Droht im Winter wieder eine Gasknappheit?
2025 dürften Erdgasspeicher nur zweitniedrigsten Füllstand seit 2010 erreichen
Bundeswirtschaftsministerium, Bundesnetzagentur oder Gashändler sehen Versorgungslage dennoch unkritisch
Forschende: Versorgungslage ist derzeit stabil, internationale Krisen könnten das jedoch ändern und sollten beobachtet werden
Die Gasspeicher in Deutschland könnten zu Beginn des Winters deutlich leerer sein als in den beiden zurückliegenden Jahren. Der aktuelle Füllstand liegt sogar unter dem zu Beginn des Jahres – das kam seit 2011 nur zweimal vor: 2020 (auf einem viel höheren Niveau) und 2021 vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Speicher werden zwar seit dem Ende der Heizperiode im März konstant befüllt, aber insbesondere im Sommer langsamer als in den Jahren, in denen die Gasspeicher am Ende der Heizperiode vergleichbar oder sogar tiefer geleert waren als 2025. Nur 2021, kurz vor dem Ukrainekrieg waren die Gasspeicher Anfang Oktober leerer als dieses Jahr.
Stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
„Ich schaue mir immer im September die Speicher-Füllstände in Europa näher an und mir war dabei auch der deutlich niedrigere Füllstand im Vergleich zu den vergangenen Jahren in Deutschland aufgefallen. Allerdings scheint es mir vor allem ein deutsches Phänomen zu sein; von den anderen nennenswerten Gasverbrauchern haben nur die Niederlande und vielleicht noch Ungarn und die Slowakei ein ähnliches, vergleichsweise niedriges Speicherfüllstandsniveau. In jedem dieser Fälle kann man individuelle, landesspezifische Gründe identifizieren.“
Versorgungslage aktuell unkritisch
„Ich halte Speicherfüllstände von 70 bis 80 Prozent Anfang Oktober erstmal nicht für beunruhigend, da wir in Europa – und auch in Deutschland – einen Großteil unserer Nachfrage jederzeit und auch im Winter aus Importen aus verschiedenen Quellen bedienen und nur zum Teil aus den Speichern. Bei den Importen, insbesondere aus Norwegen und in Form von Flüssigerdgas (LNG), kann ich für die nächsten Monate keine Einschränkungen absehen, die die Erdgasversorgung gefährden würden.“
„Die in diesem Sommer erfolgte Flexibilisierung der europäischen und deutschen Vorgaben für die Mindestbefüllung der Erdgasspeicher im Herbst trägt dieser sicheren Versorgung mit Importen Rechnung. Diese Flexibilisierung, die eine Unterschreitung des Mindestfüllstandes in einzelnen Fällen erlaubt, sowie die bisherigen Signale der neuen Wirtschaftsministerin lassen mich vermuten, dass es nicht zu einem massiven Einkauf von Erdgas durch die Trading Hub Europe (THE, gemeinsames Unternehmen der elf Transportnetzbetreiber, sorgt dafür, dass Gashandel und Gasfluss übereinstimmen; Anm. d. Red.) für die bisher gering befüllten Speicher kommen wird – anders als 2022. Die Unsicherheit über das Verhalten von THE hat aber zu der abwartenden Befüllung in einzelnen Speichern geführt, die zudem durch die niedrigen Winterpreise an den Großhandelsmärkten keinen Anreiz erhalten hatte.“
Reichweite des aktuell gespeicherten Erdgas‘
„Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr umfangreiche Speicheranlagen mit Kapazitäten, die mehr als 25 Prozent des Jahresverbrauchs von circa 900 Terawattstunden (TWh) entsprechen. Der aktuelle Speicherfüllstand von circa 76 Prozent (191 TWh) beträgt also mehr als 20 Prozent des Jahresverbrauchs. Eine relevantere Größe ist natürlich der Winterverbrauch, der circa 125 TWh pro Monat beträgt. Es könnte also mit der aktuell eingespeicherten Menge Erdgas mehr als ein ganzer Monat nur aus den Speichern versorgt werden. Insgesamt ist der deutsche Erdgasverbrauch in den letzten Jahren recht stabil geblieben; ein eindeutiger Rückgang ist weder bei den Haushalten noch in der Industrie erkennbar.“
„Erdgassparen und der Umstieg auf erneuerbare Energien wären angesichts der Klimabelastung durch Erdgas und der steigenden CO2-Preise für Erdgas beim Heizen für alle Verbraucher angeraten. Die Sicherheit der Erdgasversorgung gibt dazu aber aktuell keine Anreize.“
Leiter der Abteilung Integrierte Infrastruktur am Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse (ICE-2), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
„Die Gasversorgungssituation in Europa und Deutschland kann trotz geringerer Speicherfüllstände in Deutschland derzeit als stabil angesehen werden.“
„Dies ist durch folgende Umstände und Effekte begründet: Die neuen LNG-Terminals in Deutschland ermöglichen eine stabile Versorgung mit LNG auf hohem Niveau von 350 bis 450 Gigawattstunden (GWh) pro Tag im Jahr 2025. Dies geht einher mit stabilen, hohen Pipeline-Importen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Die Mittelwerte dafür liegen im Jahr 2025 für Norwegen bei 1100 GWh pro Tag, für die Niederlande bei 650 GWh pro Tag und für Belgien bei 610 GWh pro Tag. Weiterhin ist über den Winter mit einer reduzierten Nachfrage in Industrie und Haushalten im Vergleich zu den Jahren 2018 bis 2021 zu rechnen [1].“
„Die Gasspeicher in Europa sind im Schnitt Anfang Oktober 2025 zu knapp 83 Prozent gefüllt [2]. Deutschlands gemittelte Speicherfüllstände liegen mit circa 76 Prozent unter dem EU-Durchschnitt und deutlich unter den Füllständen der vergangenen beiden Jahre. Die niedrigeren Speicherfüllstände sind einerseits durch die Absenkung der gesetzlichen Vorgaben für die Speicherfüllstände von Kavernen- und Porenspeichern in Deutschland und der EU zu erklären. Zum anderen sind derzeit die Arbitrage-Effekte zwischen Sommer und Winter gering ausgeprägt, wodurch es geringere wirtschaftliche Anreize zur frühen Befüllung der Speicher gab. Im Jahr 2025 lagen die Day-Ahead-Gaspreise über das ganze Jahr hinweg stabil zwischen 45 Euro pro Megawattstunde (MWh) und etwa 35 Euro pro MWh. Derzeit wird versucht, eine Balance zwischen wirtschaftlicher Befüllung und Versorgungssicherheit herzustellen.“
„Die derzeit stabile Gasversorgungssituation kann jedoch durch eine weitere Verschärfung der Sicherheitslage in LNG-exportierenden Ländern negativ beeinflusst werden. Treten mehrere Effekte zusammen auf, beispielsweise ein sehr kalter Winter gepaart mit einer belebten konjunkturellen Lage, kann dies die derzeit schwache Nachfrage deutlich erhöhen. Die Kombination dieser Effekte gilt es, in den kommenden Monaten zu beobachten.“
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt bei diesem Thema.“
„Ich bestätige, dass keine Interessenkonflikte bestehen.“
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center: Gasspeicher-Dashboard. Stand: 07.10.2025.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Bundesnetzagentur (2025): Aktuelle Lage Gasversorgung. Stand: 07.10.2025.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2025): Verordnung zur Anpassung der Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (Gasspeicherfüllstandsverordnung – GasSpFüllstV).
[II] Energiewirtschaftsgesetz EnWG (2025) Teil 3a – Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen und Gewährleistung der Versorgungssicherheit.
[III] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2025): Abschaffung der Gasspeicherumlage. Fragen fünf und sechs. Stand: 06.10.2025.
[IV] Trading Hub Europe THE (19.05.2025). Gasspeicherumlage ab Juli 2025 bei 2,98 EUR/MWh. Pressemitteilung.
Prof. Dr. Franziska Holz
Stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich sehe keinen Interessenkonflikt bei diesem Thema.“
Prof. Dr. Jochen Linßen
Leiter der Abteilung Integrierte Infrastruktur am Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse (ICE-2), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bestätige, dass keine Interessenkonflikte bestehen.“