CO2-Emissionen von Privatflügen seit 2019 gestiegen
Forschende haben globale Privatflüge zwischen 2019 und 2023 kartiert
Emissionen lagen demnach im Jahr 2023 höher als vor der Pandemie
unabhängige Forschende: Studie zeigt sozial ungleich verteilte Flugemissionen, Privatflüge fallen nur teilweise unter CO2-Regularien
Ein Forschungsteam hat die globalen CO2-Emissionen von Privatflügen im Zeitraum zwischen 2019 und 2023 ermittelt und die Ergebnisse im Fachjournal Communications Earth & Environment (siehe Primärquelle) veröffentlicht. Demnach sind die Emissionen zwischen 2019 und 2023 um 46 Prozent angestiegen. Im Jahr 2023 machen sie mit 15,6 Megatonnen einen Anteil von etwa 1,8 Prozent der Emissionen des kommerziellen globalen Flugverkehrs aus. Knapp die Hälfte der Flüge sind laut der Studie kürzer als 500 Kilometer.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Ungleiche Verteilung der Flugemissionen
„Die Studie verdeutlicht, wie ungleich die Emissionen des Luftverkehrs pro Kopf verteilt sind. Absolut machen die aus der Studie abgeleiteten Emissionen des privaten Flugverkehrs in Deutschland von 0,22 Megatonnen nur einen sehr kleinen Teil aus: In Deutschland belaufen sich beispielsweise die Emissionen aller Inlandsflüge auf etwa 2,2 Megatonnen CO2 im Jahr 2019 [1].“
„Die Studie untermauert, dass die Superreichen einen riesigen CO2-Fußabdruck haben: weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung nutzt Privatjets. Die ungerechte Verteilung der pro-Kopf-Emissionen weltweit zeigt sich auch an der sozio-ökonomischen Verteilung der Privatjet-Besitzer: Es sind überwiegend ältere Männer (über 55 Jahre), die im Bank-, Finanz- und Immobilienwesen arbeiten [2]. Zudem zeigt die vorliegende Studie, dass ein wesentlicher Anteil der Privatjet-Flüge für Freizeit- und Urlaubstrips genutzt wird.“
„Die Studie zeigt auf, dass sich die Emissionen und das Verkehrsaufkommen von Privatjets in den vergangenen Jahren erhöht haben. Das ist bedenklich, da dies die ungleiche Verteilung von pro-Kopf-Emissionen verstärkt. Außerdem sind viele Superreiche inzwischen auch Vorbilder oder Influencer, die es normalisieren, um die Welt zu jetten. Es ist zudem sehr fraglich, inwieweit viele dieser Privatjet-Flüge wirklich notwendig sind, da fast die Hälfte des privaten Flugverkehrs laut Studie Distanzen unter 500 Kilometer zurücklegt und die Privatjets oft für Freizeit- und Urlaubstrips genutzt werden. Angesichts wachsender Ungleichheit und zunehmender Klimakrise sollten wir den privaten Flugverkehr daher stärker regulieren.“
Regulierung der CO2-Emissionen
„Immer mehr Studien zeigen, wie ungleich die pro-Kopf-Emissionen des Luftverkehrs weltweit verteilt sind und wie eine Minderheit von laxer Regulierung profitiert. Die Privatjets fallen oft nicht unter den europäischen Emissionshandel, da dieser eine Mindestgröße und einen Mindestausstoß an Emissionen pro Jahr definiert, die Privatjets oft nicht erreichen. Sie erfahren außerdem faktisch eine Subventionierung, da sie in den meisten Ländern keine Energiesteuer oder Mehrwertsteuer zahlen müssen.“
„Für einen sozialgerechten Wandel sollten daher auch diese Flüge reguliert werden: zum Beispiel durch neue Bepreisungsinstrumente, die Verteilungseffekte berücksichtigen, wie beispielsweise eine Viel-Flieger-Abgabe (frequent flyer levy).“
Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen, und Chair for Climate Effects of Aviation, Delft University of Technology, Niederlande
Einordnung der Datenbasis
„Die Studie zeigt sehr anschaulich die Entwicklung der Nutzung von Privatflugzeugen beziehungsweise Businessjets. Die verwendeten ADS-B Daten bilden hierzu sicherlich eine ausgesprochen gute Datenquelle.“
Regulierung der CO2-Emissionen
„Meinem Verständnis nach unterliegen alle innereuropäischen Flüge der Privat- und Geschäftsluftfahrt mit Flugzeugen ab einem Gewicht von 5,7 Tonnen dem EU-Emissionshandelssystem (EU ETS), sie fallen jedoch teilweise unter Ausnahmeregelungen [3]. Des Weiteren unterliegen alle internationalen Flüge zwischen den 129 Staaten, die bereits am globalen CORSIA-System der ICAO teilnehmen und die ein Fluggerät mit einem Fluggewicht von mehr als 5,7 Tonnen haben, auch den Regelungen von CORSIA [4].“
„Die CO2-Emissionen unterliegen also internationalen Regulierungen. Eine andere und sehr berechtigte Frage ist natürlich, ob die aktuellen Regulierungen angemessen sind, die Ziele des Pariser Abkommens (1,5-Grad-Ziel) zu unterstützen. Und hier spielt natürlich die Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens, die Nutzung von alternativen Treibstoffen und neuen Flugzeugen und Verbrennungstechniken eine Rolle. Dies ist für den gesamten Luftverkehrsbereich (der die Privat- und Geschäftsluftfahrt miteinschließt) eine enorme Herausforderung [5].“
Nicht-CO2-Effekte des Fliegens
„Die Autoren sprechen sehr zu Recht die Wirkung der nicht-CO2-Effekte an. Im Allgemeinen trägt der Luftverkehr eben sowohl durch CO2-Emissionen als auch durch nicht-CO2-Effekte zur Klimaveränderung bei. Diese umfassen neben Kondensstreifen beispielsweise auch die Wirkung von Stickoxid- und Wasserdampf-Emissionen. Der Teil der Privat- und Geschäftsluftfahrt, der die angesprochenen großen Flughöhen (höher als 40.000 feet, entspricht etwa 12.000 Metern) nutzt, findet in der Stratosphäre statt, die stabil geschichtet und trocken ist. Dadurch bilden sich zwar eher keine Kondensstreifen, aber die Wirkung der Stickoxid- und Wasserdampfemissionen ist aufgrund der langen Verweildauer erheblich größer als bei niedrigeren Flugniveaus [6] [7]. Eine genaue Analyse wäre hier sicherlich spannend.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
„Die Studie beschreibt eine sehr sinnvolle und gut durchgeführte Analyse. Das Ergebnis, dass Privatflüge etwa 1,8 Prozent der Treibhausgase aller kommerziellen Flüge ausmachen, zeigt die Relevanz des Themas. Andere Sektoren verringern ihre Emissionen, aber die Luftfahrtaktivität wächst seit dem Einbruch im Jahr 2020 – die Privatflüge sogar überdurchschnittlich schnell. Die Luftfahrt und die Privatluftfahrt werden somit ein immer relevanterer klimaschädlicher Faktor.“
Einordnung der Datenbasis
„Die Verwendung von ADS-B Exchange als Datenquelle ist sehr gut und die Autoren diskutieren die Einschränkungen dieser Daten und die weiteren Unsicherheiten. Eine weitere sehr gute Quelle für Informationen zu Flugzeugtypen und Flottendaten wäre die jährlich erscheinende Publikation ‚Janes – All the World’s Aircraft‘ [8] gewesen, die in der Studie aber nicht genutzt wurde.“
„In der Studie werden zwei Kategorien leider nicht berücksichtigt: Hubschrauber, die sehr viel Energie und Treibstoff benötigen, und Militärflugzeuge, deren Anteil an den Flugemissionen größer sein könnte als der von Privatflügen. Die Emissionen von Hubschraubern und Militärflugzeugen sind aber besonders schwierig zu schätzen.“
Regulierung der CO2-Emissionen
„Sofern ich das beurteilen kann, ist die Größenordnung der Emissionen plausibel. Weil Deutschland die global viertgrößte Flotte an registrierten Privatflugzeugen hat, ist das Thema für Deutschland wichtig.“
„Bislang werden weder der Kraftstoff noch die Treibhausgasemissionen des Privatflugverkehrs besteuert. Da die Besitzer von Privatflugzeugen sehr reich sind, wäre eine Besteuerung für sie keine große Belastung – das Aktivitätsniveau würde vermutlich weiter steigen.“
„Inlandsflüge, die in Deutschland starten und landen, könnten national stärker reguliert werden – zum Beispiel mit emissions-abhängigen Gebühren. Bei internationalen Flügen müsste die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) beispielsweise Emissions- oder Kraftstoff-Besteuerung einführen. Länder könnten hier begrenzt eingreifen, indem die Flughäfen auch für internationale Flüge emissions-abhängige Gebühren einführen.“
Zukünftige Entwicklung
„Die Studie zeigt, dass die große Mehrheit der Privatflüge in den USA und in Europa stattfinden. Wenn nun insbesondere China und Indien wohlhabender werden, ist zu erwarten, dass die Anzahl der globalen Privatflüge stark wachsen wird. Auch im deutschsprachigen Raum kann von einem Anstieg ausgegangen werden – denn auch hier wächst die Anzahl sehr reicher Leute immer noch.“
„Da fast die Hälfte der Flüge kürzer als 500 Kilometer lang sind, gibt es ein großes Potenzial für Antriebe mit geringen Treibhausgasemissionen – beispielsweise Batterien oder Brennstoffzellen. Auch Biokraftstoffe oder E-Fuels aus erneuerbaren Energien können in Zukunft eine Rolle spielen. Neben dem Privatflugverkehr könnte die Raumfahrt für reiche Privatpersonen das nächste relevante Thema in diesem Bereich werden.“
„Es bestehen meines Wissens keine Interessenkonflikte.“
„Ich sehe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Gössling S et al. (2024): Private aviation is making a growing contribution to climate change. Communications Earth & Environment. DOI: 10.1038/s43247-024-01775-z.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Umweltbundesamt (2022): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2022. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2020.
[2] Imberg M et al. (2021): Spotlight on private jet owners. Wealth-X Analyse.
[3] German Emissions Trading Authority (DEHSt) (2023): Emissions trading in aviation. Fact Sheet.
[4] Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) (2024): CORSIA States for Chapter 3 State Pairs. Liste der Corsia-Mitglieder.
[5] Grewe V et al. (2021): Evaluating the climate impact of aviation emission scenarios towards the Paris agreement including COVID-19 effects. Nature Communication. DOI: 10.1038/s41467-021-24091-y.
[6] Grewe V et al. (2008): AirClim: an efficient climate impact assessment tool. Atmospheric Chemistry and Physics. DOI: 10.5194/acp-8-4621-2008.
[7] Matthes S et al. (2021): Mitigation of Non-CO2 Aviation's Climate Impact by Changing Cruise Altitudes. Aerospace. DOI: 10.3390/aerospace8020036.
[8] Janes: All The World's Aircraft: Dev & Production 22/23. Yearbook.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Eurocontrol (2024): Datasets in CSV format. Datenangebot von Eurocontrol. Abgerufen am 29.10.2024.
[II] Hungerland T et al. (2024): Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB).
Nora Wissner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Prof. Dr. Volker Grewe
Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen, und Chair for Climate Effects of Aviation, Delft University of Technology, Niederlande
Dr. Jonathan Köhler
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe