Gasspeicher-Report (01.09.2022)
Dieser monatliche Report des Science Media Centers (SMC) fasst die aktuelle Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und Europa zusammen. In verschiedenen Szenarien auf der Basis historischer und aktueller Füllmengen zeigen wir dabei auf einen Blick, ob die Betreiber derzeit auf dem Weg sind, die gesetzlichen Vorgaben für die Füllstände am 1. Oktober (85 Prozent) und 1. November (95 Prozent) zu erreichen.
Im Gasspeicher Report finden Sie wichtige Kennzahlen zur Füllung der Gasspeicher in Deutschland und Europa. Außerdem bietet er rasche Orientierung darüber, ob die vorgegebenen Ziele der Bundesregierung nach aktueller Entwicklung erreicht werden können, sowie eine kurze Einordnung der Zahlen und ihrer Entwicklung – auch vor dem Hintergrund, dass die Gasspeicher in Deutschland im Zweifelsfall für die Gasversorgung in ganz Europa wichtig sind. So können Sie mit einem Blick möglichst schnell erfassen, welche Gas-Versorgungslage im kommenden Winter zu erwarten ist.
In allen Grafiken können Sie sich die Prozentwerte der Kurven zu jedem Tag anzeigen lassen, wenn Sie mit der Maus über der entsprechenden Linie hovern.
Während Mitte August zeitweilig 0,61 Prozentpunkte pro Tag in Deutschland eingespeichert wurden, liegt der Wert aktuell bei knapp unter 0,5 Prozentpunkten. Das liegt auch daran, dass viele Speicher bereits weit gefüllt sind. Es ist zu erwarten, dass sich die täglich eingespeicherte Menge an Gas im Laufe des Septembers weiter verringert, da viele Speicher bereits einen hohen Speicherstand erreicht haben.
Der Verlauf der Wachstumskurve in Österreich ist vergleichbar, allerdings ist hier der Speicherstand noch deutlich niedriger.
Mit den gefüllten Speichern steht Deutschland deutlich besser da, als zu Beginn des Ukrainekrieges befürchtet. Im Winter wird in der Regel der zusätzliche Gasbedarf überwiegend nicht durch zusätzliche Importe, sondern durch das Gas in den Gasspeichern gedeckt. Dieses Gas ist für diesen Winter offenbar erst einmal vorhanden.
Der Wechsel zwischen niedrigen Verbräuchen im Sommer mit Einspeicherungen und hohen Verbräuchen im Winter mit Ausspeicherungen sieht man auch, wenn man beide Verläufe in einer Grafik darstellt. Die Differenz ist zwar nicht konstant und in den Wintermonaten größer, im Vergleich zu den Unterschieden beim Verbrauch sind die Schwankungen allerdings gering. Sollte allerdings die Importmenge im Winter sinken, kommt es darauf an, auch den Verbrauch zu senken. Der Verbrauch und Speicherdaten entsprechen dem 10-jährigen Mittel.
Wie die Szenarien der Bundesnetzagentur verdeutlicht haben, hängt eine Vorhersage der Entwicklung der Speicherstände von vielen Ereignissen ab, die zum Teil unvorhersehbar sind – wie zum Beispiel der Höhe der Gaslieferung aus Russland. Die folgende Grafik zeigt Szenarien für die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland nach dem aktuellen Lieferstopp von Gas aus Russland. Am 31.August hat Gazprom den Gasfluss durch Nord Stream 1 erneut gestoppt, die Unterbrechung soll drei Tage dauern. Noch ist unklar, ob und in welchem Umfang danach wieder Gas durch die Pipeline fließt. Die Grafik zeigt drei Szenarien für den Verlauf der Speicherstände bis zum 01. November. Danach ist davon auszugehen, dass aufgrund des hohen Bedarfs kein Gas mehr eingespeichert wird. Ein Szenario schreibt das aktuelle Wachstum einfach fort. Die beiden anderen Szenarien berücksichtigen ein dauerhaftes Abschalten von Nord Stream 1, das dritte zusätzlich einen erhöhten Gasverbrauch ab September. Diese Szenarien sind keine genauen Prognosen! Sie bilden unter vereinfachten Annahmen mögliche Entwicklungen ab. Viele weitere Faktoren bestimmen ebenfalls den Verlauf der Speicherstände. So hat Frankreich beispielsweise angekündigt, ab Herbst LNG-Gas angekündigt über seine Terminals anzunehmen und nach Deutschland weiterzuleiten. Das könnte den zu erwartenden höheren Verbrauch im Herbst zumindest in Teilen ausgleichen, so dass die Speicher nicht so schnell angetastet werden müssen. Die Szenarien zeigen: Mit dem aktuellen Tempo erreichen die deutschen Gasspeicher früher als geplant einen Füllstand von 95 Prozent. Durch die geplante Abschaltung von Nord Stream 1 kann sich das verzögern. Bliebe Nord Stream 1 dauerhaft außer Betrieb, kann das 95 Prozent Ziel rein rechnerisch unter aktuellen Bedingungen noch Mitte Oktober erreicht werden. Da aber schon im September der Gasverbrauch wieder steigen kann, wäre das Erreichen nicht gesichert. Stiege der Verbrauch um 10 TWh pro Monat, wäre das Ziel nicht mehr erreichbar.
Durchgezogene schwarze Linie: Das Wachstum der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verfügbaren vergangenen sieben Tage wird einfach fortgeschrieben.
Ergebnis: Im Vergleich zum Zeitpunkt des letzen Reports hat sich die Geschwindigkeit des Zuwachses wieder etwas beschleunigt. Mit dem aktuellen Wachstum wären die Gasspeicher nun bereits um den 24.September zu 95 Prozent gefüllt.
Gestrichelte Linie: Das Wachstum der vergangenen verfügbaren sieben Tage wird um 480 GWh reduziert und dieser Wert wird fortgeschrieben. Der Wert von 480 GWh entspricht dem täglichen Fluss durch Nord Stream 1 vor der Abschaltung am 31.August. Die Menge setzt sich aus dem direkten Import durch Nord Stream 1 und dem von der Ostseepipeline weitergeleiteten Gas, das in Waidhaus ankommt, zusammen.
Ergebnis: Das 95-Prozent-Ziel wird ebenfalls vorzeitig erreicht. Ein Speicherfüllstand von 95 Prozent könnte bereits um den 13. Oktober erreicht werden.
Gepunktete Linie: Das Wachstum der vergangenen verfügbaren sieben Tage wird um 810 GWh reduziert und dieser Wert fortgeschrieben. In den 810 GWh ist der Wegfall von russischem Gas (480 GWh) und eine Verbrauchssteigerung von 330 GWh pro Tag (10 TWh pro Monat) berücksichtigt.
Ergebnis: Der Speicherstand beträgt in diesem Szenario am 01.November knapp 92 Prozent. Das 95-Prozent-Ziel würde damit um wenige Prozentpunkte verfehlt.
Im folgende Grafik zeigt einzelne Speicher in Deutschland und Österreich mit niedrigem Speicherstand. Für die Zeitpunkte rechts der senkrechten Linie wurde der aktuelle Trend fortgeschrieben.
Die deutschen Speicher sind fast alle auf einem Kurs, mit dem sie das 95-Prozent-Ziel erreichen können. Nur Etzel ESE (MET) gibt aktuell Gas ab, dieser Speicher ist allerdings eher klein (0,6 Prozent Anteil an der Gesamtspeicherkapazität).
Die beiden österreichischen Speicher mit niedrigem Speicherstand (7 Fields und Haidach) sind aktuell nicht auf einem Kurs, mit dem auch nur 90 Prozent Füllstand erreichbar sind. Aber auch hier wachsen die Gasreserven jetzt stetig.
Das Volumen des Gasspeichers Haidach ist dabei wie das anderer Gasspeicher zwischen verschiedenen Firmen aufgeteilt. Die Anteile werden Scheiben genannt. Am 01.August wurde der Speicheranteil der Gazprom-Tochter GSA in Haidach von der Regulierungsbehörde E-Control übernommen. Dieser Speicheranteil ist nun teilweise dem RAG Storage Pool und dem astora-Anteil des Haidach-Speichers zugeordnet.
Die Grafik weist die Speicherstände der beiden Scheiben des Speichers Haidach, RAG und Haidach (astora), einzeln aus. Die Einschnitte der Speicherverläufe von RAG und Haidach (astora) sind auf eine Erhöhung der Kapazität dieser Speicher zurückzuführen.
Bei dieser Grafik können Sie einzelne Kurven ein- und ausblenden, indem Sie auf die farbige Linie in der Legende klicken. Durch Doppelklick kann eine Kurve einzeln angezeigt werden.
Hier zum Vergleich mit der Entwicklung 2022 die Speicherstände von Deutschland in den vergangenen zehn Jahren. Aktuell sind die Speicher in Deutschland zu fast 84 Prozent gefüllt. Der Füllstand um diese Jahreszeit lag in der Vergangenheit auf sehr unterschiedlichem Niveau, abhängig davon wie tief die Speicherstände im Winter gefallen sind. Im Vergleich zu den Jahren mit tiefem Speicherstand (2013, 2015, 2017, 2018 und 2021) sind die Speicher aktuell sehr gut gefüllt, in keinem anderen dieser Jahre hatten die Speicher bereits diesen Stand erreicht. Das ist eine gute Entwicklung, ob es so weitergeht, werden die kommenden Monate zeigen.
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Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Ländern der EU, in der Ukraine und im Vereinigten Königreich füllen sich die Speicher, oder sind bereits gefüllt. Von der Reduktion des Gasflusses durch Gazprom ist im Prinzip auch die Weitergabe von Gas in andere europäische Länder betroffen. Allerdings konnten Flüssiggas-Transporte die reduzierten Lieferungen aus Russland offenbar mindestens zum Teil kompensieren. Die folgende Grafik zeigt, wie viel Gas in den Ländern Europas gespeichert ist und wie weit die Speicher damit gefüllt werden. Zwar sind in vielen Ländern die Speicher schon sehr weit gefüllt, doch einige Länder wie Österreich, Ungarn, Lettland oder Bulgarien liegen – bezogen auf den Füllstand ihrer Speicher – noch weit zurück. Die Speicher in der Ukraine dürften aufgrund des Krieges ein Sonderfall sein. Die Kapazität und die Füllstände können Sie sich wiederum anzeigen lassen, indem sie über den entsprechenden Balken hovern.
Die Speicherstände der Gasspeicher entstammen dem Aggregated Gas Storage Inventory. Die Daten werden zwei Tage verzögert publiziert. Der aktuellste Wert ist also der Speicherstand für Vorgestern. Nicht alle Speicher melden an allen Tagen Daten. Nicht gemeldete Daten werden von Gas Infrastructure Europe (GIE) geschätzt und bei späteren Updates auf die gemeldeten Daten korrigiert. Dies kann insbesondere dazu führen, dass sich der aktuelle Trend der letzten Tage auch umdrehen kann. Insbesondere bei Trendwenden ist es deshalb ratsam ein paar Tage abzuwarten, ob diese noch korrigiert werden. Auch eine Plausibilisierung mit anderen Informationsquellen ist empfehlenswert.
Insbesondere nach Wochenenden kann es auch zu fehlenden Werten führen, was insbesondere an den spontan sinkenden Speicherkapazitäten ersichtlich ist. Vereinzelt existieren Füllstände, die etwas höher liegen als die angegebene Kapazität, wie zum Beispiel aktuell in Portugal.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
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