deutlich höher war als hier und in anderen Szenarien angenommen wurde. Die hier betrachteten Szenarien sind nicht alle gleich wahrscheinlich. Aus der Berechnung lässt sich jedoch im Gegensatz zu einem statistischen Modell nicht entnehmen, wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Szenarios ist. Aussagen über die Plausibilität der Szenarien müssen also extern getroffen werden. So sind Szenarien, die von einem kalten Winter 2022/23 ausgehen, mit jedem neuen, warmen Tag zunehmend unwahrscheinlich. Aufgrund der eher vorsichtigen Wahl der Netto-Einspeisung können auch weiterhin deutlich höhere Werte erreicht werden, was zu einem noch schnelleren Füllen der Speicher im Sommer führen könnte. Da die Gasspeicher auch über ihren Nominalwert gefüllt werden können und die Kapazität zudem schwankt, schneiden wir die Szenarien nicht direkt bei 246 TWh ab. Natürlich können nicht beliebig hohe Speicherwerte erreicht werden. Umgekehrt können negative Speicherstände nicht realisiert werden, diese sind gleichbedeutend mit einer Mangellage.
Die Speicher in Deutschland dienen zum Teil auch zur Versorgung anderer Länder. Andererseits sind beispielsweise Teile der österreichischen Speicher auch für die Versorgung von Deutschland (insbesondere Bayern) vorgesehen. Dies wird bei den betrachteten Szenarien implizit durch die verschiedenen Werte für die Netto-Einspeisung berücksichtigt. Der Speicherstand ist dabei nur der Startwert für die Berechnungen, denn das gespeicherte Gas kann nicht als Gasmenge angenommen werden, die vollständig im deutschen Gasnetz verbleibt. Würde mehr Gas aus deutschen Speichern in andere Länder exportiert und weniger importiert, würde dies letzlich die Netto-Einspeisung reduzieren.
Für die Szenarien legen wir jeweils eine prozentuale Verbrauchsveränderung gegenüber dem Mittel der Jahre 2018 - 2021 zu Grunde:
In unserem Gasszenarien-Dashboard können Sie auch eigene Szenarien berechnen.
Das Ergebnis: Selbst ohne weitere Einsparungen könnten die Speicher in einem durchschnittlichen Winter und bei den hier angenommenen Netto-Einspeisungen fast wieder vollständig gefüllt werden. Für den Januar sind diese Szenarien sogar zu pessimistisch, da aktuell Gas eingespeichert wird. Der Wetterbericht der kommenden Tage lässt vermuten, dass sich dies fortsetzt. Nur in den Szenarien mit einem kalten Winter und entsprechend verringerten Netto-Einspeisungen könnte es zu Mangellagen kommen, allerdings sind die Chance, dass es so kommt, sehr gering.
Das Ergebnis: Einsparungen von 10 Prozent führen in allen Szenarien mit einem durchschnittlichen Winter zu vorzeitig gefüllten Gaspeichern. Im Szenario mit einem kalten Februar und März und einer sehr geringen Netto-Einspeisung könnte es Ende April noch zu einer Mangellage kommen. Die Chance, dass dieses Szenario eintritt ist sehr gering, insbesondere, da die Einspeisungen im Januar bisher deutlich oberhalb dieser Werte liegen. Um dem entgegenzuwirken, müsste die Netto-Einspeisung unter die hier angenommenen 1,7 TWh/d sinken.
Das Ergebnis: Bei 20 Prozent Einsparungen droht keine Gasmangellage. Selbst im Winter-Szenario mit einer Netto-Einspeisung von 2 TWh/d bis Ende April wären die Speicher zu Beginn des kommenden Winters voll.
Zum Vergleich mit der Entwicklung 2022 hier die Speicherstände von Deutschland seit 2012. Nur 2020 waren die Speicher um diese Zeit voller als aktuell.
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Gas aktuell (mit dem üblichen Meldeverzug von zwei Tagen) in den Ländern der EU, der Ukraine und des Vereinigten Königreichs gespeichert ist und wie weit die Speicher damit gefüllt werden. Die Speicher in der Ukraine dürften aufgrund des Krieges ein Sonderfall sein.
Betrachtet man die sechs Länder mit der größten Speicherkapazität, fällt auf, dass sie sich zwischen den Jahren unterschiedlich entwickelt haben. Deutschland und Österreich haben ihre Speicher wieder deutlich gefüllt. Frankreich, Italien und die Niederlande haben ihr Leeren verlangsamt oder in geringem Maß eingespeichert. In Ungarn ist nur eine schwache Verlangsamung des Ausspeicherns zu beobachten.
Die Speicherstände der Gasspeicher entstammen dem Aggregated Gas Storage Inventory. Die Daten werden zwei Tage verzögert publiziert. Der aktuelle Wert ist also der Speicherstand für Vorgestern, bezogen auf das Erscheinungsdatum. Nicht alle Speicher melden an allen Tagen Daten. Nicht gemeldete Daten werden von Gas Infrastructure Europe (GIE) geschätzt und bei späteren Updates auf die gemeldeten Daten korrigiert. Dies kann insbesondere dazu führen, dass sich der aktuelle Trend der letzten Tage auch umdrehen kann. Insbesondere bei Trendwenden ist es deshalb ratsam ein paar Tage abzuwarten, ob diese noch korrigiert werden. Auch eine Plausibilisierung mit anderen Informationsquellen ist empfehlenswert.
Insbesondere nach Wochenenden kann es auch zu fehlenden Werten führen, was insbesondere an den spontan sinkenden Speicherkapazitäten ersichtlich ist. Vereinzelt existieren Füllstände, die etwas höher liegen als die angegebene Kapazität, wie zum Beispiel aktuell in Portugal.
Die Verbrauchsdaten werden von der Bundesnetzagentur bereitgestellt. Die Werte können sich zum Teil auch mit mehreren Wochen Verzögerung noch deutlich ändern.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
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