Das erneuerbare Energiesystem – Entwicklung und Ausblick
Um das fossile Zeitalter zu beenden, steht eine Transformation der Energieerzeugung an. Die Energiewende in Deutschland bedeutet vor allem eine Revolution der Stromversorgung: Sie setzt auf Windräder und Solarzellen, richtet sich damit vermehrt nach dem Wetter. Kann das zu allen Jahreszeiten gelingen? In diesem Report finden Sie eine Auswertung der wetterabhängigen Stromerzeugung aller Onshore- und Offshore-Windenergie- und Solaranlagen in Deutschland sowie eine kurze Einordnung dieser Zahlen für das zurückliegende Quartal. Eine Simulation beschreibt, wie die erwartete Stromerzeugung des Jahres 2030 im Winterquartal erfolgen würde, wenn sich das beobachtete Wetter genauso wiederholte. Damit wird deutlich, welche Herausforderungen beim Aus- und Umbau des gesamten Stromsystems zu bewältigen sind. Der Energiewende-Report wird künftig in loser Folge einmal pro Quartal erscheinen, voraussichtlich kurz nachdem die nächste Jahreszeit begonnen hat. Jeder Report soll neben einer Auswertung der Stromerzeugung auch ein ausgewähltes Thema der Energiewende anhand relevanter Daten beleuchten. Das SMC will so zu einer sachorientierten Berichterstattung beitragen.
Die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Windkraftanlagen sind komplex. Die meisten Windanlagen an Land erhalten nur dann eine Förderung durch das EEG, wenn sie an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilgenommen haben. Anschließend müssen sie in einem Zeitraum von 24 bis 30 Monaten in Betrieb gehen. Die im zurückliegenden Jahr angeschlossenen Anlagen benötigten nach Beobachtung der Deutschen WindGuard im Schnitt 22 Monate bis zu Realisierung.
Die Ausbaugeschwindigkeit für 2023 und 2024 wurde so mit den Ausschreibungsrunden der zurückliegenden Jahre grob festgelegt. Für 2023 kann mit einer Leistung von 2,7 bis 3,2 GW gerechnet werden. 2024 dürfte aufgrund der Ausschreibungsergebnisse und der Realisierungszeit die Zubaurate geringfügig höher liegen. Somit wäre Ende 2024 mit einer installierten Leistung um die 65 Gigawatt (GW) zu rechnen. Um in den darauffolgenden Jahren das im EEG vorgesehen Ziel von 115 GW Windenergie an Land (Onshore) zu erreichen, muss die in den Ausschreibungen angebotene Leistungsmenge ab diesem Jahr stark erhöht werden. Die Bundesnetzagentur plant daher, in diesem Jahr ihr Angebot von rund 4 auf 12,8 GW zu verdreifachen.
Das Ausbauziel wird voraussichtlich nur erreicht, wenn die in den Ausschreibungen angebotene Leistung möglichst vollständig bezuschlagt werden kann. Das war in der Vergangenheit sehr oft nicht der Fall, auch die erste Ausschreibungsrunde für Windenergie an Land in diesem Jahr konnte nur knapp die Hälfte der angebotenen Leistungsmenge von 3,2 GW loswerden. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird sich die Ausbaugeschwindigkeit in den kommenden Jahren zwar deutlich erhöhen, aber das Ausbauziel würde 2030 nicht erreicht. Windanlagenbetreiber können jedoch ihre Anlagen prinzipiell allerdings auch ohne Förderung betreiben, sowie sie eine Genehmigung haben, wenn sie die Finanzierung der Anlagen auf andere Weise sicherstellen können.
Inzwischen wurde auch die erste Ausschreibung für Offshore-Windanlagen eröffnet, ihre Ergebnisse sind für Juli zu erwarten.
Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben im Winter zwei Prozesse für eine Strommarkt-Reform in Gang gebracht. In Deutschland könnte eine Strommarkt-Reform die beiden Systeme für die Stromerzeugung - Erneuerbare und konventionelle Kraftwerke - zusammenführen.
Erneuerbare haben zwischen dem 22. Dezember und dem 21. März die folgenden Mengen Strom erzeugt:
Der Anteil an der Netzlast dient hier nur zur Einordnung der Erzeugungswerte und entspricht nicht genau dem Anteil am Stromverbrauch in Deutschland, da hier die Import-Export-Bilanz nicht berücksichtigt wird und die Netzlast lediglich den Strombezug aller Verbraucher, die an das Stromnetz angeschlossen sind bezeichnet. Nicht enthalten sind Eigenstromerzeugung von Industrieanlagen, Netzverluste oder der Eigenstrombedarf zum Beispiel von Kraftwerken.
Wir konzentrieren die Auswertung der Stromerzeugungsdaten für Erneuerbare Energien im Folgenden auf Wind- und Solarstrom-Anlagen. Deren Potenzial ist im Vergleich zu anderen Erneuerbaren, wie Biomasse-Anlagen, Wasserkraftwerken oder Geothermie-Anlagen, deutlich größer. Deshalb hat die Bundesregierung im EEG und im Wind-auf-See-Gesetz (WindseeG) sehr hohe Ausbauziele für diese Anlagen vorgesehen.
Allerdings ist das Wind- und Sonnenschein-Dargebot, was über die tatsächliche Stromerzeugung dieser Anlagen entscheidet, deutlich variabler als das Wasser- oder Biomassedargebot.
Die installierte Leistung von Wind- und PV-Anlagen vergrößert sich jedes Jahr. Prinzipiell vergrößert sich damit auch die von diesen erzeugte Strommenge. Um jedoch einzuschätzen, ob es sich bei der tatsächlich erzeugten Strommenge um eine gute oder schlechte Ausbeute handelt, ist es nötig, eine Kenngröße zu verwenden, die möglichst unabhängig vom Zubau von Wind- und PV-Anlagen ist. Wir nutzen dafür die Auslastung. Der Wert in Prozent gibt an, wie viel Strom bezogen auf die installierte Leistung die erneuerbaren Anlagen tatsächlich erzeugt haben.
Die Auslastung von Onshore-Wind schwankt mit der Jahreszeit. Sie steigt im Herbst und Winter weit über den Jahresdurchschnitt an, fällt im Frühjahr und Sommer zum Teil deutlich ab. Insgesamt ist die Windstromerzeugung von hohen Spitzen und tiefen Tälern geprägt.
Wie die Grafik zeigt, verändert sich auch die Auslastung durch den regelmäßigen Zubau neuer Wind- und PV-Anlagen: Die neuen Windanlagen sind effizienter. Vor allem neue Onshore-Windräder nutzen schwächeren Wind besser aus als Alte, daher steigt die Auslastung der Windräder mit den Jahren langsam an.
Seit 2015 ist die Auslastung der Onshore-Windanlagen in den Stromerzeugungsdaten leicht gestiegen. Lag sie in den Jahren 2015 bis 2018 im Schnitt bei 19 Prozent, betrug sie im Zeitraum zwischen 2019 bis 2022 20,5 Prozent. Wird der Zubau in den kommenden Jahren ab 2025 beschleunigt und eine wachsende Zahl über 20 Jahre alter Anlagen vom Netz genommen, könnte die durchschnittliche Auslastung künftig schneller steigen. Bei den Offshore-Anlagen und den PV-Anlagen ist keine solche Entwicklung zu beobachten.
Abschaltungen von Windanlagen aufgrund von Stromnetzengpässen (Redispatch) oder aufgrund von Genehmigungsauflagen (Vogel-, Fledermaus- oder Lärmschutz) wirken dieser Entwicklung entgegen. Sie würden sich nur schwer quantifizieren lassen. Da diese Abschaltungen sich unmittelbar auf die tatsächliche Stromerzeugung auswirken, ist davon auszugehen, dass diese Auswirkung im Datensatz enthalten sind.
Im Vergleich zu Wind erreicht Photovoltaik (PV) in Deutschland eine deutlich niedrigere Auslastung von 10,3 Prozent. Allerdings hat der Einsatz von PV in höheren Breitengraden eine besondere Charakteristik: Die Sonnenschein-Perioden sind im Winter nur kurz, im Sommer zum Teil sehr lang. Entsprechend liegt die Auslastung der Solar-Anlagen im Winter niedrig, im Sommer hoch.
Zusammen mit der kombinierten Auslastung von Onshore- und Offshore-Wind zeigt sich der Einfluss der Photovoltaik auf die Gesamtauslastung der von uns betrachteten Erneuerbaren Stromerzeugung: Die durchschnittlichen Werte (2015 - 2022) der Auslastungen von Solar- und Windstromerzeugung gleichen sich beim aktuellen Verhältnis der installierten Leistung von Onshore, Offshore und PV-Anlagen über den Jahresverlauf prinzipiell aus. Die Gesamtauslastung schwankt nur leicht um einen Wert von ca. 17 Prozent.
Die Kombination beider Anlagen in Deutschland ist für eine erneuerbare Stromversorgung also durchaus sinnvoll, trotz der Tatsache, dass PV-Anlagen eine deutlich geringere Stromausbeute als zum Beispiel im Mittelmeerraum entwickeln.
Im Mittel zwischen 2015 und 2022 liegt die Auslastung der Offshore Anlagen bei 38,7 Prozent, die der Onshore Anlagen bei 19,7 Prozent und die der Photovoltaik-Anlagen bei 10,3 Prozent. Aktuell unterscheidet sich die installierte Leistung aller Windkraftanlagen und die installierte Leistung der PV-Anlagen nur geringfügig. Nach den Ausbauzielen ändert sich dieses Verhältnis zugunsten eines größeren Anteils der PV-Anlagen an der gesamten installierten Leistung (145 GW Wind, 215 GW PV). Es bleibt zu beobachten, wie sich dies auf den Ausgleichseffekt der beiden Erzeuger auswirkt.
Auffällig ist der starke Einbruch der durchschnittlichen Auslastung (2015-2022) von Windlagen im Zeitraum von Ende Januar bis Anfang Februar (in der Grafik oben hellgrau hinterlegt). Lediglich im Jahr 2018 war die Auslastung in diesem Zeitraum sehr hoch, bei zeitweise über 50 Prozent. In den Jahren 2017 und 2019 brach sie zeitweise auf unter 5 Prozent ein, in den anderen Jahren lag sie ebenfalls auf einem niedrigeren Niveau. Betrachtet man einen längeren Zeitraum lässt sich weiterhin ein Abfall der Auslastung der Windkraftanlagen in diesem Zeitraum beobachten, allerdings deutlich weniger stark, wie eine Auswertung des DWD der Jahre 1995-2015 zeigt.
Auch im zurückliegenden Winter ist diese „Delle“ in der Auslastung der Windkraftanlagen zu beobachten. Sie sank dabei unter den Durchschnitt der Jahre 2015-2022.
Für eine Stromerzeugung, die sich vor allem auf Wind und Sonne stützt, wäre dieser starke Einbruch im Winter eine Herausforderung. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Windräder 2030 groß genug sein wird, um einen solchen zeitlich begrenzten Einbruch auszugleichen. In einer solchen Wetterlage wäre die Stromversorgung also auf eine große Leistung anderer Energieerzeuger angewiesen. Hier wäre die Stromversorgung auf eine große Leistung anderer Erzeuger angewiesen.
Die Auslastung der Offshore-Windparks verhielt sich wie die der Onshore-Windparks: Auch sie fiel Ende Januar stark ab und sank dabei noch deutlicher unter den langjährigen Durchschnitt.
Für ein Erneuerbares Energiesystem würde das die Herausforderung weiter vergrößern: Die beiden wichtigsten erneuerbaren Stromerzeuger brächen im Winter über fast anderthalb Wochen stark ein. Hier wäre die Stromversorgung auf eine erhebliche Ausgleichsleistung anderer Erzeuger angewiesen, oder auf Importe.
Eine offene Frage ist was diesen in den vergangenen sieben Jahren regelmäßig auftretenden Einbruch verursacht.
Zusammenfassung der Auslastung
Für den Zeitraum vom 22.12.2022 bis 21.03.2023 lag die durchschnittliche Auslastung der Anlagen bei:
Die sowohl in der Auslastung von Onshore-Wind als auch von Offshore-Wind beobachtete Auslastungsdelle stellt eine Herausforderung für ein Stromversorgungssystem dar, wie es die Bundesregierung für 2030 plant. Wie groß diese Herausforderung ausfällt, kann mit einem Szenario auf Basis der verwendeten Stromerzeugungsdaten abgeschätzt werden.
Auf dieser Basis kann dann die Größenordnung für Back-ups ermittelt werden, die nötig wären, um in einer vergleichbaren Situation die Stromversorgung in Deutschland sicherzustellen.
Der Begriff Back-up fasst alle Stromerzeuger sowie Speicher zusammen, die jederzeit kurzfristig abrufbar sind. Darunter können Biomasse-Anlagen fallen, Gaskraftwerke, eingeschränkt auch Stromimporte aus unterschiedlichen Quellen, Stromspeicher - solange sie gefüllt sind - oder Wasserkraftwerke, sofern ihre Leistung geregelt werden kann. Wir gehen davon aus, dass die Back-up Leistung maximal flexibel abrufbar ist.
Die Bundesregierung geht für das Jahr 2030 von einem Bruttostrombedarf von 750 TWh aus. Windkraft- und Solaranlagen sollen davon im Jahresdurchschnitt 80 Prozent decken, also 600 TWh. Dafür sollen
installiert werden. Mit Hilfe der Stromerzeugung des zurückliegenden Winters, insbesondere der Auslastung der Anlagen, lässt sich abschätzen, welchen Anteil Wind- und Solarstrom unter diesen Bedingungen erreicht hätten. Wir gehen also in unsere Simulation von einer Wiederholung der im ersten Quartal beobachteten Wetterbedingungen aus und bewerten die Auswirkungen des Ausbaus von Wind- und Solaranlagen auf deren Anteil an der Deckung des Stromverbrauch.
In der Wissenschaft werden Szenarien über zukünftige Stromerzeugungen mithilfe von aufwendigen Wetter- und Stromerzeugungsmodellen berechnet. Für unsere Absicht, eine fundierte Einschätzung über die Stromerzeugung mit Wind- und PV-Anlagen zu entwickeln und daraus Argumente für die Diskussion über die Ausgestaltung eines Erneuerbaren Energiesystems abzuleiten, reicht es jedoch aus, ein Szenario auf Basis der historischen Stromerzeugungsdaten auf dem Wege eines Dreisatzes zu berechnen: Die historische Stromerzeugung pro installierter Leistung wird mit der für 2030 angestrebten installierten Leistung multipliziert.
Um den erhöhten Strombedarf zu berücksichtigen, wird die historische Lastkurve entsprechend nach oben verschoben.
Lastkurve bezeichnet den Strombezug aller Verbraucher, die an das Stromnetz angeschlossen sind. Nicht enthalten sind Eigenstromerzeugung von Industrieanlagen, Netzverluste oder der Eigenstrombedarf zum Beispiel von Kraftwerken.
Der Strombedarf muss dabei zu jeder Stunde im Quartal gedeckt sein. Um den Anteil von Wind- und PV-Anlagen zu simulieren, reicht es daher nicht aus, die historische Erzeugung für einem bestimmten Zeitraum auf den größeren Anlagenpark umzurechnen.
Daher wird bei der Simulation für jede Stunde berechnet:
Flexibilisierung bezeichnet eine sehr wichtige Technik für ein vor allem auf Wind- und Photovoltaik gestütztes Stromsystem. Die Idee dabei ist, dass bestimmte Verbraucher ohne Verlust von Komfort oder Funktion für eine begrenzte Zeit abgeschaltet und danach wieder eingeschaltet werden. Dazu können Kühlhäuser gehören, Wärmepumpen mit Speichern oder Ladevorgänge von Elektroautos.
Die verbliebene Lücke müssten flexible Kraftwerke, vorzugsweise auf Basis erneuerbarer Quellen wie Biomasse, Wasser oder Wasserstoff, schließen.
Im Folgenden führen wir detailliert durch die einzelnen Schritte der Simulation und gehen dabei auf wichtige Parameter ein.
Die Forschung geht davon aus, dass durch größere und effizientere Anlagen vor allem bei der Windkraft die Auslastung steigen werden. Für 2030 wird eine Steigerung der Auslastung zwischen 11 Prozent [AGORA] und 34 Prozent [DENA] für Onshore Anlagen, zwischen 8 Prozent [AGORA] und 25 Prozent [ISE] für Offshore Anlagen und zwischen 4 Prozent [DENA] und 16 Prozent [ISE] für PV-Anlagen im Vergleich zur durchschnittlichen Auslastung der zurückliegenden acht Jahre angenommen.
Da wir in den Daten bis jetzt nur eine leichte Effizienzsteigerung sehen, gehen wir in allen folgenden Berechnungen von den Unteren der in den verschiedenen Studien angenommenen Werte aus.
Die Lastkurve wird so angehoben, dass die Summe des Stromverbrauchs aller Stunden der Annahme der Bundesregierung für den Stromverbrauch 2030 entspricht.
Nach der Berechnung ergibt sich für das gesamte Quartal (ohne Einsatz von Speichern und Flexibilität):
Das Back-up müsste also über diesen kurzen Zeitraum den Großteil des Bedarfs decken.
Bei diesem Wert muss man berücksichtigen, dass die Lastkurve wie beschrieben den Nettostrombedarf erfasst. Der von der Bundesregierung vorgegebenen Wert von 750 TWh wird aber als „Bruttostromverbrauch“ angegeben. Unklar ist, wie hoch der Nettostrombedarf 2030 liegen wird. Würde er zum Beispiel 40 TWh im Jahr niedriger liegen, ergäben sich in der Simulation um 4,5 GW niedrigere Werte. Die Größenordnung bliebe jedoch erhalten, daher verwenden wir auch weiter den Wert für den Bruttostromverbrauch
Speicher und Flexibilität sind die wichtigsten zusätzlichen Technologien für die zukünftige Stromversorgung. Sie können den Bedarf für flexible Kraftwerke reduzieren. Wir gehen daher in diesem Report etwas näher auf deren Zusammenspiel ein.
Beide nähern Bedarf und Erzeugung einander an. Flexibilitäten verschieben dafür den Bedarf durch Aus- und wieder Einschalten von Verbrauchern und senken so die Lastkurve. Speicher verschieben die Erzeugung, indem sie bei Stromüberschüssen laden und bei Unterversorgung wieder entladen. Sie stützen so die Erzeugung.
Die flexible Stromnachfrage wird im Modell folgendermaßen berücksichtigt
Wie groß das Potenzial für Flexibilitäten ist und wie viel davon genutzt werden wird, ist noch weitgehend unbekannt. Viel dürfte von Anreizen für Verbraucher abhängen, oder auch von Vorgaben durch Gesetzgeber.
Nach unseren Recherchen gelten fünf Prozent Anteil am Bedarf als gut erreichbar, 10 Prozent als ambitioniert. Das wären für die Januardelle etwa 10 GW. Die Bundesnetzagentur setzt für ihre Berechnung der Stromversorgung bis 2031
einen sehr viel größeren Wert von 63 GW an.
Der Bedarf wird in der Simulation durch Flexibilitäten für jeden Tag unabhängig optimiert. Überschüsse an einem Tag können daher nicht auf den folgenden Tag übertragen werden, bei dem es möglicherweise insgesamt zu einer Unterdeckung kommt.
Die folgende Grafik zeigt, wie weit unter diesen Annahmen der maximale Leistungsbedarf für steuerbare Stromquellen mit steigender Flexibilität sinkt.
Unter den gewählten Bedingungen kann der Bedarf für die Leistung steuerbarer Stromquellen offenbar nicht beliebig reduziert werden. Während ein Verschieben des Verbrauchs in der Größenordnung von 20 GW die notwendige Last im Winter 2029/30 um gut 12 GW reduzieren könnte, lässt sich durch einen weiteren Einsatz von Flexibilitäten nur ein deutlich kleinerer Effekt erzielen, der zwischen 30 und 40 GW auf null fällt.
Werden die Bedingungen geändert, werden die Flexibilitäten zum Beispiel über mehr als 24 Stunden optimiert, dann können sich auch höhere Reduktionen ergeben. Das werden wir in einem der kommenden Ausgaben genauer beleuchten.
Als Szenario haben wir eine Flexibilität von 20 GW angesetzt.
Speicher ermöglichen ein Verschieben der Erzeugung über den Tag hinaus. Aufgrund des von uns angenommenen Speichermanagements (Laden nur, wenn Wind- und PV mehr Strom erzeugen als insgesamt verbraucht wird) haben die Speicher in den meisten Fällen allerdings kein Einfluss auf den maximalen Leistungsbedarf für steuerbare Stromquellen, da diese in längeren Phasen geringer Erzeugung von Strom aus Windkraft und Sonnenenergie zu erwarten ist. Die Speicher können in diesen Phasen nicht mehr nachgeladen werden.
Alternativ können Speicher auch durch steuerbare Kraftwerke geladen werden. Dazu zählen im kleinen Umfang Biomasse- oder Wasserkraftanlagen, aber auch Gaskraftwerke. Das könnte die maximale Back-up-Leistung weiter reduzieren, würde aber auch zu längeren Laufzeiten der Gaskraftwerke führen. Werden die Gaskraftwerke mit Erdgas betrieben, würde dadurch der CO2-Ausstoß ansteigen.
Für die Speicher gehen wir von folgenden vereinfachten Annahmen aus:
Derzeit sind im deutschen Stromnetz nach Energy Charts die folgenden Kapazitäten installiert:
Für 2030 gehen die oben genannten Studien von einer möglichen Batteriekapazität zwischen 2 GWh [AGORA] und 84 GWh [ISE] aus. Dazu gehören dann großen Netzpuffer-Batterien sowie Haushalts-Batterien. Darüber hinaus können noch bidirektional wirkende Pkw- und Lkw- Batterien genutzt werden. Können etwa 10 Prozent der Kapazitäten von 15 Millionen E-Autos genutzt werden, wären das rund 100 GWh.
Die folgende Grafik zeigt, wie sich Flexibilitäten und Speicher kombiniert als Back-up einsetzen lassen und den maximalen Leistungsbedarf für steuerbare Stromquellen beeinflussen.
Unter den gewählten Bedingungen wirken sich die beiden Back-up-Techniken unterschiedlich stark auf den maximalen Leistungsbedarf für steuerbare Stromquellen aus. Flexibilitäten haben einen größeren Einfluss auf diesen, Speicher haben einen größeren Einfluss auf den Anteil von Wind- und PV-Anlagen.
Der gemeinsame Effekt von Speichern und Flexibilität auf die Größe der tatsächlich nutzbaren Erzeugung von Wind- und PV-Anlagen ist für das 2030-Szenario noch überschaubar. Allerdings wird der Effekt bei Hinzunahme der anderen Erneuerbaren Energien schon deutlich größer. Vor allem aber bei einem noch stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2045 wird die Verfügbarkeit von Speicherkapazitäten und ein flexibler Strommarkt entscheidend für das Erreichen des angestrebten Anteils an Erneuerbaren Energien sein.
Für unsere Simulation der Stromerzeugung in der Winterdelle gehen wir als Szenario von einer installierten Batteriekapazität von 200 GWh aus.
Unter den gewählten Bedingungen wäre die Stromversorgung zwischen dem 16. Januar und dem 5. Februar so verlaufen:
Die Speicher sind schon früh leer, weil Wind- und PV-Anlagen keine Überschüsse mehr erzielen. Der Einsatz von Flexibilitäten kann die Lastkurve zum Teil deutlich senken. Es verbleibt ein erheblicher Bedarf, der in dieser Zeit nicht durch Wind- und PV-Anlagen gedeckt werden könnte. Die maximale Leistungsbedarf für steuerbare Stromquellen wird am 24. Januar erreicht. Unter den gewählten Bedingungen liegt er bei 83 GW.
Dieser Wert ist nicht als exakte Prognose zu verstehen. Er ist vielmehr ein Hinweis auf die Größenordnung, die eintreten kann, wenn die von uns angenommenen Szenarien zutreffen. Andere Szenarien - zum Beispiel mehr Flexibilitäten, Nettostrombedarf statt Bruttostrombedarf - führten zu anderen Werten; die grundsätzliche Aussage würde davon aber nicht berührt. In kommenden Ausgaben werden wir das anhand unterschiedlicher Szenarien zeigen.
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Leistung im gesamten Quartal zu der Erzeugung von Wind- und PV-Anlagen unter den von uns angenommenen Szenarien für Speicher und Flexibilitäten hinzugeschaltet werden müsste, damit der simulierte Bedarf gedeckt werden könnte. Auf der y-Achse sind die Stunden im Quartal aufgetragen, auf der x-Achse die benötigte, zusätzliche Leistung in GW. Das Quartal hat insgesamt 2160 Stunden.
Fast ein Drittel der Stunden im Quartal können Wind- und PV-Anlage den simulierten Bedarf allein decken. Die übrigen zwei Drittel sind zusätzliche Stromquellen notwendig. Dabei verteilt sich die Leistung bis 60 GW einigermaßen konstant auf die gewählten 10er-Schritte, danach fällt sie stark ab. Die Winterdelle stellt mit ihrem Bedarf von gut 80 GW das Maximum dar.
Um diese Lücke zu schließen, stehen zunächst Erneuerbare Stromerzeuger zur Verfügung, die sich wetterunabhängig einsetzen lassen: Wasser- und Biomasse-Anlagen. Ihre Stromerzeugung hängt nur vom Wasserdargebot beziehungsweise von der Energiepflanzen-Ernte oder dem Dargebot von Pflanzenresten ab. Beides lässt sich langfristiger als Wind und Sonnenschein vorausberechnen.
Im aktuellen Plan für den Ausbau der Erneuerbaren Energien spielen sie allerdings kaum eine Rolle. Ihre installierte Leistung wird sich bis 2030 voraussichtlich kaum verändern:
Es wird diskutiert, Biomasse-Anlagen künftig stärker bedarfsorientiert zu betreiben. Sie könnten dann in einer Situation wie dieser mehr Strom erzeugen und damit die Lücke verkleinern. Dafür müsste die Leistung der Biomasseanlagen erhöht werden. Das ist derzeit im EEG nicht zu erkennen.
Als Szenario nehmen wir an: Die Stromerzeugung durch diese Anlagen bleibt weitgehend gleich. Ergänzen wir zu der simulierten Leistung von Windkraft- und PV-Anlagen nun noch die tatsächlich realisierte Leistung von Wasserkraftwerken und Biomasse-Anlagen, ergeben sich folgende Werte für das gesamte Quartal:
Dies sind knapp 6 GW weniger als im Szenario ohne diese Anlagen. Wenn die Anlagen wie oben beschrieben stärker bedarfsorientiert betrieben werden, könnte die Lücke noch weiter reduziert werden, da prinzipiell deutlich über 10 GW Leistung zur Verfügung stehen.
Das EEG sieht auch Ausschreibungen für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Grünem Wasserstoff vor. Im Schnitt sollen jedes Jahr 1,1 GW Leistung ausgeschrieben werden. Damit könnten 2031 knapp 9 GW Leistung einer weiteren erneuerbaren Quelle zur Verfügung stehen. Damit fehlten in der Januar-Delle noch rund 65 GW (je nachdem welche Leistung Wasserkraft- und Biomasseanlagen in dieser Zeit beisteuern).
In Deutschland stehen derzeit etwa 30 GW Gaskraftwerke zur Verfügung. Zwischen 17 und 21 GW könnten bis 2031 hinzukommen, laut Handlungsempfehlungen der Bundesregierung zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Elektrizität.
Die verbleibende Lücke müsste durch Strom-Importe gesichert werden. Nach ENTSO-E könnten über neue, internationale Stromleitungen 2031 bis zu 40 GW Leistung nach Deutschland fließen.
Um die Winter-Delle zu schließen, müssten also eine Reihe von Elementen zusammenwirken:
Die von uns in der Simulation und in der Literatur beobachteten Werte legen nahe, dass mit Blick auf die Größenordnung der Delle genügend steuerbare Leistung vorhanden beziehungsweise geplant ist. Die Leistung der vorhandenen und steuerbaren Anlagen, zusammen mit den geplanten Anlagen sowie der potentiell möglichen Importleistung würde die in der Winterdelle benötigte maximale Back-up-Leistung sogar deutlich übersteigen.
Allerdings bleibt unklar, wie hoch die Importleistung in einer solchen Situation tatsächlich sein würde und derzeit geplante Anlagen müssen natürlich erst einmal gebaut werden.
Unsere Auswertung zeigt aber auch, dass der Bedarf ohne Stromimporte und nur mit der Hälfte der geplanten Anlagen lediglich in ca. 10 Prozent der Stunden nicht komplett gedeckt werden könnte. Wir gehen in unserer Simulation zudem davon aus, dass der Bedarf zwar im Laufe eines Tages an die Erzeugung angepasst werden kann, der Gesamtbedarf an einem Tag jedoch weiterhin dem prognostizierten Bedarf entspricht. Zusätzlich lassen sich große Verbraucher jedoch nacheinander für eine gewisse Zeit abschalten und wieder einschalten. Damit kann der Bedarf insgesamt über einen längeren Zeitraum gesenkt werden und die notwendige Back-up-Leistung weiter reduziert werden. Am Ende blieben dann in einem transformierten Energiesystem nur wenige Stunden, in denen eine zusätzliche Importleistung benötigt würde, beziehungsweise die derzeit geplanten Anlagen in vollem Umfang zur Verfügung stehen müssten.
Wichtig ist hier noch einmal zu betonen, dass die Simulation keine Prognose darstellt. Es handelt sich um eine Projektion der historischen Daten auf die Stromerzeugung im Jahr 2030 unter den angestrebten Ausbauzielen und den oben skizzierten Szenarien und Einschränkungen. Andere Szenarien können zu Werten führen, die mehrere GW von diesen abweichen. Die Größenordnung und unsere Aussage bliebe erhalten.
Alle Daten zur Stromerzeugung, zur installierten Leistung und zur Netzlast stammen von der Transparenz-Plattform des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E). Die Daten werden von den Netzbetreibern der einzelnen Länder bereitgestellt. Daten zur Erzeugung und zur Last werden mit einem Verzug von circa 2 Stunden bereitgestellt und haben eine Auflösung von 15 Minuten. Die Daten zur installierten Leistung werden nur jährlich aktualisiert.
Für die Berechnung der Auslastung verwenden wir interpolierte Werte zwischen den bereitgestellten Werten – beziehungsweise schreiben den aktuellen Wert für das laufende Jahr fort. Dies führt möglicherweise zu einer geringen Überschätzung der Auslastung, da der Erzeugung real eine etwas höhere Leistung zu Grunde liegt. Diese Abweichung ist aufgrund der geringen Ausbaugeschwindigkeit im Verhältnis zur bereits installierten Leistung sehr gering und für die qualitativen Aussagen des Reports nicht relevant.
Anders als beim Corona- oder dem Gasspeicher-Report erwarten wir bei diesem Report, dass sich von Quartal zu Quartal nur geringe Abweichungen von der langfristigen durchschnittlichen Stromerzeugung zeigen dürften. Daher planen wir, in den künftigen Ausgaben Auswertungen zu besonderen Themen in den Vordergrund zu stellen – etwa den Einfluss unterschiedlicher Annahmen über die künftige Effizienz von Windanlagen auf die simulierte Stromerzeugung oder den Einfluss unterschiedlicher Annahmen über die Flexibilitäten auf die simulierte Reduktion von Back-up-Leistungen. Das sind wichtige Parameter, um die Ergebnisse von Studien aus der Forschung oder der Beratung einordnen zu können.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
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