CO2-Grenzausgleich: Wie lässt sich die Abwanderung von Emissionen verhindern?
Am 10.12.2025 möchte die EU-Kommission Reformen für den ab 2026 geplanten CO₂-Grenzausgleich vorstellen [1]. Der sogenannte CBAM („Carbon Border Adjustment Mechanism“) soll sicherstellen, dass der internationale Handel nicht die Effektivität des Emissionshandel ETS 1 untergräbt. Insbesondere deutet sich nun eine zusätzliche Unterstützung für exportierende Unternehmen an [2]. Zeitgleich könnte außerdem ein für Ende 2025 angekündigter Bericht zum Grenzausgleich durch die EU-Kommission erscheinen, der unter anderem die Ausweitung auf nachgelagerte weiterverarbeitete Produkte und weitere Sektoren diskutiert [3].
Mit dem CBAM möchte die EU schrittweise die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an energieintensive Industrien im Emissionshandel ersetzen. Damit verfolgt sie vor allem zwei Ziele. Zum einen soll der Grenzausgleich das Risiko von Carbon Leakage verringern – also, dass CO₂-Emissionen, die in der EU durch Klimapolitik eingespart werden, einfach in andere Staaten abfließen. Das könnte sonst die Effektivität des europäischen Emissionshandels deutlich verringern. Außerdem soll er die Industrie in der EU vor Wettbewerbsnachteilen schützen. Denn durch den europäischen Emissionshandel müssen Unternehmen innerhalb der EU für verursachte Emissionen bezahlen. Darüber hinaus gibt es noch ein drittes, implizites Ziel: Andere Länder zu motivieren, ebenfalls eine CO₂-Bepreisung einzuführen, um keinen Grenzausgleich mehr für Exporte in die EU zahlen zu müssen.
Im Rahmen des European Green Deals war der Grenzausgleich 2023 beschlossen worden. Für importierte energieintensive Grundstoffe muss ab 2026 ein Preis für jede enthaltene Tonne CO₂ gezahlt werden. Allerdings gibt es zu Beginn einen Zahlungsaufschub, sodass für Güter aus 2026 erst Anfang 2027 bezahlt wird. Der CO₂-Preis an der Grenze wird graduell angepasst und soll ab 2034 exakt dem Preis innerhalb des europäischen Emissionshandels entsprechen. Parallel zum Start des CBAM wird der bisherige Schutzmechanismus zurückgefahren: Ab 2026 bekommen Unternehmen schrittweise weniger kostenlose CO₂-Zertifikate – bis sie im Jahr 2034 für all ihre Emissionen Zertifikate am Markt kaufen müssen [4]. Für die CBAM-Produkte würde in der EU dann der gleiche CO₂-Preis gelten, egal ob sie innerhalb oder außerhalb der EU hergestellt wurden. Allerdings umfasst der Grenzausgleich zunächst vor allem Grundstoffe – weiterverarbeitete Güter sind noch ausgenommen, selbst wenn sie energieintensive Grundstoffe beinhalten – etwa Stahl in importierten Autos.
Zuletzt ist der Grenzausgleich öffentlich in die Kritik geraten [5] [6]. Aus Sicht der Industrie schützt der CBAM sie in der ohnehin schon angespannten wirtschaftlichen Situation ungenügend. Hier könnte der Reformvorschlag der EU teilweise helfen, falls zukünftig exportierende EU-Unternehmen unterstützt und mehr Produkte und Sektoren einbezogen werden. Vor allem aber soll so Carbon Leakage besser unterbunden werden.
Dieses Fact Sheet erklärt, wie es zu Carbon Leakage kommen kann, ob ein CO₂-Grenzausgleich es erfolgreich verhindert, was die Schwierigkeiten dabei sind, und welche Alternativen und Reformen diskutiert werden.
Das Fact Sheet kann zudem hier als pdf heruntergeladen werden.
Das Fact Sheet von 2022 können Sie hier nachlesen.
[1] Europäische Kommission (03.12.2025): OJ 2547 - Liste des points prévus à l'ordre du jour des prochaines réunions de la Commission. Voraussichtliche Tagesordnung der nächsten Kommissionssitzung.
[2] Europäische Kommission (03.07.2025): CBAM: Commission announces plan to mitigate carbon leakage risk for exporters. Pressemitteilung.
[3] Europäische Kommission (26.02.2025): Der Deal für eine saubere Industrie: Ein gemeinsamer Fahrplan für Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung.
[4] Europäische Union (22.03.2024): Richtlinie (EU) 2023/959 des Europäischen Parlaments und des Rates. Konsolidierte Version.
[5] Industrieallianz (20.10.2025): Dringender Appell zur Reform des EU ETS und des CBAM. Brief an den Bundeskanzler
[6] Fuest C (01.10.2025): Klimapolitik, CO2-Grenzausgleich und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.
[7] Böhringer et al. (2022): Potential impacts and challenges of border carbon adjustments. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-021-01250-z.
[8] Böhringer et al. (2014): Unilateral Climate Policy: Can OPEC Resolve the Leakage Problem?. The Energy Journal. DOI: 10.5547/01956574.35.4.4.
[9] Jensen S et al. (2015): An Introduction to the Green Paradox: The Unintended Consequences of Climate Policies. Review of Environmental Economics and Policy. DOI: 10.1093/reep/rev010.
[10] Edenhofer O et al. (2012): Die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter: Politökonomische Herausforderungen an die Klimapolitik. ifo Schnelldienst.
[11] Felbermayr G et al. (2025): Trade and the environment, trade policies and environmental policies—How do they interact? Journal of Economic Surveys. DOI: 10.1111/joes.12628.
[12] Cosbey A et al. (2019): Developing Guidance for Implementing Border Carbon Adjustments: Lessons, Cautions, and Research Needs from the Literature. Review of Environmental Economics and Policy. DOI: 10.1093/reep/rey020.
[13] Europäische Union (17.10.2023): Verordnung (EU) 2023/956 zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems. Konsolidierte Version.
[14] Healy S et al. (2023): Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) in der EU. Bericht des Umweltbundesamtes.
[15] Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (23.10.2025): CBAM-Vereinfachung: 90 Prozent der betroffenen Unternehmen von CO₂-Grenzausgleich ab 2026 befreit. Pressemitteilung.
[16] Europäische Kommission (20.10.2025): Officially published: Simplifications for the Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Pressemitteilung.
[17] Europäischer Rat (29.09.2025): CBAM: Rat beschließt Vereinfachung des EU‑Instruments gegen die Verlagerung von CO₂‑Emissionen. Pressemitteilung.
[18] Perdana S et al. (2022): Making the EU Carbon Border Adjustment Mechanism acceptable and climate friendly for least developed countries. Energy Policy. DOI: 10.1016/j.enpol.2022.113245.
[19] Mörsdorf G (2022): A simple fix for carbon leakage? Assessing the environmental effectiveness of the EU carbon border adjustment. Energy Policy. DOI: 10.1016/j.enpol.2021.112596.
[20] Beaufils T et al. (2024): The Potential of Carbon Border Adjustments to Foster Climate Cooperation. Working Paper.
[21] Bellora C et al. (2023): EU in search of a Carbon Border Adjustment Mechanism. Energy Economics. DOI: 10.1016/j.eneco.2023.106673.
[22] Branger F et al. (2014): Would border carbon adjustments prevent carbon leakage and heavy industry competitiveness losses? Insights from a meta-analysis of recent economic studies. Ecological Economies. DOI: 10.1016/j.ecolecon.2013.12.010.
[23] Richter P et al. (2025): EU Climate Policy in a Globalized World. Bericht.
[24] Sogalla R (2023): Unilateral Carbon Pricing and Heterogeneous Firms. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.
[25] Dechezleprêtre A et al. (2025): Carbon Border Adjustments: The potential effects of the EU CBAM along the supply chain. OECD. DOI: 10.1787/e8c3d060-en.
[26] Clausing K et al. (2024): How Carbon Border Adjustments Might Drive Global Climate Policy Momentum. Bericht.
[27] Europäisches Parlament (2020): Trade Related Aspects of a Carbon Border Adjustment Mechanism. Legal Assessment.
[28] Campolmi A et al. (2023): Designing Effective Carbon Border Adjustment with Minimal Information Requirements. Theory and Evidence. SSRN. DOI: 10.2139/ssrn.4644941.
[29] Zhong J et al. (2022): Beggar thy neighbor? On the competitiveness and welfare impacts of the EU's proposed carbon border adjustment mechanism. Energy Policy. DOI: 10.1016/j.enpol.2022.112802.
[30] Eicke et al. (2021): Pulling up the carbon ladder? Decarbonization, dependence, and third-country risks from the European carbon border adjustment mechanism. Energy Research & Social Science. DOI: 10.1016/j.erss.2021.102240.
[31] Beaufils T et al. (2023): Assessing different European Carbon Border Adjustment Mechanism implementations and their impact on trade partners. Nature Communications Earth & Environment. DOI: 10.1038/s43247-023-00788-4.
[32] Europäische Kommission (16.10.2025): Die globale Klima- und Energievision der EU: Sicherung der Rolle Europas im weltweiten Wettbewerb und Beschleunigung der Energiewende. Mitteilung.
[33] Neuhoff K et al. (2025): Reform des CO2-Grenzausgleichs ist entscheiden für wettbewerbsfähige Industrie. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.
[34] Campolmi A et al. (03.03.2024): A proposal to refocus the EU Carbon Border Adjustment Mechanism on preventing carbon leakage.
[35] Sgaravatti G (26.11.2024): How to fill the remaining gaps in pricing the emissions of the EU’s energy-intensive industries.
[36] Jakob M et al. (2023): Comparing policy options to address export-related carbon leakage. Bericht.