Gasspeicher-Report (02.02.2023)
Dieser Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und Europa zusammen. Er schließt die monatliche Erscheinungsweise ab. Die positive Entwicklung der Speicher lässt es sinnvoll erscheinen, noch einen Report zum Ende der Heizperiode und ansonsten bei Bedarf zu erstellen.
Die Temperaturen in der zweiten Januarhäfte sind gegenüber dem Jahreswechsel gefallen. Das hat dazu geführt, dass die Gaseinsparungen geringer ausgefallen sind als die angestrebten 20 Prozent. Auch die Netto-Einspeisungen haben sich veringert, obwohl zwei deutsche LNG-Terminals in Betrieb gegangen und ein weiteres (Brunsbüttel) eingeweiht wurde. Über Wilhelmshaven werden aktuell etwas mehr als 0,1 TWh pro Tag importiert, über Lubmin waren es bisher nie mehr als 0,06 TWh/d, meist sogar noch deutlich weniger. Zu Brunsbüttel liegen noch keine Daten vor. Trotzdem hat sich die Situation in nahezu allen betrachteten Szenarien verbessert, da die Netto-Einspeisungen ins Gasnetz weiter auf hohem Niveau liegen und die Einsparungen insgesamt ausreichend hoch sind.
Entsprechend zeigen nahezu alle der von uns betrachteten Szenarien noch vor dem Winter 2023/24 wieder vollständig gefüllte Speicher. Da wir aktuell keine Veränderung der Entwicklung erwarten, werden wir die Szenarien nicht mehr jeden Monat anpassen und auch diesen Report nicht mehr jeden Monat verschicken. Sobald gegen Ende des Winters abgesehen werden kann, mit welchen Speicherständen Deutschland aus der Heizperiode herauskommt, werden wir einen zusammenfassenden Report veröffentlichen. Relevante Ereignisse oder überraschende Entwicklungen werden wir aber selbstverständlich auch weiterhin begleiten.
Auch den tagesaktuellen Blick auf die Entwicklung der Gasversorgung können Sie wie bisher online werfen auf unserem Gasspeicher-Dashboard. Wie die Gasversorgung bis zum Ende des Winters verlaufen könnte, können Sie anhand unserer aktualisierten Szenarien im Gasszenarien-Dashboard erkennen.
Seit dem 29.09. liefert die Bundesnetzagentur (BNetzA) wöchentliche Verbrauchsdaten für Großverbraucher (vor allem Industrie und Stromerzeugung) und Kleinverbraucher (Haushalt, Gewerbe, Industrie mit geringem Gasverbrauch). Bislang lagen aktuelle Messdaten zum Verbrauch nur für die Großverbraucher vor.
Seitens der Gasversorger wird der Verbrauch für die Kleinverbraucher geschätzt und über sogenannte Standard-Lastprofile bilanziert. Diese basieren auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Für die Einschätzung des tatsächlichen Verbrauchs im aktuellen Winter, der mit Blick auf die Gasversorgung ungewöhnlich ist, reichen diese Schätzungen jedoch nicht. Die BNetzA hat daher begonnen, den Verbrauch für die Kleinverbraucher aus den Messdaten am Eingang der Verteilnetze sowie weiteren Daten mit einem selbst entwickelten Verfahren zu berechnen.
Während der kälteren Phase in der zweiten Januarhälfte sind die prozentualen Einsparungen wieder gesunken. Das aktuell wärmere Wetter lässt aber vermuten, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt.
Im Gesamtzeitraum seit der 25. Kalenderwoche 2022 haben die Einsparungen bei Haushalten und Gewerbe die angestrebte 20 Prozent-Marke wiederum verfehlt. Die aktuellen Szenarien zeigen aber, dass dies die Versorgungslage nicht gefährdet.
Neben dem Verbrauch ist für die Beobachtung der Gasversorgungslage im Winter wichtig, wie viel Erdgas Deutschland importieren und wie viel es selbst fördern kann, außerdem wie viel es weiterleitet.
Die Netto-Einspeisung ergibt sich aus dem Gesamt-Import Deutschlands plus der Produktion beziehungsweise Förderung in Deutschland minus dem Export. Deutschland leitet Gas an andere Länder weiter.
Die Netto-Einspeisungen sind im Januar fast durchgehend gefallen. Seit dem 29.01. steigen sie aber wieder.
Betrachtet man die tägliche Durchschnittseinspeisung, sieht man, dass seit August in keinem Monat weniger als 2,3 TWh/d zur Verfügung standen. Im Dezember stieg dieser Wert sogar auf 2,7 TWh/d. Auch mit den gesunkenen Netto-Einspeisungen wurden im Januar noch im Schnitt 2,5 TWh pro Tag eingespeist.
Die Grafik zeigt die Fortschreibung des aktuellen Trends der Speicherstände. Dafür wird der Verlauf der letzten sieben verfügbaren Tage genutzt. Inzwischen wird – wie für diese Jahreszeit üblich – aus den Speichern wieder Gas entnommen.
Die langfristige Entwicklung der Speicherstände hängt von Parametern ab, die aktuell noch nicht für den gesamten Winter vorhersehbar sind. Insbesondere das Wetter, die Sparsamkeit der Verbraucher und die Importmengen sind unsicher. An dieser Stelle veröffentlichen wir eine Auswahl an Szenarien, um diese Unsicherheit abzubilden.
Wir versuchen mit unseren Annahmen, eine Abdeckung über einen breiten Teil der möglichen Entwicklungen zu erzielen. Zu berücksichtigen ist aber: Die Realität kann deutlich besser oder schlechter ausfallen, als in unseren Szenarien beschrieben – falls sich die hier getroffenen Annahmen als falsch herausstellen.
Der Verlauf der Speicherfüllstände hängt von zwei Faktoren ab: dem Gasverbrauch und der Gasbeschaffung. Wir haben dabei insgesamt vier Parameter als jene mit dem größten Einfluss identifiziert:
Beim Temperaturverlauf, der maßgeblich den Gasverbrauch beeinflusst, betrachten wir zwei Szenarien: Einen durchschnittlichen und einen kalten Winter. Der Mehrverbrauch in einem kalten Winter im Vergleich zu einem durchschnittlichen beträgt hier 50 TWh. Ein sehr kalter Winter kann aber auch noch zu einem stärkerem Mehrverbrauch führen. Die unterdurchschnittlich kalten Tage im Dezember und Januar liegen für die aktuellen Szenarien schon in der Vergangenheit. Der hier angenommene Mehrverbrauch würde sich also auf weitere besonders kalte Zeitperioden beziehen.
In den folgenden Grafiken betrachten wir die neuen Szenarien, die wir seit Januar veröffentlichen und die sich von den alten Szenarien in folgenden Punkten unterscheiden:
Szenarien sind dazu da zu ergründen, was passieren würde, wenn bestimmte Annahmen eintreffen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zum Beispiel die Netto-Einspeisung deutlich höher war als hier und in anderen Szenarien angenommen wurde. Die hier betrachteten Szenarien sind nicht alle gleich wahrscheinlich. Aus der Berechnung lässt sich jedoch im Gegensatz zu einem statistischen Modell nicht entnehmen, wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Szenarios ist. Aussagen über die Plausibilität der Szenarien müssen also extern getroffen werden. So sind Szenarien, die von einem kalten Winter 2022/23 ausgehen, mit jedem neuen, warmen Tag zunehmend unwahrscheinlich. Aufgrund der eher vorsichtigen Wahl der Netto-Einspeisung können auch weiterhin deutlich höhere Werte erreicht werden, was zu einem noch schnelleren Füllen der Speicher im Sommer führen könnte. Da die Gasspeicher auch über ihren Nominalwert gefüllt werden können und die Kapazität zudem schwankt, schneiden wir die Szenarien nicht direkt bei 246 TWh ab. Natürlich können nicht beliebig hohe Speicherwerte erreicht werden. Umgekehrt können negative Speicherstände nicht realisiert werden, diese sind gleichbedeutend mit einer Mangellage.
Die Speicher in Deutschland dienen zum Teil auch zur Versorgung anderer Länder. Andererseits sind beispielsweise Teile der österreichischen Speicher auch für die Versorgung von Deutschland (insbesondere Bayern) vorgesehen. Dies wird bei den betrachteten Szenarien implizit durch die verschiedenen Werte für die Netto-Einspeisung berücksichtigt. Der Speicherstand ist dabei nur der Startwert für die Berechnungen, denn das gespeicherte Gas kann nicht als Gasmenge angenommen werden, die vollständig im deutschen Gasnetz verbleibt. Würde mehr Gas aus deutschen Speichern in andere Länder exportiert und weniger importiert, würde dies letzlich die Netto-Einspeisung reduzieren.
Für die Szenarien legen wir jeweils eine prozentuale Verbrauchsveränderung gegenüber dem Mittel der Jahre 2018 - 2021 zu Grunde:
In unserem Gasszenarien-Dashboard können Sie auch eigene Szenarien berechnen.
Das Ergebnis: Selbst ohne weitere Einsparungen könnten die Speicher in einem durchschnittlichen Winter und bei den hier angenommenen Netto-Einspeisungen fast vollständig wieder gefüllt werden. Die Netto-Einspeisungen im Januar liegen am oberen Ende der hier angenommenen Werte. Wenn sich die Einspeisungen nicht noch deutlich reduzieren oder der Verbrauch über das Durchschnittsniveau von 2018 - 2021 ansteigt, werden sich diese Szenarien weiter verbessern, wie es auch schon im Vergleich zum Januar-Report geschehen ist.
Das Ergebnis: Einsparungen von 10 Prozent führen in allen Szenarien mit einem durchschnittlichen Winter zu vorzeitig gefüllten Gaspeichern. Im Szenario mit einem kalten Februar und März und einer sehr geringen Netto-Einspeisung wären die Speicher zu Beginn des Winters 2023/24 nicht vollständig gefüllt. Die Chance, dass diese Szenarien eintreten, erscheint sehr gering, insbesondere, da die Einspeisungen bisher deutlich oberhalb dieser Werte liegen und die Wettervorhersage für die kommenden Tage kein extrem kaltes Wetter vorhersagt.
Das Ergebnis: Bei 20 Prozent Einsparungen könnten die Gasspeicher – je nach Szenario – schon im Juni vollständig gefüllt sein. Selbst in den kalter-Winter-Szenarien wären die Speicher zu Beginn des kommenden Winters voll.
Zum Vergleich mit der Entwicklung 2022 hier die Speicherstände von Deutschland seit 2012. Der aktuelle Speicherstand ist mit dem von 2012 vergleichbar und damit der dritthöchste Speicherstand in diesem Zeitraum.
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Gas aktuell (mit dem üblichen Meldeverzug von zwei Tagen) in den Ländern der EU, der Ukraine und des Vereinigten Königreichs gespeichert ist und wie weit die Speicher damit gefüllt werden. Die Speicher in der Ukraine dürften aufgrund des Krieges ein Sonderfall sein.
In den sechs Ländern mit der größten Speicherkapazität sinken die Speicherstände aktuell überall. Grundsätzlich ist dies das für diese Jahreszeit übliche Bild.
Die Speicherstände der Gasspeicher entstammen dem Aggregated Gas Storage Inventory. Die Daten werden zwei Tage verzögert publiziert. Der aktuelle Wert ist also der Speicherstand für Vorgestern, bezogen auf das Erscheinungsdatum. Nicht alle Speicher melden an allen Tagen Daten. Nicht gemeldete Daten werden von Gas Infrastructure Europe (GIE) geschätzt und bei späteren Updates auf die gemeldeten Daten korrigiert. Dies kann insbesondere dazu führen, dass sich der aktuelle Trend der letzten Tage auch umdrehen kann. Insbesondere bei Trendwenden ist es deshalb ratsam, ein paar Tage abzuwarten, ob diese noch korrigiert werden. Auch eine Plausibilisierung mit anderen Informationsquellen ist empfehlenswert.
Insbesondere nach Wochenenden kann es auch zu fehlenden Werten führen, was insbesondere an den spontan sinkenden Speicherkapazitäten ersichtlich ist. Vereinzelt existieren Füllstände, die etwas höher liegen als die angegebene Kapazität, wie zum Beispiel aktuell in Portugal.
Die Verbrauchsdaten werden von der Bundesnetzagentur bereitgestellt. Die Werte können sich zum Teil auch mit mehreren Wochen Verzögerung noch deutlich ändern.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
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