Ermüdung von Lithium-Metall-Anoden in Festkörperbatterien
Studie untersucht Ermüdung von Lithium-Metall-Anoden als eine der Ursachen für eine kürzere Lebensdauer von bestimmten Festkörperbatterien
Festkörperbatterien könnten zukünftig Reichweite und Sicherheit von Elektroautos erhöhen
Experten: Studie verbessert Kenntnisstand zur Ermüdung der Lithium-Metall-Anode, es gibt auch alternative Anoden für Festkörperbatterien, aber auch darüber hinausgehende Herausforderungen
Festkörperbatterien – die im Gegensatz zu den herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien keine flüssigen, sondern feste Elektrolyte nutzen – könnten Elektroautos zukünftig zu einer höheren Reichweite und zu mehr Sicherheit verhelfen. Es bestehen allerdings noch Herausforderungen mit der Lebensdauer. Ein chinesisches Forschungsteam hat nun einen bestimmten Mechanismus untersucht, der zu einer kürzeren Lebensdauer von Festkörperbatterien mit Lithium-Metall-Anoden führen kann. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science“ erschienen (siehe Primärquelle).
Geschäftsführender Direktor des Physikalisch-Chemischen Instituts und des Zentrums für Materialforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen, und Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters für Festkörperbatterien
Entwicklung von Festkörperbatterie-Zellkonzepten
„Unter dem Begriff ‚Festkörperbatterien‘ werden heute weltweit eine ganze Reihe verschiedener Batteriezellkonzepte zusammengefasst, sodass es nicht eine einzige Art von Festkörperbatterie gibt. Grundsätzliche erhoffen sich Industrie und Forschungseinrichtungen Vorteile bezüglich der Energiedichte – zum Beispiel eben durch die Nutzung der Lithium-Metall-Anode, aber möglicherweise auch durch die Nutzung reiner Silizium-Anoden –, der Sicherheit durch den Verzicht auf brennbare flüssige Elektrolyte – oder aber auch einer höheren Leistungsdichte durch die speziellen Eigenschaften von festen Elektrolyten. Damit stellen Festkörperbatterien heute eine der weltweit sehr intensiv erforschten Entwicklungsrichtungen für zukünftigen Zellkonzepte dar – mit durchaus einer ganzen Reihe von verschiedenen Zellkonzepten bezüglich des inneren Aufbaus der Zellen und der verwendeten Materialien. Eine zuverlässig funktionierende Lithium-Metall-Anode wird als ein wichtiger Schritt betrachtet, der besonders die Energiedichte deutlich erhöhen könnte. Daher gibt es derzeit sehr viele Forschungsarbeiten zu diesem Thema.“
Einordnung der Studie
„Grundsätzlich gilt es, Dendriten – und auch die oft vorangehende Porenbildung – zu vermeiden, da diese zu ungewollten Kurzschlüssen führen können. Hierzu gibt es bereits zahlreiche Forschungsarbeiten und Ergebnisse. Der Wert der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass die Autoren einen bisher wenig untersuchten Mechanismus der Kopplung von mechanischer Verformung und elektrochemischen Eigenschaften untersuchen und hierzu sehr schöne Ergebnisse zeigen. Die Arbeit reiht sich ein in viele Untersuchungen zu den Eigenschaften der Lithium-Metall-Anode. Sie ist nicht als ‚sensationell‘ zu betrachten, sondern eher als eine sehr solide wissenschaftliche Arbeit mit wichtigen Ergebnissen zu den tiefgehenden Details der Lithium-Metall-Anode. Sie wird sicher weitere Arbeiten anregen und zum Verständnis der Lithium-Metall-Anode beitragen. Sie bedeutet aber keinesfalls das ‚Ende der Lithium-Metall-Anode‘.“
Auf die Frage, welchen Mehrwert die Erkenntnisse der Studie für die weitere Entwicklung von Festkörperbatterien liefern:
„Wichtige Anregungen für weitere Forschungsarbeiten. Die Veröffentlichung betont die Rolle der Kopplung mechanischer Phänomene und elektrochemischer Eigenschaften. Das ist ein spannendes Forschungsgebiet mit großer Bedeutung für Festkörperbatterien insgesamt.“
Hürden bei der Entwicklung von Festkörperbatterien
„Da es nicht die eine Festkörperbatterie gibt, gibt es für jede Art von Festkörperbatterie verschiedene und verschieden hohe Hürden. Für Batterien mit einer Lithium-Metall-Anode stellen die Sicherstellung der zuverlässigen Funktion über lange Zeiträume, ausreichende Lade- und Entladegeschwindigkeiten, ausreichende Sicherheit und geringe Kosten sicher die wichtigsten Punkte dar. Da es Alternativen für Lithium-Metall geben kann – zum Beispiel Silizium oder spezielle Kohlenstoff-Elektroden – geht es um eben die speziellen Hürden für die Lithium-Metall-Anode, hier im Kontakt mit einem speziellen Elektrolyten.“
„Alles in allem eine sehr schöne und auf den ersten, schnellen Blick sorgfältige wissenschaftliche Arbeit ohne den Anspruch auf Sensation.“
Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
Entwicklung von Festkörperbatterie-Zellkonzepten
„Festkörperbatterien kommen fast oder ganz ohne flüssige Komponenten aus. Im Gegensatz zu konventionellen Lithium-Ionen-Batterien, die einen flüssigen, brennbaren Elektrolyten verwenden, versprechen sie deshalb einen noch sichereren Betrieb. Häufig wird auch eine höhere Energiedichte genannt, die allerdings nur erreicht werden kann, wenn neben dem flüssigen Elektrolyten auch die negative Elektrode, die bei konventionellen Lithium-Ionen-Batterien fast immer aus Graphit besteht, gleichzeitig durch Lithium-Metall ersetzt wird.“
„Bisher sind Festkörperbatterien immer noch im Entwicklungsstadium, es kann deshalb im Moment noch nicht abschließend bewertet werden, ob die in Festkörperbatterien gesteckten Hoffnungen erfüllt werden oder nicht. Ein Nachteil ist die begrenzte Lebensdauer, da die Volumenänderungen in den elektrochemischen Aktivmaterialien beim Laden und Entladen in einem festen Zellkonzept zu kritischen mechanischen Spannungszuständen führen, die relativ schnell zu Kontaktverlusten und damit zur Abnahme der Speicherkapazität führen. Um den Kontaktverlusten entgegenzuwirken, wird für den Betrieb ein gewisser mechanischer Druck benötigt, was für die Integration in Anwendungen durchaus problematisch sein kann, vor allem, wenn der benötigte Druck sehr hoch ist.“
„Dies kann man ganz allgemein zu Festkörperbatterien so sagen. Weitere Details zu den noch bestehenden Nachteilen hängen sehr stark davon ab, welche konkrete Realisierung von ‚Festkörperbatterien‘ man betrachtet. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich, zum Beispiel durch die Materialklasse, die als Festelektrolyt verwendet wird.“
Einordnung der Studie
„Die Studie untersucht nur einen kleinen Teil einer Festkörperbatterie: die metallische Anode und hier auch überwiegend nur den Grenzbereich zum Festelektrolyten. Der im Titel suggerierte Anspruch, ‚Ermüdung in Festkörperbatterien‘ dadurch besser zu verstehen, wird so nicht erfüllt. Zwar liefern die beschriebenen Veränderungen einen wesentlichen Beitrag zur sehr begrenzten Lebensdauer und über Dendritenbildung auch zu den Sicherheitsrisiken, sie machen aber doch nur einen kleinen Teil der gesamten Batteriezelle aus, die noch viele weitere Herausforderungen aufweist.“
„Zu dem Teilaspekt der Versagensmechanismen durch die permanente Abscheidung und Auflösung von Lithium-Metall auf der negativen Elektrodenseite liefert die Studie wertvolle und neue Erkenntnisse. So sind die ausgewählten graphischen Darstellungen sehr geeignet, die Verhältnisse auf der negativen Elektrodenseite zu illustrieren. Auch erlauben die beschriebenen Untersuchungen eine über das etablierte Maß hinausgehende Korrelation zwischen mikrostrukturellen Veränderungen der Lithium-Metall-Anode und den elektrochemischen Betriebsbedingungen.“
„Dendritenbildung ist einer der wichtigsten Versagensmechanismen in Festkörperbatterien mit metallischen negativen Elektroden. Resultierende Kurzschlüsse sind auch eine der größten Sicherheitsrisiken. Insofern adressiert diese Publikation hoch relevante Beiträge zur Ermüdung und dem Versagen von Batterien. Allerdings wird dieser Aspekt gar nicht in seiner ganzen Komplexität behandelt, sondern nur auf die Betrachtung der Lithium-Metall-Anode beschränkt.“
„Ein besseres Verständnis der einzelnen Prozessschritte, die zur Degradation von Batterien führen, eröffnet auch gezielte Optimierungsstrategien, um diesen entgegenzuwirken. Die vorgelegte Studie zeigt eine sehr geeignete Methodik auf, mit der die mikrostrukturellen Veränderungen nicht nur erfasst, sondern auch quantitativ mit dem elektrochemischen Zyklieren korreliert werden können. Es muss allerdings in weiteren Untersuchungen erst noch bestätigt werden, dass sich diese Erkenntnisse auf Vollzellen mit realen positiven Elektroden übertragen lassen und dass sich auch tatsächlich Optimierungsstrategien ableiten lassen.“
„Insofern ist diese Studie ein solider Beitrag zum besseren Verständnis von Lithium-Metall-Anoden. Revolutionäre Erkenntnisse, die einen Paradigmenwechsel anstoßen würden, liefert diese Studie nicht. Viel mehr sind die meisten Ergebnisse in einer ähnlichen Form durch andere Methoden bereits literaturbekannt. Eine solide Arbeit, deren Gesamteidruck aber durch den übertriebenen Anspruch im Hinblick auf das Ermüdungsverhaltens einer (kompletten) Festkörperbatterie etwas getrübt wird.“
Hürden bei der Entwicklung von Festkörperbatterien
„Es sind noch immer große Hürden zu überwinden, um konzeptionell gleichzeitig die Energiedichte gegenüber konventionellen Lithium-Ionen-Batterien zu steigern und die Lebensdauer bei gleichzeitig sicherem Betrieb zu verbessern. Auch muss das Schnellladeverhalten noch weiter verbessert werden. Erst wenn diese Randbedingungen erfüllt sind, werden sich die Herausforderungen einer umfassenden Nachhaltigkeitsbetrachtung und einer kostengünstigen Produktion stellen. Im Gegensatz zu zahlreichen Presseinformationen potenzieller Hersteller von Festkörperbatterien wird dies noch einige Jahre benötigen, bis eventuell eine Markteinführung in signifikantem Maße erfolgen wird. Dabei ist noch lange nicht entschieden, ob dies auch gelingen wird. Es ist nach wie vor eine Technologie in Entwicklung, die durchaus Verbesserungen verspricht, die aber noch nicht eingelöst sind.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Als Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters FestBatt (Festkörperbatterien) ist es Teil meiner Aufgaben, möglichst neutral und objektiv Forschungsentwicklungen auf diesem Gebiet zu bewerten.“
„Interessenkonflikte kann ich bei mir nicht erkennen.“
Primärquelle
Huang Y et al. (2025): Fatigue of Li metal anode in solid-state batteries. Science. DOI: 10.1126/science.adq6807.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Dorrmann L et al. (2021): Kompendium: Li-Ionen-Batterien Grundlagen, Merkmale, Gesetze und Normen. VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.
[II] Max-Planck-Gesellschaft (24.03.2023): Metallbäume in der Batterie. Pressemitteilung.
Prof. Dr. Jürgen Janek
Geschäftsführender Direktor des Physikalisch-Chemischen Instituts und des Zentrums für Materialforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen, und Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters für Festkörperbatterien
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Als Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters FestBatt (Festkörperbatterien) ist es Teil meiner Aufgaben, möglichst neutral und objektiv Forschungsentwicklungen auf diesem Gebiet zu bewerten.“
Prof. Dr. Helmut Ehrenberg
Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte kann ich bei mir nicht erkennen.“